Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.03.2016, Az. B 11 AL 44/15 B

11. Senat | REWIS RS 2016, 14726

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Beweisantrag Zeugenaussage - voraussichtliche Ergebnisse der unterbliebenen Beweisaufnahme


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 3. Februar 2015 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit ist noch die Aufhebung der Bewilligung von [X.] ab dem [X.]. Die Beklagte bewilligte dem Kläger nach der Erschöpfung seines Anspruchs auf Krankengeld ab dem [X.] [X.] für die Dauer von 360 Tagen. Ein ärztliches Gutachten vom 26.6.2009 ergab eine vollschichtige Leistungsfähigkeit des [X.] auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Beklagte hob die Bewilligung ab dem [X.] mit der Begründung auf, der Kläger habe im Zusammenhang mit der Auswertung des ärztlichen Gutachtens vorgetragen, weiter arbeitsunfähig zu sein und nicht vollschichtig arbeiten zu können; damit fehle die Verfügbarkeit (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Das [X.] hat den Bescheid mit der Begründung aufgehoben, durch den Inhalt des von der [X.] gefertigten Telefonvermerks vom [X.] sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger seine Arbeitsbereitschaft im Rahmen seines Leistungsvermögens nicht erklärt habe (Urteil vom 10.3.2011; der [X.] zugestellt am 17.8.2011).

2

Auf die auf den [X.]raum ab [X.] beschränkte Berufung der [X.] vom 15.9.2011 hat das [X.] im Termin zur mündlichen Verhandlung die Mitarbeiterin der [X.] [X.], die unter dem [X.] einen Vermerk verfasst hatte, als Zeugin gehört. Die von dem Kläger beantragte Vernehmung der Mitarbeiterin [X.] hat es abgelehnt, sodann das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen soweit diese die Aufhebung für den [X.]raum ab [X.] zum Gegenstand hatte (Urteil vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe anlässlich einer persönlichen Vorsprache am [X.] ausdrücklich bekundet, er stelle sich dem Arbeitsmarkt "keinesfalls" zur Verfügung, sodass es an der erforderlichen subjektiven Verfügbarkeit fehle, die über § 125 [X.]B III (in der bis zum [X.] geltenden Fassung) auch nicht fingiert werden könne.

3

Ein Antrag des [X.] auf Ergänzung der Entscheidungsgründe des Urteils um Ausführungen zur Ablehnung des hilfsweise gestellten Beweisantrags auf Vernehmung der Zeugin T blieb erfolglos (Beschluss des [X.] vom 2.7.2015).

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das [X.] wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Der Rechtsfrage, ob das Einlegen der Berufung nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung des Urteils noch zulässig oder die Berufung wegen Verfristung gemäß § 517 letzter Halbsatz ZPO iVm § 202 [X.]G zu verwerfen sei, komme eine grundsätzliche Bedeutung zu. Zudem rügt er als Verfahrensmangel einen Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz, weil dem Antrag auf Vernehmung von [X.] als Zeugin hätte entsprochen werden müssen, und eine Verletzung von § 140 [X.]G durch die Ablehnung seines Antrags auf Urteilsergänzung.

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G). Die Beschwerde konnte daher ohne Zuziehung [X.] verworfen werden (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 [X.]G, § 169 [X.]G).

6

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G muss von dem Beschwerdeführer eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) aufgezeigt werden (vgl nur B[X.] SozR 3-1500 § 160a [X.] mwN). Hier hat der Kläger schon nicht dargelegt, warum die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage nach Anwendung des § 517 letzter Halbsatz ZPO iVm § 202 [X.]G überhaupt klärungsbedürftig sein soll. Insoweit hätte es einer Auseinandersetzung damit bedurft, warum § 151 Abs 1 [X.]G, der die Frist zur Einlegung der Berufung alleine an die Zustellung der Entscheidung knüpft, nicht als abschließende Regelung iS von § 202 S 1 [X.]G anzusehen sein sollte, wodurch eine entsprechende Anwendung der ZPO grundsätzlich ausgeschlossen wäre (vgl dazu Söhngen in [X.], [X.]G, § 202 RdNr 45, Stand Februar 2016).

7

Der Kläger hat auch keinen Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), in der erforderlichen Weise dargelegt. Wird das Vorliegen eines [X.] geltend gemacht, so müssen bei der Bezeichnung des [X.] wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die diesen Verfahrensmangel des [X.] (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (B[X.] SozR 1500 § 160a [X.]4, 24, 34 und 36; vgl auch [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 160a Rd[X.]6 mwN). Wenn - wie hier - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 [X.]G) gerügt wird, ist zudem zu beachten, dass gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.]G der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Insoweit muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das Berufungsgericht nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das Berufungsgericht mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl B[X.] SozR 1500 § 160 [X.], 35 und § 160a [X.], 34).

8

Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie zeigt zwar auf, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] den Beweisantrag gestellt hat, [X.] als Zeugin zu vernehmen zu der klärungsbedürftigen Tatsache, dass er sich subjektiv dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt habe. Doch fehlen hinreichende Angaben zum voraussichtlichen Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme und auch Ausführungen dazu, ob und warum dieses Ergebnis Auswirkungen auf die Entscheidung des [X.] hätte haben können. Vor dem Hintergrund, dass ein Gespräch zwischen dem Kläger und der benannten Zeugin T tatsächlich nur am [X.] stattgefunden hat - etwas anderes behauptet auch der Kläger nicht - hätte insbesondere aufgezeigt werden müssen, welche weiteren Erkenntnisse bezüglich der [X.] ab dem [X.] die weitere Beweisaufnahme erbracht hätte. Denn nur noch über diesen [X.]raum hat das [X.] wegen der Beschränkung der Berufung durch die Beklagte zu befinden gehabt. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger (jedenfalls) am [X.] ausdrücklich bekundet hat, er stelle sich dem Arbeitsmarkt keinesfalls zur Verfügung, mit der Folge des Wegfalls der Anspruchsvoraussetzung für [X.] ab diesem (späteren) [X.]punkt. Wie Angaben der Zeugin T dieses Ergebnis in Frage stellen könnten, erschließt sich nach dem Vortrag des [X.] in der Beschwerdebegründung nicht. Soweit er ausführt, dass es nur darauf ankomme, ob diese Zeugin als die zuständige Arbeitsvermittlerin für sich "entschieden" habe, der Kläger stelle sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wird hieraus nicht deutlich, warum gerade dies die Verfügbarkeit des [X.] auch ab dem [X.] belegen soll. Entscheidend ist die objektive Sachlage, nicht die subjektive Sicht der Zeugin.

9

Soweit der Kläger sich mittelbar gegen die Würdigung der Aussage der Zeugin G durch das [X.] wendet, die am [X.] mit dem Kläger gesprochen hat, betrifft dies die Überzeugungsbildung des Gerichts (§ 128 Abs 1 S 1 [X.]G). Auf eine Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 [X.]G kann ein Verfahrensmangel indes von vornherein nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.]G).

Eine Verletzung von § 140 [X.]G ist schließlich als Verfahrensmangel schon deshalb nicht ausreichend bezeichnet, weil der Kläger in keiner Weise problematisiert, warum es sich bei einem übergangenen ([X.] um das Übergehen eines von den Beteiligten erhobenen Anspruchs, wie es § 140 [X.]G für eine Urteilsergänzung voraussetzt, handeln sollte. Denn mit Anspruch ist ein Teil des Klagebegehrens gemeint (vgl nur Wolff-Dellen in [X.]/Fichte, [X.]G, 2. Aufl 2014, § 140 RdNr 2 ff), wozu ein Beweisantrag ersichtlich nicht gehört.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 11 AL 44/15 B

10.03.2016

Bundessozialgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Chemnitz, 10. März 2011, Az: S 24 AL 804/09, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 103 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.03.2016, Az. B 11 AL 44/15 B (REWIS RS 2016, 14726)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14726

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