Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.08.2011, Az. V R 19/10

5. Senat | REWIS RS 2011, 4064

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Gegenstand

Innergemeinschaftliche Lieferung: Beteiligung an Steuerhinterziehung - Bindung des BFH an die Zulassung der Revision - Gestaltungswahlrecht des Unternehmers


Leitsatz

Beteiligt sich ein Unternehmer wissentlich an einem "strukturierten Verkaufsablauf", der darauf abzielt, die nach der Richtlinie 77/388/EWG geschuldete Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsmitgliedstaat durch Vortäuschen einer differenzbesteuerten Lieferung zu verdecken, ist die Lieferung nicht nach § 6a UStG steuerfrei (Anschluss an EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15) .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, verkaufte und vermietete im Zeitraum [X.]eptember bis Dezember 2005 PKW.

2

[X.]inziger Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin war [X.]. [X.] war darüber hinaus auch Geschäftsführer und Alleingesellschafter der in den [X.] ansässigen [X.]-B[X.] ([X.]), einer Kapitalgesellschaft [X.] Rechts. Die [X.] war zu 99 % an der in [X.] ansässigen [X.] ([X.]), einer Kapitalgesellschaft [X.] Rechts, beteiligt.

3

[X.] bot in [X.] PKW zum [X.]erkauf an. Zwischen [X.] und der in [X.]panien ansässigen [X.]-[X.]L ([X.]), einer Kapitalgesellschaft [X.] Rechts, bestand ein "Provisionsvermittlungsvertrag", aufgrund dessen [X.] in [X.] Abnehmer für Fahrzeuge warb, an die [X.] die Fahrzeuge verkaufte. Die an die in [X.] ansässigen Abnehmer verkauften PKW erwarb [X.] von der Klägerin, die diese Fahrzeuge ihrerseits entweder von [X.] oder von anderen Händlern erwarb, wenn [X.] einen Abnehmer in [X.] gefunden hatte. Die Differenz zwischen [X.]in- und [X.]erkaufspreis der [X.] belief sich auf ca. 500 € pro PKW.

4

[X.]oweit die Klägerin die Fahrzeuge von [X.] erwarb, war ihrem Geschäftsführer, [X.], der Weiterverkauf durch [X.] auf [X.]ermittlung von [X.] an den jeweiligen [X.] Abnehmer aufgrund eines "Winst-[X.]erdeling" genannten [X.]ermerks, aus dem sich auch der jeweilige Kaufpreis ergab, bekannt. Bei den PKW handelte es sich sowohl um Neu- als auch um Gebrauchtfahrzeuge.

5

Bei Neufahrzeugen veranlasste die Klägerin die Zulassung des PKW auf sich selbst und versicherte die Fahrzeuge. Mit den [X.] Käufern der PKW schloss die Klägerin eine "Kraftfahrzeugüberlassungsvereinbarung" und einen "Mietvertrag" für sechs Monate ab, ohne dass dabei Mietzahlungen vereinbart wurden. Die Klägerin übergab die PKW im Inland an zwei Personen, für die [X.] erst nach Abwicklung der streitigen Fahrzeuglieferungen schriftliche "Überführungsvollmachten" erteilte. Die beiden Bevollmächtigten brachten die PKW nach [X.] zu [X.], die die PKW dort den [X.] Abnehmern gegen Zahlung des Kaufpreises an [X.] übergab. [X.] leitete die Kaufpreiszahlungen an [X.] weiter.

6

Nach Ablauf von sechs Monaten meldete die Klägerin die PKW ab und erteilte [X.] eine Rechnung über eine innergemeinschaftliche Lieferung eines [X.]. Zeitgleich überwies [X.] den von den [X.] Abnehmern gezahlten Kaufpreis an [X.] zurück. [X.] leitete die Zahlung an [X.] weiter. [X.] überwies den ihr in Rechnung gestellten Kaufpreis an die Klägerin. Mit zwei Ausnahmen wurden alle Fahrzeuge auf die Abnehmer in [X.] zugelassen. In zwei Fällen wurden PKW auf Käufer in den [X.] zugelassen.

7

Die Klägerin behandelte die PKW-[X.]erkäufe an [X.] als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. [X.]ie zeichnete die der [X.] erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf. Weiter verfügte die Klägerin jeweils über eine [X.]ersicherung der [X.], die Fahrzeuge nach [X.]/[X.]panien zu verbringen und dort der [X.]rwerbsbesteuerung zu unterwerfen. Tatsächlich wendete [X.] auf den [X.]erkauf an die [X.] Abnehmer nur die Differenzbesteuerung an.

8

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) ging im [X.] an eine Umsatzsteuer-[X.]onderprüfung davon aus, dass die PKW aufgrund eines Gesamtplans direkt an die [X.] [X.]ndabnehmer geliefert wurden. [X.] sei nur zum [X.]chein in die Lieferkette einbezogen worden, um innergemeinschaftliche Lieferungen vorzutäuschen. [X.] sei keine [X.]erfügungsmacht verschafft worden. Tatsächliche Abnehmer seien die [X.] [X.]ndkunden gewesen. Die [X.]inschaltung der [X.] sei wirtschaftlich unsinnig gewesen und habe nur der Umsatzsteuerhinterziehung gedient. Das [X.] ging daher von steuerpflichtigen Lieferungen im Inland aus und änderte dementsprechend die Umsatzsteuer-[X.]orauszahlungsbescheide [X.]eptember bis Dezember 2005 durch die [X.] vom 22. Juni 2007. Der hiergegen eingelegte [X.]inspruch hatte keinen [X.]rfolg.

9

Demgegenüber gab das Finanzgericht ([X.]) der Klage statt. Abnehmer der Lieferungen sei [X.] gewesen. Die zivilrechtlichen [X.]ereinbarungen hätten zwischen der Klägerin und [X.] bestanden. Die Klägerin habe die PKW an Bevollmächtigte der [X.] ausgehändigt. [X.] habe die in den Rechnungen der Klägerin ausgewiesenen Kaufpreise an die Klägerin gezahlt. Die [X.] Abnehmer hätten die [X.]erfügungsmacht von [X.] erhalten. Dass [X.] keinen innergemeinschaftlichen [X.]rwerb versteuert, sondern auf die Lieferungen an die [X.] Abnehmer die Differenzbesteuerung angewendet habe, spreche nicht gegen eine Abnehmerstellung der [X.]. Unerheblich sei der "strukturierte [X.]erkaufsablauf" und die der Klägerin bekannte "Winst-[X.]erdeling", nach der sich für [X.] [X.] von ca. 500 € aus den einzelnen PKW-[X.]erkäufen ergeben habe. [X.]s lägen keine Anhaltspunkte vor, dass [X.] die Fahrzeuge an die [X.] Abnehmer verkauft habe. Hierfür spreche auch nicht die Bezahlung, da [X.] keine Zahlungen an die Klägerin geleistet habe. Die Klägerin habe den Beleg- und [X.] erbracht. Zumindest seien die Lieferungen nach der objektiven Beweislage steuerfrei, da die Klägerin die PKW an [X.] als Unternehmer geliefert habe und aufgrund der Zulassungsbescheinigungen feststehe, dass die Fahrzeuge nach [X.] und in zwei Fällen in die [X.] gelangt seien. [X.]inen Antrag des [X.] auf Tatbestandsberichtigung lehnte das [X.] ab.

Das Urteil des [X.] ist in "[X.]ntscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1930 veröffentlicht.

Mit seiner Revision macht das [X.] [X.]erletzung materiellen Rechts geltend. Die Klägerin sei mit ihren Umsätzen in ein Betrugsmodell eingebunden gewesen und habe an [X.]erschleierungsmaßnahmen zur [X.]ermeidung der [X.]rwerbsbesteuerung im Bestimmungsland [X.] kollusiv mitgewirkt. [X.] sei zur Anwendung der Differenzbesteuerung nicht befugt gewesen. Nach den den Mitgliedstaaten gemäß Art. 28c Teil A der [X.]echsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.]WG (Richtlinie 77/388/[X.]WG) zustehenden Befugnissen und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichthofs der [X.]uropäischen Union ([X.]uGH) seien die Lieferungen steuerpflichtig.

Das [X.] beantragt sinngemäß, das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision hätte nicht zugelassen werden dürfen. Auch aus der Revisionsbegründung des [X.] ergebe sich keine grundsätzliche Bedeutung. Das [X.] habe sich nicht mit Haupt- und Hilfsbegründung des [X.] auseinandergesetzt. Zumindest sei die Revision unbegründet. Die [X.]achverhaltswürdigung sei [X.]ache des [X.], an die der [X.] ([X.]) mangels geltend gemachter [X.]erfahrensfehler gebunden sei. Nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] habe sich die Klägerin keines Rechts- oder [X.]ystemmissbrauchs schuldig gemacht. [X.]s lägen auch keine Feststellungen vor, nach denen sich ihr Geschäftsführer an der [X.]ermeidung einer [X.]rwerbsbesteuerung auch beteiligt habe. Das [X.] habe weiter festgestellt, dass sie, die Klägerin, den Beleg- und [X.] erbracht habe. [X.]in strafrechtlicher [X.]orwurf gegen den Geschäftsführer sei nicht einmal ansatzweise dargelegt worden. Die zuständige [X.]taatsanwaltschaft habe in einem [X.]trafverfahren sogar Freispruch für den Geschäftsführer beantragt. Die [X.] und [X.] Finanzbehörden hätten die [X.]ache nicht weiter verfolgt. [X.]on einem kollusiven Zusammenwirken könne keine Rede sein. Der vom [X.]uGH entschiedene Fall sei mit dem [X.]treitfall, weil eine Hinterziehung nicht vorliege, nicht vergleichbar. [X.]s stehe ihr frei, ein steuerlich optimales [X.]rgebnis zu erzielen.

Entscheidungsgründe

II. A) Die [X.]evision des [X.] ist entgegen der Auffassung der Klägerin zulässig. Das [X.] ma[X.]ht mit seiner [X.]evision ausdrü[X.]kli[X.]h eine [X.]erletzung von Bundesre[X.]ht dur[X.]h eine unzutreffende Auslegung von § 6a des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (U[X.]tG) geltend und wendet si[X.]h sowohl gegen die vom [X.] bejahte [X.]teuerfreiheit aufgrund eines Beleg- und [X.]es als au[X.]h gegen die vom [X.] angenommene [X.]teuerfreiheit na[X.]h der objektiven Beweislage. Dass si[X.]h das [X.] daneben au[X.]h no[X.]h zu einzelnen [X.] des § 115 der Finanzgeri[X.]htsordnung ([X.]O) geäußert hat, steht der Zulässigkeit der [X.]evision na[X.]h § 120 Abs. 2 [X.]O ni[X.]ht entgegen. Weiter kann gegen die Zulassung der [X.]evision ni[X.]ht eingewendet werden, dass das [X.] die [X.]evision mangels [X.] ni[X.]ht habe zulassen dürfen (vgl. § 115 Abs. 3 [X.]O).

B) Die [X.]evision des [X.] ist au[X.]h begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 [X.]atz 1 Nr. 1 [X.]O). Die Lieferungen der Klägerin sind ni[X.]ht als innergemeins[X.]haftli[X.]he Lieferungen steuerfrei.

1. Innergemeins[X.]haftli[X.]he Lieferungen sind unter den [X.]oraussetzungen von § 6a U[X.]tG steuerfrei.

a) Die [X.]teuerfreiheit für die innergemeins[X.]haftli[X.]he Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 U[X.]tG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige [X.]sgebiet befördert oder versendet. Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristis[X.]he Personen weitere, in der Person des [X.]rwerbers zu erfüllende [X.]oraussetzungen. Na[X.]h § 6a Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 Bu[X.]hst. a und b, [X.] U[X.]tG muss es si[X.]h beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristis[X.]he Person handeln, die ni[X.]ht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung ni[X.]ht für ihr Unternehmen erworben hat; der [X.]rwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den [X.]ors[X.]hriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

Die [X.]teuerfreiheit beruht auf Art. 28[X.] Teil A Bu[X.]hst. a Unterabs. 1 der [X.]/[X.]. Dana[X.]h sind steuerfrei "a) die Lieferungen von Gegenständen im [X.]inne des Artikels 5, die dur[X.]h den [X.]erkäufer oder dur[X.]h den [X.]rwerber oder für ihre [X.]e[X.]hnung na[X.]h Orten außerhalb des in Artikel 3 bezei[X.]hneten Gebietes, aber innerhalb der [X.] versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen [X.]teuerpfli[X.]htigen oder an eine ni[X.]htsteuerpfli[X.]htige juristis[X.]he Person bewirkt werden, der/die als sol[X.]her/sol[X.]he in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des [X.]ersands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

b) Der Unternehmer hat die [X.]oraussetzungen der [X.]teuerfreiheit na[X.]h § 6a Abs. 1 U[X.]tG gemäß § 6a Abs. 3 U[X.]tG i.[X.].m. §§ 17a ff. der [X.] 1999/2005 dur[X.]h Belege und bu[X.]hmäßige Aufzei[X.]hnungen na[X.]hzuweisen. Dieser Beleg- und [X.] beruht auf dem ersten [X.]atzteil des Art. 28[X.] Teil A der [X.]/[X.] (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 [X.], [X.], 264, [X.], 511, unter [X.]). Dana[X.]h legen die Mitgliedstaaten Bedingungen "zur Gewährleistung einer korrekten und einfa[X.]hen Anwendung der na[X.]hstehenden Befreiungen sowie zur [X.]erhütung von [X.]teuerhinterziehung, [X.]teuerumgehung und Mißbrau[X.]h" fest, wobei sie die Grundsätze der [X.]e[X.]htssi[X.]herheit, der [X.]erhältnismäßigkeit und des [X.]ertrauenss[X.]hutzes zu bea[X.]hten haben ([X.]-Urteil vom 7. Dezember 2010 [X.]/09, [X.], Umsatzsteuer-[X.]unds[X.]hau --U[X.]-- 2011, 15 [X.]dnr. 45). Der Unternehmer hat den Beweis für die [X.]teuerfreiheit eins[X.]hließli[X.]h der von den Mitgliedstaaten aufgestellten Bedingungen zu erbringen ([X.]-Urteil [X.] in U[X.] 2011, 15 [X.]dnr. 46).

[X.]) [X.]rbringt der Unternehmer den Beleg- und [X.] ni[X.]ht vollständig, erweisen si[X.]h [X.] als unzutreffend oder bestehen bere[X.]htigte und ni[X.]ht dur[X.]h den Unternehmer ausgeräumte Zweifel an der inhaltli[X.]hen [X.]i[X.]htigkeit der Angaben (vgl. BFH-Urteile in [X.], 264, [X.], 511, unter [X.]; vom 17. Februar 2011 [X.] [X.] 28/10, [X.], 1448, unter II.2.[X.]), ist die Lieferung steuerpfli[X.]htig, wenn diese Mängel den "si[X.]heren Na[X.]hweis" der materiellen Anforderungen verhindern ([X.]-Urteil vom 27. [X.]eptember 2007 [X.]/05, [X.], [X.]lg. 2007, [X.] [X.]dnr. 31).

Darüber hinaus ist die Lieferung au[X.]h steuerpfli[X.]htig, wenn --obwohl die [X.]oraussetzungen für die [X.]teuerfreiheit der innergemeins[X.]haftli[X.]hen Lieferung objektiv vorliegen-- der [X.]teuerpfli[X.]htige unter [X.]erstoß gegen die auf dem ersten [X.]atzteil des Art. 28[X.] Teil A der [X.]/[X.] beruhenden Pfli[X.]hten zum Beleg- und [X.] die Identität des [X.]rwerbers vers[X.]hleiert, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermögli[X.]hen ([X.]-Urteil [X.] in U[X.] 2011, 15 [X.]dnr. 51 und Leitsatz; BFH-Urteile in [X.], 1448, und vom 17. Februar 2011 [X.] [X.] 30/10, [X.], 1451, jeweils unter II.2.[X.]).

2. Die Klägerin ist na[X.]h diesen Grundsätzen entgegen dem [X.]-Urteil ni[X.]ht bere[X.]htigt, die [X.]teuerfreiheit ihrer Lieferungen aufgrund der na[X.]hweisli[X.]h objektiv vorliegenden [X.]oraussetzungen hierfür zu beanspru[X.]hen. [X.]elbst wenn zugunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, dass --unter Berü[X.]ksi[X.]htigung der BFH-[X.]e[X.]htspre[X.]hung zur Bestimmung des Abnehmers (BFH-Urteile in [X.], 1448, und in [X.], 1451, jeweils unter [X.] im [X.] Abnehmer der Lieferungen der Klägerin war, sind die Lieferungen der Klägerin aufgrund ihrer Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung steuerpfli[X.]htig.

a) Der [X.] begründet in seinem Urteil [X.] in U[X.] 2011, 15 die [X.]teuerpfli[X.]ht trotz [X.]orliegens der objektiven [X.]oraussetzungen für die [X.]teuerfreiheit der innergemeins[X.]haftli[X.]hen Lieferung damit, dass die [X.]orlage von [X.][X.]heinre[X.]hnungen oder die Übermittlung unri[X.]htiger Angaben sowie sonstige Manipulationen die genaue [X.]rhebung der [X.]teuer verhindern und das ordnungsgemäße Funktionieren des Mehrwertsteuersystems in Frage stellen. Das Ausstellen unri[X.]htiger [X.]e[X.]hnungen bere[X.]htigt dabei die Mitgliedstaaten aufgrund der ihnen na[X.]h dem ersten [X.]atzteil des Art. 28[X.] Teil A der [X.]/[X.] eingeräumten Befugnisse, die [X.]teuerfreiheit zu versagen, wobei die Grundsätze der [X.]erhältnismäßigkeit, der Neutralität, der [X.]e[X.]htssi[X.]herheit und des [X.]ertrauenss[X.]hutzes der [X.]teuerpfli[X.]ht ni[X.]ht entgegenstehen, wenn si[X.]h der Lieferer dadur[X.]h vorsätzli[X.]h an einer [X.]teuerhinterziehung beteiligt, dass er die Identität des wahren [X.]rwerbers vers[X.]hleiert, um diesen zu ermögli[X.]hen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen ([X.]-Urteil [X.] in U[X.] 2011, 15 [X.]dnrn. 48 bis 55). Dementspre[X.]hend geht au[X.]h das [X.] ([X.]) davon aus, dass "die [X.]teuerfreiheit jedenfalls ni[X.]ht eingreift, wenn die [X.] in einem anderen Mitgliedstaat unterlaufen wird" ([X.]-Bes[X.]hluss vom 16. Juni 2011  2 Bv[X.] 542/09, unter [X.]). Maßgebli[X.]h ist insoweit der zwis[X.]hen innergemeins[X.]haftli[X.]her Lieferung und innergemeins[X.]haftli[X.]hem [X.]rwerb bestehende Besteuerungszusammenhang und die damit bezwe[X.]kte [X.]erlagerung des [X.]teueraufkommens auf den Bestimmungsmitgliedstaat dur[X.]h die dort beim Abnehmer als [X.]teuers[X.]huldner vorzunehmende Besteuerung (BFH-Urteile in [X.], 1448, und in [X.], 1451, jeweils unter [X.] und 3.).

b) Im [X.]treitfall hat si[X.]h die Klägerin über ihren Ges[X.]häftsführer [X.] mit ihren Lieferungen wissentli[X.]h an einem auf Umsatzsteuerhinterziehung angelegten Ges[X.]häftsmodell beteiligt, das das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gefährdet, und kann daher für diese Lieferungen ni[X.]ht die [X.]teuerfreiheit na[X.]h § 6a U[X.]tG beanspru[X.]hen.

aa) Die Klägerin hat Fahrzeuge erworben, auf die die [X.]egelungen über die Differenzbesteuerung na[X.]h nationalem [X.]e[X.]ht wie na[X.]h der [X.]/[X.] ni[X.]ht anwendbar waren.

Die Lieferung von Gegenständen unterliegt nur dann der Differenzbesteuerung, wenn für die Lieferung des Gegenstandes an den Unternehmer, der die Differenzbesteuerung anwendet (Wiederverkäufer) gemäß § 25a Abs. 1 Nr. 2 U[X.]tG "Umsatzsteuer ni[X.]ht ges[X.]huldet oder na[X.]h § 19 Abs. 1 U[X.]tG ni[X.]ht erhoben" oder "die Differenzbesteuerung vorgenommen wurde", wobei letzteres zu [X.]e[X.]ht erfolgt sein muss (vgl. BFH-Urteil vom 23. April 2009 [X.] [X.] 52/07, [X.], 123, [X.], 860, Leitsatz). Die glei[X.]hen [X.]oraussetzungen bestehen im Unionsre[X.]ht, das in Art. 26a Teil [X.] 2 der [X.]/[X.] für die Anwendung der Differenzbesteuerung darauf abstellt, dass die Gegenstände an den Wiederverkäufer "von einem Ni[X.]htsteuerpfli[X.]htigen", "von einem anderen [X.]teuerpfli[X.]htigen, sofern die Lieferung des Gegenstandes gemäß Artikel 13 Teil [X.]. [X.] von der [X.]teuer befreit ist", "von einem anderen [X.]teuerpfli[X.]htigen, sofern für die Lieferung des Gegenstandes dur[X.]h diesen anderen [X.]teuerpfli[X.]htigen die [X.]teuerbefreiung na[X.]h Artikel 24 gilt und es si[X.]h um ein Investitionsgut handelt" oder "von einem anderen steuerpfli[X.]htigen Wiederverkäufer, sofern die Lieferung dur[X.]h diesen anderen steuerpfli[X.]htigen Wiederverkäufer gemäß dieser [X.]onderregelung mehrwertsteuerpfli[X.]htig ist", geliefert werden.

Im [X.]treitfall hat die Klägerin die Fahrzeuge na[X.]h den für den [X.]enat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 [X.]O) von anderen Händlern ohne Anwendung der Differenzbesteuerung erworben, so dass die Weiterlieferung dur[X.]h die Klägerin wie au[X.]h weitere Ans[X.]hlusslieferungen ni[X.]ht der Differenzbesteuerung unterlagen.

bb) Bei der innergemeins[X.]haftli[X.]hen Weiterlieferung der Fahrzeuge erteilte die Klägerin [X.]e[X.]hnungen an [X.] über na[X.]h § 6a U[X.]tG steuerfreie Lieferungen, während [X.] für die von [X.] vermittelten [X.]erkäufe an die französis[X.]hen und niederländis[X.]hen "[X.]ndabnehmer" [X.]e[X.]hnungen über differenzbesteuerte Lieferungen ausstellte. [X.] unterließ demgegenüber die im Mitgliedstaat der Beendigung der Beförderung na[X.]h Art. 28b Teil [X.] 1 der [X.]/[X.] ges[X.]huldete Besteuerung des innergemeins[X.]haftli[X.]hen [X.]rwerbs (Art. 28a der [X.]/[X.]). Damit wurde in der von der Klägerin angenommenen Lieferkette (Klägerin an [X.] und [X.] an "[X.]ndabnehmer") ein na[X.]h der [X.]/[X.] ni[X.]ht bestehender "[X.]teuervorteil" dadur[X.]h in Anspru[X.]h genommen, dass die in Frankrei[X.]h und den [X.] aufgrund der Lieferungen der Klägerin bestehende [X.]erpfli[X.]htung zur [X.] dur[X.]h das [X.]ortäus[X.]hen einer differenzbesteuerten Lieferung verde[X.]kt wurde.

Dies erfolgte --worauf der [X.]enat in der mündli[X.]hen [X.]erhandlung ausdrü[X.]kli[X.]h hingewiesen [X.] im [X.]ahmen eines Ges[X.]häftsmodells, das dur[X.]h Hinterziehung der na[X.]h der [X.]/[X.] ges[X.]huldeten [X.] darauf angelegt war, das ordnungsgemäße Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in Frage zu stellen und dazu diente, die [X.] zu unterlaufen. Denn der Fahrzeugvermittler [X.] und die Klägerin als [X.] waren nahestehende Personen, da der Gesells[X.]hafter/Ges[X.]häftsführer der Klägerin, [X.], Alleingesells[X.]hafter und einziger Ges[X.]häftsführer der [X.] war, die ihrerseits zu 99 % an [X.] beteiligt war. Die [X.]ins[X.]haltung der [X.] beruhte daher ni[X.]ht auf wirts[X.]haftli[X.]hen [X.]rwägungen, sondern diente auss[X.]hließli[X.]h dazu, dur[X.]h Ausstellen von [X.]e[X.]hnungen über differenzbesteuerte Lieferungen der Besteuerung des innergemeins[X.]haftli[X.]hen [X.]rwerbs faktis[X.]h zu entgehen.

[X.][X.]) Die Klägerin hat si[X.]h au[X.]h wissentli[X.]h an der Hinterziehung der [X.] beteiligt. Denn wie sie selbst ausführt, hatte sie über ihren Ges[X.]häftsführer "Kenntnis von jedem einzelnen Ges[X.]häftsvorfall" und "hat die maßgebli[X.]hen Fahrzeuge erst dann selbst angekauft, wenn der [X.]ndabnehmer, vorliegend der französis[X.]he [X.]ndkunde, seinerseits den Kaufvertrag abges[X.]hlossen hatte", so dass die angestrebte Lieferkette ([X.]rwerb dur[X.]h die Klägerin, Lieferung an [X.] und an "[X.]ndabnehmer") erst in Gang gesetzt wurde, wenn [X.] einen potentiellen Kunden für ein bestimmtes Fahrzeug gefunden hatte. Zudem hat si[X.]h die Klägerin in Kenntnis des "strukturierten [X.]erkaufsablaufs", und in Übernahme der "bewusst sa[X.]hli[X.]h fals[X.]hen" Angaben der [X.] zum Bestimmungsort der Fahrzeuge in Bar[X.]elona/ [X.]panien an der Hinterziehung der na[X.]h der [X.]/[X.] in Frankrei[X.]h und den [X.] ges[X.]huldeten [X.] beteiligt. Ob zuglei[X.]h au[X.]h eine [X.]teuerhinterziehung im Inland vorliegt, ist dabei für die umsatzsteuerre[X.]htli[X.]he Beurteilung ebenso unerhebli[X.]h wie die Frage, wie das Handeln des [X.] strafre[X.]htli[X.]h zu würdigen ist.

dd) Ohne Bedeutung ist, ob die Klägerin, wie sie darlegt, davon ausging, dass na[X.]h spanis[X.]hem [X.]e[X.]ht --im Gegensatz zum U[X.]tG und zur [X.]/[X.]-- ein aufgrund einer steuerfreien innergemeins[X.]haftli[X.]hen Lieferung erworbener Gegenstand im [X.]ahmen der Differenzbesteuerung weitergeliefert werden könne. [X.]elbst wenn die [X.]e[X.]htsauffassung der Klägerin in Bezug auf die Beurteilung des spanis[X.]hen [X.]e[X.]hts zuträfe, wäre dies unerhebli[X.]h, da die Fahrzeuge, wie zwis[X.]hen den Beteiligten unstreitig ist, im [X.]treitfall nie na[X.]h [X.]panien gelangt sind und daher [X.]panien als ein für Besteuerung maßgebli[X.]her Leistungsort für eine ggf. der Differenzbesteuerung unterliegende Lieferung von vornherein auss[X.]heidet. Daher kommt au[X.]h der Behauptung der Klägerin, sie habe "in dem guten Glauben gehandelt, dass der Ablauf der Ges[X.]häftsbeziehung legal ist", keine Bedeutung zu, zumal sie si[X.]h das Wissen ihres Ges[X.]häftsführers [X.] zure[X.]hnen lassen muss (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 2010 XI [X.] 78/07, BFH/N[X.] 2010, 2132, unter II.2.b bb).

Ohne [X.]rfolg ma[X.]ht die Klägerin für die [X.]teuerfreiheit ihrer Lieferungen s[X.]hließli[X.]h geltend, es stehe ihr "frei, die [X.]e[X.]htsbeziehungen so auszugestalten, dass unter Bea[X.]htung der spanis[X.]hen Umsatzsteuervors[X.]hriften insgesamt Umsatzsteuer eingespart und so das Ges[X.]häft positiv beeinflusst werden" konnte. Zwar können die [X.]teuerpfli[X.]htigen na[X.]h der [X.]e[X.]htspre[X.]hung des [X.] "die Organisationsstrukturen und die Ges[X.]häftsmodelle, die sie als für ihre wirts[X.]haftli[X.]hen Tätigkeiten und zur Begrenzung ihrer [X.]teuerlast am besten geeignet era[X.]hten, im Allgemeinen frei wählen" und hat "der [X.]teuerpfli[X.]htige, wenn er die Wahl zwis[X.]hen vers[X.]hiedenen Umsätzen hat, das [X.]e[X.]ht ..., seine Tätigkeit so zu gestalten, dass er seine [X.]teuers[X.]huld in Grenzen hält" ([X.]-Urteil vom 22. Dezember 2010 [X.]/09, [X.]B[X.] Deuts[X.]hland, U[X.] 2011, 222 [X.]dnrn. 53 f.). [X.]ine derartige Wahlmögli[X.]hkeit bestand aber im [X.]treitfall ni[X.]ht. Denn die von der Klägerin gelieferten Fahrzeuge unterlagen ni[X.]ht der Differenzbesteuerung, wobei hinsi[X.]htli[X.]h der Weiterlieferung der Fahrzeuge au[X.]h kein [X.]e[X.]ht auf "Option" zur Differenzbesteuerung bestand (vgl. au[X.]h BFH-Urteil in [X.], 123, [X.], 860, unter II.1.[X.] bb).

3. Die [X.]a[X.]he ist spru[X.]hreif. Die Klage ist abzuweisen, da der Klägerin die [X.]teuerfreiheit na[X.]h § 6a U[X.]tG für die von ihr ausgeführten Lieferungen entgegen dem [X.]-Urteil, das bei seiner [X.]nts[X.]heidung das [X.]-Urteil [X.] in U[X.] 2011, 15 ni[X.]ht berü[X.]ksi[X.]htigen konnte, unter keinem denkbaren Gesi[X.]htspunkt zusteht.

Für ein [X.]orabents[X.]heidungsersu[X.]hen an den [X.] besteht kein Anlass. Zwar ergibt si[X.]h --worauf der [X.]enat im Urteil in [X.], 1451, unter [X.] hingewiesen [X.] aus dem [X.]-Urteil [X.] in U[X.] 2011, 15 ni[X.]ht, ob eine [X.]teuerpfli[X.]ht der innergemeins[X.]haftli[X.]hen Lieferung trotz [X.]orliegens der hierfür zu erfüllenden [X.]oraussetzungen in Betra[X.]ht kommt, wenn dem Unternehmer --ohne über die Identität des Abnehmers zu täus[X.]hen-- nur bekannt ist, dass der Abnehmer, den er na[X.]h seinen Belegen und bu[X.]hmäßigen Aufzei[X.]hnungen als Abnehmer führt, seine steuerli[X.]hen [X.]erpfli[X.]htungen im Bestimmungsmitgliedstaat ni[X.]ht erfüllt. Keine unionsre[X.]htli[X.]hen Zweifel bestehen na[X.]h der [X.]e[X.]htspre[X.]hung des [X.] aber für die im [X.]treitfall vorliegende Fallgestaltung, bei der dem Lieferer --hier der [X.] ni[X.]ht nur bekannt war, dass der Abnehmer --hier [X.]-- seine [X.]erpfli[X.]htung zur [X.] in Frankrei[X.]h und den [X.] ni[X.]ht erfüllt hat, sondern sie im [X.]ahmen des von ihrem Gesells[X.]hafter/Ges[X.]häftsführer auf Umsatzsteuerhinterziehung angelegten Ges[X.]häftsmodells Lieferungen in Kenntnis und Billigung der maßgebli[X.]hen Umstände ausgeführt hat.

Meta

V R 19/10

11.08.2011

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 29. April 2010, Az: 16 K 10297/07, Urteil

§ 6a UStG 1999, § 6a UStG 2005, § 25a UStG 1999, § 25a UStG 2005, Art 28c EWGRL 388/77, § 115 Abs 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.08.2011, Az. V R 19/10 (REWIS RS 2011, 4064)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4064

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2 BvR 542/09

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