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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Beihilfe zur Steuerhinterziehung: Beginn der Verfolgungsverjährung
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. August 2021 jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in dem Fall [X.] 5. der Urteilsgründe wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung hinsichtlich der Hinterziehung von Umsatzsteuer für das Besteuerungsjahr 2010 des B. verurteilt worden ist; insoweit wird das Verfahren eingestellt. Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) soweit der Angeklagte im Fall [X.] 3. e. (2) der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist;
c) sowie im gesamten Strafausspruch; aufrechterhalten bleiben jedoch die Feststellungen zu den Fällen [X.] 4. b. bis h. (Beihilfe zur Steuerhinterziehung des [X.]betreffend die Umsatzsteuervoranmeldungen Januar bis März 2014 und Mai bis August 2014) sowie [X.] 5. (Beihilfe zur Steuerhinterziehung des B. betreffend die Hinterziehung von Umsatzsteuer hinsichtlich der [X.] 2011 bis 2014) der Urteilsgründe;
d) im Ausspruch über die Einziehung.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 13 Fällen und wegen [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt, wovon drei Monate aufgrund einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Daneben hat das [X.] die Einziehung des Wertes von [X.]n in Höhe von 1.773.861,52 Euro angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Verfahren ist in dem [X.] 5. der Urteilsgründe gemäß § 206a Abs. 1 StPO wegen Verfolgungsverjährung einzustellen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB), soweit der Angeklagte wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung für das [X.] 2010 durch den gesondert Verfolgten B. verurteilt worden ist.
Der [X.] hat in seiner Zuschrift hierzu zutreffend ausgeführt:
„Die Verfolgungsverjährung hinsichtlich des Teilnehmers beginnt erst mit der Beendigung der Haupttat [X.]/[X.], 15. Auflage 2020, [X.] § 376 Rn. 55). Die Tat des B. war am 31. Mai 2011 mit Ablauf der Abgabefrist beendet (vgl. Klein/[X.], 15. Auflage 2020, [X.] § 376 Rn. 38). Da insoweit ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] nicht vorliegt, verjährt die Tat gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB nach Ablauf von fünf Jahren (…).
Vor Ablauf der Verjährungsfrist kam es zu keiner die Verjährung unterbrechenden Handlung im Sinne des § 78c StGB.“
2. [X.] tragen die Verurteilung des Angeklagten in [X.] 3. e. (2) der Urteilsgründe (Hinterziehung von Gewerbesteuer bezüglich des [X.] 2014) wegen vollendeter Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht, weil das [X.] nicht alle erforderlichen Feststellungen getroffen hat.
a) Bei der Hinterziehung von [X.] durch Unterlassen tritt – sofern nicht vorher ein Schätzungsbescheid ergangen ist – der Taterfolg der Steuerverkürzung zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Veranlagung stattgefunden hätte, wenn die Steuererklärung pflichtgemäß eingereicht worden wäre; dies ist spätestens dann der Fall, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat. Hierzu bedarf es ausreichender tatsächlicher Feststellungen (st. Rspr.; [X.], Beschlüsse vom 4. November 2021 – 1 [X.] Rn. 13; vom 6. April 2021 – 1 StR 60/21 Rn. 4 und vom 2. November 2010 – 1 [X.] Rn. 77; einschränkend [X.], Beschluss vom 19. Januar 2011 – 1 [X.] Rn. 8 f.).
b) Das angefochtene Urteil genügt in [X.] 3. e. (2) der Urteilsgründe den sich hieraus ergebenden Darstellungsanforderungen nicht. Das [X.] hat insoweit festgestellt, dass der Angeklagte für den Besteuerungszeitraum 2014 weder eine Gewerbe- noch eine Einkommen- oder Umsatzsteuererklärung abgegeben hat ([X.] f.). Lediglich im Hinblick auf die Einkommensteuer stellt das [X.] darüber hinaus fest, dass „bei Abgabe der Erklärung innerhalb der Frist des § 149 Abs. 2 [X.]“ das zuständige Finanzamt „den Bescheid spätestens bis zum 30.09.2014 [gemeint ist der 30. September 2015] erteilt“ hätte ([X.]). Entsprechende Feststellungen hinsichtlich der Gewerbesteuer trifft das [X.] hingegen nicht. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Tat – wie von dem [X.] angenommen – vollendet ist. Die beweiswürdigungsrechtlichen Erwägungen zu der Vergleichbarkeit der Arbeitsbelastung des zuständigen Finanzamts mit den vorherigen Veranlagungsjahren ([X.]) reichen hierzu nicht aus.
3. Die Urteilsgründe tragen in den Fällen [X.] (1) und (2) (Hinterziehung von Einkommen- und Gewerbesteuer 2010) und [X.] (1) und (2) (Hinterziehung von Einkommen- und Gewerbesteuer 2012) zwar jeweils den Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung sowie im [X.] 4. a. (Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer 2013 durch Ö. ) den Schuldspruch wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Der Strafausspruch hat jedoch in diesen Fällen wegen unzutreffender Berechnung des [X.] keinen Bestand.
a) Das [X.] hat – wie es offenlegt – die Berechnung der [X.] für die [X.] bis 2013 fehlerhaft vorgenommen. Anstelle des [X.] legt das [X.] seiner Berechnung lediglich die Ergebnisse „der nicht gebuchten Geschäfte“ zugrunde ([X.]. Angesichts der Verluste, die der Angeklagte in den Jahren 2010 und 2012 mit seinem „offiziellen Geschäft“ erwirtschaftete ([X.]. [X.], hat das [X.] die hinterzogene Einkommen- und Gewerbesteuer für die Zeiträume 2010 und 2012 (Fälle [X.] (1) und (2) sowie [X.] (1) und (2) der Urteilsgründe) zu hoch angesetzt und damit zulasten des Angeklagten den Schuldumfang rechtsfehlerhaft bestimmt.
Soweit dem [X.] der gleiche Fehler bei der Berechnung der Einkommen- und Gewerbesteuer für die [X.] und 2013, in denen der Angeklagte mit seinem „offiziellen Geschäft“ einen Gewinn erzielte (Fälle [X.] 3. b. (1) und (2) sowie [X.] 3. d. (1) und (2) der Urteilsgründe), sowie der Umsatzsteuer für die [X.] bis 2014 (Fälle [X.] (3), b. (3), [X.] (3) und d. (3) der Urteilsgründe) unterläuft, wirkt sich dies im konkreten Fall ausweislich der alternativen Berechnung nicht zum Nachteil des Angeklagten aus.
b) Dem [X.] ist darüber hinaus bei der Berechnung der durch den [X.] verkürzten Umsatzsteuer für den Besteuerungszeitraum 2013 ([X.] 4. a. der Urteilsgründe) ein Berechnungsfehler unterlaufen. Die Summe der aus den Scheinrechnungen des Angeklagten in Höhe von insgesamt 76.704,42 Euro (brutto) durch den Zeugen für den Besteuerungszeitraum 2013 zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuer gibt das [X.] unzutreffend mit 13.965,59 Euro anstatt mit 12.246,92 Euro an ([X.] S. 15).
c) Der Senat hebt den Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen insgesamt auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatgericht die zutreffende Feststellung der ineinander durch eine Schätzung verknüpften Besteuerungsgrundlagen und der Höhe der [X.] – auch mit Blick auf die Höhe des Einziehungsumfangs – und im [X.] daran eine stimmige Strafzumessung zu ermöglichen. Davon abweichend bleiben die Feststellungen zu den Fällen [X.] 4. b. bis h. (Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch den [X.] betreffend die Umsatzsteuervoranmeldungen Januar bis März 2014 und Mai bis August 2014), [X.] 5. (Beihilfe zur Steuerhinterziehung des B. betreffend die Hinterziehung der Umsatzsteuer hinsichtlich der [X.] bis 2014) und [X.] 6. (Computerbetrug) der Urteilsgründe jedoch aufrechterhalten, da sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind.
4. Die Anordnung der Einziehung des Wertes der [X.] hält rechtlicher Überprüfung bereits aufgrund der aufgezeigten Berechnungsfehler nicht stand.
a) Darüber hinaus hat das [X.] – im Ansatz rechtsfehlerfrei – die Einziehung der Summe der von dem Angeklagten verkürzten Steuern in den Fällen [X.] 3. der Urteilgründe (Hinterziehung von Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuer für die [X.] bis 2014) gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1, § 73d Abs. 2 StGB angeordnet. Ferner hat es die Einziehung der [X.] erzielten Einnahmen des Angeklagten aus dem Verkauf sog. Lines eines Cardsharing-Servers in Höhe von 33.100 Euro angeordnet ([X.] S. 46 f.; Computerbetrug).
Dabei hat das [X.] den Zusammenhang zwischen der Einziehung der aufgrund des [X.] erzielten Erträge und der hierauf anfallenden Gewerbe-, Umsatz- und Einkommensteuer für den Besteuerungszeitraum 2013 nicht bedacht. Würde nebeneinander sowohl das aus der Begehung des [X.] Erlangte als auch der Wert der ersparten Aufwendungen für die wegen des Zuflusses entstandenen Steuern eingezogen, unterläge ein höherer als der insgesamt zugeflossene Betrag der Einziehung. Dies wäre mit der Rechtsprechung des [X.] nicht zu vereinbaren, wonach es durch Besteuerung und Vermögensabschöpfung nicht zu einer doppelten Belastung des [X.] kommen darf (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Januar 1990 – 1 [X.] u.a., [X.]E 81, 228, 239 f.). Dies gilt auch dann, wenn Zahlungen auf eine Einziehungsanordnung in anderen [X.] steuerlich wieder in Ansatz gebracht werden können (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. August 2021 – 1 StR 399/20 Rn. 41 und vom 5. September 2019 – 1 [X.] Rn. 10; je mwN).
b) Soweit das [X.] schließlich die Einziehung der ersparten Aufwendungen für die Gewerbesteuer 2014 ([X.] 3. e. (2) der Urteilsgründe) angeordnet hat, ist – wie unter Ziffer 2. ausgeführt – dem Revisionsgericht die Prüfung nicht möglich, ob die Tat vollendet oder lediglich versucht ist. Im letzten Fall käme eine Einziehung nicht in Betracht (vgl. [X.], Urteile vom 8. März 2022 – 1 [X.]/21 Rn. 22 ff.; vom 10. März 2021 – 1 StR 272/20 Rn. 26 und vom 11. Juli 2019 – 1 [X.], [X.]St 64, 146 Rn. 19 f.; je mwN).
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Meta
10.03.2022
Bundesgerichtshof 1. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Bielefeld, 19. August 2021, Az: 9 KLs 22/18
§ 370 Abs 1 Nr 2 AO, § 370 Abs 3 S 2 Nr 1 AO, § 376 AO, § 27 StGB, § 29 StGB, § 78 Abs 3 Nr 4 StGB, § 78a StGB, § 261 StPO, § 267 StPO
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.03.2022, Az. 1 StR 515/21 (REWIS RS 2022, 2839)
Papierfundstellen: REWIS RS 2022, 2839
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 StR 265/18 (Bundesgerichtshof)
Tatmehrheitliche Begehung einer Umsatz- und Gewerbesteuerhinterziehung; gerichtliche Schätzung der Besteuerungsgrundlagen
1 StR 361/22 (Bundesgerichtshof)
Steuerstrafsache: Umsatzsteuerhinziehung bei der Vermietung von Zimmern an Prostituierte
1 StR 269/22 (Bundesgerichtshof)
Strafzumessung im Steuerstrafverfahren: Steuerhinterziehung in Millionenhöhe; Verschleierung durch Einschaltung einer ausländischen Kapitalgesellschaft und Vortäuschen eines …
1 StR 379/19 (Bundesgerichtshof)
(Annahme von Tatmehrheit bei Steuererklärungen über verschiedene Steuerarten)
1 StR 198/20 (Bundesgerichtshof)
Steuerhinterziehung: Eintritt des Taterfolgs bei Einreichung unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen; Konkurrenzverhältnis bei gleichzeitiger Abgabe mehrerer Voranmeldungen; Einziehung …