Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.11.2018, Az. 2 B 28/18

2. Senat | REWIS RS 2018, 1989

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Gegenstand

Wirkungsbereich der allgemeinen Fürsorgepflicht


Gründe

1

Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 [X.] VwGO) gestützte Beschwerde des [X.] ist zulässig, aber nicht begründet.

2

1. Der 1953 geborene Kläger stand als [X.] (Besoldungsgruppe [X.]) im Dienst der [X.]. Am 31. Januar 2000 erlitt der Kläger bei einem Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr seiner Heimatgemeinde einen Unfall. Mit Ablauf des 31. März 2008 versetzte der Beklagte den Kläger wegen der infolge dieses Unfalls eingetretenen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Der Kläger erhielt Versorgungsbezüge, sein Antrag auf Gewährung von Leistungen der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge blieb auch im Klageverfahren erfolglos. Aufgrund der durch den Unfall eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit des [X.] zahlte die [X.] zunächst eine Rente nach Minderung der Erwerbsfähigkeit sowie Mehrleistungen nach § 94 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 21 ihrer Satzung. Die [X.] erkannte den Anspruch des [X.] auf Gewährung einer Verletztenrente nach § 56 i.V.m. § 61 Abs. 1 Satz 2 [X.] dem Grunde nach an. Zur Berechnung der Vollrente des [X.] bat die [X.] den Beklagten um Feststellung der tatsächlich gezahlten Regelversorgung sowie der Höhe der fiktiven Unfallversorgung. Der Beklagte teilte die aus seiner Sicht maßgeblichen Werte für den Zeitraum ab dem 1. April 2008 mit. Daraufhin setzte die [X.] rückwirkend ab dem 1. April 2008 [X.] fest und schrieb diese abhängig von den Mitteilungen des Beklagten über die gezahlte Regelversorgung und die Höhe der fiktiven Unfallversorgung fort.

3

Anfang Dezember 2013 beantragte der Kläger beim Beklagten die Feststellung der fiktiven Unfallversorgung für den Zeitraum ab 1. April 2008 unter Berücksichtigung eines (fiktiven) [X.] mit einem Ruhegehaltssatz von 75 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge sowie eines (fiktiven) Unfallausgleichs nach § 35 Abs. 1 [X.] in Höhe der Grundrente nach § 31 [X.]. Das Verwaltungsgericht hat die entsprechende Untätigkeitsklage des [X.] mit der Begründung abgewiesen, die Klage sei zulässig, sie sei jedoch mangels einer Anspruchsgrundlage unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

4

Es handele sich nicht um eine Verpflichtungs-, sondern um eine allgemeine Leistungsklage. Die Feststellung der Höhe der fiktiven Unfallversorgung nach § 61 Abs. 1 Satz 3 [X.] sei mangels einer Rechtswirkung nach außen kein Verwaltungsakt. Die statthafte Leistungsklage sei aber unzulässig. Denn dem Kläger fehle die Klagebefugnis. Weder § 61 Abs. 1 Satz 3 [X.] noch die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht begründe den Anspruch des [X.] gegen den Beklagten auf Feststellung einer höheren (fiktiven) Unfallversorgung. Zudem stehe der Zulässigkeit der Klage der Rechtsgedanke des § 44a VwGO entgegen. Bei der Feststellung nach § 61 Abs. 1 Satz 3 [X.] handele sich um eine unselbstständige Verfahrenshandlung, die nach § 44a VwGO und dem gleichlautenden § 56a [X.] nur gleichzeitig mit der Sachentscheidung angegriffen werden könne. Die Feststellung der Höhe der Versorgungsbezüge nach § 61 Abs. 1 Satz 3 [X.] sei eine bloße Mitwirkungshandlung einer anderen Behörde im Rahmen des Verfahrens der Bewilligung einer Unfallrente gemäß §§ 56 f. [X.], die nur der Vorbereitung der abschließenden Sachentscheidung diene, die allein der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu treffen habe. Im sozialgerichtlichen Verfahren gegen den [X.] habe das Sozialgericht auch die Feststellungen des Beklagten im Wege einer Inzidentkontrolle inhaltlich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

5

2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde des [X.] beimisst.

6

Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage,

"ob das Fürsorgeprinzip aus § 78 [X.] einem Beamten einen eigenen Anspruch gegenüber dem Dienstherrn auf Feststellung seiner fiktiven Versorgungsbezüge zur Ermittlung einer Rente eines Sozialversicherungsträgers gewährt, ohne dass der Rechtsgedanke des § 44a VwGO entgegensteht."

7

Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 [X.] VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des [X.] erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

8

Zwar entspricht die Beschwerdebegründung der Vorgabe, dass bei einer auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützten Berufungsentscheidung gegen jede der Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend zu machen ist. Denn die Fragestellung umfasst - formal - sowohl die Frage der Anspruchsgrundlage und damit den Aspekt der Klagebefugnis als auch die ebenfalls zur Unzulässigkeit der Leistungsklage führende Annahme des Berufungsurteils, bei der Feststellung nach § 61 Abs. 1 Satz 3 [X.] handele es sich um eine unselbstständige Verfahrenshandlung [X.]. § 44a VwGO oder § 56a [X.]. Für die Entscheidung über die Beschwerde ist dabei unerheblich, dass sich der erste Teil der einheitlichen Fragestellung auf das Bestehen eines materiellen Anspruchs bezieht, während der zweite Teil nicht auf das Bestehen des Anspruchs, sondern auf den Gesichtspunkt seiner prozessualen Durchsetzung bezogen ist.

9

Die vom Kläger als Einheit aufgeworfene Frage vermag die Zulassung der Revision aber nicht zu rechtfertigen, weil sie bereits im Hinblick auf den Teilaspekt des Umfangs der Fürsorgepflicht nach dem Gesetzeswortlaut mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens im Sinne des Urteils des Berufungsgerichts beantwortet werden kann (BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 und vom 28. November 2017 - 2 [X.] - [X.] 240 § 42 [X.] Nr. 32 Rn. 5).

In der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass der Wirkungsbereich der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus § 78 [X.] im Verhältnis zu speziellen gesetzlichen Regelungen eingeschränkt ist. Die durch Art. 33 Abs. 5 GG garantierte allgemeine Fürsorgepflicht hat insbesondere zum Inhalt, dass der Dienstherr bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise zu berücksichtigen hat ([X.], [X.] vom 30. Januar 2008 - 2 BvR 754/07 - NVwZ 2008, 547 <548> m.w.N.). Hat der Gesetzgeber jedoch unter Abwägung aller Belange, insbesondere der wohlverstandenen Interessen der Beamten, eine abstrakt-generelle Regelung getroffen, beurteilt sich die Frage nach Ansprüchen eines Betroffenen nach Maßgabe dieser gesetzlichen Regelung. Das Ergebnis der Auslegung der speziellen gesetzlichen Regelung darf nicht unter Berufung auf die allgemeine Fürsorgepflicht wieder überspielt und eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Rechtsfolge gefordert werden (BVerwG, Urteile vom 26. Oktober 2000 - 2 C 38.99 - [X.] 237.7 § 48 [X.] [X.] S. 3, vom 21. Dezember 2000 - 2 C 39.99 - BVerwGE 112, 308 <309 f.>, vom 2. Februar 2017 - 2 C 22.16 - [X.] 232.01 § 48 BeamtStG [X.] Rn. 22 und vom 17. November 2017 - 2 A 3.17 - NVwZ-RR 2018, 193 Rn. 27).

Für Renten für Beamte hat der Gesetzgeber in § 61 Abs. 1 Satz 2 [X.] geregelt, dass, sofern das Dienstverhältnis wegen Dienstunfähigkeit infolge des Versicherungsfalls endet, Vollrente insoweit gezahlt wird, als sie zusammen mit den Versorgungsbezügen aus dem Dienstverhältnis die Versorgungsbezüge, auf die der Beamte bei Vorliegen eines Dienstunfalls Anspruch hätte, nicht übersteigt. In Satz 3 hat der Gesetzgeber die Verpflichtung der Dienstbehörde begründet, die Höhe dieser fiktiven Versorgungsbezüge festzustellen. Die entscheidungserhebliche Frage, ob der Kläger beim Verwaltungsgericht die Verpflichtung des Beklagten als Dienstbehörde zur Festsetzung der (fiktiven) Unfallversorgung rückwirkend ab dem 1. April 2008 unter Berücksichtigung eines (fiktiven) [X.] mit einem Ruhegehaltssatz von 75 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge sowie eines (fiktiven) Unfallausgleichs nach § 35 Abs. 1 [X.] in Höhe der Grundrente nach § 31 [X.] beanspruchen kann, richtet sich entsprechend dem dargestellten Verhältnis nach der Auslegung von § 61 Abs. 1 Satz 3 [X.], nicht nach der allgemeinen Fürsorgepflicht. Diese gesetzliche Regelung - § 61 Abs. 1 Satz 3 [X.] - wird aber nach der Beschwerdebegründung ausdrücklich nicht zur rechtsgrundsätzlichen Klärung gestellt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 und § 52 Abs. 2 GKG. Die genaue Höhe der finanziellen Folgen der vom Kläger angestrebten Verurteilung des Beklagten steht derzeit noch nicht fest.

Meta

2 B 28/18

08.11.2018

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 16. Februar 2018, Az: 1 A 1911/16, Urteil

§ 78 BBG, § 31 BVG, § 35 Abs 1 BeamtVG, Art 33 Abs 5 GG, § 61 Abs 1 S 2 SGB 7, § 61 Abs 1 S 3 SGB 7

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.11.2018, Az. 2 B 28/18 (REWIS RS 2018, 1989)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 1989

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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