Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 07.02.2012, Az. 8 AZA 20/11

8. Senat | REWIS RS 2012, 9439

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Ablehnungsgesuch - Selbstentscheidung


Leitsatz

Über offensichtlich unzulässige und rechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuche können die Gerichte für Arbeitssachen unter Beteiligung der abgelehnten Richter entscheiden. Das Verbot der Selbstentscheidung gilt jedenfalls dann nicht, wenn mangels eines erkennbaren Befangenheits- oder Ausschlussgrundes eine Sachprüfung entfällt.

Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 16. Juli 2011 wird als unzulässig verworfen.

Gründe

1

I. Der Kläger beabsichtigt, gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 26. Mai 2011 (- 8 Sa 2293/10 -) eine Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. Dafür hat er mit Schriftsatz vom 16. Juli 2011 einen Prozesskostenhilfeantrag an das [X.] gerichtet. Unter Punkt 1 der Antragsschrift führt er aus:

        

„Eine etwaige Bearbeitung durch die zur [X.] noch beim [X.] tätigen [X.], Böck und [X.] lehne ich entschieden ab. Zu [X.], Böck und [X.] besteht grundsätzlich kein Vertrauen.

        

In der althergebrachten lapidaren Art und Weise ist dieses auf keinen Fall zu akzeptieren.“

2

Dies ist als gegen die dem zuständigen [X.] durch die Geschäftsverteilung zugeteilten [X.] des [X.]s VRiBAG [X.], RiBAG [X.] und RiBAG [X.] gerichtetes Ablehnungsgesuch zu verstehen, mutmaßlich als ein solches wegen Besorgnis der Befangenheit, § 42 ZPO.

3

II. [X.] ist unzulässig.

4

1. Auch ohne anwaltliche Vertretung kann der Kläger im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens ein Ablehnungsgesuch wirksam einreichen, da dieses Verfahren nicht dem Anwaltszwang unterliegt, § 44 ZPO ([X.]/[X.] ZPO 29. Aufl. § 44 Rn. 1).

5

2. Das Gesuch ist jedoch unzulässig, weil es offensichtlich allein der Absicht dient, dem Kläger nicht genehme [X.] auszuschalten. Dabei benennt der Kläger keinen Ablehnungsgrund iSd. § 42 ZPO. Dass beim Kläger gegenüber den namentlich benannten [X.]n „grundsätzlich“ kein Vertrauen bestehe, kann weder die Besorgnis der Befangenheit begründen noch stellt es einen Grund dar, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten [X.] zu rechtfertigen. Soweit der Kläger ferner ausführt: „In der althergebrachten lapidaren Art und Weise ist dieses auf keinen Fall zu akzeptieren“, ist der Satz in sich schon unverständlich. Die Formulierung könnte andeuten, dass der Kläger die [X.] wegen einer früheren Spruchtätigkeit ablehnen will. Dabei scheint er auf die Art der Begründung früherer Entscheidungen abzustellen. Eine möglicherweise gegebene frühere Tätigkeit der abgelehnten [X.] in einem anderen Verfahren, das der Kläger angestrengt hat, ist jedoch für sich allein genommen kein Ablehnungsgrund, schon gar nicht die Art und Weise mit der Entscheidungen in vorausgegangenen Verfahren gegenüber dem Kläger - oder der Gegenpartei - begründet worden sein mögen (vgl. [X.] 14. November 1991 - I ZB 15/91 - NJW 1992, 983 mwN).

6

III. Über das Gesuch konnte der Senat mit den im Gesuch benannten geschäftsplanmäßigen [X.]n entscheiden, weil das Gesuch offensichtlich unzulässig und rechtsmissbräuchlich ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass gegen den Beschluss des [X.] ein Rechtsmittel nicht stattfindet, weil im arbeitsgerichtlichen Verfahren dies auch für Entscheidungen über Ablehnungsgesuche in den Vorinstanzen gilt, § 49 Abs. 3 ArbGG. Diese Norm dient ersichtlich der Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens in allen Instanzen. Dem widerspräche es, wenn auch offensichtlich unzulässige oder gar rechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuche stets nur von nicht abgelehnten [X.]n entschieden werden dürften ([X.] 7. Aufl. § 49 Rn. 46). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich in den letzten Jahren die Fälle häufen, in denen alle [X.]innen und [X.] eines Arbeitsgerichts oder Landesarbeitsgerichts, oder wie vorliegend alle Berufsrichter eines Spruchkörpers, „abgelehnt“ werden. Die Ausnahme vom Verbot der Selbstentscheidung (§ 45 Abs. 1 ZPO) gilt jedenfalls dann, wenn zur Entscheidung über die Unzulässigkeit des Gesuchs schon deswegen nicht in eine Sachprüfung einzutreten ist, weil nicht erkennbar ist, dass das Gesuch überhaupt auf einen Grund gestützt werden soll, der die Besorgnis der Befangenheit auslösen oder einen Ausschlussgrund darstellen könnte.

        

    [X.]    

        

    Böck    

        

    [X.]    

        

        

        

        

        

        

        

        

Meta

8 AZA 20/11

07.02.2012

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZA

vorgehend ArbG Paderborn, 23. November 2010, Az: 4 Ca 1404/10, Urteil

§ 49 Abs 3 ArbGG, § 42 ZPO, § 45 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 07.02.2012, Az. 8 AZA 20/11 (REWIS RS 2012, 9439)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9439


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 8 AZA 20/11

Bundesarbeitsgericht, 8 AZA 20/11, 07.02.2012.


Az. 4 Ca 1404/10

Arbeitsgericht Paderborn, 4 Ca 1404/10, 23.11.2010.


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L 8 SO 50/13

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