Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.01.2017, Az. 3 StR 487/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 16878

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Gegenstand

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Bewertungseinheit bei Besitz mehrerer verschiedenartiger Rauschgiftmengen; tateinheitlicher Besitz von Rauschgiftteilmengen


Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Juli 2016 im Schuldspruch in den Fällen [X.] und 4. dahin geändert, dass die Angeklagte jeweils wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen verurteilt wird.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen (Fälle II. 1. und 2.), Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Fälle [X.] und 4.) sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Fall II. 5.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten hat hinsichtlich des Schuldspruchs in den Fällen [X.] und 4. den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den Feststellungen erwarb die Angeklagte in den zeitlich auseinanderfallenden Fällen [X.] und 4. jeweils von unterschiedlichen Lieferanten zum einen Amphetamin, zum anderen Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Im Fall [X.] bezog sie von dem einen Verkäufer 140 g Amphetamin, von dem anderen 150 g Marihuana (Wirkstoffgehalt: 7 g Base bzw. 7 g THC), im Fall II. 4. in gleicher Weise 100 g Amphetamin und 150 g Marihuana (Wirkstoffgehalt: 5 g Base bzw. 7 g THC). Die Angeklagte veräußerte die Drogen - durchweg in Teilmengen unterhalb der Grenze der nicht geringen Menge - an verschiedene Abnehmer, wobei sie in beiden Fällen im Rahmen einzelner Veräußerungsgeschäfte gleichzeitig Amphetamin und Marihuana an einen Abnehmer verkaufte.

3

2. Das [X.] hat die Fälle [X.] und 4. rechtlich jeweils als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) bewertet, weil es von einer sich auf beide Rauschgiftarten erstreckenden Bewertungseinheit ausgegangen ist und daher die Wirkstoffgehalte von Amphetamin und Marihuana zusammengerechnet hat. Es ist daher in beiden Fällen von einer Überschreitung des Grenzwerts der nicht geringen Menge ausgegangen (zur Berechnung der Grenzwertüberschreitung bei verschiedenen Arten von Betäubungsmitteln vgl. [X.], Beschluss vom 16. Januar 2003 - 1 [X.], [X.], 434). Die Annahme der Bewertungseinheit begegnet indes durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

4

Zwar werden sämtliche Betätigungen, die sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen, vom gesetzlichen Tatbestand in dem pauschalierenden, verschiedenartige Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden (vgl. [X.], Beschluss vom 5. August 2014 - 3 [X.], juris Rn. 5; [X.]/[X.]/[X.], BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 293). Dabei ist jedoch entscheidend, dass sich die Bemühungen des [X.] auf dieselbe Rauschgiftmenge beziehen (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 1997 - 3 StR 586/96, [X.], 344). Eine Bewertungseinheit kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Betäubungsmittel aus einem einheitlichen Erwerbsvorgang stammen (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Februar 2008 - 2 StR 619/07, [X.], 470), aber auch dann, wenn Drogen aus verschiedenen Erwerbsvorgängen zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint werden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. Januar 2012 - 5 [X.], [X.], 121, 122; vom 28. Juni 2011 - 3 [X.], [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 11; [X.], BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 591). Demgegenüber kann allein der gleichzeitige Besitz verschiedener zum Handeltreiben bestimmter Mengen aus verschiedenen Liefervorgängen eine Bewertungseinheit nicht begründen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Januar 2000 - 5 StR 444/99, [X.], 431; Beschluss vom 23. Oktober 1996 - 5 StR 505/96, [X.]R BtMG § 29 Bewertungseinheit 9).

5

Gemessen an diesen Maßstäben liegt in den Fällen [X.] und 4. der Urteilsgründe keine Bewertungseinheit vor, die den Handel mit beiden Rauschgiften erfasst: Die Drogen stammten nicht aus einem einheitlichen Erwerbsakt, sondern wurden unabhängig voneinander von verschiedenen Lieferanten bezogen; auch hat das [X.] nicht festgestellt, dass sie von der Angeklagten zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat zusammengeführt wurden. Sie hatte sie lediglich gleichzeitig in ihrem Besitz.

6

Entgegen der Auffassung des [X.]s führt auch die Tatsache, dass in beiden Fällen Teilmengen beider Rauschgifte in einheitlichen Verkaufsvorgängen an einen Abnehmer veräußert wurden, nicht zur Annahme einer sich jeweils auf die Gesamtmenge beider Rauschgifte erstreckenden Bewertungseinheit. Vielmehr liegt in einem solchen Fall, in dem Teilmengen aus zwei verschiedenen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten erworbenen Rauschgiftmengen gleichzeitig verkauft werden, aufgrund der teilweisen Identität der tatbestandlichen Ausführungshandlung Tateinheit im Sinne des § 52 StGB - hier zwischen der Bewertungseinheit des Handeltreibens mit Amphetamin und der Bewertungseinheit des Handeltreibens mit Marihuana - vor (vgl. [X.], Beschlüsse vom 25. März 1998 - 1 StR 80/98, bei [X.], NStZ 1999, 232, 233; vom 28. Juni 2011 - 3 [X.], [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 11; [X.], BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 642; LK/[X.], StGB, 12. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 43).

7

Damit scheidet ein Zusammenrechnen der [X.], das allein zur Überschreitung der Grenze der nicht geringen Menge führen würde, und damit eine Strafbarkeit wegen Handeltreibens in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG aus. Vielmehr hat sich die Angeklagte in den Fällen [X.] und 4. jeweils des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen strafbar gemacht.

8

Eine Strafbarkeit nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Tatbestandsvariante des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Auch insoweit sind die von unterschiedlichen Lieferanten bezogenen und nicht zu einem einheitlichen Vorrat zusammengeführten Rauschgiftmengen nicht als einheitliche - den Grenzwert der nicht geringen Menge erst überschreitende - Gesamtmenge zu betrachten. Es liegt nicht ein Fall des Besitzes eben dieser Gesamtmenge vor; vielmehr handelt es sich zwar um eine Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB, jedoch in der Form von zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen des Besitzes der Teilmengen (vgl. LK/[X.] aaO). Dieser Besitz (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG) tritt wiederum hinter dem sich auf die jeweilige Teilmenge beziehenden Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) zurück (vgl. [X.], BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 1372 mwN).

9

Der [X.] hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil die geständige Angeklagte sich nicht anders hätte verteidigen können.

3. Die Änderung des Schuldspruchs lässt den Strafausspruch unberührt. Der [X.] kann ausschließen, dass die [X.], die für die Fälle [X.] und 4. die gewerbsmäßige Begehung der Tat (§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB) rechtsfehlerfrei festgestellt hat, auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte, wenn sie diese nicht dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG, sondern dem - identischen - Strafrahmen des § 29 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG entnommen hätte.

4. Angesichts des geringen Erfolges der Revision ist es nicht unbillig, die Angeklagte mit den gesamten Kosten ihres Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Becker    

        

Gericke    

        

Tiemann

        

Berg    

        

Hoch    

        

Meta

3 StR 487/16

24.01.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Krefeld, 18. Juli 2016, Az: 22 KLs 2/16

§ 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 52 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.01.2017, Az. 3 StR 487/16 (REWIS RS 2017, 16878)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16878

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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