Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.08.2018, Az. 1 AZR 287/17

1. Senat | REWIS RS 2018, 4842

STREIK ARBEITSRECHT DISKRIMINIERUNG BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) UNTERNEHMEN

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Gegenstand

Streikbruchprämie als zulässiges Kampfmittel


Leitsatz

Ein bestreikter Arbeitgeber ist grundsätzlich berechtigt, mittels Zahlung einer Streikbruchprämie einem Streikdruck zu begegnen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 18. Mai 2017 - 7 [X.] 815/16 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Streikbruchprämie.

2

Der Kläger ist bei der [X.]eklagten - einem nicht tarifgebundenen Einzelhandelsunternehmen - in deren [X.]etrieb in [X.] als Verkäufer zu einer monatlichen [X.]ruttovergütung iHv. 1.480,00 [X.]. Er bekleidet das Amt des dort gewählten einköpfigen [X.]etriebsrats und ist Ersatzmitglied im Personalausschuss des im Unternehmen gebildeten [X.].

3

Der [X.]etrieb wurde am 15. und 16. Oktober 2015, 12. November 2015, 5. Dezember 2015, 19. Dezember 2015, 6. Februar 2016, vom 8. bis 10. Februar 2016 sowie am 1. April 2016 bestreikt. Hierzu hatte die [X.] - [X.] ([X.]) mit dem Ziel aufgerufen, mit der [X.]eklagten einen [X.]arifvertrag zur Anerkennung einschlägiger Einzelhandelstarifverträge zu schließen. Vor [X.]eginn der von [X.] zunächst für den 15. und 16. Oktober 2015 angekündigten Streikmaßnahmen gab die [X.]eklagte mit einem betrieblichen Aushang Folgendes bekannt:

        

S[X.]REIK[X.]RUCHPRÄMIE

        

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

        

wir erwarten, dass die [X.] [X.] in unserem Markt zum Streik aufrufen wird.

        

Sollte es in unserem Markt tatsächlich zu einem Streik an einem oder mehreren [X.]agen kommen und die Verkaufsfähigkeit des Marktes erheblich gefährdet sein, hat [X.] entschieden, allen arbeitswilligen Mitarbeitern und Auszubildenden, die bei einem Streik ihrer regulären [X.]ätigkeit nachgehen und nicht streiken, eine Prämie in Höhe von

        

200,00 [X.] brutto je Streiktag (Vollzeit)

        

([X.]eilzeit wird stundenanteilig berechnet)

        

auszuzahlen.

        

Ihr Marktleiter wird dokumentieren, dass Sie an Stelle des Streiks gearbeitet haben und meldet dies an die Personalabteilung. Die Streikbruchprämie wird dann im Rahmen der nächsten monatlichen Gehaltsabrechnung ausgezahlt.“

4

Anfang November 2015 veröffentlichte die [X.]eklagte folgenden Aushang:

        

S[X.]REIK[X.]RUCHPRÄMIE

        

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

        

es zeigt sich, dass es in einigen Märkten erneut zu Streikmaßnahmen kam und auch künftig mit weiteren Streiks zu rechnen ist. Wir möchten auch für mögliche neue Streiks eine Streikbruchprämie ausloben gemäß der nachfolgenden Regelung:

        

Sollte es in einem Markt tatsächlich zu einem Streik an einem oder mehreren [X.]agen kommen und die Verkaufsfähigkeit des Marktes erheblich gefährdet sein, hat [X.] entschieden, allen arbeitswilligen Mitarbeitern und Auszubildenden, die bei einem Streik ihrer regulären [X.]ätigkeit nachgehen und nicht streiken, eine Prämie in Höhe von

        

100,00 [X.] brutto je Streiktag (Vollzeit)

        

([X.]eilzeit wird stundenanteilig berechnet)

        

auszuzahlen.

        

Diese Streikbruchprämie wird wieder je Streik und bis zur Mitteilung einer neuen Regelung gezahlt.

        

Ihr Marktleiter wird dokumentieren, dass Sie an Stelle des Streiks gearbeitet haben und meldet dies an die Personalabteilung. Die Streikbruchprämie wird dann im Rahmen der nächsten monatlichen Gehaltsabrechnung ausgezahlt.“

5

Am 16. Oktober 2015 nahm der Kläger entsprechend seiner der [X.]eklagten mit Schreiben vom 8. Oktober 2015 mitgeteilten Ankündigung an einer Schulung des Personalausschusses des [X.] teil. Sein für diesen [X.]ag fortgezahltes Entgelt umfasste keine Streikbruchprämie. An den anderen [X.] folgte er dem gewerkschaftlichen Streikaufruf und legte die Arbeit nieder.

6

Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst für den [X.]ag seiner Schulungsteilnahme und mit späterer Klageerweiterung auch für die [X.]age, an denen er sich am Streik beteiligt hatte, die den [X.] Arbeitnehmern versprochenen Prämien iHv. 200,00 [X.] (16. Oktober 2015), weiteren 200,00 [X.] (15. Oktober 2015) und weiteren 800,00 [X.] (12. November 2015, 5. Dezember 2015, 19. Dezember 2015, 6. Februar 2016, 8. bis 10. Februar 2016 sowie 1. April 2016) verlangt. Er hat sich hierbei auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und das Maßregelungsverbot sowie - betreffend den 16. Oktober 2015 - auch auf das betriebsverfassungsrechtliche [X.]enachteiligungsverbot gestützt.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die [X.]eklagte zu verurteilen, an ihn

        

1.    

200,00 [X.] brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem [X.]asiszinssatz seit dem 1. Dezember 2015,

        

2.    

1.000,00 [X.] brutto nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit,

        

zu zahlen.

8

Die [X.]eklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete [X.]erufung des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung des [X.] gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger kann die begehrten Prämienzahlungen nicht auf eine in den betrieblichen Aushängen zu sehende Gesamtzusage (dazu allg. [X.] 22. März 2017 - 5 [X.] - Rn. 13 [X.]) stützen. Er erfüllt nicht deren Voraussetzungen. Eine Rechtsgrundlage für die streitbefangenen Zahlungen ist auch nicht durch die [X.]. dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz oder durch das Maßregelungsverbot des § 612a BGB oder - was nur die für den 16. Oktober 2015 verfolgte Prämienzahlung betreffen könnte - durch das betriebsratsamtsbezogene Benachteiligungsverbot vermittelt.

I. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen, die sich nach den Bedingungen der in der ausgelobten Streikbruchprämie liegenden Gesamtzusage bestimmen.

1. Das folgt für den 15. Oktober 2015, den 12. November 2015, den 5. Dezember 2015, den 19. Dezember 2015, den 6. Febr[X.]r 2016, die [X.] vom 8. bis 10. Febr[X.]r 2016 sowie den 1. April 2016 schon daraus, dass er an diesen Tagen dem gewerkschaftlichen Streikaufruf gefolgt ist und seine „reguläre Tätigkeit“ nicht erbracht hat. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die in den betrieblichen Aushängen verlautbarte „erhebliche Gefährdung der Verkaufsfähigkeit des Marktes“ als ein weiteres - kumulativ zur Nichtteilnahme am Streik gefordertes - anspruchsbegründendes Merkmal zu verstehen ist.

2. Auch hinsichtlich des 16. Oktober 2015 liegen die Voraussetzungen der Prämienzahlung nicht vor.

a) Der Kläger hat an diesem Tag in Ausübung seines Mandats als Ersatzmitglied des beim Gesamtbetriebsrat gebildeten Personalausschusses an einer Schulung teilgenommen. Hierfür war er nach § 37 Abs. 6 Satz 1 iVm. Abs. 2 BetrVG von seiner beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts befreit und hat Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 37 Abs. 6 und Abs. 2 BetrVG (vgl. zB [X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - Rn. 12 [X.]).

aa) Dem steht nicht entgegen, dass der Betrieb an diesem Tag bestreikt worden ist. Ein Betriebsratsmitglied, das vor Beginn eines [X.] für einen festliegenden [X.]raum von seiner beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts befreit war, verliert den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht allein deswegen, weil während dieser [X.] der [X.] bestreikt wurde. Ein Arbeitskampf schließt nicht aus, dass während [X.]en einer Arbeitsniederlegung erforderliche Betriebsratstätigkeit zu leisten ist. Das [X.] ist während eines [X.] prinzipiell anzuwenden. Seine Einschränkungen bedürfen einer arbeitskampfrechtlichen Rechtfertigung (vgl. [X.] 20. März 2018 - 1 [X.] - Rn. 35 f. [X.]). [X.] dementsprechend ein Betriebsratsmitglied erforderliche Betriebsratstätigkeit, ist es grundsätzlich unerheblich, ob es sich am Streik beteiligt hätte, wäre es für diese [X.] nicht von seiner Arbeitspflicht befreit gewesen. Das gilt jedenfalls solange es nicht seine Teilnahme am Streik trotz der Arbeitsbefreiung erklärt oder sich tatsächlich am [X.] beteiligt (vgl. [X.] 15. Jan[X.]r 1991 - 1 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 67, 50).

bb) Soweit die [X.] die Auffassung vertreten hat, die Schulungsteilnahme sei freiwillig und nicht erforderlich gewesen, schließt das die Annahme eines dem Grunde nach bestehenden [X.] gemäß § 611a Abs. 2 BGB iVm. § 37 Abs. 6 und Abs. 2 BetrVG nicht aus. Nach dem unwidersprochenen schriftsätzlichen Vorbringen des [X.] in der Berufungsinstanz hat er als einköpfiger Betriebsrat seine Teilnahme an der Schulung beschlossen und dies vor deren Beginn der [X.] angezeigt. Diese hat ihm das Entgelt für diesen Tag (fort-)gezahlt. Der Sache nach hat sie damit die vor Beginn des Streiks feststehende Befreiung des [X.] von seiner Arbeitspflicht am 16. Oktober 2015 aufgrund einer erforderlichen amtsbezogenen Schulung und die Voraussetzungen des Entgeltfortzahlungsanspruchs nicht in Abrede gestellt.

b) Diesen Anspruch hat die [X.] vollständig erfüllt. Die dem Kläger für den 16. Oktober 2015 fortzuzahlende Vergütung umfasst nicht die in dem ersten betrieblichen Aushang zugesagte Streikbruchprämie.

aa) Arbeitsentgelt iSv. § 37 Abs. 2 BetrVG sind alle Vergütungsbestandteile, nicht dagegen Aufwendungsersatz. Eine dritte Kategorie von Zahlungen, also solche, die weder Aufwendungsersatz noch Arbeitsentgelt darstellt, ist der gesetzlichen Regelung des § 37 Abs. 2 BetrVG fremd (ausf. [X.] 13. Juli 1994 - 7 [X.] - zu 1 b der Gründe, [X.]E 77, 195). Entsprechend sind im Rahmen des Lohnausfallprinzips nach § 37 Abs. 2 BetrVG neben der Grundvergütung alle Zuschläge und Zulagen zu zahlen, die das Betriebsratsmitglied ohne Arbeitsbefreiung verdient hätte, insbesondere Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, Erschwernis- und [X.]. Hierzu zählen, worauf die Revision richtig verweist, grundsätzlich auch Leistungen, die den tatsächlichen Arbeitsantritt voraussetzen (für eine tarifvertragliche sog. Antrittsgebühr [X.] 13. Juli 1994 - 7 [X.] - aaO).

bb) Der Kläger unterfällt hingegen nicht dem Kreis der Anspruchsberechtigten, an die sich die ausgelobte Streikbruchprämie richtete. Unter Heranziehung der für eine Gesamtzusage maßgebenden Auslegungsgrundsätze (dazu ausf. zB [X.] 24. Jan[X.]r 2017 - 3 [X.] - Rn. 33) war die Sonderzahlung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn ausschließlich denjenigen Arbeitnehmern versprochen, deren Arbeitspflicht an einem Streiktag nicht aus einem anderen Grund als dem der Teilnahme am Streik suspendiert war.

(1) Darauf deutet bereits die im jeweiligen betrieblichen Aushang formulierte Beschreibung des Adressatenkreises der „arbeitswilligen Mitarbeiter…, die bei einem Streik ihrer regulären Tätigkeit nachgehen und nicht streiken“ hin. Vor allem aber folgt dies aus dem Charakter der vor Beginn der Streikmaßnahmen zugesicherten Prämie. Sie richtete sich nur an Arbeitnehmer, die - dem erwarteten Streikaufruf nicht Folge leistend - tatsächlich während des Streiks ihre Arbeitsleistung erbringen. Die [X.] hat sich, erkennbar für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, mit der Prämie keines Mittels allgemeiner Motivationssteigerung bedient, sondern wollte in der spezifischen Sit[X.]tion der Auseinandersetzung um einen Tarifvertragsschluss und eines vor diesem Hintergrund erwarteten Streiks dessen Folgen begrenzen. Eine Aufrechterhaltung des Betriebs trotz des Streiks vermochten nur diejenigen Arbeitnehmer zu gewährleisten, die ihrer Arbeitspflicht tatsächlich nachkommen konnten und hiervon nicht aus anderen Gründen - sei es Urlaub, Arbeitsunfähigkeit oder auch erforderliche Betriebsratstätigkeit - befreit waren.

(2) Dieses Verständnis der Streikbruchprämie verbietet sich im Hinblick auf die Freistellung wegen erforderlicher Betriebsratstätigkeit nicht wegen der Schutzbestimmungen des § 78 BetrVG.

(a) Nach dessen Satz 1 dürfen [X.]. die Mitglieder des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Weiterhin dürfen sie nach Satz 2 wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Eine Benachteiligung iSv. § 78 Satz 2 BetrVG ist - ohne dass es auf eine Benachteiligungsabsicht ankäme - jede Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht ([X.] 25. Juni 2014 - 7 [X.] - Rn. 29, [X.]E 148, 299).

(b) Der Kläger wird als Betriebsratsmitglied, dessen Arbeitspflicht an dem Streiktag aus Gründen seiner Mandatstätigkeit suspendiert war, durch die „Vorenthaltung“ der Streikbruchprämie nicht wegen seiner Betriebsratstätigkeit gegenüber anderen Arbeitnehmern benachteiligt. Das Betriebsratsmitglied wird nicht anders behandelt als diejenigen Arbeitnehmer, die aus anderen Gründen von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt waren und deshalb ihre „reguläre Tätigkeit“ nicht erbracht haben.

II. Ein Anspruch auf die Prämienzahlungen wird nicht durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vermittelt.

1. Allerdings folgt das nicht aus der Begründung des [X.]s. Dieses ist davon ausgegangen, die Streikbruchprämie aufgrund des ersten betrieblichen [X.] sei zwar rechtswidrig; der Kläger habe aber keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht, weshalb er die Prämie nicht verlangen könne. Diese Argumentation vernachlässigt, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zwar für sich gesehen keine Anspruchsgrundlage bildet (ausf. [X.] 21. Mai 2014 - 4 [X.] - Rn. 18 ff., [X.]E 148, 139). Wendet jedoch ein Arbeitgeber einer nach bestimmten Kriterien definierten Gruppe von Arbeitnehmern eine Leistung zu und nimmt damit andere Arbeitnehmer hiervon aus, kann dies dazu führen, dass er verpflichtet ist, dem (Kreis der) ausgeschlossenen Arbeitnehmer die der Gruppe versprochene Leistung zu gewähren, wenn er bei der Festlegung der zugrunde liegenden Anspruchsvoraussetzungen gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt (vgl. [X.] 21. Mai 2014 - 4 [X.] - Rn. 18, aaO). Voraussetzung für die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Regelbildung des Arbeitgebers ist, dass dieser durch ein eigenes gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk oder eine eigene Ordnung geschaffen hat. Liegen einer Leistung bestimmte Voraussetzungen zugrunde, muss die vom Arbeitgeber damit selbst geschaffene Gruppenbildung gemessen am Zweck der Leistung sachlich gerechtfertigt sein (vgl. etwa [X.] 22. Jan[X.]r 2009 - 8 [X.] - Rn. 35 [X.]). Das ist der Fall, wenn die Differenzierungsgründe unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Leistung auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und nicht gegen verfassungsrechtliche Wertentscheidungen oder gesetzliche Verbote verstoßen. Rechtsfolge einer Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist dann die Korrektur der arbeitgeberseitig bestimmten gleichbehandlungswidrigen Voraussetzung. Die sachlich nicht gerechtfertigte Gruppenbildung führt im Ergebnis zu einer Anpassung dieses Merkmals durch ein gleichbehandlungskonformes. Der Arbeitnehmer, der ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt wurde, kann die Leistung, von der er nach der Regelbildung des Arbeitgebers wegen Nichterfüllung des gleichbehandlungswidrigen Tatbestandsmerkmals ausgeschlossen war, von diesem verlangen, wenn es keine weiteren Voraussetzungen gibt oder etwaige weitere Voraussetzungen von ihm erfüllt werden ([X.] 21. Mai 2014 - 4 [X.] - Rn. 22 f. [X.], aaO).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die [X.] nicht zu den Prämienzahlungen verpflichtet.

a) Für die Prämie ist der Anwendungsbereich des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes eröffnet. Die [X.] hat diese als freiwillige Leistung nach einem selbstbestimmten generalisierenden Prinzip zugesagt und in zweifacher Hinsicht eine Gruppenbildung vorgenommen. Sie hat zum einen unterschieden zwischen streikenden und nichtstreikenden Arbeitnehmern und zum anderen zwischen denjenigen Arbeitnehmern, deren Arbeitspflicht an einem Streiktag von vornherein aus anderen als streikbedingten Gründen suspendiert war, und denjenigen, bei denen das nicht der Fall war.

b) Aus der Ausgestaltung der Prämie ergibt sich deren Zweck. Die [X.] wollte die zur Arbeitsleistung verpflichteten Arbeitnehmer mittels einer finanziellen Leistung dazu anhalten, sich an einem von ihr aufgrund der Tarifauseinandersetzung mit [X.] konkret erwarteten Streik nicht zu beteiligen, also von der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Möglichkeit zur Teilnahme an dieser Arbeitskampfmaßnahme (zur Beteiligung aller vom Streikaufruf angesprochenen Arbeitnehmer [X.] 22. März 1994 - 1 [X.] - zu [X.], [X.]E 76, 196) keinen Gebrauch zu machen. Mit ihrem Versprechen einer Sonderleistung für diejenigen Arbeitnehmer, die einem gewerkschaftlichen Streikaufruf („Sollte es … tatsächlich zu einem Streik … kommen …“) nicht folgend weiter ihre Arbeitsleistung erbringen, sollte - als Streikabwehrmaßnahme - betrieblichen Ablaufstörungen entgegengewirkt und damit letztlich die Streikwirkung begrenzt werden.

c) Gemessen an diesem Zweck sind die [X.] aus arbeitskampfrechtlichen Gründen zulässig. Eine Prämie, mit der ein bestreikter Arbeitgeber die zum Arbeitskampf aufgerufenen Arbeitnehmer von der Beteiligung am Streik abzuhalten und seinen Betrieb aufrechtzuerhalten sucht, ist kein generell unzulässiges Kampfmittel. Es erweist sich auch in der hier von der [X.] ausgelobten Gestaltung nicht als unzulässig.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muss der Arbeitgeber die Folgen einer gegen ihn gerichteten arbeitskampfbedingten Arbeitsniederlegung nicht hinnehmen. Er kann vielmehr versuchen, durch Gegenmaßnahmen die Folgen der streikbedingten Betriebsstörung zu begrenzen. Solche Maßnahmen sind durch die Arbeitsniederlegung bedingt und Teil des [X.] von Druck und Gegendruck, das den Arbeitskampf kennzeichnet (vgl. [X.] 20. März 2018 - 1 [X.] - Rn. 41 [X.]). Das während einer Auseinandersetzung um den Abschluss eines Tarifvertrags erfolgte arbeitgeberseitige Versprechen einer finanziellen Zusatzleistung mit dem Ziel, die zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmer von der Beteiligung am Streik abzuhalten („echte“ Streikbruchprämie, vgl. von [X.] in [X.]. zu [X.] Art. 9 Arbeitskampf Nr. 127), stellt eine Arbeitskampfmaßnahme dar. Der Arbeitgeber nimmt Einfluss auf das Arbeitskampfgeschehen, indem er streikbedingte betriebliche Ablaufstörungen zu minimieren und damit die Wirksamkeit des gewerkschaftlichen [X.]s zur Druckausübung abzuschwächen versucht.

bb) Aus dem Umstand, dass eine Streikbruchprämie ein in einer kampfweisen Auseinandersetzung um einen Tarifvertrag eingesetztes Mittel der Arbeitgeberseite zur Begrenzung von Folgen eines Streiks ist, folgt nicht zwangsläufig deren Zulässigkeit.

(1) Das [X.] ist weitgehend durch die Rechtsprechung des [X.] richterrechtlich - auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 3 GG und auf [X.] einfachen Gesetzesrechts - geregelt (vgl. [X.] 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - Rn. 16). Zentraler Maßstab für die Beurteilung der unterschiedlichen Erscheinungsformen des [X.] ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn. Das betrifft nicht nur auf die Erzwingung eines Tarifvertragsabschlusses gerichtete gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen (dazu ausf. [X.] 22. September 2009 - 1 [X.] - Rn. 41 ff. [X.], [X.]E 132, 140; 19. Juni 2007 - 1 [X.] - [X.]E 123, 134), sondern ebenso hiergegen gerichtete Kampfmittel der anderen (möglichen) Tarifvertragspartei (dazu zB [X.], 2977; kritisch [X.]/Rödl [X.] 4. Aufl. § 21 Rn. 43 ff.). Dabei ist nicht entscheidend, ob es sich um von einem Arbeitgeberverband getragene Abwehr- oder Verteidigungsaktionen gegen einen auf den Abschluss eines Verbandstarifvertrags gerichteten Streik handelt oder um gegen die Erzwingung eines [X.] (auch bezeichnet als Firmen- oder Unternehmenstarifvertrag) gerichtete Maßnahmen eines nicht verbandsangehörigen Arbeitgebers. Letzterer kann selbst Tarifvertragspartei sein (§ 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG). Demzufolge gelten die Grundsätze des [X.]s auch für Arbeitskämpfe um den Abschluss eines Tarifvertrags mit einem Außenseiter-Arbeitgeber (vgl. [X.] 2. März 1999 - 1 BvR 1213/85 - zu [X.] 2 b der Gründe, [X.]E 88, 103).

(2) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Würdigung, ob ein Kampfmittel zur Erreichung eines rechtmäßigen [X.]s geeignet und erforderlich ist und bezogen auf das [X.] angemessen (proportional) eingesetzt wird ([X.] 26. März 2014 - 1 [X.]/09 - Rn. 25 [X.]).

(a) Geeignet ist ein Kampfmittel, wenn durch seinen Einsatz die Durchsetzung des [X.]s, das auf Arbeitgeberseite typischerweise auf den [X.] des verlangten Tarifvertrags oder auf den Abschluss eines inhaltlich anderen Tarifvertrags gerichtet ist, gefördert werden kann. Dabei kommt den einen Arbeitskampf führenden Koalitionen - und im Fall eines [X.] um einen Firmentarifvertrag dem nicht verbandsgebundenen Arbeitgeber - eine [X.] zu. Diese durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Freiheit in der Wahl der [X.] ([X.] 22. September 2009 - 1 [X.] - Rn. 42, [X.]E 132, 140) steht bei der die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie sichernden Ausgestaltung des [X.]s auch dem einzelnen Arbeitgeber zu.

(b) Erforderlich ist ein Kampfmittel, wenn mildere Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels nach der Beurteilung der den Arbeitskampf Führenden nicht zur Verfügung stehen. Auch insoweit umfasst Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG grundsätzlich deren Einschätzung, ob sie zur Erreichung des verfolgten Ziels das gewählte Mittel für erforderlich oder andere Mittel für ausreichend erachten. Die Grenze bildet der Rechtsmissbrauch ([X.] 22. September 2009 - 1 [X.] - Rn. 43, [X.]E 132, 140).

(c) Verhältnismäßig im engeren Sinn (proportional) ist ein [X.], das sich unter hinreichender Würdigung der grundrechtlich gewährleisteten Betätigungsfreiheit zur Erreichung des angestrebten [X.]s unter Berücksichtigung der Rechtspositionen der von der Kampfmaßnahme unmittelbar oder mittelbar Betroffenen als angemessen darstellt. Insoweit steht einer Arbeitskampfpartei zwar keine [X.] zu. Allerdings ist in die notwendige rechtliche Abwägung einzustellen, dass es gerade Wesen einer Arbeitskampfmaßnahme ist, Druck zur Erreichung eines legitimen Ziels auszuüben. [X.] ist ein [X.] daher erst, wenn es sich auch unter Berücksichtigung dieses Zusammenhangs als unangemessene Beeinträchtigung gegenläufiger, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützter Rechtspositionen darstellt ([X.] 22. September 2009 - 1 [X.] - Rn. 44, [X.]E 132, 140). Bei dieser Beurteilung kann von Bedeutung sein, ob das Kampfmittel mit eigenen Opfern verbunden ist und ob dem Gegner effektive Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Ein [X.], das frei von eigenen Risiken eingesetzt werden kann und zugleich dem Gegner keine Verteidigungsmöglichkeiten lässt, gefährdet typischerweise die [X.]. Nach der Rechtsordnung ist keiner Seite ein so starkes Kampfmittel zugebilligt, dass dem Gegenspieler keine wirksame Reaktionsmöglichkeit bleibt, sondern die Chancen auf die Herbeiführung eines angemessenen Verhandlungsergebnisses zerstört werden (vgl. [X.] 22. September 2009 - 1 [X.] - Rn. 46, aaO).

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist eine Streikbruchprämie kein generell unzulässiges Kampfmittel.

(1) Die Prämie ist nicht von vornherein ungeeignet, das von der Arbeitgeberseite verfolgte Ziel - die Abwehr oder Milderung der Folgen eines Streiks - zu erreichen. Der durch eine kollektive Arbeitsniederlegung ausgeübte Druck auf die Arbeitgeberseite als Tarifvertragspartei ist umso geringer, je weniger Arbeitnehmer einem Streikaufruf folgen. Die Wahl des Mittels, welches der Arbeitgeber für diesen Zweck für geeignet hält, unterliegt in der jeweiligen konkreten [X.]it[X.]tion seiner [X.].

(2) Die Prämie ist kein offensichtlich nicht erforderliches Mittel, um dem Druck, der durch einen Streik ausgeübt werden könnte, entgegenzuwirken. Ein Arbeitgeber, demgegenüber von Seiten der [X.] Streikmaßnahmen konkret in Aussicht gestellt werden, muss mit der Auslobung der Streikbruchprämie auch nicht warten, bis ein Streik tatsächlich begonnen hat. Soll mit dem Zahlungsversprechen der Druckausübung durch einen Streik begegnet werden, ist es ohnehin kein milderes Mittel, hiermit bis zum Beginn der kollektiven Arbeitsniederlegung zuzuwarten. Zudem ist es den [X.] grundsätzlich unbenommen, schon vor der kampfweisen Auseinandersetzung ihre Kampfmittel offenzulegen ([X.]/Preis 18. Aufl. § 612a BGB Rn. 16).

(3) Eine Streikbruchprämie ist nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne.

(a) Mit ihr ist keine unangemessene Beeinträchtigung der verfassungsrechtlich geschützten Rechtsposition der streikführenden [X.] verbunden. Der Arbeitgeberstrategie, Streikdruck durch finanzielle Anreize an nichtstreikende Arbeitnehmer zu minimieren, ist die zum Streik aufrufende [X.] nicht in dem Sinn wehrlos ausgesetzt, dass der von ihr getragene Streik strukturell sinnentleert würde. Sie kann vielmehr - für ihre Forderungen werbend - auf zum Streik aufgerufene Arbeitnehmer einwirken und versuchen, sie trotz zugesagter Streikbruchprämie für eine Teilnahme am gewerkschaftlichen Streik zu gewinnen. Des Weiteren kann sie ihre Kampftaktik auf eine Streikbruchprämienauslobung einstellen und etwa eine gezielte Rotation der tatsächlich die Arbeit niederlegenden Arbeitnehmer organisieren, um die Selbstschädigung der Streikenden zu mildern und eine Abschöpfung der ausgelobten Prämie als Schädigung des Arbeitgebers zu bewirken. Es erscheint im Übrigen nicht ausgeschlossen, dass bei einer solchen in der Belegschaft kommunizierten, solidarischen „[X.]“ der vom Streikaufruf erfassten Arbeitnehmer deren Streikbereitschaft prinzipiell gesteigert werden könnte. Hinzu kommt, dass sich der Arbeitgeber mit der Streikbruchprämie keines [X.]s bedient, welches für ihn ohne Folgewirkungen wäre. Die Prämie ist mit finanziellen Aufwendungen verbunden. Weiterhin besteht das Risiko, im Fall eines Tarifvertragsabschlusses aufgrund einer vereinbarten sog. Maßregelungsklausel die Prämienzahlungen auch streikenden Arbeitnehmern (nachträglich) gewähren zu müssen (vgl. zB [X.] 13. Juli 1993 - 1 [X.] - [X.]E 73, 320).

(b) Die Höhe der Streikbruchprämie - und deren Verhältnis zum Verdienst der zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmer - ist für sich gesehen bei der Angemessenheitsprüfung des [X.]s regelmäßig kein geeignetes Kriterium (im Ergebnis offenlassend - [X.] 13. Juli 1993 - 1 [X.] - zu [X.] und 2 der Gründe, [X.]E 73, 320). Zum einen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die gegen eine Streikbruchprämie mögliche Abwehrstrategie einer [X.] umso wirkungsvoller erscheinen dürfte, je höher die Prämie im Verhältnis zum Verdienst ausfällt und sie - wie vorliegend - für jeden einzelnen Streiktag zugesagt ist. Zum anderen unterliegt eine Streikbruchprämie, worauf bereits das Arbeitsgericht verwiesen hat, einem ökonomisch-selbstregulierenden Effekt. Ein Arbeitgeber wird das Streikbruchprämienversprechen typischerweise nicht so ausgestalten, dass ihn die streikbedingten Sonderzahlungen finanziell stärker belasten als ein Nachgeben gegenüber den Forderungen der streikführenden [X.]. Ungeachtet dessen bewirkt auch eine gegenüber dem Entgeltanspruch der zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmer sehr hohe Streikbruchprämie nur einen Anreiz und keinen Zwang, nicht am gewerkschaftlichen Streik teilzunehmen. Insoweit ist die [X.] dem [X.] nicht in dem Sinne ausgesetzt, dass ihre Chancen zur Herbeiführung eines angemessenen Verhandlungsergebnisses von vornherein als ausgeschlossen erscheinen.

(4) Der Zulässigkeit einer Prämie mit dem Zweck, Arbeitnehmer in einer konkreten [X.]it[X.]tion von Arbeitsniederlegungen abzuhalten oder streikende Arbeitnehmer während des [X.] zur Wiederaufnahme der Arbeit zu veranlassen, stehen weder Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG noch § 138 Abs. 1 BGB entgegen (aA [X.]/Rödl [X.] 4. Aufl. § 21 Rn. 195 ff.).

(a) In einem nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Verhalten - im Sinn der die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie sichernden einfachgesetzlichen Ausgestaltung des [X.]s - liegt keine nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG nichtige Abrede oder rechtswidrige Maßnahme (vgl. nur [X.] in v. Mangoldt[X.]/Starck GG 7. Aufl. Art. 9 Rn. 185 ff. [X.]). Arbeitskampfmaßnahmen ist es immanent, dass sie die durch die Tarifvertragsfreiheit geschützte Entscheidungsfreiheit der Gegenseite durch Zufügung von Schäden oder den Erfolg gegnerischer Kampfmaßnahmen abwehrenden Verhalten zu beeinflussen versuchen.

(b) Deshalb folgt die Unzulässigkeit der als Kampfmaßnahme kollektivrechtlich zu beurteilenden Streikbruchprämie nicht aus dem Umstand, dass der individ[X.]lrechtliche Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers auf Prämienzahlung dessen Nichtteilnahme am Streik voraussetzt. Es steht in der Beurteilung des zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmers, ob er sein Recht auf Beteiligung am Arbeitskampf in Anbetracht der zugesagten Streikprämie im Einzelfall nicht ausübt (vgl. [X.] NZA 1990, 214, 219).

ee) Danach hat sich die [X.] mit der von ihr zugesagten Streikbruchprämie keines unzulässigen Kampmittels bedient. Die Prämie ist auch im konkreten Arbeitskampf und in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht unverhältnismäßig im engeren Sinn.

(1) Das gilt zum einen im Hinblick auf die Höhe der Streikbruchprämie von (bei Vollzeitbeschäftigung) täglich 200,00 Euro und später 100,00 Euro. Selbst wenn man davon ausgeht, dass damit [X.] in starkem Maß gefördert gewesen sein dürfte, ist nicht ersichtlich, dass hiervon ein Zwang auf die zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmer ausgeht, dem die streikführende [X.] wehrlos ausgesetzt gewesen wäre.

(2) Es gilt zum anderen im Hinblick auf das von [X.] verfolgte Ziel der Durchsetzung eines Tarifvertragsschlusses mit der nicht verbandsangehörigen [X.]. Zwar dürfte eine kampfführende [X.] bei einem Streik mit dem Ziel des Abschlusses eines [X.] von einer seitens des einzelnen Arbeitgebers ausgelobten Streikbruchprämie typischerweise stärker betroffen sein als bei einem auf die Erzwingung eines Verbandstarifvertrags gerichteten Streik. Das gilt jedenfalls dann, wenn eine Streikbruchprämie als - verbandsgetragenes - Kampfmittel nicht von allen verbandsorganisierten Arbeitgebern gewährt wird. Auch in der kampfweisen Auseinandersetzung mit dem „Außenseiter-Arbeitgeber“ sind jedoch die Maßnahmen, mit denen dieser dem Streikdruck standhalten oder ihm begegnen will, nicht limitiert. Zudem ist die Prämie mit Aufwendungen des sie als Kampfmittel einsetzenden Außenseiter-Arbeitgebers verbunden und nicht völlig frei von den oben angeführten - dann auch nicht verbandsgetragenen - Risiken.

(3) Die selbstschädigende Wirkung der konkret ausgelobten Streikbruchprämie ist schließlich nicht deshalb relativiert, weil sich das Prämienversprechen von vornherein nur an die Arbeitnehmer gewandt hat, deren Arbeitspflicht nicht aus anderen als streikbedingten Gründen suspendiert war. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes hat sich die [X.] keines Kampfmittels ohne jegliches Opfer und Risiko bedient.

ff) Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung steht einer Streikbruchprämie der hier streitbefangenen Art als zulässiges Kampfmittel nicht Art. 11 [X.] ([X.]) entgegen.

(1) Bei der Anwendung und Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes ist die [X.] als Auslegungshilfe heranzuziehen (vgl. [X.] 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - Rn. 128, [X.]E 137, 273). Auf [X.] des einfachen Rechts trifft die Fachgerichte die Verpflichtung, deren Gewährleistungen und ihrer Zusatzprotokolle zu berücksichtigen und in den betroffenen Teilbereich der nationalen Rechtsordnung mittels einer konventionsfreundlichen Auslegung einzupassen. In diesem Rahmen sind als Auslegungshilfe auch die Entscheidungen des [X.] ([X.]) zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn sie nicht denselben Streitgegenstand betreffen. Dies beruht auf der Orientierungs- und Leitfunktion, die der Rechtsprechung des [X.] für die Auslegung der [X.] auch über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus zukommt (vgl. [X.] 18. August 2013 - 2 BvR 1380/08 - Rn. 27 f.; [X.] 26. Juli 2016 - 1 [X.] - Rn. 74, [X.]E 155, 347). Eine Heranziehung als Auslegungshilfe verlangt allerdings keine schematische Parallelisierung oder vollständige Harmonisierung der Aussagen des Grundgesetzes mit denen der [X.], sondern ein Aufnehmen ihrer Wertungen (vgl. [X.] 12. Juni 2018 - 2 BvR 1738/12 - Rn. 126).

(2) Vorliegend ist die durch Art. 11 [X.] geschützte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und das damit verbundene Streikrecht (vgl. dazu zB [X.] 21. April 2009 - 68959/01 - [Enerji Yapi-Yol Sen]) zu berücksichtigen. Der [X.] hat mit den Entscheidungen zu Art. 11 [X.] verdeutlicht, dass an die Rechtfertigung einer Einschränkung der Vereinigungsfreiheit und des damit verbundenen Streikrechts nicht unerhebliche Anforderungen zu stellen sind (vgl. [X.] 20. November 2012 - 1 [X.] - Rn. 130, [X.]E 143, 354).

(3) Durch die Zulässigkeit einer Streikbruchprämie als gegen einen Streik gerichtetes arbeitgeberseitiges Kampfmittel wird das Streikrecht nicht unverhältnismäßig beschränkt. Gegenteiliges lässt sich der vom Kläger angeführten Entscheidung des [X.] in der Sache „[X.], [X.] u.a. / [X.]“ nicht entnehmen. In dieser Rechtssache hat der [X.] in der Rechtsprechung [X.] Gerichte, die es gebilligt hat, dass ein Arbeitgeber den Beschäftigten beträchtliche Gehaltserhöhungen dafür anbieten darf, dass diese der Beendigung der Anwendung der bisher geltenden Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis sowie des [X.] kollektiven Verhandelns und gewerkschaftlicher Vertretung zustimmen, eine Verletzung von Art. 11 [X.] gesehen ([X.] 2. Sektion 2. Juli 2002 - 30668/96, 30671/96, 30678/96 -). Mit einer solchen Sachlage des höheren Entgelts bei einem [X.]saustritt oder einem Verzicht auf wesentliche [X.]srechte ist die in einer konkreten kampfweisen Auseinandersetzung versprochene Streikbruchprämie nicht vergleichbar. Die Streikbruchprämie - in der hier vorliegenden Gestaltung - bezweckt nicht, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, einer [X.] beizutreten oder eine solche zu gründen. Ebenso wenig zielt sie darauf, einen Streik zu verbieten oder den Einzelnen auf Dauer von der Teilnahme an einem Streik und damit der Ausübung seines Streikrechts abzuhalten. Im Übrigen sind die Tarifvertragsparteien vorliegend - anders als in der vom [X.] entschiedenen Rechtssache - im [X.]punkt der Auslobung eines finanziellen Anreizes durch die [X.] in einer Phase kollektiven Verhandelns gewesen. Der finanzielle Vorteil der Prämie für nichtstreikende Arbeitnehmer war von vornherein auf die Dauer des Streiks begrenzt. Dem Wortlaut des Art. 11 [X.] und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des [X.] lässt sich kein Verbot bestimmter Kampfmittel entnehmen.

III. Es kann dahinstehen, inwieweit der von dem Kläger - ergänzend - geltend gemachte Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB eine eigenständige Anspruchsgrundlage für die streitgegenständlichen Forderungen bilden würde. Die Prämiengestaltung der hier streitbefangenen Art mit ihrer zulässigen Differenzierung zwischen streikenden und nichtstreikenden Arbeitnehmern stellt von vornherein keine Maßregelung iSv. § 612a BGB dar (vgl. auch [X.] 31. Mai 2005 - 1 [X.] [X.] der Gründe, [X.]E 115, 68; 13. Juli 1993 - 1 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 73, 320).

        

    Schmidt    

        

    Treber    

        

    [X.]    

        

        

        

    N. Schuster    

        

    [X.]    

                 

Meta

1 AZR 287/17

14.08.2018

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Braunschweig, 2. Juni 2016, Az: 6 Ca 529/15, Urteil

§ 37 Abs 6 S 1 BetrVG, § 37 Abs 2 BetrVG, Art 9 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.08.2018, Az. 1 AZR 287/17 (REWIS RS 2018, 4842)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 359-360 NJW 2019, 538 REWIS RS 2018, 4842

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

18 Ca 4857/23

13 Sa 535/22

1 BvR 842/17

11 TaBV 71/20

12 Sa 748/18

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