Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.12.2003, Az. VI ZR 38/03

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 310

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/03Verkündet am:9. Dezember 2003Böhringer-Mangold,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]: jaGG [X.]. 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1, 2; BGB §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1a) Die Auslegung eines [X.]es hat den Kontext und die Umstände der Äuße-rung zu berücksichtigen. Sie kann ergeben, daß der [X.] keine "echte Fra-ge", sondern die unwahre Behauptung einer Tatsache enthält.b) Ein Anspruch des durch eine unwahre Tatsachenbehauptung in seinem allgemei-nen Persönlichkeitsrecht Beeinträchtigten auf Richtigstellung kann auch nach [X.] von mehr als sieben Monaten bestehen.[X.], Urteil vom 9. Dezember 2003 - [X.]/03 - [X.] HamburgLG [X.] -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch die Vorsitzende Richterin [X.], den [X.]. [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zollfür Recht erkannt:Die Revision der [X.]n gegen das Urteil des 7. Zivilsenats desHanseatischen [X.] vom 7. Januar 2003wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.Von Rechts [X.]:Die [X.] hat in der von ihr verlegten Tageszeitung "Bild" auf der Ti-telseite der Ausgabe vom 22. September 2000 sowie auf Seite 4 über ein Inter-view mit dem bekannten Unterhaltungskünstler [X.] in dem Magazin"[X.]" berichtet, in dem dieser über sein Verhältnis zu Frauen und insbe-sondere zur Klägerin befragt worden war. Der Artikel wies in großer Schrift [X.] auf:"[X.]Im Bett [X.] etwas kleiner im [X.] 3 -—In einem [X.]-Interview antwortet er eindeutig zweideutig."Auf Abmahnung der Klägerin gab die [X.] am 6. Oktober 2002 einestrafbewehrte Unterlassungserklärung ab, verweigerte aber eine mit [X.] 6. März 2001 begehrte Richtigstellung.Die Klägerin hat Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten, eine immaterielleEntschädigung von 50.000 DM sowie [X.] einer Richtigstellung be-gehrt. Das [X.] hat nach einer Beweisaufnahme durch Vernehmung von[X.] über die Frage, ob die Klägerin ein sexuelles Verhältnis mit ihmgehabt habe, die [X.] zum Ersatz der Abmahnkosten, zu einer immateriel-len Entschädigung von 10.000 Richtigstellung verurteilt. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der [X.] den Wortlaut der begehrten Richtigstellung geringfügig geändert undauf die Anschlußberufung der Klägerin die [X.] zu einer immateriellen [X.] von 20.000 (ˆ)-Mit der vom [X.] hinsichtlich des Richtigstellungsan-spruchs zugelassenen Revision verfolgt die [X.] ihr Ziel einer Abweisungder Klage weiter.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die [X.] wegen der [X.] auf dem Titelblatt der [X.] vom 22. September 2000 der- 4 -zuletzt geltend gemachte Richtigstellungsanspruch zu (§§ 823, 1004 BGB [X.] mit [X.]. 1, 2 GG). Bei der [X.] handle es sich nicht umeine echte, den Lesern die Auswahl zwischen mehreren möglichen Antwortenbelassende Frage. Vielmehr werde einer Vielzahl von Lesern der Eindruck ver-mittelt, daß [X.] mit der Klägerin intim gewesen sei. Ausreichend sei,daß eine nicht unbedeutende Zahl der unbefangenen Durchschnittsleser [X.] die Passage auf dem Titelblatt in diesem Sinne verstehe. [X.] dem Ergebnis der Beweisaufnahme unrichtige Eindruck beziehe sich aufden Bereich der Intimsphäre und beeinträchtige das allgemeine Persönlichkeits-recht der Klägerin nachhaltig. Eine Richtigstellung sei daher geboten.Es sei nicht erforderlich, daß durch die [X.] ein zwingenderEindruck erweckt werde. Das Verlangen auf Richtigstellung beeinträchtige diedurch Art. 5 GG geschützte Pressefreiheit weniger schwerwiegend als ein Un-terlassungsverlangen. Ein Anspruch auf Folgenbeseitigung könne schon dannzuzusprechen sein, wenn eine das allgemeine Persönlichkeitsrecht betreffendeBehauptung nicht rechtswidrig sei.Die Richtigstellung sei zur Beseitigung der fortwirkenden Beeinträchti-gung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin auch erforderlich. Dieseit der [X.] vergangene [X.] genüge nicht, um der reißerischenAufmachung der beanstandeten und mit Fotos der Klägerin und von [X.] illustrierten Passage die verletzende Wirkung zu nehmen.I[X.] angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision [X.] -Die Revision ist nach Zulassung durch das Berufungsgericht gemäߧ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, jedoch wirksam beschränkt auf den Anspruchauf Richtigstellung als einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil [X.], über den gesondert hätte entschieden werden können (vgl.[X.], Urteil vom 17. Juli 2003 - [X.] - NJW 2003, 3134 m.w.N., zur[X.] in [X.]Z bestimmt).Die Revision ist auch im übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.Das Berufungsgericht hat der Klägerin die begehrte Richtigstellung ohneRechtsfehler aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB zuerkannt.1. Vergeblich macht die Revision geltend, die Äußerung sei einer Rich-tigstellung nicht zugänglich, weil es sich um eine "echte" Frage handle, die [X.] die Auswahl zwischen mehreren möglichen Antworten belasse, weil sieoffenlasse, ob es zwischen [X.] und der Klägerin zu Intimitäten ge-kommen sei.Zwar kann eine Richtigstellung nicht wegen einer Frage verlangt werden.Erforderlich ist jedenfalls eine Äußerung mit so viel tatsächlichem Gehalt, daßdieser einer Richtigstellung zugänglich ist. Das Berufungsgericht hat jedoch [X.] nicht als Frage verstanden, sondern als —Vermittlung eines tatsächli-chen [X.], den es allerdings im Gegensatz zum [X.] nicht fürzwingend hält. Ob es den Aussagegehalt des beanstandeten [X.]es zu-treffend gewürdigt hat, unterliegt der revisionsrechtlichen Nachprüfung (vgl. [X.] vom 26. Oktober 1999 - [X.] - aaO).a) Das Berufungsgericht legt den [X.] unter Einbeziehung dessprachlichen Zusammenhangs mit dem nachfolgenden Untertitel aus "In einem[X.]-Interview antwortet er eindeutig zweideutig". Die Revision meint, [X.] dürfe bei der Ermittlung des [X.] nicht berücksichtigt [X.] 6 -den. Damit setzt sie sich in Widerspruch zur Rechtsprechung des [X.], wonach stets der Gesamtzusammenhang, in dem die Äuße-rung steht, zu berücksichtigen ist, was auch für Fragen gilt (vgl. [X.], 1442, 1443 f.; NJW 2003, 660, 661; vgl. auch Senatsurteile [X.]Z 139,95, 102 und vom 30. Mai 2000 - [X.] - aaO - jeweils m.w.N.).Nach den vom [X.] (NJW 1992, 1442, 1443 [X.] Grundsätzen zur Beurteilung von Äußerungen, die in Frageformgekleidet sind, unterscheiden sich Fragen von Werturteilen und Tatsachenbe-hauptungen dadurch, daß sie keine Aussage machen, sondern eine Aussageherbeiführen wollen. Sie sind auf eine Antwort gerichtet. Diese kann in einemWerturteil oder einer Tatsachenmitteilung bestehen. Dagegen lassen sich [X.] keinem der beiden Begriffe zuordnen, sondern haben eine eigene semanti-sche Bedeutung. Zu beachten ist, daß nicht jeder in Frageform gekleidete [X.] Frage zu betrachten ist. Insofern ist zwischen Fragen und Fragesätzen zuunterscheiden. Ist ein [X.] nicht auf eine Antwort durch einen [X.] oder nicht für verschiedene Antworten offen, so handelt es sich unge-achtet der geläufigen Bezeichnung als —rhetorische Fragefi tatsächlich nicht umeine Frage. Fragesätze oder Teile davon, die nicht zur Herbeiführung [X.] inhaltlich noch nicht feststehenden - Antwort geäußert werden, bilden [X.], die sich entweder als Werturteil oder als Tatsachenbehauptung [X.] und rechtlich wie solche zu behandeln sind. Die Unterscheidung zwi-schen echten und rhetorischen Fragen kann Schwierigkeiten bereiten, weil diesprachliche Form allein keine zuverlässigen Schlüsse erlaubt. Die [X.] daher gegebenenfalls mit Hilfe von Kontext und Umständen der [X.]. Ist ein [X.] mehreren Deutungen zugänglich, müssen [X.] erwogen werden und das Gericht muß seine Wahl begründen.- 7 -b) Das Berufungsgericht hat sich zu Recht gegen die Deutung der Äuße-rung als echte Frage entschieden. Nur bei vordergründiger Betrachtungsweisekann der erste in Form eines [X.]es gekleidete Teil der beanstandetenÄußerung als [X.] verstanden werden, die mit —[X.], —[X.] oder —viel-leichtfi beantwortet werden könnte. Zutreffend hat das Berufungsgericht für dieErmittlung des [X.] auch den zweiten Teil der Äußerung berück-sichtigt, wonach [X.] sich hierzu —eindeutig zweideutigfi geäußert habe.Durch diese Formulierung wird die im ersten Teil der Äußerung scheinbar auf-geworfene [X.] affirmativ beantwortet und dem Leser suggeriert, daßdie bejahende Alternative vorrangig in Betracht komme. Bei diesem [X.] die beanstandete Äußerung nicht als Frage, sondern als Tatsachenbehaup-tung anzusehen.Erfolglos verweist die Revision auf den Grundsatz, daß bei mehreren,sich nicht gegenseitig ausschließenden Deutungen des Inhalts einer Äußerungdiejenige der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist, die dem in [X.] günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt(vgl. [X.] 85, 23, 32 ff.; Senatsurteile [X.]Z 139, 95, 103 f.; vom25. November 2003 [X.]/02 [X.] z.[X.].). Er kann hier jedoch nicht Platzgreifen. Es geht nämlich nicht darum, ob die Äußerung mehreren Deutungenzugänglich ist, sondern ob das Berufungsgericht sie zu Recht nicht als (—echtefi)Frage gewertet hat.2. Soweit das Berufungsgericht die Äußerung als —Vermittlung eines tat-sächlichen [X.] bezeichnet, ist damit keine weitere Kategorie gegenüberden Begriffen —Werturteilfi und —[X.] angesprochen. [X.] das Berufungsgericht die beanstandete Äußerung zutreffend als [X.] einem tatsächlichen Substrat (vgl. [X.] 66, 116, 150) gewertet, nämlicheiner intimen Beziehung der Klägerin zu [X.] in der [X.] 8 -und sie damit der Sache nach als Tatsachenbehauptung behandelt. [X.] entspricht auch, daß das [X.] über die Wahrheit dieser Tatsa-chenbehauptung Beweis erhoben hat - mit negativem Ergebnis. Daß die [X.] Tatsache wahr sei, wird auch von der Revision nicht geltend gemacht.Bei dieser Sachlage kann es nicht darauf ankommen, ob der durch [X.] vermittelte Eindruck —zwingendfi ist. Ausschlaggebend ist vielmehr,daß die beanstandete [X.] dem Leser einen unzutreffenden Ein-druck von Verhältnissen in der Privatsphäre der Klägerin vermittelt. Dieser stehtdeshalb der geltend gemachte Richtigstellungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1,1004 Abs. 1 BGB zu (vgl. Senat [X.]Z 31, 308, 318; 128, 1, 10 ff.; [X.] 22. Juni 1982 - [X.] [X.] NJW 1982, 2246, 2248 m.w.[X.] Der Anspruch der Klägerin auf Richtigstellung scheitert nicht an einerdurch [X.]ablauf eingetretenen "[X.] erheblichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts derKlägerin kann die Revision nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß seit der [X.] mehr als drei Jahre vergangen sind. Dieser [X.]raum reicht unterden hier gegebenen Umständen nicht aus, um den unwahren Behauptungender [X.]n, mit denen sie in einer auflagenstarken [X.]ung in die [X.] Klägerin eingegriffen hat, die ehrverletzende Wirkung zu nehmen. Die Mel-dung entbehrte nach ihrem Inhalt eines aktuellen Bezugs; sie berichtete überdie [X.], in der [X.] 41 Jahre alt war; die Klägerin war damals "18 [X.]". Die [X.] auf der Titelseite der "[X.]" stellt eineerhebliche Beeinträchtigung der Klägerin dar. Der in der [X.] [X.] Eingriff in die Intimsphäre war angesichts des gerichtsbekanntenVerbreitungsgrades der [X.] (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1994- VI ZR 56/94 - NJW 1995, 861, 863, insoweit nicht in [X.]Z 128, 1 ff.) so inten-- 9 -siv, daß auch die von der [X.] bis zur Klageerhebung abgelaufene[X.] von sieben Monaten nicht ausreicht, um den unwahren Behauptungen ihredie Klägerin verletzende Wirkung zu nehmen. Eine Beseitigung dieser Rechts-verletzung ist nach wie vor geboten.Die Richtigstellung in der ausgeurteilten Form erweckt [X.] entgegen [X.] der Revision [X.] beim unvoreingenommenen Leser der [X.] auchnicht den Eindruck, "an der Sache sei vielleicht doch etwas dran".Soweit die Revision die Sorge äußert, durch die Richtigstellung werdedie das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzende Äußerungwieder ins Gedächtnis der Leser gerufen, ist das ein Risiko, das die [X.]der Klägerin zu überlassen hat, welche die Richtigstellung wünscht. Der [X.] auf Richtigstellung wird dadurch jedenfalls nicht [X.] 10 -III.Nach allem ist die Revision der [X.]n mit der Kostenfolge aus § 97Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.Müller[X.][X.]PaugeZoll

Meta

VI ZR 38/03

09.12.2003

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.12.2003, Az. VI ZR 38/03 (REWIS RS 2003, 310)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 310

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