Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.08.2013, Az. 28 W (pat) 535/12

28. Senat | REWIS RS 2013, 3156

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "EX-PRESS (IR-Marke)" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die [X.] 1 038 564

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 28. August 2013 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und die Richterinnen [X.] und Dorn

beschlossen:

Der Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 10 IR, vom 5. März 2012 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Um Schutz in der [X.] sucht die am 21. April 2010 international registrierte Wortmarke [X.] 038 564

2

[X.]-[X.]

3

nach, und zwar für die Ware der

4

Klasse 10: Implant oculaire pour le traitement du glaucome.

5

Mit Beschluss vom 5. März 2012 hat die Markenstelle für Klasse 10 IR den nachgesuchten Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses verweigert. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angesprochenen Verkehrskreise (hier: der einschlägige Fachhandel, Augenärzte sowie deren Patienten) würden in der schutzsuchenden [X.] „[X.]-[X.]“ ohne weiteres eine offenkundige Abwandlung des ursprünglich aus dem [X.] stammenden und geläufigen Wortes „express“ (zügig, schnell) wiedererkennen. Im Zusammenhang mit der beanspruchten Ware, einem Okularimplantat zur Behandlung des [X.], werde das angesprochene Publikum das Zeichen ohne analysierende Betrachtungsweise lediglich als rein werbemäßigen [X.] darauf sehen, dass diese Implantate – im Vergleich zu denen möglicher Mitbewerber – besonders schnell und unkompliziert zu implantieren seien bzw. ihre bestimmungsgemäße Wirkung umgehend entfalten würden. Das schutzsuchende Zeichen eigne sich damit nicht als betrieblicher Herkunftshinweis. Als beschreibende Angabe sei es zudem freihaltebedürftig.

6

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der [X.]ninhaberin, mit der sie ausführt, das [X.] habe das um Schutz nachsuchende Zeichen nicht allein in seiner eingetragenen Form beurteilt, sondern zum einen die getrennten Einzelelemente „[X.]“ und „[X.]“ zu einer Gesamtbezeichnung zusammengefügt und zum anderen weitere Bestandteile („[X.]“) hinzugedacht. Es seien daher mehrere Gedankenschritte notwendig, um zu der vom [X.] gefundenen Bedeutung zu gelangen, weshalb eine Unterscheidungskraft zu bejahen sei. Da dem Zeichen jedenfalls eine unmittelbar beschreibende Bedeutung für die beanspruchte Ware nicht zukomme, sei auch ein Freihaltebedürfnis nicht gegeben.

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Die Beschwerdeführerin beantragt,

8

den Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 10 IR, vom 5. März 2012 aufzuheben.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der [X.]ninhaberin hat Erfolg.

Der schutzsuchenden [X.] „[X.]-[X.]“ stehen in Bezug auf die beanspruchte Ware keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] entgegen, weshalb ihr der Schutz in der [X.] zu Unrecht von der [X.]nstelle verweigert worden ist (§§ 119, 124, 113, 37 Abs. 1 [X.], Art. 5 PMMA, Art 6 quinquies B PVÜ).

1. Dem Anmeldezeichen kann in seiner Gesamtheit nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.], 1143 – [X.]; [X.] 2012, 19, Rdnr. 8 - Link economy; [X.], 1100, Rdnr. 10 - [X.]!; [X.], 825, 826, Rdnr. 13 - [X.]; [X.], 850, 854, Rdnr. 18 - [X.]). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. [X.] [X.], 411, 412, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944, Rdnr. 24 - [X.] 2; [X.] - [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. [X.] [X.], 428, 431 Rdnr. [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.] 2000, 420, 421 -RATIONAL [X.]). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. [X.] [X.], 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; [X.], 952, 953 Rdnr. 10 - [X.]; a. a. [X.]. 19 - [X.]; [X.], 417, 418 – [X.]; a. a. O. - marktfrisch; [X.], 1153 - anti [X.]) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] – [X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.], 1043, 1044 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] 855, Rdnr. 19, 28 f. - [X.]).

Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] genügt das um Schutz nachsuchende Zeichen. Denn es weist für die beanspruchte Ware weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu ihr hergestellt werden kann.

a) Das Wortzeichen setzt sich aus den Elementen „[X.]“ und „[X.]“ zusammen, die durch einen Bindestrich getrennt sind.

„Ex“ ist ein aus dem [X.] stammendes und in den [X.] Sprachgebrauch eingegangenes Präfix mit den Bedeutungen „aus, aus ... heraus, weg, ent...“ ([X.] - [X.], 9. Aufl. 2007 [CD-ROM]). Das [X.] Wort „press“ bedeutet als Substantiv „Presse; Druck; Verlag“, als Verb „drücken, ausdrücken, pressen, auspressen, drängen“ ([X.] – Großwörterbuch [X.] – [X.], 1. Aufl. 2008, S. 747).

Der Bindestrich zwischen den beiden Wortelementen ist optisch eine Zäsur und darf nicht unbeachtet bleiben. Denn auch ein für sich genommen [X.] Bestandteil kann für die Schutzfähigkeit des [X.] Bedeutung erlangen. Der Umstand, dass ein Bindestrich aufgrund seiner orthografischen Funktion vom Verkehr nicht als eigenständiges Zeichen wahrgenommen werden mag, rechtfertigt es nicht, diesen [X.] bei der Prüfung der Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens unberücksichtigt zu lassen. Da es sich bei der um Schutz nachsuchenden [X.] um ein zusammengesetztes Zeichen handelt, ist maßgeblich, welchen Gesamteindruck der Verkehr mit dem zusammengesetzten Zeichen verbindet ([X.] GRUR 2011, 65 Rdnr. 12 – Buchstabe T mit Strich).

Der Markenstelle ist zwar darin zuzustimmen, dass bei einer Wahrnehmung des schutzsuchenden Zeichens im Sinne des geläufigen Wortes „[X.][X.]“ bzw. „express“ („eilig, Eil…, Schnell..“) dieses in Bezug auf die beanspruchte Ware der Klasse 10, ein Okularimplantat für die Behandlung des [X.] (Glaukom), als anpreisende Sachangabe dahingehend verstanden werden könnte, dass dieses Implantat „besonders schnell zu implantieren“ ist bzw. eine „schnelle Wirkungsweise“ hat. Allerdings führt hier der Bindestrich zwischen den beiden Wortelementen „[X.]“ und „[X.]“ nach Ansicht des Senats von einem Verständnis des [X.] im obigen Sinne weg. Zwar werden im heutigen Sprachgebrauch, insbesondere in der Werbung, oftmals zwei (eigenständige) Wörter durch einen Bindestrich verbunden, die im [X.] dann einen einheitlichen (neuen) Gesamtbegriff bilden (z.B. „[X.]“). Bei dem Wort „[X.][X.]“ in Alleinstellung handelt es sich jedoch nicht um eine solche Wortkombination, bei der eine Trennung in die Elemente „[X.]“ und „[X.]“ üblich erscheint oder nicht weiter auffällt. Der Bindestrich an dieser Stelle löst einen Gedankenprozess über den Grund der Trennung der beiden Elemente und die Bedeutung des [X.] in seiner Gesamtheit aus. Es liegt nahe, dass das angesprochene Publikum – in erster Linie der einschlägige Fachhandel, medizinische Fachkreise, insbesondere Augenärzte, sowie deren Patienten – das Zeichen aufgrund des ungewöhnlich positionierten [X.] in seine Einzelbestandteile, die Präposition „[X.]“ und das [X.] Substantiv bzw. Verb „[X.]“ zergliedert, den Sinngehalt dieser ermittelt, um schließlich dem Gesamtbegriff eine Bedeutung zuordnen zu können. In Bezug auf die beanspruchte Ware kann der Bezeichnung „[X.]-[X.]“ jedoch keine ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfassbare sinnvolle Sachaussage entnommen werden. Allenfalls eine analysierende Betrachtungsweise könnte dazu führen, das Zeichen vor dem Hintergrund, dass bei der Glaukombehandlung eine Senkung des Augeninnendrucks erforderlich ist, schlagwortartig im Sinne von „Druck heraus“ oder „Druck weg“ zu interpretieren. Von einem im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt oder engen beschreibenden Bezug für die fragliche Ware kann jedoch bei dieser Betrachtungsweise keine Rede sein.

Das [X.] weist daher ein ausreichendes Maß an Eigentümlichkeit auf, um sich dem Publikum als betriebliches Unterscheidungsmittel einzuprägen, wenngleich der Schutzumfang eher gering ist und sich lediglich auf die hier beanspruchte ganz konkrete Schreibweise „[X.]-[X.]“ (mit Bindestrich) bezieht.

2. Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der vorgenannten Ware unterliegt das um Schutz nachsuchende Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Meta

28 W (pat) 535/12

28.08.2013

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.08.2013, Az. 28 W (pat) 535/12 (REWIS RS 2013, 3156)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3156

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