Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.05.2015, Az. III ZR 304/14

3. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 11423

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Gegenstand

Kostenübernahmebescheid des Sozialhilfeträgers bezüglich der dem Pflegebedürftigen durch die ambulante Pflege entstehenden Kosten: Verzugszinsanspruch des Pflegedienstes gegenüber dem Sozialhilfeträger bei verspäteter Zahlung


Leitsatz

1. Indem der Sozialhilfeträger der Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers gegenüber dem Leistungserbringer (hier: ambulanter Pflegedienst) durch Kostenübernahmebescheid beitritt, wandelt sich die zivilrechtliche Schuld aus dem zwischen dem Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer geschlossenen Dienstleistungsvertrag nicht in eine öffentlich-rechtliche um (im Anschluss an BSG, 28. Oktober 2008, B 8 SO 22/07, BSGE 102, 1). Der Schuldbeitritt teilt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung, zu der er erklärt wird (im Anschluss an Senatsurteile vom 22. Juni 1978, III ZR 109/76, BGHZ 72, 56 und vom 6. November 2008, III ZR 279/07, BGHZ 178, 243).

2. Entsprechend der zivilrechtlichen Natur des Anspruchs, zu dem der Schuldbeitritt erklärt wird, sind die §§ 286ff. BGB anwendbar, wenn der Sozialhilfeträger die übernommene Zahlungsverpflichtung verspätet erfüllt.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 49 des [X.] vom 17. September 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des [X.] hat der Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt das beklagte Land auf Zahlung von Verzugszinsen sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Erbringung ambulanter Pflegeleistungen in Anspruch.

2

Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst und hatte mit den Pflegebedürftigen [X.], [X.]und [X.]     privatrechtliche Verträge über die Erbringung ambulanter Pflegeleistungen geschlossen. Der [X.] übernahm als Träger der Sozialhilfe jeweils durch Bescheid gegenüber den Pflegebedürftigen die Kosten der erbrachten Pflegeleistungen. Eine Kopie der Bescheide erhielt die Klägerin zur Kenntnisnahme.

3

Mit Schreiben vom 24. Juni 2003 erklärte die Klägerin den Beitritt zu der Vereinbarung nach § 93 Abs. 2 [X.] zwischen dem [X.]n und den Verbänden der Träger von ambulanten Pflegeeinrichtungen vom 4. Oktober 1996 über die Erbringung von Leistungen der Haushilfe und der Hauspflege nach § 11 Abs. 3, §§ 68 ff, 70 [X.]. § 8 der Vereinbarung lautet wie folgt:

"Zahlungsverfahren

Die Abrechnung erfolgt kalendermonatlich. Die Rechnungen sind beim zuständigen Bezirksamt innerhalb von zwei Monaten nach Leistungserbringung einzureichen.

...

Die Bezahlung von nicht zu beanstandenden Rechnungen soll innerhalb von drei Wochen nach Eingang erfolgen ...

Sollte in begründeten Fällen eine Zahlung innerhalb der genannten Fristen nicht möglich sein, leistet das zuständige Bezirksamt eine Abschlagszahlung von 80 %, bezogen auf den Betrag der Vormonatsrechnung.

Im Übrigen gelten die in der Rahmenvereinbarung nach § 75 Abs. 1 und 2 [X.] getroffenen Regelungen."

4

Die Klägerin ist des weiteren Mitglied im Anbieterverband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen e.V. (vormals Arbeitgeberverband im [X.]). Zwischen diesem, den Landesverbänden der [X.]n und dem [X.]n wurde am 15. November 2006 ein Rahmenvertrag gemäß § 75 Abs. 1 und 2 [X.] zur ambulanten pflegerischen Versorgung abgeschlossen. Dieser Vertrag enthält in § 17 Regelungen zum Abrechnungsverfahren:

"(7) [X.] erfolgt kalendermonatlich. Die Rechnungen sind bei der [X.] oder einer von ihr benannten Abrechnungsstelle in der Regel innerhalb von zwei Monaten nach Leistungserbringung einzureichen. Die Bezahlung der ordnungsgemäß erstellten Rechnungen erfolgt spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Eingang bei der [X.] oder der von der [X.] benannten Abrechnungsstelle ...

(8) Näheres zur Abrechnung und Zahlungsweise, insbesondere Zeitpunkt der Rechnungsstellung, Abweichung bei Schlussrechnungen, Zahlung von Abschlägen und Verfahren bei Überschreitung der vereinbarten Fristen vereinbaren ggf. die Partner dieses Rahmenvertrages. Es bleibt den [X.]n und Pflegediensten vorbehalten, spezifische Regelungen zur Abrechnung und Zahlungsweise nach rechtzeitiger Rücksprache miteinander zu vereinbaren."

5

Die gegenüber den Hilfeempfängern erbrachten Pflegeleistungen stellte die Klägerin wie folgt in Rechnung:

[X.]:

Rechnung vom 9. September 2012 in Höhe von 325,38 €

T.   :

Rechnung vom 4. November 2012 in Höhe von 81,48 €

D.   :

Zwei Rechnungen vom 6. November 2012 in Höhe von 39,57 € beziehungsweise 283,47 €.

6

Da der [X.] ohne Angabe von Gründen keine Zahlungen leistete, forderte ihn die Klägerin mit Mahnschreiben vom 30. Oktober 2012 ([X.]) und 28. Dezember 2012 (D.       , [X.]) auf, den jeweiligen Rechnungsbetrag unverzüglich zu überweisen. Nachdem auch weitere Mahnungen erfolglos blieben, verlangte die Klägerin mit gesonderten Anwaltsschreiben vom 27. Februar 2013 Zahlung bis zum 9. März 2013. Zugleich machte sie Verzugszinsen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend.

7

Am 25. März 2013 beglich der [X.] die offenen Rechnungsbeträge (ohne Verzugszinsen und Rechtsanwaltskosten).

8

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von Verzugszinsen aus den jeweiligen Rechnungsbeträgen für den Zeitraum ab 30 Tagen nach [X.] bis zum 25. März 2013 in Höhe von insgesamt 13,46 € sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 213,49 € nebst Prozesszinsen.

9

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die zugelassene Berufung hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der [X.] die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.]n hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Da der [X.] die unstreitigen Rechnungen erst am 25. März 2013 und damit nach Ablauf der in den Verbandsverträgen bestimmten Fristen beglichen habe, stünden der Klägerin die geltend gemachten Verzugszinsen gemäß § 286 Abs. 2, 3, § 288 [X.] zu. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs seien anwendbar. Nach der Rechtsprechung des [X.] (grundlegend [X.], 1) bewirke die Übernahme der Pflegekosten durch Bescheid des Sozialhilfeträgers als Verwaltungsakt mit Drittwirkung eine Schuldübernahme in Form eines Schuld[X.]s. Der Sozialhilfeträger trete auf diese Weise als Gesamtschuldner in Höhe der bewilligten Leistungen an die Seite des Sozialhilfeempfängers. Durch den Schuld[X.] mutiere die Schuld, zu der beigetreten werde und die aus dem privatrechtlichen Pflegevertrag resultiere, nicht zu einer öffentlich-rechtlichen. Vielmehr teile der Anspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger die zivilrechtliche Rechtsnatur der Forderung.

Die [X.] seien auch nicht durch die Verbandsverträge abbedungen worden. Während in dem [X.] nicht einmal eine feste Zahlungsfrist vorgesehen sei, bestimme die Rahmenvereinbarung vom 15. November 2006 lediglich eine bestimmte Frist von 14 Tagen nach [X.]. Weitergehende vertragliche Regelungen fehlten. Insbesondere seien die gesetzlichen Verzugsfolgen nicht ausgeschlossen worden.

Entgegenstehende gesetzliche Regelungen seien ebenfalls nicht ersichtlich. Im Sozialrecht befassten sich nur wenige Vorschriften mit Fragen der Verzinsung. Keine dieser Bestimmungen sei einschlägig. Sozialrechtliche Vorschriften seien auf die vorliegenden [X.] ohnehin nicht anwendbar, da diese privatrechtlicher Natur seien.

Der Klägerin stehe auch ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten aus § 280 Abs. 1 [X.] zu. Der [X.] sei mit der Bezahlung der Rechnungen in Verzug geraten. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts sei erforderlich und zweckmäßig gewesen. Der Anspruch bestehe auch in der geltend gemachten Höhe. Es habe sich um verschiedene Angelegenheiten im Sinne von § 15 [X.] gehandelt. Die Klägerin habe daher zu jedem Pflegebedürftigen separat abrechnen dürfen. Es habe auch die Regelgebühr von 1,3 nach Nr. 2300 [X.] [X.] angesetzt werden dürfen, da der zu beurteilende Sachverhalt nicht einfach gewesen sei. Die geltend gemachten Prozesszinsen ergäben sich aus § 291 [X.].

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.

Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 286 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zustehen und sie gemäß § 280 Abs. 1, 2, § 286 [X.] die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in der geltend gemachten Höhe verlangen kann.

1. Die [X.], insbesondere §§ 286 ff [X.], gelten auch, soweit der [X.] als Sozialhilfeträger der Zahlungsverpflichtung der Hilfeempfänger aus den privatrechtlichen [X.]n durch Bewilligungsbescheide beigetreten ist (kumulative Schuldübernahme).

a) Das Leistungserbringungsrecht der Sozialhilfe ist im Bereich der pflegerischen Versorgung durch das so genannte sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis geprägt, das die wechselseitigen Rechtsbeziehungen zwischen dem Träger der Sozialhilfe, dem Leistungsberechtigten (Hilfeempfänger) und dem Leistungserbringer (Pflegedienst) sinnbildlich darstellt (grundlegend [X.], 1 Rn. 15 ff).

aa) Zwischen dem bedürftigen Hilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger besteht ein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis ([X.]), das sich nach den Vorschriften des [X.] beurteilt. Die Entscheidung über die Gewährung von Sozialhilfeleistungen ergeht durch Verwaltungsakt. Das [X.] ist Fundament und rechtlicher Maßstab für die übrigen Rechtsbeziehungen (Ausstrahlungswirkung). Im Rahmen des [X.]ses stehen dem Sozialhilfeempfänger keine [X.] auf Zahlung entstehender oder entstandener Kosten an sich selbst zu; er kann vom Sozialhilfeträger ausschließlich die Übernahme dieser Kosten ([X.]) in Form der Zahlung an den Leistungserbringer verlangen ([X.]/[X.], jurisPK-[X.], 2. Aufl., § 75 [X.] Rn. 32, 38; [X.], [X.] 2013, 127, 128).

bb) [X.] gegenüber dem Sozialhilfeträger setzt voraus, dass zwischen dem bedürftigen Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer ein zivilrechtlicher Vertrag geschlossen wird, auf Grund dessen ein Anspruch auf Erbringung von Betreuungs-, Hilfe- und Förderleistungen sowie gegebenenfalls Unterkunft und Verpflegung besteht (privatrechtliches [X.]). Im Gegenzug ist der bedürftige Hilfeempfänger zur Zahlung des vertraglich vereinbarten Entgelts verpflichtet. Die gegenüber dem Leistungserbringer bestehende Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers ist der Bedarf, den der Sozialhilfeträger im [X.] - durch Vergütungsübernahme - decken muss ([X.]/[X.] aaO § 75 [X.] Rn. 34; [X.] aaO).

cc) Grundlage der Rechtsbeziehung zwischen dem Leistungserbringer und dem Sozialhilfeträger (öffentlich-rechtliches Sachleistungsverschaffungsverhältnis) sind zum einen (öffentlich-rechtliche) Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 [X.] beziehungsweise § 75 Abs. 3 [X.], die auf [X.] zwischen dem zuständigen Sozialhilfeträger und dem Leistungserbringer geschlossen werden, und zum anderen Rahmenverträge auf Landesebene (vgl. [X.]/[X.] aaO § 75 [X.] Rn. 36; [X.] aaO). Da der Sozialhilfeträger die Leistungen grundsätzlich nicht selbst erbringt, hat er durch Verträge mit den Leistungserbringern eine Sachleistung durch diese sicherzustellen. Dadurch wird dem Hilfeempfänger die Sozialleistung verschafft ([X.], 1 Rn. 17). Zugleich modifizieren die Vereinbarungen das [X.] und beeinflussen ("überlagern") das [X.] ([X.]/[X.] aaO § 75 [X.] Rn. 34, 40).

b) Nach § 93 Abs. 2 [X.] beziehungsweise § 75 Abs. 3 [X.] ist die "Übernahme" der dem Leistungserbringer zustehenden Vergütung untrennbarer Bestandteil der [X.] des Trägers der Sozialhilfe. Rechtlich geschieht dies - bei fortbestehender Verpflichtung des Hilfeempfängers aus dem im [X.] geschlossenen privatrechtlichen Vertrag - in Form eines Schuld[X.]s des Sozialhilfeträgers (kumulative Schuldübernahme) durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung ([X.], 1 Rn. 22 ff; BSG, Beschluss vom 18. März 2014 - [X.] SF 2/13 R, BeckRS 2014, 68095 Rn. 7; siehe auch [X.], Beschluss vom 26. November 2012 - L 18 [X.] 173/12 B, BeckRS 2013, 68424 = juris Rn. 15 ff). Der Schuld[X.] hat dann zum einen einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger, zum anderen einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung an den Leistungserbringer zur Folge. Der Sozialhilfeträger tritt auf diese Weise als Gesamtschuldner im Sinne der §§ 421 ff [X.] in Höhe der bewilligten Leistung, wie sie in dem gegenüber dem Hilfsbedürftigen ergehenden Kostenübernahmebescheid ausgewiesen ist, an die Seite des Sozialhilfeempfängers ([X.] aaO Rn. 25). Dadurch, dass der Sozialhilfeträger mit dem Kostenübernahmebescheid der Schuld des Hilfeempfängers [X.] und der Leistungserbringer auf Grund dieses Schuld[X.]s direkt einen Zahlungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger hat, wandelt sich die zivilrechtliche Schuld aus dem im [X.] zwischen dem Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer geschlossenen ([X.] nicht in eine öffentlich-rechtliche um. Denn ein Schuld[X.] teilt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung des Gläubigers, zu der er erklärt wird (Senatsurteile vom 22. Juni 1978 - [X.], [X.], 56, 58 ff und vom 6. November 2008 - [X.], [X.], 243 Rn. 14; [X.], Urteil vom 16. Oktober 2008 - [X.], [X.]Z 174, 39 Rn. 23; Senatsbeschlüsse vom 17. September 2008 - [X.], [X.], 2153 Rn. 16 und [X.], BeckRS 2008, 21300 Rn. 16). Der Sozialhilfeträger wird durch den Schuld[X.] Gesamtschuldner einer zivilrechtlichen Forderung, deren Gläubiger der Leistungserbringer ist und die gegebenenfalls im Zivilrechtsweg geltend zu machen ist. Die Schuld, der beigetreten wird, kann rechtlich für den [X.] nicht zu einer öffentlich-rechtlichen mutieren, während sie bei dem bisherigen Alleinschuldner eine privatrechtliche bleibt (BSG, Beschluss vom 18. März 2014 aaO Rn. 8; [X.] aaO Rn. 18).

Materiell-rechtlich gelten die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs daher auch insoweit, als der Sozialhilfeträger der aus dem [X.] resultierenden Vergütungspflicht des Hilfeempfängers beigetreten ist. Dies gilt insbesondere für die Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts (§§ 280 ff [X.]). Es liegen Einzelverpflichtungen vor, die bei Begründung der Gesamtschuld durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung inhaltsgleich sind und nach dem maßgeblichen Beitrittszeitpunkt nach allgemeinen Gesamtschuldgrundsätzen eine selbständige und durchaus unterschiedliche Entwicklung nehmen können, wenn nicht ein Fall der Wirkungserstreckung nach §§ 424 ff [X.] vorliegt (MüKo[X.]/[X.], 6. Aufl., Vor § 424 Rn. 17; [X.]/[X.], [X.], 74. Aufl., Überblick vor § 414 Rn. 7).

Bei der Beurteilung der zivilrechtlichen Verpflichtung des Sozialhilfeträgers muss allerdings stets in den Blick genommen werden, dass die zwischen dem Leistungserbringer und dem Sozialhilfeträger im [X.] bestehenden ([X.] die zivilrechtlichen Pflichten in dem Sinne "sozialrechtlich überlagern" können, dass sie diese modifizieren (BSG, Beschluss vom 18. März 2014 aaO Rn. 9; [X.]/[X.] aaO § 75 [X.] Rn. 34, 51 ff).

c) Aus den dargestellten wechselseitigen Rechtsbeziehungen in dem sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis folgt für den vorliegenden Fall, dass der [X.] mit den gegenüber den Pflegebedürftigen D.    , E.    und [X.]     ergangenen Kostenübernahmebescheiden in dem dort ausgewiesenen Umfang der Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers aus den mit der Klägerin abgeschlossenen [X.]n jeweils beigetreten ist. Dabei handelt es sich um eine zivilrechtliche Schuld, die durch den Beitritt des [X.]n nicht in eine öffentlich-rechtliche umgewandelt worden ist. Auf Grund dieses Beitritts hat die Klägerin unmittelbar einen den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts unterliegenden Zahlungsanspruch gegen den [X.]n als Gesamtschuldner erworben. Aus der zivilrechtlichen Natur des Anspruchs resultiert auch die Anwendbarkeit der §§ 280 ff [X.] für den Fall, dass der [X.] die übernommene Zahlungsverpflichtung nicht oder verspätet erfüllt.

d) Aus den im [X.] zwischen den Parteien bestehenden öffentlich-rechtlichen Verträgen ergibt sich nichts Abweichendes. § 8 der Vereinbarung vom 4. Oktober 1996 und § 17 Abs. 7 des Rahmenvertrags vom 15. November 2006 enthalten lediglich eine Bestimmung der Leistungszeit im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Danach sind beanstandungsfreie Rechnungen - wenn von der dem Schuldner günstigsten Regelung ausgegangen wird - spätestens innerhalb von drei Wochen nach [X.] zu bezahlen. Die in der Vereinbarung vom 4. Oktober 1996 gebrauchte Wendung "Die Bezahlung ... soll innerhalb von drei Wochen nach Eingang erfolgen" stellt - wie der Gesamtzusammenhang der Vertragsklausel belegt - eine grundsätzlich verbindliche Bestimmung der Leistungszeit dar, von der nur bei konkreten Beanstandungen oder in sonstigen "begründeten Fällen" abgewichen werden darf. Im Übrigen haben die Vertragsparteien davon abgesehen, das "Verfahren bei Überschreitung der vereinbarten Fristen" näher zu regeln, so dass im Verzugsfall auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zurückzugreifen ist (siehe auch [X.]/[X.] aaO § 75 [X.] Rn. 46.2).

Der Einwand der Revision, der Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Verzugsvorschriften stehe entgegen, dass der Sozialhilfeträger mit dem Schuld[X.] die Handlungsebene des öffentlichen Rechts nicht habe verlassen wollen mit der Folge, dass er keine Verzugszinsen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch schulde, verkennt die Rechtsbeziehungen, wie sie sich aus dem sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis ergeben. Danach kommt der Sozialhilfeträger seiner [X.] im Grund- und [X.] in den Handlungsformen der öffentlichen Verwaltung (Verwaltungsakt, öffentlich-rechtlicher Vertrag) nach. Daraus resultiert jedoch der Beitritt zu einer im [X.] begründeten zivilrechtlichen Schuld. Dass sich der Sozialhilfeträger von den Folgen einer von ihm zu vertretenden Leistungsstörung (hier: verzögerte Zahlung) nicht "einseitig" freizeichnen kann, versteht sich von selbst.

Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob und inwieweit aus dem Sozialrecht herrührende Anspruche möglicherweise zu verzinsen sind (zum Beispiel nach § 44 Abs. 1 SGB I), stellt sich im Streitfall nicht. Denn der Vergütungsanspruch der Klägerin hat - wie dargelegt - seine Grundlage in den zwischen ihr und den Pflegebedürftigen bestehenden (privatrechtlichen) Vertragsverhältnissen und nicht in sozialrechtlichen Vorschriften.

e) Da der [X.] die ordnungsgemäß eingereichten Rechnungen der Klägerin vom 9. September 2012 sowie 4. und 6. November 2012 - ohne Angabe von Gründen - erst am 25. März 2013 bezahlt hat, schuldet er gemäß § 288 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 286 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 [X.] Verzugszinsen. Gegen den von der Klägerin nach § 288 Abs. 1 Satz 2 [X.] errechneten Betrag von insgesamt 13,46 € erhebt die Revision keine Einwände.

2. Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision auch insoweit stand, als das Berufungsgericht den [X.]n unter dem Gesichtspunkt des [X.] (§ 280 Abs. 1, 2, § 286 [X.]) zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 213,49 € (nebst Prozesszinsen nach § 291 [X.]) verurteilt hat.

a) Entgegen der Meinung der Revision ist der Klägerin ein Verzugsschaden in Höhe der vorprozessual aufgewendeten Anwaltskosten entstanden. Rechtsverfolgungskosten sind gemäß § 280 Abs. 1, 2, § 286 [X.] als adäquat verursachte Verzugsfolge zu erstatten, wenn sie - nach Eintritt des Verzugs - aus Sicht des Forderungsgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (st. Rspr., vgl. nur [X.], Urteile vom 8. November 1994 - [X.], [X.]Z 127, 348, 350 und vom 23. Oktober 2003 - [X.], NJW 2004, 444, 446; siehe auch [X.]/[X.] aaO § 286 Rn. 45). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Denn der [X.] hat auf die Mahnungen der Klägerin nicht reagiert. Die Beauftragung von Rechtsanwältin [X.]mit der außergerichtlichen Geltendmachung der offenen Rechnungsbeträge erfolgte erst, nachdem die eigenen Bemühungen der Klägerin ersichtlich fruchtlos geblieben waren. Dabei ist ohne Bedeutung, ob es sich bei den geltend gemachten Forderungen um einfach gelagerte Fälle handelte. Zahlt der Schuldner auf die erste Mahnung des Gläubigers nicht, kann dieser die weitere Rechtsverfolgung auf Kosten des Schuldners einem Rechtsanwalt übertragen ([X.], Urteil vom 8. November 1994 aaO S. 353).

b) Die von der Klägerin geltend gemachte Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 [X.] [X.] ist entstanden.

Es kommt für das Entstehen der Gebühr darauf an, ob der Rechtsanwalt zunächst mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche beauftragt und der [X.] allenfalls bedingt erteilt worden ist oder ob ein unbedingter Klageauftrag vorliegt ([X.], NJW-RR 2006, 242 f; [X.], Urteil vom 20. Juli 2012 - 23 U 166/11, BeckRS 2013, 03573 = juris Rn. 55). Hat der Rechtsanwalt bereits von Anfang an einen unbedingten Klageauftrag erhalten, fallen auch die Tätigkeiten vor Erhebung der Klage allein unter die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 [X.] [X.] ([X.], Urteil vom 14. Dezember 2011 - [X.], NJW-RR 2012, 486 Rn. 21; [X.]/Müller-Rabe, [X.], 21. Aufl., Vorb. 3 [X.] Rn. 14). Soweit die Revision im Streitfall einen unbedingten Klageauftrag annehmen will, übergeht sie den Hinweis von Rechtsanwältin [X.]in den - im Berufungsurteil in Bezug genommenen - Mahnschreiben, sie werde ihrer Mandantschaft für den Fall, dass "wider Erwarten" kein fristgemäßer Zahlungseingang zu verzeichnen sein sollte, "anraten, ihren Anspruch gerichtlich durchzusetzen". Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass Rechtsanwältin [X.]zunächst nur mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Forderungen beauftragt war und die Frage der Klageerhebung, auch wenn [X.] eventuell bereits gefertigt gewesen sein sollten, noch der Entscheidung des Auftraggebers vorbehalten war. Ein unbedingter [X.] war nach Sachlage auch noch nicht geboten, da der Versuch einer außergerichtlichen Regulierung mit anwaltlicher Hilfe - Einwendungen gegen die Rechnungen wurden von dem [X.]n nicht erhoben - Aussicht auf Erfolg versprach und somit Grund zu der Annahme bestand, eine gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden zu können (vgl. [X.] aaO).

c) Zu Unrecht beruft sich die Revision darauf, dass die aus den Verträgen mit den Pflegebedürftigen D.     , E.     und [X.]     resultierenden Vergütungsansprüche als eine einzige Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn (§ 15 [X.]) zu behandeln und daher nicht drei gesonderte Geschäftsgebühren nach Nr. 2300 [X.] [X.] entstanden seien, sondern allenfalls eine Geschäftsgebühr aus der Summe der Rechnungsbeträge.

Unter einer "Angelegenheit" im gebührenrechtlichen Sinn ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Um dieselbe Angelegenheit annehmen zu können, müssen drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Insbesondere muss - neben einem einheitlichen Auftrag und einem gleichen Tätigkeitsrahmen - zwischen den einzelnen Gegenständen ein innerer objektiver Zusammenhang bestehen, das heißt es muss sich um einen einheitlichen Lebensvorgang handeln ([X.], NJW-RR 2005, 67, 68; [X.]/[X.] aaO § 15 [X.] Rn. 5 ff; [X.]/Wolf/[X.], [X.], 7. Aufl., § 15 Rn. 22 ff). Zumindest die letztgenannte Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Beauftragung von Rechtsanwältin [X.]lagen nicht nur drei getrennte [X.], sondern auch drei unterschiedliche sozialhilferechtliche Verfahren zugrunde, die unabhängig voneinander beurteilt werden mussten. Hinsichtlich jedes Hilfeempfängers mussten die Rechtsbeziehungen innerhalb des sozialhilferechtlichen [X.] gesondert überprüft werden. Dabei war auch festzustellen, ob die abgerechneten Leistungen den Vorgaben aus dem Grund- und Sachleistungsverhältnis entsprachen. Es lagen somit mehrere Angelegenheiten im Sinne von § 15 [X.] vor.

d) Der Einwand der Revision, bei den anwaltlichen Mahnschreiben vom 27. Februar 2013 habe es sich lediglich um "Schreiben einfacher Art" im Sinne von Nr. 2302 [X.] [X.] in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung (jetzt Nr. 2301 [X.] [X.] in der Fassung des [X.] vom 23. Juli 2013, [X.]l. I S. 2586) gehandelt, so dass nur eine Gebühr von 0,3 hätte angesetzt werden dürfen, trifft bereits im Ausgangspunkt nicht zu. Der niedrigere [X.] kommt nur in Betracht, wenn der erteilte Auftrag von vornherein keinen über Nr. 2302 [X.] [X.] aF beziehungsweise Nr. 2301 [X.] [X.] nF hinausgehenden Inhalt hatte, sich also auf eine einfache Anfrage oder eine einfache Mahnung oder Zahlungsaufforderung beschränkte ([X.]/[X.] aaO [X.] 2301 Rn. 2; [X.], [X.], 45. Aufl., [X.] [X.] 2301 Rn. 2 f). Der Rechtsanwältin [X.]erteilte Auftrag war nicht auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt, sondern bezog sich auf die vollständige außergerichtliche Geltendmachung der Forderungen der Klägerin und umfasste - wie dargelegt - die eigenständige Überprüfung dreier voneinander unabhängiger Sozialhilfeverfahren.

e) Die Revision vermag schließlich auch nicht mit der Rüge durchzudringen, das Berufungsgericht sei im Rahmen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 [X.] [X.] zu Unrecht von einer Mittelgebühr in Höhe von 1,3 ausgegangen. Der getätigte Aufwand rechtfertige nur den [X.] von 0,5.

Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 [X.] [X.] beträgt 0,5 bis 2,5. Nach der Anmerkung zu diesem Vergütungstatbestand kann eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Die Mindestgebühr von 0,5 kommt nur für denkbar einfachste außergerichtliche Anwaltstätigkeiten in Betracht ([X.]/[X.] aaO [X.] 2300 Rn. 27). Da Letzteres im Streitfall ersichtlich ausscheidet und die Tätigkeit von Rechtsanwältin [X.]auch nicht deutlich über den Normalfall hinausging, hat das Berufungsgericht zu Recht die Regelgebühr von 1,3 der Honorarberechnung zugrunde gelegt.

[X.]                           Seiters                           Tombrink

                Remmert                           Reiter

Meta

III ZR 304/14

07.05.2015

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 17. September 2014, Az: 49 S 21/14, Urteil

§ 286 BGB, §§ 286ff BGB, § 288 BGB, § 414 BGB, § 61 SGB 12, § 65 SGB 12, § 75 Abs 3 SGB 12, § 93 Abs 2 BSHG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.05.2015, Az. III ZR 304/14 (REWIS RS 2015, 11423)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 3782 NJW 2015, 3782 NJW 2015, 3782 NJW 2015, 3782 REWIS RS 2015, 11423

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