Bundessozialgericht, Beschluss vom 03.08.2016, Az. B 12 P 4/15 B

12. Senat | REWIS RS 2016, 7160

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bei außer Kraft getretenem Recht


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 27. November 2015 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) und [X.] Pflegeversicherung ([X.]), die er aus Leistungen einer [X.] Personalvorsorgestiftung entrichtete.

2

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 27.11.2015 ist in entsprechender Anwendung von § 169 [X.] und 3 [X.] als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 [X.] [X.] keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 [X.] die Revision gegen eine Entscheidung des [X.] nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht ([X.]) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden ([X.] 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl [X.] § 160a [X.] 7).

4

Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom [X.] auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]).

5

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist ([X.] § 160a [X.] 60 und 65; [X.]-1500 § 160a [X.]6 mwN - stRspr; vgl auch [X.], 304 und [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.] 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll ([X.] § 160a [X.] 31). Zwar kann auch eine bereits höchstrichterlich entschiedene Frage erneut klärungsbedürftig werden, hierfür ist jedoch darzulegen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprochen worden ist oder dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl [X.] § 160a [X.]3).

6

a) Der Kläger hält auf Seite 1 der Beschwerdebegründung die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam:

        

"Verstößt die Heranziehung von [X.] aus der [X.] vor dem 01.07.2011 bei freiwillig versicherten Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung gegen Art. 3 Abs. 1 GG?"

7

Der Kläger führt dazu ergänzend aus, die vom [X.] zitierte Entscheidung des [X.] (Urteil vom 3.2.1993 - 1 BvR 1920/92 - [X.] 3-2500 § 240 [X.]1) betreffe ein anderes Rechtsproblem. Anders als in der [X.] pflichtversicherte Rentner, die bis zum [X.] nur hinsichtlich ihrer [X.] Rente der Beitragspflicht unterlagen, hätten freiwillig Versicherte dagegen Beiträge auch aus ihrem ausländischen Rentenbezug leisten müssen. Dies könne unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt im Rahmen des Art 3 GG gerechtfertigt werden ([X.] f Beschwerdebegründung).

8

Mit diesem Vortrag erfüllt der Kläger die Anforderungen an eine hinreichende Begründung nach § 160a Abs 2 [X.] [X.] nicht. Für die Klärungsbedürftigkeit seiner Rechtsfrage trägt er schon im Hinblick darauf nicht ausreichend vor, dass sich die Rechtslage mit Inkrafttreten eines neuen § 228 Abs 1 [X.] SGB V zum 1.7.2011 grundlegend geändert hat (vgl Gesetz zur Koordinierung der Systeme der [X.] Sicherheit in [X.] und zur Änderung anderer Gesetze vom 22.6.2011, [X.]). Danach zählen zu den beitragspflichtigen Renten auch vergleichbare Renten, die aus dem Ausland bezogen werden, so dass sich die Frage nach einer Ungleichbehandlung von pflichtversicherten Rentnern und freiwillig in der [X.] Versicherten insoweit nicht mehr stellt. Der Kläger beschränkt seine Fragestellung ausdrücklich auf den Zeitraum "vor dem 01.07.2011". Betrifft eine Rechtsfrage außer [X.] getretenes oder auslaufendes Recht, ist Klärungsbedürftigkeit in der Regel zu verneinen (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 160 Rd[X.] 8d mwN). Gründe für eine ausnahmsweise fortbestehende Klärungsbedürftigkeit, zB eine erhebliche Zahl von unentschiedenen Fällen - gerade auch im Hinblick auf geltend gemachte Erstattungsansprüche - oder ein Fortbestehen der zu klärenden Rechtsfrage auch nach dem neu geltenden Recht, legt der Kläger in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht dar. Der Kläger selbst trägt dazu vor, es sei unklar, wie viele Fälle existierten und bleibt auch in seinen weiteren Ausführungen unkonkret, indem er unterstellt, "es dürften mindestens 100.000 sein", weil die Grenzgänger "in weitem Umfang bis in die 90er Jahre hinein mit ihren [X.]bezügen" betroffen seien und es "immer wieder auch neu auftretende Fälle" gebe ([X.] f Beschwerdebegründung).

9

Darüber hinaus versäumt es der Kläger, zu dem von ihm geltend gemachten Gleichheitsverstoß - wie erforderlich - unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des [X.], die hierin entwickelten Anforderungen an die Gleichheitsprüfung am Maßstab des Art 3 Abs 1 GG darzustellen und im Wege einer streng hieran orientierten Prüfung konkret aufzuzeigen, woraus sich die Verfassungswidrigkeit vorliegend ergeben soll (vgl dazu allgemein zB [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 160a Rd[X.]4e mit umfangreichen Nachweisen). Der Kläger beschränkt sich auf die Feststellung, die vorgetragene Ungleichbehandlung könne unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt sein ([X.] Beschwerdebegründung). Eine Auseinandersetzung mit den vom [X.] aufgestellten Maßstäben einer Gleichheitsprüfung anhand von Art 3 Abs 1 GG im Beitragsrecht der [X.] (vgl zB [X.] [X.] 4-2500 § 229 [X.]1) findet nicht statt.

b) Als weitere zu klärende Rechtsfragen formuliert der Kläger auf Seite 4 f der Beschwerdebegründung:

        

"Ist es für eine Behörde, die nachweislich rechtswidrig gehandelt hat, weil sie fehlerhafte Bescheide über das Vorliegen einer Beitragspflicht zur Krankenversicherung bekannt gegeben hatte und diese aufheben muss, zulässig, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen?

        

Kann die Verjährung im Rahmen des § 27 SGB IV logischen Gesichtspunkten folgend überhaupt beginnen, bevor der Erstattungsanspruch zu laufen beginnt?

        

Ist die Norm des § 27 SGB IV, die den Verjährungsbeginn regelt, in dieser Form überhaupt verfassungsgemäß oder verstößt sie gegen Art. 3 Abs. 1 GG, gegen Art. 14 GG sowie gegen Art. 19 Abs. 4 GG?"

Der Kläger macht geltend, allein die Entscheidung des [X.]s vom 31.3.2015 - [X.] [X.] 4/13 R ([X.] 118, 213 = [X.] 4-2400 § 27 [X.] 6) könne nicht maßgeblich sein für die Rechtsanwendung für 80 Millionen Bürger. Dieser Rechtsprechung könne nicht gefolgt werden. Das mit dieser Entscheidung aufgegebene frühere Urteil vom 13.9.2006 - [X.] [X.] 1/05 R (BSG [X.] 4-2400 § 27 [X.]) sei dagegen "absolut zutreffend" gewesen. Die aufgeworfenen Rechtsfragen, die speziell die [X.] beträfen, seien nach wie vor klärungsbedürftig. Der Kläger verweist auf ein dazu noch anhängiges Revisionsverfahren im [X.] ([X.] ff Beschwerdebegründung).

Auch mit diesem Vorbringen genügt der Kläger den an die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) gestellten Anforderungen nicht. Er legt die Klärungsbedürftigkeit der Fragen nicht in der gebotenen Weise dar. Wie der Kläger auch selbst vorträgt, hat der [X.] bereits entschieden, dass die Frist für die Verjährung des Anspruchs auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Sozialversicherungsbeiträge auch dann mit dem Ablauf des Kalenderjahrs der Beitragsentrichtung beginnt, wenn der Anspruch erst später oder erst nach Ablauf der Verjährungsfrist entsteht (vgl [X.] 118, 213 = [X.] 4-2400 § 27 [X.] 6). Die vom Kläger auf Seite 5 seiner Beschwerdebegründung zitierte und für "absolut zutreffend" gehaltene frühere Rechtsprechung des [X.]s (BSG Urteil vom 13.9.2006 - [X.] [X.] 1/05 R - [X.] 4-2400 § 27 [X.]) wurde ausdrücklich aufgegeben. Gründe für eine erneute Klärungsbedürftigkeit, insbesondere aufgrund von völlig neuen, bislang nicht erwogenen Gesichtspunkten, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl [X.] § 160a [X.]3) trägt der Kläger nicht vor. Allein die ohne weitere Begründung aufgestellte Behauptung, es könnten "die Grundsätze der Arbeitslosenversicherung nicht einfach auf die Krankenversicherung übertragen" werden und für [X.] hätten nach dem Recht der Arbeitsförderung immer schon andere Grundsätze gegolten ([X.] f Beschwerdebegründung), ist nicht ausreichend. Eine inhaltliche, dh argumentative Auseinandersetzung mit der zitierten Rechtsprechung des [X.]s erfolgt nicht.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der [X.] ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 [X.] Halbs 2 [X.]).

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.].

Meta

B 12 P 4/15 B

03.08.2016

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: P

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 17. Februar 2015, Az: S 5 P 2733/13, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 228 Abs 1 S 2 SGB 5 vom 22.06.2011

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 03.08.2016, Az. B 12 P 4/15 B (REWIS RS 2016, 7160)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7160

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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