Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2005, Az. VIII ZR 284/04

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1746

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 284/04 Verkündet am: 21. September 2005 Kirchgeßner, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 307 Abs. 1 Ba, 308 Nr. 4

Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Versandhandelsunternehmens gegenüber Verbrauchern verwendete Klausel
"Sollte ein bestimmter Artikel nicht lieferbar sein, senden wir Ihnen in Einzelfällen einen qualitativ und preislich gleichwertigen Artikel (Ersatzartikel) zu."
ist unter Berücksichtigung der sich daran anschließenden Sätze "Auch diesen können Sie bei Nichtgefallen innerhalb von 14 Tagen zurückgeben. Sollte ein bestellter Artikel oder Ersatzartikel nicht lieferbar sein, sind wir berech-tigt, uns von der Vertragspflicht zur Lieferung zu lösen; –" gemäß §§ 307 Abs. 1, 308 Nr. 4 BGB unwirksam.

BGH, Urteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 284/04 - OLG Hamburg

LG Hamburg - 2 - Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Ball, Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 9. Septem-ber 2004 teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu ge-fasst: Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Hamburg vom 5. September 2003 wird zurück-gewiesen. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger ist ein Verbraucherverband, der in die gemäß § 4 des Unter-lassungsklagengesetzes (UKlaG) beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragen ist. Die Beklagte betreibt ein Versand-handelsunternehmen. Sie unterhält einen "Internetshop" und verwendet hierbei vorformulierte Geschäftsbedingungen (nachstehend: AGB), die unter anderem folgende Klauseln enthalten: - 3 - "3. Gewährleistung – [Abs. 3] Sollte ein bestimmter Artikel nicht lieferbar sein, senden wir Ih-nen in Einzelfällen einen qualitativ und preislich gleichwertigen Artikel (Ersatzartikel) zu. Auch diesen können Sie bei Nichtgefallen innerhalb von 14 Tagen zurückgeben. Sollte ein bestellter Artikel oder Ersatzartikel nicht lieferbar sein, sind wir berechtigt, uns von der Vertragspflicht zur Lieferung zu lösen; wir verpflichten uns gleichzeitig, Sie unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und etwa erhaltene Gegenleis-tungen unverzüglich zu erstatten."

Der Kläger hat von der Beklagten verlangt, es zu unterlassen, die vorste-hend wiedergegebenen Klauseln in Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 Halbsatz 1 sowie zwei weitere Klauseln ihrer AGB in Verbrauchsgüterkaufverträge einzu-beziehen und sich auf diese Klauseln bei der Abwicklung derartiger, nach dem 1. April 1977 geschlossener Verträge zu berufen. Das Landgericht (VuR 2004, 27) hat der Klage hinsichtlich der beiden oben zitierten Klauseln sowie einer weiteren Klausel stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage hinsichtlich der Klausel in Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 abgewiesen; die weitergehende Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelasse-nen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Inter-esse, ausgeführt: - 4 - Die Klausel "Sollte ein bestimmter Artikel nicht lieferbar sein, senden wir Ihnen in Einzelfällen einen qualitativ und preislich gleichwertigen Artikel (Er-satzartikel) zu" verstoße nicht gegen §§ 475 Abs. 1, 307, 308 Nr. 4 BGB. Ein Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB könne nur bejaht werden, wenn zwischen dem Verbraucher und der Beklagten bereits vor der Übersendung des Ersatzartikels ein Vertrag über die bestellte Ware geschlossen werde. Der Vertrag komme aber nicht schon aufgrund der Bestellung des Verbrauchers zustande, selbst wenn diese elektronisch bestätigt werde. Im Internethandel liege regelmäßig ein Leistungsversprechen des Verkäufers vor der Zusendung eines Artikels nicht vor. Soweit der Kläger demgegenüber mögliche Fallgestaltungen eines Ver-tragsschlusses vor der Lieferung der Ware aufzeige, handele es sich um selte-ne Ausnahmefälle, von denen bei der Bewertung der Klausel nicht auszugehen sei. Auch ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB könne nur bejaht werden, wenn zwischen dem Verbraucher und der Beklagten vor der Lieferung der Ware ein Vertrag zustande komme, was jedoch vor der Annahme durch den Verbraucher nicht der Fall sei. Für die Zulässigkeit der Klausel spreche im übrigen § 241a Abs. 3 BGB, wonach eine Ersatzlieferung nicht als unbestellte Leistung gelte. II. Die Revision des Klägers ist begründet. Der Kläger kann gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 4 UKlaG von der Beklagten verlangen, es zu unterlassen, die in Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 der AGB ihres "Internetshops" enthaltene Klausel über die Zusendung eines sogenannten Ersatzartikels in Verbrauchsgüterkauf-verträgen (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu verwenden und sich auf diese Klausel bei der Abwicklung derartiger, nach dem 1. April 1977 geschlossener Kaufver-träge zu berufen (vgl. zu letzterem BGHZ 127, 35, 37; BGH, Urteil vom - 5 - 23. Januar 2003 - III ZR 54/02, NJW 2003, 1237 = WM 2003, 425, unter I 2). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klausel gemäß § 308 Nr. 4 BGB (dazu nachfolgend unter 1.) und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 in Verbin-dung mit Satz 1 BGB unwirksam (dazu im weiteren unter 2.). 1. Die streitige Klausel ("Sollte ein bestimmter Artikel nicht lieferbar sein, senden wir Ihnen in Einzelfällen einen qualitativ und preislich gleichwertigen Artikel (Ersatzartikel) zu.") enthält einen gemäß § 308 Nr. 4 BGB unzulässigen Änderungsvorbehalt. Nach dieser Bestimmung ist in Allgemeinen Geschäftsbe-dingungen die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, unwirksam, wenn nicht die Ver-einbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interes-sen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. a) Die Voraussetzungen des § 308 Nr. 4 BGB liegen hier vor. Die in Re-de stehende Klausel berechtigt die Beklagte, eine versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, weil sie der Beklagten nach der gebotenen objektiven Auslegung das Recht einräumt (dazu sogleich unter aa), dem Kun-den einen "Ersatzartikel" als vertragsgemäße Leistung zu übersenden, wenn zuvor ein Kaufvertrag über die vom Verbraucher auf der Internetseite der Be-klagten bestellte Ware zustande gekommen ist (dazu anschließend unter bb). aa) Die Klausel ist, wie der Senat wegen ihrer bundesweiten Verwen-dung selbst feststellen kann (vgl. BGHZ 139, 190, 198 m.w.Nachw.), dahin aus-zulegen, dass die Beklagte sich ein vertragliches Recht zur Lieferung eines Er-satzartikels vorbehält. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem ob-jektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von ver-ständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Ver-- 6 - ständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. BGHZ 102, 384, 389 ff. m.w.Nachw.). Der Wortlaut der Klausel ist danach allerdings nicht eindeutig. Einerseits kann die Formulierung, die Beklagte "sende" in Einzelfällen einen Ersatzartikel zu, als bloße Ankündigung verstanden werden. Dafür spricht die abweichende Fassung der Klausel im übernächsten Satz (Nr. 3 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 der AGB), wonach die Beklagte ausdrücklich "berechtigt" ist, sich von der "Ver-tragspflicht zur Lieferung" zu lösen, wenn ein bestellter Artikel oder Ersatzartikel nicht lieferbar sein sollte. Andererseits steht der Wortlaut der Klausel aus der Sicht eines verständigen Kunden der Auslegung nicht entgegen, dass sich die Beklagte das Recht zur Lieferung eines Ersatzartikels als vertragsgemäße Leis-tung vorbehält. Das folgt aus dem Umstand, dass die Klausel unter der Über-schrift "Gewährleistung" steht. Dies legt aus der Sicht des Kunden die Annahme nahe, dass die Beklagte nicht lediglich die Lieferung einer anderen als der be-stellten Sache ankündigen will, was im Falle eines vorherigen Vertragsschlus-ses nach § 434 Abs. 3 BGB eine vertragswidrige Leistung wäre, sondern dass die Ersatzlieferung nach der Vorstellung der Beklagten als vertragsgemäße Leistung gelten soll, die der Kunde nach dem sich anschließenden Satz 2 ("auch") nur unter Einhaltung der gemäß Nr. 1 der AGB für die Lieferung be-stellter Artikel geltenden Rückgabefrist von 14 Tagen zurückweisen kann. Im Übrigen hat die Beklagte selbst in dem vorliegenden Verfahren nicht geltend gemacht, die Klausel sei im Sinne einer bloßen Ankündigung zu verstehen. Die Mehrdeutigkeit der Klausel ist durch eine objektive, an ihrem Wort-laut und Regelungszusammenhang sowie den Verständigungsmöglichkeiten der typischerweise angesprochenen Kunden orientierte Auslegung nicht zu be-seitigen. Die somit verbleibenden Zweifel gehen gemäß § 305c Abs. 2 BGB (früher § 5 AGBG) zu Lasten der Beklagten. Dies führt jedenfalls im - hier vor-- 7 - liegenden - Verbandsklageverfahren dazu, dass von der sogenannten kunden-feindlichsten Auslegung auszugehen ist (BGHZ 139, 190, 199; 158, 149, 155, jeweils m.w.Nachw.). Bei der Prüfung der Wirksamkeit der in Rede stehenden Klausel ist daher die Auslegung zugrunde zu legen, dass die Beklagte sich ein vertragliches Recht zur Lieferung eines Ersatzartikels vorbehält. bb) Aus der Sicht eines verständigen und juristisch nicht vorgebildeten Kunden erfasst die Formularbestimmung auch den Fall, dass vor der Lieferung des Ersatzartikels bereits ein Kaufvertrag über die bestellte Ware abgeschlos-sen worden ist. Dem Wortlaut der Klausel lässt sich nicht entnehmen, dass der Beklagten lediglich dann ein Recht zur Lieferung eines anderen als des bestell-ten Artikels zustehen soll, wenn noch kein Kaufvertrag mit dem Kunden zustan-de gekommen ist. Vielmehr ist das formularmäßig eingeräumte Recht zur Zu-sendung des Ersatzartikels allein davon abhängig, dass ein bestimmter Artikel nicht lieferbar ist. Hiervon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber bei der Beurteilung der Wirk-samkeit der Klausel die von ihrem Wortlaut erfasste Möglichkeit eines Vertrags-schlusses vor der Lieferung unberücksichtigt gelassen. Zwar haben völlig fern liegende Auslegungsmöglichkeiten, von denen eine Gefährdung des Rechts-verkehrs nicht ernsthaft zu befürchten ist, auch im Verbandsklageverfahren au-ßer Betracht zu bleiben (BGHZ 91, 55, 61; BGH, Urteil vom 10. Mai 1994 - XI ZR 65/93, NJW 1994, 1798 = WM 1994, 1283 unter II 2 b bb m.w.Nachw.). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Allerdings dürfte die Ansicht der Beklagten zutreffen, dass die Warenprä-sentation auf ihrer Internetseite noch kein gemäß § 145 BGB verbindliches An-gebot, sondern lediglich eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (invitatio ad offerendum) darstellt. In diesem Falle ist das Vertragsangebot in der Waren-- 8 - bestellung des Kunden zu sehen (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 79/04, NJW 2005, 976 = WM 2005, 659 unter II A 1). Es mag auch richtig sein, dass im Versandhandel grundsätzlich erst die Übersendung des bestellten Artikels als konkludente Annahmeerklärung zu werten ist. Sendet die Beklagte dem Kunden unter diesen Umständen einen anderen als den bestell-ten Artikel zu, gilt diese Änderung gemäß § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung der Bestellung verbunden mit einem neuen Antrag der Beklagten, einen Kaufver-trag über die von ihr ausgewählte Ware zu schließen. Ein Vertrag über diese geänderte Leistung kommt dann nur zustande, wenn der Kunde das neue An-gebot annimmt. Gleichwohl erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass in bestimmten Fällen schon vor der Zusendung des bestellten Artikels oder eines Ersatzarti-kels ein Vertrag zustande kommt. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn die auf der Internetseite der Beklagten vorgesehene Bestätigung der Bestellung, deren Wortlaut das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, so formuliert wäre, dass sie aus der Sicht eines verständigen Kunden nicht nur als Bestätigung des Zugangs seines Kaufangebots, sondern als dessen Annahme zu verstehen wä-re. Des weiteren zeigt die Revision die durchaus nahe liegende Möglichkeit auf, dass ein Kunde mehrere Artikel bestellt, die Beklagte jedoch lediglich einen Teil der bestellten Ware übersendet und dem Kunden die Lieferung der restlichen Ware für einen späteren Zeitpunkt ankündigt. Eine solche Mitteilung wäre vom objektiven Empfängerhorizont des Kunden aus regelmäßig als rechtsverbindli-ches Lieferversprechen und demgemäß als Annahme seines Kaufangebots hinsichtlich der bestellten, aber noch nicht gelieferten Artikel zu werten. Dass die Beklagte in Übereinstimmung damit selbst einen Kaufvertragsschluss vor Übersendung der bestellten Ware oder eines Ersatzartikels für möglich hält, ergibt sich aus Nr. 3 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 der AGB. Dort heißt es nämlich, - 9 - dass die Beklagte, sollte ein "bestellter Artikel oder Ersatzartikel" nicht lieferbar sein, berechtigt ist, sich "von der Vertragspflicht zur Lieferung" zu lösen. b) Der mithin durch die streitige Klausel begründete Änderungsvorbehalt hinsichtlich der Lieferung eines Ersatzartikels ist gemäß § 308 Nr. 4 BGB un-wirksam. Danach ist ein formularmäßiger Änderungsvorbehalt nur zulässig, wenn er unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den ande-ren Vertragsteil zumutbar ist. Damit wird eine Abwägung zwischen den Interes-sen des Klauselverwenders an der Möglichkeit einer Änderung seiner Leistung und denen des anderen Vertragsteils an der Unveränderlichkeit der vereinbar-ten Leistung des Verwenders verlangt. Die Zumutbarkeit einer Leistungsände-rungsklausel ist dann zu bejahen, wenn die Interessen des Verwenders die für das jeweilige Geschäft typischen Interessen des anderen Vertragsteils über-wiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind. Das setzt eine Fassung der Klausel voraus, die nicht zur Rechtfertigung unzumutbarer Änderungen dienen kann, und erfordert im allgemeinen auch, dass für den anderen Vertragsteil zu-mindest ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsände-rungen besteht (BGHZ 158, 149, 154 f.). Diesen Anforderungen wird die in Rede stehende Klausel nicht gerecht. Zwar berücksichtigt sie die Interessen des Kunden insoweit, als sich die Beklag-te lediglich die Zusendung qualitativ und preislich gleichwertiger Artikel vorbe-hält. Dies trägt dem Interesse des Kunden, nur die von ihm bestellte Ware als vertragsgemäße Erfüllung (§§ 433 Abs. 1, 362 Abs. 1 BGB) annehmen zu müs-sen, jedoch nicht in jedem Falle hinreichend Rechnung. In der Formularbe-stimmung ist nicht berücksichtigt, dass zahlreiche Artikel - etwa Bekleidungsge-genstände - vom Kunden nach seinen individuellen Wünschen und Bedürfnis-sen ausgewählt werden. Demgegenüber belässt die in der Klausel allein vorge-gebene Beschränkung auf gleichwertige Qualität und gleichen Preis der Beklag-- 10 - ten einen weiten Spielraum für Abweichungen von der bestellten Ware, die dem Kunden im Einzelfall unzumutbar sein können. Dies trifft etwa für das vom Klä-ger gebildete Beispiel zu, wonach die Klausel es zulässt, dem Kunden anstelle der bestellten, nicht lieferbaren braunen Schuhe qualitativ und preislich ent-sprechende schwarze Schuhe zu liefern. Das berechtigte Interesse des Kunden, eine solche von der Bestellung abweichende Leistung nicht als vertragsgemäße Erfüllung annehmen zu müs-sen, wird auch nicht dadurch gewahrt, dass der Kaufvertrag nach Nr. 1 der AGB auf Probe abgeschlossen und dem Kunden nach Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 der AGB für den ersatzweise gelieferten Gegenstand ein Rückgaberecht innerhalb von 14 Tagen eingeräumt wird. Hierdurch wird der Kunde schlechter gestellt als nach der gesetzlichen Regelung. Gemäß § 434 Abs. 3 BGB steht es einem Sachmangel gleich, wenn der Verkäufer - wie im Falle der Zusendung eines Ersatzartikels - eine andere Sache liefert. Der Käufer einer mangelhaften Sache kann nach näherer Maßgabe des § 437 BGB Nacherfüllung, Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen, vom Vertrag zurücktreten und den Kaufpreis mindern. Diese Rechte können ohne zeitliche Beschränkung bis zu der durch die Einrede der Verjährung gezogenen Grenze von mindestens zwei Jahren (§ 438 BGB) ausgeübt werden. Dagegen steht dem Kunden nach Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 der AGB im Falle der Lieferung eines Ersatzartikels lediglich ein Rückgaberecht zu, das zudem auf 14 Tage befristet ist. Daraus folgt in Ver-bindung mit Nr. 1 der AGB, dass der Kunde nach Ablauf von 14 Tagen nicht mehr einwenden kann, die Ware sei nicht vertragsgemäß, weil der auf Probe geschlossene Kaufvertrag nach Ablauf der Rückgabefrist mit dem hinsichtlich des Ersatzartikels geänderten Inhalt wirksam wird; denn nach Ablauf dieser Frist gilt das Schweigen des Käufers als Billigung der ihm übersandten Ware (§ 454 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 455 Satz 2 BGB). - 11 - 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die streitige Klau-sel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit Satz 1 auch dann un-wirksam, wenn die AGB der Beklagten dahin zu verstehen sein sollten, dass ein Vertrag grundsätzlich nicht vor der Zusendung eines Ersatzartikels zustande kommt. Bei einer solchen Auslegung verstößt die Klausel gegen das Transpa-renzgebot, weil sie nicht klar und verständlich ist und den Kunden hierdurch entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Ein solcher Verstoß liegt unter anderem dann vor, wenn eine Formularbestim-mung die Rechtslage unzutreffend darstellt und es dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in ihr getroffene Regelung abzu-wehren (st.Rspr. zum früheren § 9 Abs. 1 AGBG, BGHZ 119, 152, 170; 145, 203, 220 f., jew. m.w.Nachw.). So liegt es hier. Die Klausel ist - insbesondere im Zusammenhang mit dem nachfolgenden Satz, wonach der Ersatzartikel bei Nichtgefallen innerhalb von 14 Tagen zurückgegeben werden kann - geeignet, bei einem juristisch nicht vorgebildeten Kunden den Eindruck zu erwecken, die Lieferung des Ersatzarti-kels stelle eine vertragsgemäße Leistung der Beklagten dar, die lediglich durch Ausübung des befristeten Rückgaberechts zurückgewiesen werden könne. Eine solche Klauselgestaltung kann einen rechtsunkundigen Besteller im Einzelfall davon abhalten, die Ware zurückzugeben, wenn die Frist von zwei Wochen ab-gelaufen ist. Hierzu wäre der Kunde nach der gesetzlichen Regelung jedoch berechtigt, weil es ihm freisteht, ein neues Angebot der Beklagten (§ 150 Abs. 2 BGB) nicht anzunehmen und die ohne vertragliche Grundlage gelieferte Ware ohne Einhaltung einer Frist zurückzugeben. Dies ergibt sich auch aus § 241a Abs. 1 BGB, wonach durch die Lieferung unbestellter Sachen durch einen Un-ternehmer an einen Verbraucher ein Anspruch gegen diesen nicht begründet wird. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die Voraussetzun-gen des § 241a Abs. 3 BGB nicht gegeben. Danach liegt eine unbestellte Leis-- 12 - tung nicht vor, wenn dem Verbraucher statt der bestellten eine nach Qualität und Preis gleichwertige Leistung angeboten und er darauf hingewiesen wird, dass er zur Annahme nicht verpflichtet ist und die Kosten der Rücksendung nicht zu tragen hat. Einen solchen Hinweis enthält die streitige Klausel nicht. III. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht die Klage hinsichtlich der Klausel in Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 der AGB abgewiesen hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist zur Endent-scheidung reif. Daher ist das Berufungsurteil im vorbezeichneten Umfang auf-zuheben, und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil ist insgesamt zurückzuweisen (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Dr. Deppert Ball Dr. Leimert
Wiechers Dr. Wolst

Meta

VIII ZR 284/04

21.09.2005

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2005, Az. VIII ZR 284/04 (REWIS RS 2005, 1746)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1746

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4 AZR 27/10

4 AZR 25/10

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