Bundessozialgericht, Beschluss vom 13.12.2016, Az. B 4 SF 4/16 R

4. Senat | REWIS RS 2016, 925

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Rechtsweg - Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das BSG bei sog negativen rechtswegübergreifenden Kompetenzkonflikt - Verweisungsbeschluss - Bindungswirkung - Durchbrechung


Tenor

Das [X.] wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten als vormalige Parteien einer Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarung nach dem [X.] für den Leistungsbereich des ambulanten Betreuten Wohnens für Menschen mit Behinderung vom September 2013 beendeten ihre vertraglichen Beziehungen durch Vergleich vom 19.2.2015 vor dem [X.]. Hierdurch erledigte sich zugleich eine vom Beklagten zuvor ausgesprochene Kündigung der Vereinbarung.

2

Für die im Juni 2016 von der Klägerin bei dem [X.] erhobene Klage mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, 25 000 Euro zzgl weiterer Zahlungen zu erbringen, hat dieses Gericht sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das [X.] verwiesen (Beschlüsse vom [X.]4.7.2016).

3

Mit Beschluss vom 17.10.2016 hat sich auch das [X.] für sachlich unzuständig erklärt, das Verfahren ausgesetzt und dem [X.] vorgelegt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, es halte sich nicht an den Verweisungsbeschluss des [X.] gebunden. Dessen Auffassung, das [X.] sei für die Entscheidung über den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatz zuständig, entbehre jeden sachlichen Grundes und sei offensichtlich nicht haltbar. Weder der Hinweis auf früher geltende Vereinbarungen noch darauf, dass wegen der Wirksamkeit der Kündigung ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anhängig gewesen sei, vermöge § 71 Abs 2 [X.] 2 GVG außer [X.] zu setzen.

4

II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 [X.] 4 SGG durch das [X.] liegen vor.

5

Das [X.] ist hier als der für einen der beteiligten Gerichtszweige zuständige oberste Gerichtshof für die Bestimmung zuständig, weil es vom [X.] als erster oberster Gerichtshof um die Entscheidung angegangen worden ist. Das [X.] hat bereits entschieden, dass in entsprechender Anwendung des § 58 Abs 1 [X.] 4 SGG das zuständige Gericht auch dann zu bestimmen ist, wenn ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit und das Gericht eines anderen [X.] den Rechtsweg zu sich rechtskräftig verneint haben, sofern das [X.] als erster oberster Gerichtshof mit dieser Bestimmung befasst wird ([X.] Beschluss vom 1.7.1980 - 1 S 5/80 - [X.] 1500 § 58 [X.] 4; vgl zuletzt [X.] Beschluss vom 16.11.2016 - B 4 SF 5/16 R). Dies entspricht auch der übereinstimmenden Rechtsprechung des [X.] und des [X.] zu den vergleichbaren Vorschriften ihrer Verfahrensordnungen ([X.] Beschluss vom [X.] - [X.] - [X.]Z 44, 14; [X.] Beschluss vom [X.] - 5 AR 282/70 - [X.]E 23, 167 = AP [X.] 8 zu § 36 ZPO; AP [X.] 34 zu § 36 ZPO).

6

Zuständiges Gericht ist das [X.]. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung der Beschlüsse des [X.]. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß § 17a Abs 2 S 3 GVG bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Es ist nicht Aufgabe des "gemeinsam" übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 [X.] 4 SGG, den Streit der beteiligten Gerichte über den Anwendungsbereich von Regelungen über die Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen (vgl zuletzt Beschluss des Senats vom 16.11.2016 - B 4 SF 5/16 R - mwN).

7

Nur in seltenen Ausnahmefällen kommt eine Durchbrechung der Bindungswirkung in Betracht, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder auf willkürlichen Erwägungen beruht. Eine fehlerhafte Auslegung des Gesetzes allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt wird und die vertretene Auffassung jeden sachlichen Grundes entbehrt, sodass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt (stRspr; vgl nur [X.] Beschluss vom [X.] SF 7/11 S - Juris Rd[X.] 9; zuletzt [X.] Beschluss vom 16.11.2016 - B 4 SF 5/16 R - Rd[X.] 4; [X.] Beschluss vom 9.6.2015 - [X.]/15 - [X.], 908).

8

Trotz des knappen Verweisungsbeschlusses des Einzelrichters am [X.] liegt ein solcher Ausnahmefall hier nicht vor, weil dieser offenbar einen sich aus verschiedenen Rechtsgrundlagen ergebenden Zahlungsanspruch mit einem rechtlichen Zusammenhang zur Kündigung der Sozialhilfevereinbarungen zugrunde gelegt hat. Vor diesem Hintergrund kann der Senat nicht von einer willkürlichen Verweisung ausgehen.

9

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Meta

B 4 SF 4/16 R

13.12.2016

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SF

vorgehend SG Hildesheim, 17. Oktober 2016, Az: S 34 SO 100/16, Beschluss

§ 58 Abs 1 Nr 4 SGG, § 17a Abs 2 S 1 GVG, § 17a Abs 2 S 3 GVG, Art 19 Abs 4 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 13.12.2016, Az. B 4 SF 4/16 R (REWIS RS 2016, 925)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 925

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