Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.05.2003, Az. I ZB 32/02

I. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 2964

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[X.] ZB 32/02vom22. Mai 2003in der Rechtsbeschwerdesache- 2 -Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 22. Mai 2003 durch [X.] Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. [X.], Pokrant, [X.] undDr. [X.]:Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der [X.]uß des6. Zivilsenats des [X.] vom 21. [X.] aufgehoben.Der Klägerin wird wegen Versäumung der Frist zur Begründung [X.] gegen das Urteil des [X.], 9. Kammerfür Handelssachen, vom 26. März 2002 - 9 [X.] 11569/01 - [X.] in den vorigen Stand gewährt.[X.]: 75.000 Gründe:[X.] Die Klägerin hat gegen das ihren Prozeßbevollmächtigten am [X.] zugestellte Urteil des [X.] am 23. Mai 2002 Berufungeingelegt und diese mit einem am Dienstag, dem 25. Juni 2002, beim Oberlan-desgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Mit Verfügung vom 9. Juli2002, die den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 12. Juli 2002 zugegan-- 3 -gen ist, wies das [X.] darauf hin, daß beabsichtigt sei, die Beru-fung gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.Die Klägerin hat daraufhin mit am 19. Juli 2002 beim [X.]eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.Zur Begründung hat sie vorgetragen, ihr Prozeßbevollmächtigter habe die Be-rufungsbegründung bereits am Freitag, dem 21. Juni 2002, fertiggestellt undunterzeichnet. Die geschulte und zuverlässige Bürokraft [X.] sei anschließendunter Hinweis auf die am Montag, dem 24. Juni 2002, ablaufende Berufungsbe-gründungsfrist beauftragt worden, für den Auslauf der Berufungsbegründung andas Gericht zu sorgen. Sie habe den unterschriebenen Schriftsatz am [X.] des 21. Juni 2002 wie üblich ohne Kuvert in den für die [X.] bestimmten Postkorb der Kanzlei gelegt.Der seit vielen Jahren in der Kanzlei ihrer Prozeßbevollmächtigten be-schäftigte und zuverlässige [X.], der für die Kontrolle des Postkorbs undden Ausgang der darin befindlichen Schriftstücke zuständig sei, habe die gene-relle Anweisung erhalten, jeden ([X.] mindestens einmal, und zwarvormittags nach 10 Uhr die im Postkorb befindliche Gerichtspost zur allgemei-nen [X.] der Justizbehörden zu bringen. Herr D. habe dem Postkorbauch am 24. Juni 2002 sämtliche Schriftstücke entnommen und zur allgemei-nen [X.] gebracht. Er könne bestätigen, daß nach der Entnahme der fürdie Justizbehörden bestimmten Post kein Schriftstück mehr im Postkorb ver-blieben sei. Ihr Prozeßbevollmächtigter Rechtsanwalt [X.] habe sich am Montag,dem 24. Juni 2002, bei [X.] erkundigt, ob die [X.] hinausgegangen sei. [X.] habe ihrem Prozeßbevollmächtigtenden aus ihrer Sicht ordnungsgemäßen Ausgang des Schriftsatzes [X.] 4 -Die Klägerin hat ihr Vorbringen u.a durch eidesstattliche [X.] Prozeßbevollmächtigten sowie der Kanzleiangestellten, [X.] undHerrn D., glaubhaft gemacht.Das Berufungsgericht hat die Erteilung von Wiedereinsetzung gegen [X.] der Berufungsbegründungsfrist versagt und die Berufung als [X.] verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 522Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zuläs-sig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidungdes Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Rechts-beschwerde hat in der Sache Erfolg.1. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag für unbegrün-det erachtet, weil die Klägerin nicht ohne ihr (zurechenbares) Verschulden ver-hindert gewesen sei, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Die in [X.] des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin getroffenen Maßnahmen ge-währleisteten nicht, daß ein zum Versand fertiger fristwahrender Schriftsatz tat-sächlich noch am Tag des [X.] eingehe. In den für [X.] bestimmten Postkorb würden unterschiedslos fristgebundene und nichtfristgebundene Schriftsätze aufgenommen. Vorausgesetzt, [X.] habe [X.] am 21. Juni 2002 in den Postkorb gelegt, und vorausgesetzt, Herr D.habe ihn am 24. Juni 2002 ordnungsgemäß geleert, bedeute dies, daß [X.] bis zum 24. Juni 2002 unbemerkt aus dem Postkorb gekommen [X.] unbemerkt am 24. Juni 2002 nach dem letzten [X.] oder am 25. Juni 2002 wieder dorthin [X.] sei. [X.] nicht einmal klären, warum der Schriftsatz verspätet eingereicht worden- 5 -und wer dafür verantwortlich sei, dann sei die [X.] nicht hinrei-chend organisiert.2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. [X.] ein Rechtsanwalt die Verantwortung dafür, daß eine Rechtsmittelschriftrechtzeitig bei dem zuständigen Gericht eingeht ([X.], [X.]. v. 27.2.2003- III ZB 82/02, [X.]/[X.] 2003, 106). Der Anspruch auf Gewährung wirkungs-vollen Rechtsschutzes verbietet es den Gerichten aber, den Parteien den Zu-gang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer,aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Die Ge-richte dürfen daher bei der Anwendung der die Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand regelnden Vorschriften die Anforderungen an das, was der Betroffe-ne veranlaßt haben muß, um Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannen(vgl. [X.], [X.]. v. 20.2.2003 - [X.], [X.]. S. 4 m.w.[X.]). Das ist [X.]) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann ein Organisati-onsverschulden der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin nicht darauf gestütztwerden, daß der ausschließlich für Gerichtspost bestimmte Postkorb sowohlfristgebundene als auch sonstige Schriftsätze aufnimmt. Die Klägerin hatglaubhaft gemacht, daß der in der Kanzlei ihrer Prozeßbevollmächtigten tätigezuverlässige [X.] angewiesen worden ist, mindestens einmal (ar-beits-)täglich, und zwar vormittags nach 10 Uhr, den (gesamten) im [X.] Inhalt zur allgemeinen [X.] der Justizbehörden [X.] bringen. Das Berufungsgericht hat die in der Kanzlei der [X.] der Klägerin geübte Praxis und die dem Boten D. erteilte Anweisung nichtin Zweifel gezogen. Wenn in der dargelegten Weise mit der Gerichtspost ver-fahren wird, ist nicht ersichtlich, aus welchem Grunde die im Korb befindlichen- 6 -fristgebundenen und sonstigen Schriftstücke getrennt voneinander [X.]) Soweit das Berufungsgericht aus dem vorgetragenen und glaubhaftgemachten Sachverhalt folgert, der in den Postkorb gelegte Berufungsbegrün-dungsschriftsatz müsse vor der Leerung am 24. Juni 2002 aus diesem heraus-gekommen und danach wieder [X.] sein, ist diese tatrichterliche Wür-digung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dieser Umstand gereicht derKlägerin indes nicht zum Nachteil. Denn es muß nur gewährleistet sein, daß einfristwahrender Schriftsatz rechtzeitig hergestellt und postfertig gemacht wird,sofern die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuver-lässig vorbereitet ist. Das ist im allgemeinen anzunehmen, wenn der fristwah-rende Schriftsatz in ein Postausgangsfach des Rechtsanwalts eingelegt wirdund die abgehende Post von dort unmittelbar zum Briefkasten oder zur maß-geblichen gerichtlichen [X.] gebracht wird (vgl. [X.], Urt. v. 11.1.2001- III ZR 148/00, NJW 2001, 1577, 1578). Diese - ein Organisationsverschuldenausschließenden - Maßnahmen sind in der Kanzlei der Prozeßbevollmächtigtender Klägerin getroffen worden. Wenn jemand im konkreten Fall unbemerkt denin den Postkorb gelegten Schriftsatz - organisationswidrig - dort entnommenund nach der Korbentleerung am 24. Juni 2002 wieder hineingelegt hat, [X.] auf einem nicht vorhersehbaren Fehlverhalten, für das der Rechtsanwaltnicht verantwortlich gemacht werden kann.c) Zu Unrecht hält das Berufungsgericht die [X.] für nichthinreichend organisiert, weil sich nicht klären lasse, warum der [X.] eingereicht worden sei. Darauf kommt es im Streitfall nicht an. Da [X.] hier - wie bereits dargelegt - gewissermaßen die "letzte Station" aufdem Weg zum Adressaten ist, ist eine zusätzliche Überwachung der [X.] Post, etwa durch Führung eines Postausgangsbuchs, nicht erforderlich(vgl. [X.] NJW 2001, 1577, 1578).d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genügte es unterdiesen Umständen auch, am 24. Juni 2002 anhand der [X.] den Aus-lauf der [X.] zu kontrollieren. Dies entspricht den An-forderungen der Rechtsprechung, nach der die Erledigung fristgebundener [X.] am Abend eines jeden Arbeitstags anhand des Fristenkalenders zu über-prüfen ist (vgl. [X.], [X.]. v. 2.4.1998 - [X.] 131/97, NJW-RR 1998, 1604m.w.[X.]). Ein weiteres Vergewissern darüber, ob der Schriftsatz tatsächlichherausgegangen war, brauchte unter diesen Umständen nicht mehr zu erfol-gen.II[X.] Danach war der angefochtene [X.]uß aufzuheben und der Klägerinauf ihren rechtzeitigen Antrag wegen der Versäumung der Berufungsbegrün-dungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Über die Ko-sten des [X.] - zu denen auch die Kosten des für dieKlägerin erfolgreichen Rechtsbeschwerdeverfahrens gehören - ist erst in der- 8 -Endentscheidung über die Hauptsache zu erkennen (vgl. [X.], [X.]. [X.] - [X.], [X.], 3284, 3286; [X.]/[X.], ZPO, 23. [X.] 238 Rdn. 11).v. [X.]

Meta

I ZB 32/02

22.05.2003

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.05.2003, Az. I ZB 32/02 (REWIS RS 2003, 2964)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2964

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