Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.11.2012, Az. XI R 17/12

11. Senat | REWIS RS 2012, 1459

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Gegenstand

Vertrauensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen - Umfang der Sorgfaltspflichten eines Unternehmers - Nachweis des Bestimmungsorts


Leitsatz

1. Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift des Abholers unter der Empfangsbestätigung auf der Rechnung und der Unterschrift auf dem vorgelegten Personalausweis können Umstände darstellen, die den Unternehmer zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers veranlassen müssen .

2. An die Nachweispflichten sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der (angeblichen) innergemeinschaftlichen Lieferung eines hochwertigen PKW ein Barkauf mit Beauftragten zugrunde liegt .

3. Die innergemeinschaftliche Lieferung von hochwertigen PKW bei Abholung durch einen Beauftragten gegen Barzahlung birgt eine umsatzsteuerrechtliche Missbrauchsgefahr. Der Unternehmer muss daher alle ihm zur Verfügung stehenden, zumutbaren Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, ergriffen haben, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betrieb im [X.]treitjahr 2003 einen Kraftfahrzeughandel. [X.]ie lieferte am 22. Januar 2003 einen [X.] [X.] 4[X.] Coupe umsatzsteuerfrei zum Preis von ... € an die in [X.] ansässige "Abnehmerin" [X.] mit [X.]itz in [X.] Das Fahrzeug wurde durch Vermittlung einer Firma [X.] durch einen [X.]evollmächtigten bei der Klägerin abgeholt, der den Kaufpreis bar bezahlte. Als [X.] trat ein Herr mit dem Namen [X.] auf, von dem sich die Klägerin eine Kopie des [X.]es vorlegen ließ. Die Empfangsbestätigung auf der Rechnung beinhaltet den handschriftlichen Vermerk "Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 21.01.2003 nach [X.] ausgeführt" und ist mit dem Namen "[X.]" unterschrieben. Diese Unterschrift weicht von der Unterschrift auf der [X.]kopie ab.

2

Im [X.] an eine Umsatzsteuer-[X.]onderprüfung behandelte der [X.]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) den bis zu diesem Zeitpunkt als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung angesehenen Umsatz als steuerpflichtig und erließ am 12. Juli 2004 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das [X.], in dem es die Umsatzsteuer um insgesamt ... € erhöhte. Das [X.] hat für den Umsatz mit [X.] einen [X.] von ... € und für einen weiteren, revisionsrechtlich nicht angegriffenen Geschäftsvorfall einen [X.]etrag von ... € angesetzt. Die Versagung der [X.]teuerfreiheit für die Lieferung an [X.] beruht auf einer Mitteilung des [X.]undesamtes für Finanzen, nach der [X.] ein [X.]cheinunternehmen war, was nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) zwischen den [X.]eteiligten unstreitig ist.

3

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das [X.] gab der Klage hinsichtlich der Lieferung des [X.] an [X.] unter Herabsetzung der Umsatzsteuer um ... € statt und wies die Klage im Übrigen in dem revisionsrechtlich nicht angegriffenen [X.]eil ab. Für die Lieferung des [X.] an [X.] seien zwar die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 [X.]uchst. b i.[X.]m. § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (U[X.]tG) nicht erfüllt, denn der Abnehmer --die [X.]-- sei ein Nichtunternehmer ("[X.]cheinunternehmer") gewesen. Gleichwohl sei die Lieferung als steuerfrei zu behandeln, weil die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 U[X.]tG vorlägen.

5

Die Klägerin habe keine Zweifel am tatsächlichen [X.] haben müssen. [X.]ie habe sich sämtliche [X.]elege, die nach § 17a der [X.] (U[X.]tDV) erforderlich seien, vorlegen lassen. Insbesondere habe sie den [X.]elegnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 U[X.]tDV erfüllt. Danach sei der Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung in den Fällen der [X.]eförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines [X.]eauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern, zu führen. Dies sei erfüllt, denn die Klägerin habe durch den Vermittler [X.] einen Handelsregisterauszug betreffend der [X.] vorgelegt. Damit verbunden sei eine Versicherung gewesen, dass das Fahrzeug nach [X.] befördert werden solle. Diese Versicherung sei auch schriftlich und in deutscher [X.]prache erfolgt. [X.]ie enthalte unter [X.]ezugnahme auf den Handelsregisterauszug Name und Anschrift der [X.] (Abnehmer) sowie eine mit Datum versehene Unterschrift des Abnehmers bzw. in diesem Fall des [X.]evollmächtigten [X.]. Damit habe die Klägerin ihre [X.]orgfaltspflichten aus § 6a Abs. 4 U[X.]tG erfüllt. [X.]oweit die Finanzverwaltung im [X.]chreiben des [X.]undesministeriums der Finanzen ([X.]MF) vom 5. Mai 2010 IV D 3-[X.] 7141/08/10001, 2010/ 0334195 ([X.][X.]t[X.]l I 2010, 508) in [X.]z. 32 die Auffassung vertrete, "die Unterschrift (müsse) ggf. einen Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen [X.]eauftragten) ermöglichen", sei dies unverhältnismäßig. Zum einen könne sich eine Unterschrift durchaus im Laufe mehrerer Jahre verändern, zum anderen sehe eine Unterschrift auf einem [X.], bei dem nur wenig Platz für die Unterschrift bestehe, häufig anders aus als auf anderen Unterlagen. Dass im [X.]treitfall die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des [X.] auf seinem [X.] nicht ohne Weiteres übereinstimme, könne deshalb nicht zum Nachteil der Klägerin ausgelegt werden. Weitere Umstände, die einen Verstoß gegen die [X.]orgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns i.[X.]. des § 6a Abs. 4 [X.]atz 1 U[X.]tG rechtfertigen könnten, seien im [X.]treitfall nicht ersichtlich.

6

Mit seiner Revision macht das [X.] die Verletzung materiellen Rechts geltend. Das Urteil des [X.] verstoße gegen § 4 Nr. 1 [X.]uchst. b i.[X.]m. § 6a U[X.]tG. [X.]ei [X.]arverkäufen hochwertiger Gegenstände seien an die [X.]orgfaltspflichten besonders hohe Anforderungen zu stellen. Die Umstände, dass ein hochwertiges Fahrzeug in bar veräußert werde und auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom [X.] vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung bestehen, müssten den Unternehmer zu besonderer [X.]orgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des [X.]s veranlassen. In die Würdigung, ob ein Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen [X.]orgfalt gehandelt habe, seien alle Umstände einzubeziehen (Urteil des [X.]undesfinanzhofs --[X.]FH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, [X.]FHE 225, 264, [X.][X.]t[X.]l II 2010, 511). Von diesen Rechtssätzen weiche das [X.] ab. Zum einen halte es den Umstand, dass die Unterschriften auf dem vom [X.] vorgelegten [X.] und der Verbringenserklärung auffällige Unterschiede aufwiesen, für unbeachtlich. Denn es habe den Rechtssatz aufgestellt, dass ein Vergleich der Unterschriften unverhältnismäßig sei. Zum anderen würdige das [X.] nicht alle Umstände. Es würdige insbesondere nicht, dass die Klägerin ein hochwertiges Fahrzeug veräußert habe, der Kaufpreis von ... € in bar entrichtet worden sei, die Vermittlung des Verkaufs des gebrauchten Fahrzeugs über die [X.] erfolgt sei und [X.] den Handelsregisterauszug des Abnehmers vorgelegt habe. Gerade diese Umstände hätten die Klägerin zu besonderer [X.]orgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des [X.]s veranlassen müssen.

7

Die Frage des [X.] stelle sich daher nicht, weil die Klägerin ihren Nachweispflichten nicht nachgekommen sei. Es fehle an [X.]elegen, aus denen sich insbesondere der tatsächliche [X.] der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung und dessen [X.]erechtigung leicht und einfach nachprüfbar habe entnehmen lassen.

8

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] insoweit aufzuheben, als es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

[X.]ie habe den [X.]eleg- und [X.]uchnachweis vollständig erbracht. Die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung i.[X.]. von § 6a Abs. 1 U[X.]tG seien unstreitig nicht erfüllt, weil --wie sich später herausstellte-- es sich bei dem Kunden um einen Nichtunternehmer gehandelt habe. Die Klägerin habe die Unrichtigkeit der Angaben der Abnehmer auch bei [X.]eachtung der größten [X.]orgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können. Der von dem [X.] zitierte [X.]eschluss vom 6. November 2008 V [X.] 126/07 ([X.]FH/NV 2009, 234) behandle einen abweichenden Fall, in dem das betreffende Fahrzeug sofort zum selben Preis weiterverkauft worden und dies dem liefernden Unternehmer bekannt gewesen sei, so dass tatsächlich bei dem Lieferer der Verdacht einer versuchten [X.]teuerhinterziehung aufkommen könne. Im [X.]treitfall habe es jedoch keinen ähnlichen Anlass gegeben, an der Richtigkeit der vorgelegten Unterlagen zu zweifeln.

Auch die [X.]arzahlung des Kaufpreises sei nach der Erfahrung bei [X.] nicht ungewöhnlich, sondern die Regel und die einzig praktikable Lösung bei Fahrzeugverkäufen ins Ausland. Gerade bei so mobilen Gegenständen wie Autos wolle der Verkäufer nicht das Risiko eines Forderungsausfalls tragen, sondern bestehe auf [X.]arzahlung oder vollständiger bargeldloser Vorauszahlung; dies gelte gerade für Exportgeschäfte. Wenn das [X.] behaupte, dass eine "[X.]arzahlung ungewöhnlich" sei und das Misstrauen der Klägerin habe wecken müssen, so sei diese Auffassung wirklichkeitsfremd.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt hinsichtlich der zu beurteilenden Lieferung des [X.] an [X.] zur Aufhebung des [X.] und zur Zurückverweisung an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das Urteil des [X.] verletzt § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG. Der [X.] kann aufgrund der vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob für das Fahrzeug [X.] die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen.

1. Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitfall die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen sind.

Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige [X.]sgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige [X.]sgebiet befördert, den Nachweis führen
"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen [X.]eleg, aus dem sich der [X.]estimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines [X.]eauftragten sowie
4. in den Fällen der [X.]eförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines [X.]eauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige [X.]sgebiet zu befördern."

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der [X.]uchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:
"... 9. den [X.]estimmungsort im übrigen [X.]sgebiet."

b) [X.] beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c [X.]eil A [X.]uchst. a Unterabs. 1 der [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/[X.]; vgl. nunmehr Art. 131, 138 f. der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

Steuerfrei sind unter den [X.]edingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden [X.]efreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der [X.] versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem [X.]eginn des Versands oder der [X.]eförderung der Gegenstände handelt."

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für eine innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt ([X.]FH-Urteile in [X.], 264, [X.], 511, unter [X.]; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, [X.], 436, [X.], 957, Rz 14; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, [X.], 1188, Rz 14). Kommt der Unternehmer den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die [X.] bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind ([X.]FH-Urteile in [X.], 264, [X.], 511, unter [X.]; in [X.], 436, [X.], 957, Rz 14; in [X.], 1188, Rz 14).

d) Im Streitfall fehlt es bereits am Nachweis, wer der wirkliche Abnehmer des PKW war. Nach den Feststellungen des [X.] war --was zwischen den [X.]eteiligten unstreitig ist-- [X.] lediglich ein Scheinunternehmen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG liegen daher nicht vor.

2. Entgegen der Auffassung des [X.] ist die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht anwendbar.

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei [X.]eachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte ([X.]FH-Urteil in [X.], 436, [X.], 957, Rz 28).

b) Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom [X.] vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung können Umstände darstellen, die die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des [X.]s hätten veranlassen müssen ([X.] in [X.], 234, unter 3.). Solche auffälligen Unterschiede liegen im Streitfall vor. Die Unterschrift unter der Empfangsbestätigung auf der Rechnung weicht von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie --auf den ersten [X.]lick erkennbar-- ganz erheblich ab.

c) Das [X.] ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hält die Auffassung der Finanzverwaltung ([X.]MF-Schreiben in [X.], 508, [X.]z. 32; Abschn. 6a.3. Abs. 9 Satz 5 des [X.]), dass die Unterschrift ggf. einen "Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen [X.]eauftragten) ermöglichen" müsse, per se für unverhältnismäßig und lässt den Umstand, dass die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des [X.] auf seinem Personalausweis nicht übereinstimmt, bei der Würdigung, ob die Klägerin mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat, unzutreffend von vornherein außer [X.]. Der [X.] verkennt nicht, dass sich eine Unterschrift im Einzelfall im Laufe mehrerer Jahre verändern und eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem wenig Platz für die Unterschrift besteht, ein anderes [X.]ild als auf sonstigen Unterlagen haben kann. Diese Umstände rechtfertigen es entgegen der Ansicht des [X.] aber nicht, die auffälligen Unterschiede in den Unterschriften in die Prüfung und Würdigung gar nicht erst miteinzubeziehen.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das [X.] wird im zweiten Rechtsgang Folgendes zu berücksichtigen haben:

a) Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 [X.]uchst. b, § 6a UStG) ist gemäß § 25a Abs. 7 Nr. 3 UStG ausgeschlossen für Lieferungen, die der Differenzbesteuerung unterliegen; diese sind steuerpflichtig. Die Ausnahme entspricht Art. 26a [X.]eil [X.], [X.]eil D [X.]uchst. [X.]. Art. 28c [X.]eil A [X.]uchst. c der Richtlinie 77/388/[X.] (vgl. [X.]FH-Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03, [X.] 216, 367, [X.]St[X.]l II 2007, 420, unter [X.]). Anhaltspunkt für eine ggf. durchzuführende Differenzbesteuerung könnte insoweit der Eintrag eines Umsatzsteuerbetrags in Höhe von ... € in der Zeile "nicht auszuweisen im Rahmen der Differenzbesteuerung gem. § 25a UStG" im Kaufvertrag sein.

Das [X.] hat keine Feststellungen getroffen, die eine Entscheidung darüber ermöglichen, ob die Klägerin die streitbefangene [X.] im Rahmen der Differenzbesteuerung ausgeführt hat. Gemäß § 25a Abs. 1 UStG gilt für Lieferungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG von beweglichen körperlichen Gegenständen eine Differenzbesteuerung, wenn u.a. folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer ist ein Wiederverkäufer. Als Wiederverkäufer gilt, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert.

2. Die Gegenstände wurden an den Wiederverkäufer im [X.]sgebiet geliefert. Für diese Lieferung wurde

a) Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 nicht erhoben oder

b) die Differenzbesteuerung vorgenommen.
..."

Eine Differenzbesteuerung käme allerdings gemäß § 25a Abs. 7 Nr. 1 [X.]uchst. b UStG nicht zur Anwendung, wenn es sich um die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs i.S. des § 1b Abs. 2 und 3 UStG handelt. Dafür könnte --sofern der Kilometerstand in der "[X.] [X.]estellung" des Fahrzeugs vom 20. Januar 2003 korrekt ausgewiesen ist-- der niedrige Kilometerstand sprechen. Widersprüchlich ist jedoch, dass nach den dortigen Angaben die gesamte km-Leistung laut Vorbesitzer 0 km und der km-Stand laut Zähler indes 4 500 km beträgt.

Das [X.] hat die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

b) Sofern die Lieferung nicht der Differenzbesteuerung unterliegt, stellt sich im Rahmen der nachfolgend zu prüfenden innergemeinschaftlichen Lieferung die Frage, ob der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers auch bei Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach §§ 17a ff. UStDV vollständig nachgekommen ist ([X.]FH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, [X.]FH/NV 2005, 81, Leitsatz 2; in [X.], 1188, Rz 32). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der [X.]eleg- und [X.]uchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt ([X.]FH-Urteil in [X.], 436, [X.], 957, Rz 30; in [X.], 1188, Rz 32).

Die Ausführungen des [X.] sind insoweit unzureichend, da es keine Feststellungen zu dem [X.]estimmungsort des Liefergegenstands [X.] (vgl. § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV) getroffen hat. Der Gesetzeszweck des § 6a Abs. 1 UStG erfordert den Nachweis des [X.]estimmungsorts der innergemeinschaftlichen Lieferung, um die Warenbewegung nachzuvollziehen und um sicherzustellen, dass der gemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat als [X.]estimmungsland den Vorschriften der [X.] unterliegt (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.] 216, 367, [X.]St[X.]l II 2007, 420, Leitsatz 2; [X.] Reiß/[X.]/[X.], UStG § 6a Rz 73). Die Angaben in der Verbringenserklärung "Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 21.01.2003 nach [X.] ausgeführt" sind insoweit nicht ausreichend, da der [X.]estimmungsort nicht genannt ist (vgl. [X.] Reiß/[X.]/[X.], UStG § 6a Rz 73) und auch nicht mit der im [X.]ezug genommenen Kaufvertrag vom 21. Januar 2003 enthaltenen Unternehmensanschrift ohne Weiteres gleichzusetzen ist. Nach dem Urteil des [X.]FH in [X.] 216, 367, [X.]St[X.]l II 2007, 420, unter [X.] kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV erforderliche Angabe des [X.]estimmungsorts zwar unter [X.]erücksichtigung aller Umstände im Einzelfall aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird (vgl. [X.]FH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, [X.] 233, 331, Rz 29). Hierzu fehlen hinreichende Feststellungen. Die Frage des der Klägerin obliegenden Nachweises des [X.]estimmungsorts ist Gegenstand der [X.]atsachenwürdigung durch das [X.] ([X.]FH-Urteil in [X.] 216, 367, [X.]St[X.]l II 2007, 420, Leitsatz 2).

c) An die Nachweispflichten sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung eines hochwertigen PKW ein [X.]arkauf (hier ... €) mit "[X.]eauftragten" zugrunde liegt (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.]FH/NV 2005, 81, unter [X.]). In die Würdigung, ob ein Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat, sind diese Umstände einzubeziehen ([X.]FH-Urteil in [X.], 264, [X.], 511, unter II.[X.].4.b bb). Im Streitfall kommt hinzu, dass ein Vermittler zwischengeschaltet worden ist und die vermeintliche "Abnehmerin" [X.] faktisch --außer auf dem Papier-- gar nicht in Erscheinung trat.

aa) Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, die [X.]arzahlung des Kaufpreises sei bei [X.] die Regel.

Der [X.] verkennt nicht, dass in der Autobranche bei innergemeinschaftlichen Lieferungen [X.]arzahlung Zug um Zug gegen Aushändigung des Fahrzeugs üblich sein mag (vgl. Urteil des [X.] Rheinland-Pfalz vom 29. Mai 2012  3 K 2138/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2012, 1968, Rz 71, m.w.N.) und dass ohne [X.]arzahlung bei Übergabe oder vollständiger bargeldloser Vorauszahlung durch den im Ausland ansässigen Abnehmer der Verkäufer das Risiko eines Forderungsausfalls tragen würde, jedoch diese Abwicklungsmodalität eine erhebliche umsatzsteuerrechtliche Missbrauchsgefahr birgt. Die [X.]ekämpfung von Missbrauch, Steuerumgehung und -hinterziehung ist indes ein von der Richtlinie 77/388/[X.] bzw. MwStSystRL angestrebtes Ziel (vgl. Urteile des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- vom 29. April 2004 [X.]/01 und [X.]/02 --Gemeente [X.] und [X.], Slg. 2004, [X.], [X.], 302, Rz 76; vom 7. Dezember 2010 [X.]/09 --R--, Slg. 2010, [X.], [X.], 15, Rz 36; vom 21. Juni 2012 [X.]/11 und [X.]/11 --Mahagében und [X.], [X.], 1404, [X.], 591, Rz 41; vom 6. September 2012 [X.]/11 --Mecsek-Gabona--, [X.], 796, [X.] Steuerrecht --DStR-- 2012, 1917, Rz 47) und rechtfertigt hohe Anforderungen an die Einhaltung der umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen des Verkäufers (vgl. EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-409/04 --[X.]eleos u.a.--, Slg. 2007, [X.], [X.]FH/NV [X.]eilage 2008, 25, Rz 58 und 61; in [X.], 796, [X.], 1917, Rz 47; [X.]reiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz 103). Der Unternehmer muss daher alle ihm zur Verfügung stehenden, zumutbaren Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, ergriffen haben, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner [X.]eteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (vgl. [X.]. 2007, [X.], [X.]FH/NV [X.]eilage 2008, 25, Rz 65; in [X.], 1404, [X.], 591, Rz 54; in [X.], 796, [X.], 1917, Rz 48 und 53 f.; [X.]reiber in Sölch/Ringleb, a.a.[X.], § 6a Rz 103).

bb) [X.]estehen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers oder seines angeblichen [X.]eauftragten, so ist der Unternehmer auch verpflichtet, Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit anzustellen (Oelmaier, [X.], 1213, 1217; [X.]reiber in Sölch/Ringleb, a.a.[X.], § 6a Rz 104). Die Zumutbarkeit von Maßnahmen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da beim [X.]arverkauf von hochwertigen PKW in das Ausland und Abholung durch einen [X.]eauftragten ein erhebliches umsatzsteuerrechtliches Missbrauchspotenzial besteht, ist in diesen Fällen der Rahmen des Zumutbaren weit zu ziehen.

Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers können in diesen Fällen beispielsweise folgende Umstände begründen:

-       

Es besteht keine längere Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer und der Unternehmer hat keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person (vgl. Urteil des [X.] Köln vom 27. Januar 2005  10 K 1367/04, E[X.] 2005, 822);

-       

die Geschäftsanbahnung mit dem Unternehmer erfolgt durch einen von dem Abnehmer zwischengeschalteten Dritten und der Abnehmer tritt --außer auf dem Papier-- nicht in Erscheinung;

-       

die fehlende Nachvollziehbarkeit des Schriftverkehrs, z.[X.]. fehlende Faxkennung des Abnehmers, oder widersprüchliche Angaben des Abnehmers, z.[X.]. der im Ausland ansässige Abnehmer hat eine Faxadresse im Inland.

Dagegen stellen im Regelfall keine Gründe für Zweifel an der Richtigkeit geringfügige, rein formale Versehen dar, wie z.[X.]. ein bloßes Verschreiben auf der Verbringenserklärung.

4. Soweit das [X.] dem Revisionsantrag das [X.]egehren hinzugefügt hat, den Umsatzsteuerbescheid für 2003 vom 12. Juli 2004 dahingehend zu bestätigen, dass die festgesetzte Steuer ... € beträgt, versteht der [X.] dies lediglich als ziffernmäßig bestimmte, klarstellende Wiederholung des Revisionsantrags der Klägerin. Denn von dem gestellten Revisionsantrag, das Urteil des [X.] aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen, wird inhaltlich auch das mit der Revision verfolgte Ziel der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung vom 12. Juli 2004 mitumfasst.

Meta

XI R 17/12

14.11.2012

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 11. August 2011, Az: 5 K 96/08, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 UStG 1999, § 1b Abs 2 UStG 1999, § 1b Abs 3 UStG 1999, § 4 Nr 1 Buchst b UStG 1999, § 6a Abs 1 S 1 UStG 1999, § 6a Abs 3 UStG 1999, § 6a Abs 4 S 1 UStG 1999, § 25a Abs 1 UStG 1999, § 25a Abs 7 Nr 1 Buchst b UStG 1999, § 25a Nr 3 UStG 1999, § 17a UStDV 1999, § 17c Abs 1 UStDV 1999, § 17c Abs 2 UStDV 1999, Art 26a Teil B EWGRL 388/77, Art 26a Teil D Buchst c EWGRL 388/77, Art 28c Teil A EWGRL 388/77, Art 131 EGRL 112/2006, Art 138 EGRL 112/2006, Art 139 EGRL 112/2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.11.2012, Az. XI R 17/12 (REWIS RS 2012, 1459)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1459

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