Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.07.2015, Az. B 7 AY 2/14 R

7. Senat | REWIS RS 2015, 8807

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Unzulässigkeit der Revision - Mängel in der Begründung - fehlende Auseinandersetzung mit der Argumentation des LSG


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 19. Mai 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des [X.], ihm für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin H beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Verpflichtung der [X.], die Kosten für eine vom Kläger beantragte Teilnahme an einem Sprachkurs zum Erlernen der [X.] zu übernehmen.

2

Der nach seinen Angaben im Jahr 1994 in [X.] geborene Kläger reiste im August 2011 ohne gültige Papiere nach [X.] ein. Sein Asylantrag ist ohne Erfolg geblieben; seit Juni 2012 wird er durchgehend nach § 60a [X.] (Aufenth[X.]) geduldet.

3

Der Kläger, der in [X.] sieben Jahre eine Schule besucht hat und neben der in [X.] verbreiteten Sprache Fula/Peul fließend [X.] und etwas [X.] spricht, beantragte bei der [X.], die ihm bis 2014 [X.]rundleistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbL[X.]) gewährt hat, im Februar 2012 die Finanzierung eines [X.]es bei der Volkshochschule oder einem anderen Träger. Antrag, Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]; Urteil des Sozialgerichts Münster vom [X.]; Urteil des Landessozialgerichts < LS[X.]> Nordrhein -Westfalen vom 19.5.2014). Zur Begründung seines Urteils hat das LS[X.] ausgeführt, die Kosten eines [X.]es seien zwar nicht von den [X.]rundleistungen nach § 3 AsylbL[X.] umfasst; ein Anspruch auf eine zusätzliche Leistung nach § 6 Abs 1 AsylbL[X.] scheide aber aus, weil der begehrte [X.] nicht zum unerlässlich Existenznotwendigen gehöre. Qualifizierte Integrationsmaßnahmen wie ein Sprachkurs seien nach §§ 43, 44 Aufenth[X.] grundsätzlich erst bei einem rechtlich gesicherten Aufenthaltsstatus vorgesehen. Das [X.]rundrecht auf [X.]ewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums garantiere keinen Sprachkurs für eine Integration in die deutsche [X.]esellschaft, für die, würde sich der Ausländer rechtskonform verhalten und seine Ausreise vorantreiben, kein Bedürfnis bestehen könne.

4

[X.]iergegen richtet sich der Kläger mit seiner Revision, zu deren Durchführung er Prozesskostenhilfe (PK[X.]) unter Beiordnung von Rechtsanwältin [X.] beantragt. Er trägt vor, tatsächlich hielten sich abgelehnte Asylbewerber noch Jahrzehnte im [X.] auf, sodass es letztendlich erforderlich sei, die [X.] ausreichend zu beherrschen. Fehlende Sprachkenntnis führe zur Isolation. Soweit das S[X.] ausführe, auch § 6 AsylbL[X.] begründe keinen Leistungsanspruch, werde nicht berücksichtigt, dass die Sprache und Kommunikation ein [X.]rundbedürfnis des Menschen sei und fehlende Sprachkenntnis Menschen von der Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ausschließe. Dadurch entstehe eine besondere Bedarfslage iS des § 6 AsylbL[X.]. Ferner lasse sich ein Anspruch auf Förderung des Sprachkurses unmittelbar aus der Verfassung, insbesondere aus Art 1 [X.]rundgesetz ([X.][X.]), herleiten. Abschließend berufe er sich auf § 5 Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBE[X.]).

5

Er beantragt sinngemäß,
die Urteile des LS[X.] und des S[X.] sowie den Bescheid der [X.] vom [X.] in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] aufzuheben und festzustellen, dass die [X.] im Rahmen der Leistungsverpflichtung nach dem AsylbL[X.] zur Übernahme von Kosten für die Teilnahme des [X.] an einem [X.] verpflichtet ist.

6

Die [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

8

II. Die Revision ist unzulässig; der Kläger hat sie nicht ausreichend begründet (§ 164 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz ). Die Revision ist deshalb nach § 169 Satz 3 S[X.][X.] ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen.

9

[X.]emäß § 164 Abs 2 Satz 1 S[X.][X.] ist die Revision fristgerecht zu begründen. Nach Satz 3 dieser Vorschrift muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Diese gesetzlichen Anforderungen hat das [X.] (BS[X.]) in ständiger Rechtsprechung dahin präzisiert, dass der Vortrag die Prüfung und Durcharbeitung des [X.] durch den zugelassenen Prozessbevollmächtigten erkennen lassen muss (vgl nur: BS[X.] SozR 3-1500 § 164 [X.]; BS[X.] SozR 4-1500 § 164 [X.] RdNr 9 f - jeweils mwN); diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (dazu bereits [X.] SozR 1500 § 164 Nr 17 S 29).

Die geforderte Auseinandersetzung kann nur mit rechtlichen Erwägungen erfolgen; es muss nicht nur die eigene Meinung des Revisionsklägers wiedergeben werden, sondern es ist zumindest eine kurze Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils erforderlich, und die Revisionsbegründung muss erkennen lassen, dass und warum eine als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen Rechts nicht oder nicht richtig angewandt worden ist. Aus dem Inhalt der Darlegung muss sich insbesondere ergeben, dass sich der Revisionskläger mit den [X.]ründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl: BS[X.] SozR 1500 § 164 [X.] und [X.] f mwN; BS[X.], Beschluss vom 11.6.2003 - [X.] RJ 52/02 R - juris RdNr 14; Beschluss vom 23.11.2005 - [X.] RA 10/04 R - RdNr 10; Beschluss vom 28.1.2014 - B 13 R 31/13 R - RdNr 7).

Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung in keiner Weise gerecht. Der Kläger geht auf die angefochtene Entscheidung des LS[X.], das die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat, nicht ein, sondern bezieht sich lediglich auf die Begründung der [X.] und die Entscheidung des S[X.]. Selbst wenn es sich - was indes nicht nahe liegt - dabei um ein Versehen handeln sollte, fehlt es an einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Argumentation des LS[X.]. Der Kläger bezeichnet zwar die aus seiner Sicht verletzte Norm (§ 6 AsylbL[X.]), weist aber im Übrigen lediglich darauf hin, dass die Sprache und Kommunikation ein [X.]rundbedürfnis des Menschen sei und fehlende Sprachkenntnis Menschen von der Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ausschließe. Dies genügt für die notwendige rechtliche Auseinandersetzung aber nicht. [X.]ierzu hätte er zunächst näher auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs 1 Satz 1 AsylbL[X.] eingehen und daran anknüpfend darstellen müssen, weshalb vorliegend ein im Einzelfall unerlässlicher Bedarf zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums bestehen soll. Auch seine Behauptung, ein Anspruch auf Förderung des Sprachkurses lasse sich unmittelbar aus der Verfassung, "insbesondere aus Artikel 1 [X.][X.]", herleiten, begründet der Kläger nicht weiter. Er setzt sich weder mit der (verfassungs-)rechtlichen Argumentation des LS[X.] noch der Rechtsprechung des BVerf[X.] zur [X.]ewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auseinander. Der [X.]inweis auf § 5 RBE[X.], der regelt, welche Verbrauchsausgaben für Einpersonenhaushalte bei Bemessung des Regelbedarfs als regelbedarfsrelevant zu berücksichtigen sind, ist schließlich unverständlich.

Der Senat war nicht verpflichtet, den anwaltlich vertretenen Kläger auf Mängel in der Revisionsbegründung hinzuweisen. Unabhängig davon, dass die Revisionsbegründung am letzten Tag der (bereits einmal verlängerten) Frist zur Begründung (vgl § 164 Abs 2 Satz 1 und 2 S[X.][X.]) eingegangen ist und eine weitere Fristverlängerung im [X.]esetz nicht vorgesehen ist, beruht § 164 Abs 2 Satz 3 S[X.][X.] auf dem [X.]edanken, dass ein Rechtsanwalt auch ohne [X.]ilfe des [X.]erichts in der Lage sein muss, eine Revision formgerecht zu begründen. [X.]erade dies ist ein rechtfertigender [X.]rund für den [X.] vor dem BS[X.] gemäß § 73 Abs 4 S[X.][X.]; diese Bestimmung darf nicht unter Berufung auf die [X.]inweispflicht des [X.]erichts umgangen werden (zuletzt BS[X.], Beschluss vom 28.1.2014 - B 13 R 31/13 R - RdNr 10 mwN).

Mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 73a Abs 1 S[X.][X.], § 114 Abs 1 Zivilprozessordnung ) ist dem Kläger auch keine PK[X.] zu bewilligen. Mit der Ablehnung von PK[X.] entfällt zudem die Beiordnung von Rechtsanwältin [X.] (§ 121 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 S[X.][X.].

Meta

B 7 AY 2/14 R

01.07.2015

Bundessozialgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AY

vorgehend SG Münster, 22. Mai 2013, Az: S 2 AY 62/12, Urteil

§ 164 Abs 2 S 1 SGG, § 164 Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.07.2015, Az. B 7 AY 2/14 R (REWIS RS 2015, 8807)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8807

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 5 RE 1/14 R (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Zulässigkeit der Revision - Anforderungen an die Revisionsbegründung


B 5 R 32/14 R (Bundessozialgericht)

Anforderungen an die Begründung einer Revision im sozialgerichtlichen Verfahren - Zulässigkeit einer Revision - Verfahrensdauer …


B 5 R 16/15 R (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Anforderungen an die Revisionsbegründung - Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts


B 5 RS 1/15 R (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Zulässigkeit der Revision - Anforderungen an die Revisionsbegründung


B 5 R 18/14 R (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Anforderungen an Revisionsbegründung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.