Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.07.2019, Az. 1 StR 154/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 5552

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Gegenstand

Steuerhinterziehung: Strafverfolgungsverjährung bei Gewerbesteuerbescheiden


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. Oktober 2018 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen 1 bis 6 der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,

b) das vorgenannte Urteil

aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in zehn Fällen schuldig ist,

bb) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 8 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Beanstandung der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur teilweisen Einstellung des Verfahrens und hat zum Strafausspruch in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Soweit der Angeklagte in den Fällen 1 bis 6 der Urteilsgründe jeweils wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist, ist das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen, weil hinsichtlich dieser Taten das Verfahrenshindernis der Verjährung eingetreten ist. Hierzu hat der [X.] in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:

„Die Fälle 1 bis 6 betreffend die Hinterziehung von Gewerbe-, Einkommen- und Umsatzsteuer für die [X.] und 2007 sind verjährt.

1. Die Taten betreffend die Hinterziehung von Gewerbe- und Einkommensteuer (1, 2, 4 und 5) sind als Veranlagungssteuern jeweils beendet mit der Bekanntgabe des auf die unrichtige Erklärung hin ergehenden Steuerbescheids. Werden im Feststellungsverfahren unrichtige Angaben gemacht, beginnt die Verjährung nicht schon bei Erlass des unrichtigen Feststellungsbescheids, der bereits einen Steuervorteil darstellt, sondern erst mit Bekanntgabe des Folgebescheids ([X.] in: [X.], [X.], 14. Aufl. 2018, § 376 Rn. 25). Unter Anwendung von § 122 Abs. 2 [X.] waren die Fälle 1, 2, 4 und 5 wie folgt beendet:

a) Fall 1 am 30. November 2007. Ein Steuerbescheid betreffend die zu entrichtende Gewerbesteuer ist nicht mehr ergangen, da bereits der im Bescheid vom 27. November 2007 festgesetzte [X.] auf 0 Euro lautete.

b) Fall 2 am 31. Januar 2008.

c) Fall 4 am 25. Mai 2009.

d) Fall 5 am 11. Juli 2009.

2. Die Hinterziehung der Umsatzsteuer ist bei Einreichung einer unrichtigen Umsatzsteuer-Jahreserklärung beendet, wenn die Erklärung beim Finanzamt eingeht, in [X.] jedoch erst dann, wenn von Seiten des Finanzamts die entsprechende Zustimmung erteilt wurde, § 168 Satz 2 [X.] ([X.] in: [X.]/[X.]/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 376 [X.] Rn. 38).

Danach waren die Fälle 3 und 6 am 2. November 2007 (Fall 3) und am 9. März 2009 (Fall 6) beendet.

3. Die Verjährungsfrist beträgt in allen Fällen fünf Jahre, § 370 Abs. 1 [X.], § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB. Weder der Erlass des [X.] am 16. Dezember 2010 ([X.], [X.]. 34; [X.]I, [X.]. 240, 242) noch die [X.] vom 6. Mai 2011 ([X.]II, [X.]. 450) und vom 14. Juni 2011 ([X.]II, [X.]. 456, 458) noch die Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens am 3. August 2011 ([X.]II, [X.]. 462) noch der Beschluss zur Aufrechterhaltung der Durchsuchungsanordnung vom 20. Oktober 2011 ([X.]II, [X.]. 465) konnten den Eintritt der Verjährung verhindern. Denn bis zu diesem Zeitpunkt erstreckte sich das Ermittlungsverfahren auf den Vorwurf der Steuerhinterziehung in den Jahren 2008 bis 2010. Erst mit Vermerk der Steuerfahndung vom 13. Oktober 2014 wurde das Ermittlungsverfahren auch auf den Zeitraum 2006 und 2007 erweitert ([X.]II, [X.]. 596). Daher war der - insoweit maßgebliche - Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden auf den Tatzeitraum 2008 bis 2010 beschränkt. Dies ergibt sich aus den vorbezeichneten Beschlüssen, die explizit auf diesen Zeitraum abstellen. Auch aus dem sonstigen Akteninhalt ergibt sich nichts anderes (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Juni 2015 - 1 [X.], Rn. 3 mwN).

Eine Bekanntgabe der Erweiterung an den Angeklagten erfolgte vor Erhebung der öffentlichen Klage am 8. August 2016 ([X.]V, [X.]. 667) nicht. Damit waren die Fälle 1 bis 6 spätestens mit Ablauf des 11. Juli 2014 (letzte Verjährung, Fall 5) verjährt.“

3

Dem schließt sich der [X.] an.

4

2. Der auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhende Schuldspruch hält im Übrigen rechtlicher Nachprüfung stand. Auch die Strafzumessung in den [X.] sowie 9 bis 16 der Urteilsgründe weist keinen Rechtsfehler auf. Die Revision des Angeklagten ist insoweit unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

5

3. Demgegenüber hat der Strafausspruch im Fall 8 der Urteilsgründe keinen Bestand, weil das [X.] für diesen Fall einen zu hohen Verkürzungsumfang angenommen hat. Hierzu hat der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:

„Die [X.] hat gleich zu Beginn der im Übrigen konsequenten und zutreffenden Berechnung Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 217.148,25 Euro zugrunde gelegt ([X.]). Tatsächlich belaufen sich die auf den Angeklagten entfallenden 95 % der [X.] (insgesamt 221.481,53 Euro) auf 210.407,45 Euro.

Die von der [X.] angestellte Rechnung würde einen Anteil von 98 % darstellen, der keinen Anhalt in den Urteilsgründen findet ([X.]). Dies gilt auch, soweit die [X.] aus den tatsächlich erklärten Einnahmen aus Gewerbebetrieb in Höhe von 72.002 Euro sowie 95 % der zugeschätzten Umsatzdifferenz, 145.146,25 Euro, tatsächliche Einkünfte der GbR aus Gewerbebetrieb in Höhe von den o.g. 217.148,25 Euro errechnet ([X.] f.). Dies stellt bezogen auf den nachvollziehbar ermittelten tatsächlichen Gewerbeertrag in Höhe von 221.481,53 Euro ([X.]) und den hiervon auf den Angeklagten entfallenden 95 % eine diesen benachteiligende Berechnung dar.“

6

4. Die Aufhebung der für Fall 8 der Urteilsgründe verhängten [X.] zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Diese könnte zudem bereits wegen des Wegfalls der [X.]n in den Fällen 1 bis 6 der Urteilsgründe keinen Bestand haben, weil der [X.] nicht ausschließen kann, dass das [X.] bei entsprechender Teileinstellung auf eine niedrigere als die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

Raum     

        

Jäger     

        

Hohoff

        

Leplow     

        

Pernice     

        

Meta

1 StR 154/19

11.07.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Leipzig, 24. Oktober 2018, Az: 215 Js 5788/11 - 11 KLs

§ 122 Abs 2 AO, § 168 S 2 AO, § 171 Abs 10 S 1 AO, § 179 AO, § 182 Abs 1 S 1 AO, § 184 AO, § 369 Abs 2 AO, § 370 Abs 1 Nr 1 AO, § 78 Abs 3 Nr 4 StGB, § 78c StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.07.2019, Az. 1 StR 154/19 (REWIS RS 2019, 5552)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5552

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 218/23

1 StR 53/23

Zitiert

1 StR 579/14

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