Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.03.2019, Az. 4 StR 426/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 9345

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Gebührenüberhöhung beim anwaltlichen Forderungsinkasso: Verwirklichung des Betrugstatbestandes durch vollautomatisiertes Mengeninkasso ohne fallbezogenen Mandatsauftrag und unter standardisierter Inansatzbringung einer 1,3-Geschäftsgebühr


Tenor

1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] ([X.]) vom 22. Januar 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten vom Vorwurf des Betruges freigesprochen und die Staatskasse verpflichtet, sie für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen zu entschädigen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die [X.]üge der Verletzung formellen und materiellen [X.]echts gestützten [X.]evisionen. Die vom [X.] vertretenen [X.]echtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg; auf die erhobene Verfahrensbeanstandung kommt es daher nicht mehr an.

I.

2

Den Angeklagten liegt zur Last, im Zeitraum von Juli 2009 bis Mai 2011 im [X.]ahmen eines gemeinsam betriebenen Geschäftsmodells – die Angeklagten M.    und   [X.]als Betreiber von Inkassobüros, die Angeklagten [X.]     und E.      als [X.]echtsanwälte – beim massenhaften Inkasso von [X.] den Schuldnern der Inkassoauftraggeber in den [X.] Inkassokosten und [X.]echtsanwaltsgebühren als Verzugsschaden der Gläubiger in [X.]echnung gestellt zu haben, obwohl diese vorgeblichen Kosten bzw. Gebühren tatsächlich nicht angefallen seien.

II.

3

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4

1. Der Angeklagte M.    war Geschäftsführer der [X.], der Angeklagte   [X.]Geschäftsführer der [X.] Geschäftsgegenstand beider Gesellschaften war das Inkasso fremder Forderungen. Beide Gesellschaften teilten sich Geschäftsräume und hatten gemeinsame Mitarbeiter. Auch für die angeklagten [X.]echtsanwälte [X.]     und E.      war dort ein gemeinsames Büro eingerichtet, das beide als Zweigniederlassung ihrer andernorts befindlichen [X.]echtsanwaltskanzleien nutzten.

5

Die Geltendmachung der Forderungen erfolgte in einem standardisierten Verfahren. Nach Eingang eines „Forderungspakets“ – hierbei handelte es sich um von den Gläubigern in digitaler Form übermittelte Angaben wie die Höhe der Hauptforderungen und die Anschriften der Schuldner – wurde bei der [X.] mittels EDV an jeden Schuldner automatisiert ein „erstes Mahnschreiben“ als Serienbrief gedruckt und versandt. Hierin wurden neben der Hauptforderung Verzugszinsen auf die Hauptforderung in Höhe von zwölf Prozent, Auslagen des Gläubigers, Kontoführungskosten sowie als „Verzugsschaden“ bezeichnete Inkassokosten von 57 Euro geltend gemacht; zugleich wurde den Schuldnern eine zweiwöchige Zahlungsfrist eingeräumt unter gleichzeitiger Androhung, nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Vorgang „unseren [X.]echtsanwälten“ zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderung zu übergeben. Erfolgte innerhalb dieser Frist keine [X.]eaktion des Schuldners, wurde automatisiert eine zweite Mahnung erzeugt und versandt.

6

Mit den Gläubigern hatten die Angeklagten M.    und   [X.]im Vorfeld sogenannte [X.] abgeschlossen, die ebenfalls standardisiert waren. § 5 Nr. 1 der Verträge sah vor, dass „Bearbeitungsgebühren Honorare“ gegenüber Auftraggebern „nicht berechnet“ würden. In § 5 Nr. 2 war geregelt, dass „[X.]“ berechnet würden. Soweit Schuldner auf die Mahnschreiben hin Zahlungen leisteten, wurden diese von den [X.]en nach Abzug von „[X.]“ monatlich an die Gläubiger ausgekehrt. Abweichend von § 5 Nr. 1 der [X.] wurden den Gläubigern insoweit nicht nur [X.], sondern auch „Honorare“ in [X.]echnung gestellt und von dem auszukehrenden Betrag abgezogen. Die Gläubiger akzeptierten diese Abrechnungsmodalitäten.

7

An Schuldner, die auf die vorherigen [X.]chreiben nicht reagiert hatten, wurden zudem „aus den Geschäftsräumen“ der Inkassobüros unter dem anwaltlichen Briefkopf des Angeklagten [X.]     oder des Angeklagten [X.] versandt, die „teilweise mit eingescannter Unterschrift der [X.]echtsanwälte“ versehen, teilweise wohl von ihnen selbst unterschrieben waren. In diesen Schreiben wurde „unter anwaltschaftlicher Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung“ die Vertretung des Forderungsgläubigers angezeigt und dem Schuldner mitgeteilt, er habe neben der Hauptforderung und den bisherigen Kostenforderungen der [X.] „im [X.]ahmen des Verzugsschadens gemäß §§ 286 ff. [X.]“ [X.]echtsanwaltsgebühren (in Höhe einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr) nach Nr. 2300 des [X.] des [X.] sowie eine Auslagenpauschale zu tragen. Ob diese Schreiben den angeklagten [X.]echtsanwälten vor dem Versand zur Prüfung vorgelegt wurden, hat das [X.] „jedenfalls in den Fällen, in denen eine eingescannte Unterschrift daruntergesetzt“ wurde, nicht festzustellen vermocht. Auch eine vorherige Bevollmächtigung der Angeklagten [X.]     und E.      durch die Gläubiger für den vorgerichtlichen Bereich hat es nicht feststellen können. Den Inkassounternehmen war in § 3 Nr. 1 der [X.] seitens der Gläubiger lediglich die Befugnis eingeräumt worden, für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens einen [X.]echtsanwalt zu bestimmen.

8

Die [X.] vereinnahmte im Tatzeitraum von den Forderungsschuldnern [X.]echtsanwaltsgebühren von insgesamt etwa 113.000 Euro; dem Angeklagten [X.]     zahlte sie 28.784 Euro aus. Die [X.] vereinnahmte 12.987 Euro an [X.]echtsanwaltsgebühren; Zahlungen an den Angeklagten E.      erfolgten nicht.

9

2. Die Strafkammer hat die Angeklagten vom Vorwurf des Betruges freigesprochen. Im Hinblick auf die geltend gemachten Inkassokosten hat sie ausgeführt, es liege schon keine unwahre Tatsachenbehauptung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB vor. Soweit gegenüber den Schuldnern behauptet wurde, Inkassokosten würden als „Verzugsschaden“ in [X.]echnung gestellt, weil das Inkassobüro vertragsgemäß eine Honorarforderung gegenüber dem Gläubiger geltend mache, handele es sich nicht um eine unwahre Tatsache. Denn die Beweisaufnahme habe ergeben, dass – abweichend von § 5 Nr. 1 der [X.] – neben den schriftlich vereinbarten Erfolgshonoraren mit den Gläubigern „zumindest konkludent ein Honoraranspruch“ der Inkassounternehmen vereinbart und auch tatsächlich beanstandungsfrei abgerechnet worden sei.

Bezüglich der geltend gemachten [X.]echtsanwaltsgebühren sei zwar eine Bevollmächtigung der angeklagten [X.]echtsanwälte für das vorgerichtliche Verfahren durch die Gläubiger nicht festzustellen gewesen. Es könne aber dahinstehen, ob die in den Mahnschreiben behauptete anwaltliche Bevollmächtigung als Täuschung der Schuldner anzusehen sei. Denn den Angeklagten [X.]     und E.      sei auch ohne entsprechende Beauftragung nach den Grundsätzen einer Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber den Gläubigern ein Aufwendungsersatzanspruch in Höhe der geltend gemachten Gebühren entstanden, da sie den Gebührentatbestand auslösende Tätigkeiten entfaltet hätten, die im Interesse des Gläubigers gelegen hätten. Diesen Aufwendungsersatzanspruch der [X.]echtsanwälte hätten die Gläubiger gleichermaßen als Verzugsschaden gegenüber den Schuldnern geltend machen können; diesen sei deshalb kein Schaden entstanden.

III.

Die [X.]evisionen der Staatsanwaltschaft führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Freisprüche der Angeklagten vom Vorwurf des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) haben keinen Bestand, weil die Begründung des [X.]s, mit der es das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen dieser Straftat in Bezug auf die Geltendmachung von anwaltlichen Geschäftsgebühren verneint hat, nicht frei von durchgreifenden [X.] ist.

1. [X.]echtlich nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des [X.]s, dass die Mahnschreiben, mit denen die [X.]en neben den – begründeten – Hauptforderungen Inkassokosten in Höhe von 57 Euro geltend machten, keine unwahre Tatsachenbehauptung enthielten.

a) Tatsachen sind alle gegenwärtigen oder vergangenen Ereignisse oder Zustände, die dem Beweis zugänglich sind (vgl. [X.], Urteile vom 8. Oktober 2014 – 1 [X.], [X.]St 60, 1, 6; vom 22. Oktober 1986 – 3 [X.], [X.]St 34, 199, 201). Bloße Werturteile wie [X.]echtsauffassungen, Meinungsäußerungen oder reklamehafte Anpreisungen sind demgegenüber grundsätzlich keine Tatsachen im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB. Etwas anderes gilt dann, wenn sie zugleich einen greifbaren, dem Beweis zugänglichen Tatsachenkern enthalten (vgl. [X.], Urteile vom 22. Februar 2017 – 2 St[X.] 573/15, [X.], 215, 216; vom 8. Oktober 2014 – 1 [X.], aaO; Beschlüsse vom 6. Oktober 2009 – 4 [X.], [X.], 146 [[X.]]; vom 26. August 2003 – 5 [X.], [X.]St 48, 331, 344). Welcher Inhalt einer Erklärung zukommt, hat der Tatrichter anhand des Empfängerhorizonts und der Erwartungen der Beteiligten zu ermitteln und festzustellen (vgl. [X.], Urteile vom 22. Februar 2017 – 2 St[X.] 573/15, aaO, 216; vom 15. Dezember 2006 – 5 [X.], [X.]St 51, 165, 170; Beschluss vom 9. Juni 2009 – 5 [X.], [X.], 2900, 2901). Auch in der Geltendmachung einer Forderung, auf die kein Anspruch besteht, kann eine schlüssige Täuschung über Tatsachen liegen. Dies ist der Fall, wenn mit dem Einfordern der Leistung ein Bezug zu einer unzutreffenden Tatsachenbasis hergestellt oder das Vorliegen eines den Anspruch begründenden Sachverhalts behauptet wird ([X.], Urteil vom 22. Februar 2017 – 2 St[X.] 573/15, aaO, 216). Wann der [X.]echtsverkehr der Geltendmachung einer Forderung schlüssig zugleich die Behauptung bestimmter Tatsachen beimisst, ist Tatfrage (vgl. [X.], Urteile vom 22. Februar 2017 – 2 St[X.] 573/15, aaO, 216; vom 10. Dezember 2014 – 5 [X.], [X.], 591, 593).

b) Hieran gemessen hält die Annahme des [X.]s, die Mahnschreiben der [X.]en enthielten keine unwahren Tatsachenbehauptungen, rechtlicher Prüfung stand.

Soweit das [X.] ersichtlich davon ausgegangen ist, durch die Geltendmachung der Inkassokosten sei in den Schreiben als Tatsachenkern schlüssig behauptet worden, das mahnende Inkassobüro sei aufgrund einer mit dem Gläubiger getroffenen Vereinbarung mit der entgeltlichen Beitreibung der Forderung beauftragt worden, diese Behauptung sei jedoch nicht falsch, ist dies aus [X.]echtsgründen nicht zu beanstanden. Denn nach den Feststellungen waren die [X.]en von den Gläubigern tatsächlich damit beauftragt worden, deren Forderungen gegen eine entsprechende Vergütung gegenüber den Schuldnern geltend zu machen. Das [X.] hat hierzu festgestellt, dass den [X.]en neben den schriftlich vereinbarten Erfolgshonoraren aufgrund mündlich getroffener Nebenabreden ein vom Erfolg des Beitreibungsversuchs unabhängiger Honoraranspruch zustand, den sie bei der [X.] Forderungen an die Gläubiger mit deren Billigung einbehielten.

2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen hingegen die Erwägungen des [X.]s, auf die es seine Annahme gestützt hat, die Angeklagten hätten sich auch nicht durch das Versenden der anwaltlichen Mahnschreiben wegen Betrugs strafbar gemacht. Seine Ansicht, den Schuldnern sei durch die Geltendmachung der Anwaltsgebühren jedenfalls kein Schaden entstanden, wird von den Feststellungen nicht getragen.

a) Ein Schaden im Sinne des § 263 StGB entsteht, wenn die Vermögensverfügung des [X.] bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des [X.] seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; vgl. [X.], Urteile vom 16. Juni 2016 – 1 St[X.] 20/16, [X.], 3543, 3544; vom 2. Februar 2016 – 1 [X.], [X.], 286, 287; vom 8. Oktober 2014 – 1 [X.], [X.]St 60, 1, 9; Beschlüsse vom 16. Juni 2014 – 4 St[X.] 21/14, [X.], 640, 642; vom 19. Februar 2014 – 5 [X.], [X.], 318, 319). Ein solcher Vermögenszuwachs tritt auch ein, soweit durch die Verfügung das Vermögen des [X.] von einer Verbindlichkeit befreit wird (vgl. [X.], Urteil vom 13. Juli 1999 – 5 [X.], [X.][X.] StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 46; Beschluss vom 5. Juli 2011 – 3 [X.], NStZ-[X.][X.] 2011, 312, 313).

b) Die Annahme des [X.]s, den Schuldnern sei in Höhe ihrer Zahlung unmittelbar Vermögen zugeflossen, weil sie durch die Zahlung von ihrer Verbindlichkeit befreit worden seien, die Gläubiger von den Kosten der anwaltlichen Tätigkeit freizustellen, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der gegen die Schuldner geltend gemachte Erstattungsanspruch bestand – unbeschadet der Frage, ob die vom [X.] herangezogene Begründung, die Gläubiger seien zumindest nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag ihrerseits den angeklagten [X.]echtsanwälten gegenüber zum Ausgleich ihrer Tätigkeit verpflichtet gewesen, überhaupt rechtlich tragfähig ist (vgl. hierzu unten [X.]) – jedenfalls nicht in voller Höhe. Auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen begründete die Tätigkeit der Angeklagten [X.]     und E.      im Zusammenhang mit den anwaltlichen Mahnschreiben nämlich allenfalls eine Geschäftsgebühr für ein einfaches Schreiben gemäß Nr. 2301 (im Tatzeitraum Nr. 2302) [X.] der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 [X.] mit einem Gebührensatz von 0,3 anstelle der geforderten 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 [X.].

aa) Eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 [X.] der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 [X.] entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 [X.] der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 [X.]). Ein [X.]echtsanwalt hat Anspruch auf diese Gebühr, wenn er beauftragt wird, die Forderung seines Mandanten außergerichtlich durchzusetzen, sie zu überprüfen und seinen Auftraggeber insoweit auch zu beraten (vgl. [X.], Urteile vom 17. Juni 2004 – [X.], [X.] 2005, 141; vom 19. Oktober 1967 – [X.], [X.]Z 48, 334, 336 [jeweils noch zu § 118 Abs. 1 Nr. 1 [X.]]; [X.]/Jungbauer, [X.], 8. Aufl., Vorbemerkung 2.3 [X.] [X.]n. 19 ff. [X.]; Teubel in [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., Vorbemerkung 2.3 [X.]n. 3). Beschränkt sich jedoch der ihm erteilte Auftrag darauf, ein Schreiben einfacher Art zu erstellen, das weder schwierige rechtliche Ausführungen noch größere sachliche Auseinandersetzungen enthält, steht ihm gemäß Nr. 2301 [X.] der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 [X.] die Geschäftsgebühr lediglich mit einem Gebührensatz von 0,3 zu.

Maßgeblich für die Bestimmung der Gebühr ist hierbei allerdings nicht die Tätigkeit des [X.]echtsanwalts nach außen, sondern der Inhalt des ihm erteilten Auftrags (vgl. [X.], Urteil vom 17. September 2015 – [X.], NJW 2015, 3793, 3795; [X.]/Jungbauer, aaO, Nr. 2301 [X.] [X.]n. 2 und 7; Teubel, aaO, Nr. 2301 [X.] [X.]n. 2). Anspruch auf die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 [X.] der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 [X.] hat ein [X.]echtsanwalt deshalb auch dann, wenn auftragsgemäß dem erstellten einfachen Schreiben umfangreiche Prüfungen oder Überlegungen vorausgegangen sind (vgl. BT-Drucks. 15/1971, [X.] zu Nr. 2402-E; [X.], Urteil vom 17. September 2015 – [X.], aaO, 3795; [X.]/Jungbauer, aaO, Nr. 2301 [X.] [X.]n. 2; Teubel, aaO, Nr. 2301 [X.] [X.]n. 4; [X.]/Wolf/Onderka/[X.], [X.], 8. Aufl., [X.] 2301 [X.]n. 7; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 16. Aufl., Nr. 2301 [X.] [X.]n. 3).

bb) Gemessen hieran lagen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen, unter denen die angeklagten [X.]echtsanwälte gegenüber den Gläubigern eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 [X.] der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 [X.] beanspruchen konnten, nicht vor.

(1) Eine Beauftragung der [X.]echtsanwälte zu einer – wie auch immer gearteten – außergerichtlichen Tätigkeit hat das [X.] zu [X.]echt nicht festgestellt.

Die Urteilsgründe belegen nicht, dass die Angeklagten [X.]     und E.      unmittelbar durch die Gläubiger mit einer entsprechenden Tätigkeit beauftragt wurden. Ebenso wenig erschließt sich aus dem angefochtenen Urteil, dass etwa die Mitangeklagten als Geschäftsführer der [X.]en als Vertreter der Gläubiger tätig wurden und die angeklagten [X.]echtsanwälte mit der außergerichtlichen Beitreibung der Forderungen beauftragten. Ausweislich § 3 Nr. 1 der [X.] war den [X.]en vielmehr lediglich die Befugnis eingeräumt, „im Namen und für [X.]echnung der Gläubiger“ einen [X.]echtsanwalt mit der Durchführung des gerichtlichen Mahnverfahrens zu beauftragen. Für eine darüber hinausgehende Bevollmächtigung enthält das Urteil keine Anhaltspunkte.

(2) Aber auch unter Zugrundelegung der vom [X.] – wegen des Fehlens einer entsprechenden Beauftragung – herangezogenen rechtlichen Konstruktion über die Grundsätze einer Geschäftsführung ohne Auftrag wären die Angeklagten [X.]     und E.      nicht berechtigt gewesen, von den Gläubigern als Ausgleich für die von ihnen erbrachten Leistungen Aufwendungsersatz in Höhe einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 [X.] zu verlangen, den die Gläubiger ihrerseits als Verzugsschaden gegen die Schuldner geltend machen konnten. Denn nach den Feststellungen erschöpften sich die Tätigkeiten der [X.]echtsanwälte in dem Erstellen und Versenden einfacher anwaltlicher Schreiben im Sinne der Nr. 2301 (im Tatzeitraum Nr. 2302) [X.] der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 [X.]. Die unter ihren Anwaltsbriefköpfen verfassten Mahnschreiben enthielten weder schwierige rechtliche Ausführungen noch größere sachliche Auseinandersetzungen. Es handelte sich vielmehr um standardisierte Formularschreiben, die unter Verwendung elektronischer Datensätze automatisiert erstellt und an die Schuldner versendet wurden. Eine anwaltliche Prüfung der angemahnten Forderungen oder der Zweckmäßigkeit einer nochmaligen vorgerichtlichen Mahnung in jedem Einzelfall ging den Mahnschreiben nicht voraus; eine solche Prüfung war den Angeklagten [X.]     und E.      nach den Feststellungen angesichts der Vielzahl der [X.] auch unmöglich. Nicht einmal den Eingang der angemahnten Forderungen überwachten die angeklagten [X.]echtsanwälte. Dies geschah vielmehr durch die Inkassounternehmen, die – bis auf einen an den Angeklagten [X.]     ausgekehrten kleineren Anteil – die [X.]echtsanwaltsgebühren sogar selbst vereinnahmten.

Demgegenüber gehen die Erwägungen, auf die das [X.] seine Annahme gestützt hat, den Angeklagten [X.]     und E.      habe aufgrund erbrachter Leistungen gegenüber den Gläubigern in allen Mahnfällen Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 [X.] der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 [X.] zugestanden, rechtlich fehl. Denn weder das Entwerfen eines anwaltlichen Musterschreibens für zukünftige Mahnungen für neue „Forderungspakete“ noch das Bereithalten von Büroangestellten für etwaige [X.]ückfragen lässt die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 [X.] in jedem einzelnen Mahnfall entstehen. Vielmehr vermag das festgestellte [X.] allenfalls eine Gebühr aus dem Ermäßigungstatbestand der Nr. 2301 [X.] der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 [X.] für jeden einzelnen Mahnfall zu rechtfertigen (vgl. [X.]/Jungbauer, aaO, Nr. 2300 [X.] [X.]n. 12 und Nr. 2301 [X.] [X.]n. 12 [X.]; [X.]/Enders, [X.], 3. Aufl., Nr. 2301 [X.] [X.]n. 10; [X.], NJW 2013, 1393, 1395; kritisch hierzu Kleine-Cosack, [X.]. 2016, 802, 806 ff.).

cc) Entgegen der Auffassung des [X.]s ist daher den Schuldnern – soweit Zahlungen erfolgten – durch die Geltendmachung außergerichtlicher anwaltlicher Gebühren als Verzugsschaden der Gläubiger ein Schaden mindestens in Höhe der Differenz zwischen der geltend gemachten 1,3-fachen Geschäftsgebühr und der den [X.]echtsanwälten allenfalls zustehenden Gebühr aus dem Ermäßigungstatbestand mit einem Gebührensatz von 0,3 entstanden.

c) Der Berücksichtigung des Schadens in Gestalt überhöhter [X.]echtsanwaltskosten steht die von der Staatsanwaltschaft vor Anklageerhebung vorgenommene Verfahrensbeschränkung gemäß § 154a Abs. 1 StPO nicht entgegen.

Zwar hat die Staatsanwaltschaft – neben weiteren Beschränkungen – auch insoweit vorläufig von der Verfolgung abgesehen, als die Angeklagten „insgesamt überhöhte Gebühren“ geltend machten. Diese Verfahrensbeschränkung bezog sich aber ausdrücklich nur auf den Verdacht weiterer [X.]echtsverletzungen durch die Angeklagten „über den Anklagegegenstand hinaus“. Der Vorwurf, dass die Angeklagten einen Betrug begingen, indem sie die Schuldner über entstandene Anwaltskosten täuschten und ihnen in diesem Umfang Schaden zufügten, sollte deshalb uneingeschränkt der gerichtlichen Kognition unterliegen.

IV.

1. Hinsichtlich möglicher Täuschungshandlungen aufgrund des den anwaltlichen Mahnschreiben innewohnenden Erklärungswerts, der vom neuen Tatrichter anhand des Empfängerhorizonts und der Erwartungen der Beteiligten zu ermitteln und festzustellen ist, weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Sollte der neue Tatrichter eine betrugsrelevante Täuschung in der anwaltlichen Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung erblicken, wird hinsichtlich der die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Betrugs miteinander verbindenden Kausalität die Senatsentscheidung vom 15. März 2018 (4 [X.], [X.], 477) zu beachten sein.

b) Es wird zudem zu erwägen sein, dass der [X.]echtsverkehr dem Einfordern einer konkreten anwaltlichen Gebühr – hier in Gestalt eines Verzugsschadens der Gläubiger – die Erklärung beilegen dürfte, die tatsächlichen Voraussetzungen ihrer Entstehung seien erfüllt (vgl. [X.], Urteil vom 25. Januar 2012 – 1 St[X.] 45/11, [X.]St 57, 95, 101 [X.] [zur ärztlichen Abrechnung nach der GOÄ]; Beschluss vom 9. Juni 2009 – 5 [X.], [X.], 2900, 2901 [zur Abrechnung nach Tarifen]). Aufgrund der konkreten Geltendmachung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 [X.] der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 [X.] dürfte den anwaltlichen Mahnschreiben die schlüssige Erklärung zu entnehmen sein, die [X.]echtsanwälte seien über das einfache Schreiben hinaus auch mit einer weiter gehenden rechtlichen Prüfung oder Beratung beauftragt worden.

2. Sollte das neue Tatgericht nicht zur Annahme einer rechtswirksamen Beauftragung der [X.]echtsanwälte mit einer vorgerichtlichen Tätigkeit mit Wirkung für die Gläubiger gelangen und erneut einen Aufwendungsersatzanspruch der angeklagten [X.]echtsanwälte nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 Satz 1, § 670 [X.]) in Betracht ziehen, wird es das Folgende zu beachten haben:

a) Für einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach diesen Vorschriften ist erforderlich, dass die Übernahme der Geschäftsführung dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Das neue Tatgericht wird sich dabei nicht nur mit dem Einwand des [X.]s in seiner Antragsschrift vom 31. Oktober 2018 auseinanderzusetzen haben, wonach die Forderungsbeitreibung durch die [X.]echtsanwälte – nach den bereits erfolglosen Bemühungen der Gläubiger selbst und zweier Mahnschreiben der [X.]en – wegen eines Verstoßes gegen die zivilrechtliche Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 [X.] (dazu auch unten [X.])) nicht mehr im Interesse der Gläubiger lag. Es wird im [X.]ahmen der ihm obliegenden Vertragsauslegung darüber hinaus auch zu prüfen haben, ob die Bestimmung in § 3 Nr. 1 der [X.], durch welche die [X.] ausdrücklich nur für das gerichtliche Mahnverfahren mit der Auswahl und Beauftragung eines [X.]echtsanwalts für den Gläubiger ermächtigt wurden, nach den gesamten Vertragsumständen deren Willen zum Ausdruck brachte, die vorgerichtliche Forderungsbeitreibung solle nicht zusätzlich durch einen [X.]echtsanwalt erfolgen (vgl. § 683 Satz 2, § 679 [X.]; vgl. hierzu [X.], Urteil vom 2. April 1998 – [X.], [X.]Z 138, 281, 287).

b) Sofern das [X.] bei einer unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag – wie in der Literatur vereinzelt vertreten wird (vgl. [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 1 [X.]n. 30) – einen bereicherungsrechtlichen Anspruch der angeklagten [X.]echtsanwälte aus § 684 Satz 1, §§ 812 ff. [X.] in Erwägung ziehen sollte, wird zu berücksichtigen sein, dass diese den Gläubigern ihr anwaltliches Tätigwerden aufdrängten und deshalb ein Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung gegenüber den Gläubigern nur insoweit bestand, als die Gläubiger den Wert der anwaltlichen Leistung in ihrem Vermögen auch tatsächlich realisierten (vgl. [X.]/[X.], [X.], 78. Aufl., § 812 [X.]n. 52 [X.]). Hieran fehlt es, wenn die Gläubiger nicht berechtigt waren, die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit auf die Schuldner umzulegen, weil es den Gläubigern aus rechtlichen Gründen verwehrt war, die Schuldner mit den Kosten einer sukzessiven vorgerichtlichen Tätigkeit von Inkassounternehmen und [X.]echtsanwalt zu belasten (vgl. dazu unten [X.])).

3. a) Bei der Prüfung eines Schadens der Schuldner wird sich das neue Tatgericht zudem damit auseinanderzusetzen haben, ob es sich bei der konkreten Tätigkeit der Angeklagten [X.]     und E.      im [X.]ahmen des massenhaften [X.] von [X.] überhaupt um nach dem [X.] zu vergütende anwaltliche Dienste handelte. Die Abgrenzung zwischen anwaltlicher und reiner Inkassotätigkeit hängt davon ab, ob die dem [X.]echtsanwalt eigentümliche Aufgabe, rechtlichen Beistand zu leisten, so in den Hintergrund tritt, dass seine Dienste als reine Inkassotätigkeit zu werten sind (vgl. [X.], Urteile vom 2. Juli 1998 – [X.], NJW 1998, 3486; vom 5. April 1976 – [X.], [X.], 1135, 1136; Beschluss vom 9. Juni 2008 – [X.] ([X.]) 5/05, juris [X.]n. 9 [insofern nicht abgedruckt in [X.], 534]). Ein [X.]echtsanwalt, der mittels seiner Büroorganisation vollautomatisiertes Mengeninkasso in Form des massenhaften [X.] standardisierter Mahnschreiben betreibt, übt ein rein kaufmännisches Inkasso aus (vgl. [X.], Beschluss vom 20. August 2012 – [X.]/11, juris [X.]n. 16 f.; [X.]/[X.]/Pankatz, [X.], 10. Aufl., § 1 [X.]n. 36a und 36b; [X.]/[X.]/Müller-[X.]abe, [X.], 23. Aufl., § 1 [X.]n. 38; [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 1 [X.]n. 156).

b) Schließlich wird das neue Tatgericht zu berücksichtigen haben, dass die Zahlung der Kosten sowohl für die Mahnungen der Inkassounternehmen als auch für diejenigen der [X.]echtsanwälte bereits für sich genommen einen Schaden der Schuldner herbeigeführt haben dürfte. Denn ungeachtet der dogmatischen Herleitung entsprach es auch schon im Tatzeitraum der herrschenden Meinung in [X.]echtsprechung und Schrifttum, dass ein Gläubiger als Verzugsschaden die Kosten der außergerichtlichen [X.] eines Inkassobüros und eines [X.]echtsanwalts nicht kumulativ ersetzt verlangen kann (vgl. [X.], Urteil vom 7. Januar 2011 – 2 [X.] 48/10, juris [X.]n. 49 [X.]; MüKo-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 286 [X.]n. 167; [X.]/[X.], aaO, § 286 [X.]n. 46; BeckOK-[X.]/[X.], 49. Edition [1. Februar 2019], § 286 [X.]n. 77; [X.], Vu[X.] 2016, 60, 62; vgl. auch [X.], Urteil vom 1. Februar 1974 – IV Z[X.] 2/72, Vers[X.] 1974, 639, 641 f. [zur Unzweckmäßigkeit der außergerichtlichen [X.]echtsverfolgung bei erkennbarer Zahlungsunwilligkeit des Schuldners]; Beschluss vom 20. Oktober 2005 – [X.], [X.], 446 [zur sukzessiven Beauftragung eines [X.]echtsbeistands und eines [X.]echtsanwalts]).

Sost-Scheible     

        

[X.]oggenbuck     

        

[X.]i[X.] [X.] ist erkrankt
und daher gehindert zu
unterschreiben.

                                   

Sost-Scheible

        

Bender     

        

Feilcke     

        

Meta

4 StR 426/18

14.03.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankenthal, 22. Januar 2018, Az: 2 KLs 2 Ss 48/18

Nr 2300 RVG-VV, Nr 2301 RVG-VV, § 263 Abs 1 StGB, § 263 Abs 3 Nr 1 StGB, § 280 Abs 1 BGB, § 286 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.03.2019, Az. 4 StR 426/18 (REWIS RS 2019, 9345)

Papier­fundstellen: NJW 2019, 1759 REWIS RS 2019, 9345

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 280/14 (Bundesgerichtshof)

Verzugsschadensersatz: Ersatzfähige Rechtsanwaltskosten für Mahnschreiben


VIII ZR 81/21 (Bundesgerichtshof)

Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Inkassokosten


IX ZR 280/14 (Bundesgerichtshof)


III ZR 304/14 (Bundesgerichtshof)

Kostenübernahmebescheid des Sozialhilfeträgers bezüglich der dem Pflegebedürftigen durch die ambulante Pflege entstehenden Kosten: Verzugszinsanspruch des …


IX ZR 115/17 (Bundesgerichtshof)

Rechtsanwaltsvergütung: Gebühr für die auf den Entwurf eines Testaments beschränkte Tätigkeit; Entwurf zwei abgestimmter Testamente; …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.