Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.12.2015, Az. B 4 SF 1/15 R

4. Senat | REWIS RS 2015, 250

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Rechtsweg - Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das BSG bei sog negativem rechtswegübergreifenden Kompetenzkonflikt - (Rück-)Verweisungsbeschluss - Bindungswirkung - Durchbrechung


Tenor

Das [X.] wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Gründe

1

I. Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes - soweit ersichtlich - gegen die Auferlegung bzw Vollstreckung von Kosten wegen der Nutzung einer Obdachlosenunterkunft in der [X.] [X.] Zunächst hat er den Landkreis [X.] und die [X.] [X.] als Antragsgegner benannt, später dann das Jobcenter [X.] und das Sozialamt [X.], weil es um Leistungen nach dem [X.] und [X.] gehe. Das angerufene [X.] hat sich, ohne dass dagegen Rechtsmittel eingelegt wurden, für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das [X.] verwiesen; für den vom Antragsteller bezeichneten Streitgegenstand sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet (Beschluss vom 19.5.2015). Das [X.] hat den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das [X.] (zurück-)verwiesen, weil das [X.] mit seiner Verweisungsentscheidung einen schweren Rechtsfehler begangen habe (Beschluss vom [X.]). Auch gegen diesen Beschluss sind Rechtsmittel nicht eingelegt worden. Das [X.] hat das [X.] um Bestimmung des zuständigen Gerichts ersucht (Beschluss vom 6.10.2015).

2

II. [X.] ist in entsprechender Anwendung von § 58 Abs 1 [X.] SGG zu bestimmen. Diese Vorschrift ist auch bei einem sogenannten negativen rechtswegübergreifenden [X.] zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige anwendbar, sofern sich die beiden beteiligten Gerichte jeweils für unzuständig erklärt haben ([X.] Beschluss vom 1.7.1980 - 1 S 5/80 - [X.] 1500 § 58 [X.]; [X.] Beschluss vom 11.10.1988 - 1 S 14/88; [X.] Beschluss vom [X.] - B 12 SF 7/09 S; [X.] Beschluss vom [X.] SF 7/11 S). Zwar unterliegt ein nach § 17a [X.] ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss, mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung. Doch ist eine - regelmäßig deklaratorische - Zuständigkeitsbestimmung im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit dann geboten, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten (vgl zur entsprechenden Anwendung von § 36 Abs 1 [X.] 6 ZPO [X.] Beschluss vom 14.5.2013 - [X.] 167/13, [X.], 1242 mwN; [X.] Beschluss vom 29.4.2014 - [X.] 172/14, NJW 2014, 2125). Ein solcher Fall liegt hier vor. Sowohl das [X.] als auch das [X.] haben sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit - ohne ihn in der Sache zu bearbeiten - an das jeweils andere Gericht verwiesen.

3

Das [X.] ist hier als der für einen der beteiligten Gerichtszweige zuständige oberste Gerichtshof für die Bestimmung zuständig, weil es vom [X.] als erster oberster Gerichtshof um die Entscheidung angegangen worden ist.

4

Zuständiges Gericht ist das [X.]. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung des Beschlusses des [X.]. Dem Verweisungsbeschluss des [X.] ist zwar grundsätzlich zunächst die gleiche Bindungswirkung zugekommen. Doch ist dem Beschluss des [X.] deshalb der Vorrang einzuräumen, weil er später ergangen und das [X.] an ihn gebunden ist (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] 283/10, [X.], 253; kritisch [X.]/Frieling, [X.] 124, 241 <2011>). Ein nach § 17a [X.] ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß § 17a Abs 2 S 3 [X.] bindend (so [X.] Beschluss vom [X.] - B 12 SF 7/09 S - Rd[X.]; [X.] Beschluss vom [X.] SF 7/11 S - Rd[X.] 7; [X.] Beschluss vom 14.5.2013 - [X.] 167/13, [X.], 1242; [X.] Beschluss vom 29.4.2014 - [X.] 172/14, NJW 2014, 2125). Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften, denn es ist nicht die Aufgabe des "gemeinsam" übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 [X.] SGG, den Streit der beteiligten Gerichte über den Anwendungsbereich von Regelungen über die Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss vorliegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen ([X.] Beschluss vom [X.] - B 12 SF 7/09 S - Rd[X.] f; [X.] Beschluss vom [X.] SF 7/11 S - Rd[X.] 7).

5

Allenfalls der Verstoß gegen elementare den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden [X.] und verfahrensrechtlichen Vorschriften könnte geeignet sein, die Bindungswirkung zu durchbrechen (vgl dazu nur [X.] Beschluss vom [X.] - B 12 SF 7/09 S - Rd[X.] 5; [X.] Beschluss vom [X.] SF 7/11 S - Rd[X.] 9; [X.] Beschluss vom 29.4.2014 - [X.] 172/14, NJW 2014, 2125 mwN). Ein solcher Verstoß liegt aber nicht vor. Zwar hat das [X.] als (zurück-)verweisendes Gericht missachtet, dass es selbst bereits seinerseits unanfechtbar iS des § 17a [X.] als das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs bestimmt worden war. Doch ist das hinzunehmen, wenn die Beteiligten nicht die in § 17a Abs 4 [X.] vorgesehene Überprüfung durch Einlegung des zulässigen Rechtsmittels zur Korrektur ermöglicht haben (so [X.] Beschluss vom 13.11.2001 - [X.] 266/01, NJW-RR 2002, 713; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] 283/10, [X.], 253).

Meta

B 4 SF 1/15 R

21.12.2015

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SF

vorgehend SG Itzehoe, 6. Oktober 2015, Az: S 12 AS 247/15 ER

§ 58 Abs 1 Nr 4 SGG, § 17a Abs 2 S 1 GVG, § 17a Abs 2 S 3 GVG, Art 19 Abs 4 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.12.2015, Az. B 4 SF 1/15 R (REWIS RS 2015, 250)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 250

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X ARZ 167/13

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