Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.02.2010, Az. 29 W (pat) 47/10

29. Senat | REWIS RS 2010, 9503

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "PrivateInvest-Hannover" – kein Freihaltungsbedürfnis – Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 306 29 122.3

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 10. Februar 2010 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], des Richters Dr. [X.] und der Richterin Kortge

beschlossen:

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 des [X.] vom 3. April 2008 und 19. Dezember 2008 werden aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.] -[X.]

3

ist am 5. Mai 2006 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für nachfolgende Waren- und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

[X.]: [X.], insbesondere Zeitschriften, Kataloge, Prospekte, Plakate und Fotografien; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);

5

Klasse 35: Organisation und Veranstaltung von Messen und Ausstellungen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Beratung bei der Durchführung und Veranstaltung von Messen und Ausstellungen, soweit in Klasse 35 enthalten, Organisation und Veranstaltung von Messen und Ausstellungen für gewerbliche und Werbezwecke, nämlich Organisation von Messeteilnahmen; Präsentation von Unternehmen und deren Produkten und Dienstleistungen zu Werbezwecken sowie Verkaufsförderung und Vermittlung von Wirtschaftskontakten, auch im [X.]; Zurverfügungstellung und Vermietung von Standflächen und Messeständen einschließlich der dazugehörigen Ausrüstungsgegenstände, soweit in Klasse 35 enthalten; Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations); Werbung, Vermietung von Werbeflächen, Marketing, Marktforschung und Marktanalyse;

6

Klasse 41: Organisation und Veranstaltung von Konferenzen, Sonderschauen für kulturelle, Unterrichts- und Bildungszwecke, Kongressen, Symposien, Produktpräsentationen und Wettbewerben für kulturelle, Unterrichts- und Bildungszwecke, Veröffentlichung und Herausgabe von Zeitschriften, Katalogen und Prospekten; Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Seminaren, Workshops (Ausbildung) und Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke;

7

Klasse 42: Zurverfügungstellung und Vermietung von Ausrüstungsgegenständen für Standflächen und Messestände, nämlich Leihe und Vermietung von Computerhardware, Computer-Software, Computer-Peripheriegeräten, Datenverarbeitungsgeräten, Speicherplatz im [X.] und von Zugriffszeiten zu Datenbanken.

8

Durch Beschlüsse vom 3. April 2008 und 19. Dezember 2008, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] wegen Fehlens der Unterscheidungskraft und Vorliegens eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, dass dieses aus der englischsprachigen Wortzusammenfügung " [X.] " und der mittels Bindestrich angeschlossenen Ortsangabe [X.] (Landeshauptstadt von [X.]) zusammengesetzte Zeichen im konkreten Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen von den angesprochenen Verkehrskreisen als ein schlagwortartig und werbeüblich verkürzter, beschreibender Sachhinweis auf den [X.] und den Veranstaltungsort der Messe, nicht aber als Hinweis auf den Messeveranstalter verstanden werde. Die Wortzusammenstellung " [X.] ", die mit "privat/persönlich investieren/anlegen" übersetzt werden könne, sei selbst im [X.] Sprachraum ein Gattungsbegriff in der Finanzbranche, der auf Anlage- und Investment-Möglichkeiten für Privatpersonen hinweise. Die Waren der [X.] könnten sich inhaltlich mit Finanzprodukten für Privatanleger auseinandersetzen bzw. Wissen über Investmentmöglichkeiten für Privatanleger vermitteln. Die Dienstleistungen der Klassen 35, 41 und 42 könnten sich ebenfalls mit dem Angebot einer Messe zu einem bestimmten Thema, z. B. dem Investieren für Privatanleger, befassen.

9

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

die beiden Beschlüsse des [X.]es vom 3. April 2008 und 19. Dezember 2008 aufzuheben und die Eintragung der Marke anzuordnen.

Eine Begründung der Beschwerde ist nicht erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat auch in der Sache Erfolg.

Der Eintragung des vorliegenden Wortzeichens "[X.]-[X.]" als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 [X.] steht kein absolutes Schutzhindernis, insbesondere auch nicht das der fehlenden Unterscheidungskraft oder des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 [X.], entgegen.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. [X.] [X.], 233, 235 Rdnr. 45 - Standbeutel; 229, 230 Rdnr. 27 - BioID; [X.], 608, 611 Rdnr. 66 - [X.]; [X.], 850, 854 Rdnr. 18 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; [X.], 710 Rdnr. 12 - [X.] ; [X.], 949 Rdnr. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] - [X.]; [X.], 1093 Rdnr. 13 - [X.]; [X.], 949 f. Rdnr. 10 - My World). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 - [X.] 2; [X.], 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.] - [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. [X.] GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 - [X.]; [X.], 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION ; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. [X.] GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 - Postkantoor; [X.] - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; [X.], 850, 854 Rdnr. 19 - [X.]; [X.], 952, 953 Rdnr. 10 - [X.]) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] GRUR 2001, 1043, 1044 - [X.]; [X.] GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]; a. a. [X.] - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.], 850, 855 Rdnr. 28 f. - [X.]).

Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Hintergrundes kann vorliegend - entgegen der von der Markenstelle vertretenen Auffassung - nicht festgestellt werden, dass das Wortzeichen " [X.] -[X.]" dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] unterliegt.

Die angemeldete Marke weist in ihrer Gesamtheit weder einen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hergestellt werden kann. Ein beschreibender Sinngehalt ihrer Einzelbestandteile wird jedenfalls durch eine hinreichend fantasievolle Wortbildung so weit überlagert, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abgesprochen werden kann.

Die angemeldete Marke setzt sich aus den Elementen "Private", "Invest" und "[X.]" zusammen, wobei die Bestandteile "Private" und "Invest" unter Verwendung eines "[X.]" in einem Wort geschrieben werden und die Ortsangabe "[X.]" mit einem Bindestrich angeschlossen wird. Das Wort "private" entstammt der [X.] und bedeutet "privat, persönlich" (vgl. [X.], Großwörterbuch, [X.], 2002, [X.]; Duden-Oxford - Großwörterbuch [X.], 3. Aufl. 2005 [CD-ROM]); das [X.] Verb "invest" bedeutet "anlegen, investieren" ([X.], Großwörterbuch, [X.], 2002, S. 466; Duden-Oxford - Großwörterbuch [X.], 3. Aufl. 2005 [CD-ROM]). Es kann davon ausgegangen werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise, hier auch das allgemeine Publikum, wegen der Nähe zu dem [X.] Ausdruck "privat investieren" den jeweiligen Sinngehalt der beiden Wortbestandteile ohne weiteres verstehen können (vgl. zu invest: [X.] (pat) 92/03 - [X.]; 33 W (pat) 408/02 - [X.] INVEST ; 33 W (pat) 219/01 - [X.]), zumal sich die aus "private" und "Invest" bestehende Wortzusammensetzung - allerdings entweder mit Bindestrich oder in zwei Worten - selbst im [X.] Sprachraum als Gattungsbegriff in der Finanzbranche für Anlagemöglichkeiten von Privatpersonen entwickelt hat, wie die von der Markenstelle durchgeführte [X.]recherche, auf die Bezug genommen wird, gezeigt hat. Das Gleiche gilt für die geographische Herkunftsangabe "[X.]", die als Landeshauptstadt von [X.] allgemein bekannt ist. Den vorgenannten Bestandteilen des angemeldeten Zeichens kann daher in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jeweils ein beschreibender Aussagegehalt zukommen. Denn die beanspruchten Druckerzeugnisse ([X.]) können sich inhaltlich mit aus [X.] stammenden Finanzprodukten für Privatanleger oder mit Investmentmöglichkeiten für aus [X.] stammende Privatanleger befassen. Die angemeldeten Messedienstleistungen in den Klassen 35, 41 und 42 können sich auf eine Messe in [X.] zum Thema "Investieren für Privatanleger" beziehen.

Dies allein reicht aber nicht aus, um der angemeldeten Marke die Schutzfähigkeit abzusprechen. Das Vorliegen des Schutzhindernisses bemisst sich nämlich nicht allein danach an, ob etwaige Wortbestandteile, für sich betrachtet, unterscheidungskräftig sind; entscheidend ist vielmehr, ob dem durch die Verbindung der Bestandteile entstandenen Gesamtzeichen die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung fehlt (vgl. [X.] a. a. [X.] Rdnr. 99 - Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 40 - [X.]).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann, abgesehen davon, dass die angemeldeten Waren und Dienstleistungen weder in direktem noch indirektem Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen stehen und Messedienstleistungen regelmäßig themenneutral erbracht werden, ein beschreibender Begriffsinhalt des [X.] - bezogen auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen - nicht festgestellt werden.

Durch die ungewöhnliche Aggregation des [X.]n Adjektivs "private" mit dem englischsprachigen Verb "invest" unter Verwendung eines "[X.]" sowie der Anknüpfung der Ortsangabe "[X.]" mittels eines [X.] entsteht unter Abweichung von den lexikalischen Regeln der [X.]n und [X.] Sprache eine neuartige Wortkombination, die als Fantasiewort aus sich heraus noch originell und insoweit individualisierend wirkt. Das angemeldete Gesamtzeichen in seiner Übersetzung "privat investieren [X.]" bleibt als sprachliche Neuschöpfung mehrdeutig oder jedenfalls eigenartig, auch wenn es einen beschreibenden Anklang enthalten mag. Es ist daher davon auszugehen, dass der nicht ganz übliche sprachliche Gesamteindruck der angemeldeten Marke - gemessen an den Kennzeichnungsgewohnheiten der Branche - noch hinreichende Unterscheidungskraft im Sinne eines sprechenden Zeichens verleiht (vgl. [X.] (pat) 124/06 - derma fit; 24 W (pat) 95/07 - HELIO[X.] ; 29 W (pat) 4/08 - [X.] ; 29 W (pat) 30/09 - [X.]).

Im Hinblick auf ihre ungewöhnliche Wortbildung unterliegt die angemeldete Marke ungeachtet etwaiger beschreibender Anklänge auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Es ist nicht erkennbar, dass Mitbewerber der Beschwerdeführerin auf eine Verwendung der Bezeichnung " [X.] -[X.]" angewiesen sind.

Meta

29 W (pat) 47/10

10.02.2010

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.02.2010, Az. 29 W (pat) 47/10 (REWIS RS 2010, 9503)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9503

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

28 W (pat) 85/11 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "PRE-SCAN" – keine Unterscheidungskraft


29 W (pat) 509/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Solar Promotion" – Unterscheidungskraft – Freihaltungsbedürfnis


28 W (pat) 535/12 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "EX-PRESS (IR-Marke)" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


29 W (pat) 62/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "winestyle" – Unterscheidungskraft - Freihaltungsbedürfnis


29 W (pat) 25/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Money Master Plan" - kein Freihaltungsbedürfnis – Unterscheidungskraft


Referenzen
Wird zitiert von

29 W (pat) 544/12

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.