Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2004, Az. 4 StR 85/03

4. Strafsenat | REWIS RS 2004, 2492

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 [X.] vom 6. Juli 2004 in der Strafsache gegen

wegen Betruges u.a.- 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 6. Juli 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.],

[X.] am [X.] M[X.]tz, Prof. Dr. [X.], [X.], [X.]in am [X.]
Sost-Scheible

als beisitzende [X.],

[X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt: - 3 - 1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 10. Oktober 2002 wird verwor-fen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet. 2. Die Entscheidung über die Revision des Angeklagten gegen die in dem vorbezeichneten Urteil angeordnete Maßregel sowie über die Kosten des Rechtsmittels bleibt einer abschließenden Entscheidung vorbehalten. Von Rechts wegen Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in 75 Fällen, ver-suchten Betruges und gewerbsmäßiger Hehlerei unter Einbeziehung der Ein-zelstrafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheits-strafe von vier Jahren verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen [X.] eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung for-mellen und materiellen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, soweit es sich gegen den Schuld-spruch und den Strafausspruch richtet; im übrigen bleibt die Entscheidung über die Revision des Angeklagten einer abschließenden Entscheidung des [X.]s vorbehalten. - 4 - 1. Wie der [X.] in seiner Antragsschrift vom 26. März 2003 im einzelnen ausgeführt hat, ist die Revision des Angeklagten zum Schuldspruch und Strafausspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO; zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen. Die vom Verteidiger in der Revisionshauptverhandlung geltend gemachten [X.] zwischen den Urteilsfeststellungen und den unter Beweis gestellten Tatsachen ([X.] und [X.] der Revisionsbegründung) bestehen nicht.
2. Nach Auffassung des [X.]s kann die [X.] jedoch nicht bestehen bleiben, weil entgegen der Meinung des [X.]s allein die Benutzung eines Kraftfahrzeugs zur Begehung der [X.] die charakter-liche Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen noch nicht belegt. Der [X.] ist vielmehr - anders als es in der Rechtsprechung des [X.] zum Teil vertreten wird - der Ansicht, daß sich die (charak-terliche) Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann aus der Tat ergibt (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB), wenn aus dieser konkrete Anhaltspunkte [X.] zu erkennen sind, daß der Täter bereit ist, die Sicherheit des [X.] seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen. Zwischen Tat und Verkehrssicherheit muß somit ein "spezifischer Zusammenhang" bestehen. Dazu verhält sich das angefochtene Urteil jedoch nicht.
Mit Beschluß vom 16. September 2003 (= NStZ 2004, 86) hat der [X.] bei den anderen Strafsenaten des [X.] gemäß § 132 [X.] an-gefragt, ob an entgegenstehender Rechtsprechung zu dem oben aufgestellten Rechtssatz festgehalten wird. Das Anfrageverfahren hat sich bis zum Juni 2004 - 5 - hingezogen; die Stellungnahme des 1. Strafsenats vom 13. Mai 2004 ist erst am 16. Juni 2004 beim [X.] eingegangen.
Während der 3. und der 5. Strafsenat dem in dem Anfragebeschluß for-mulierten Rechtssatz (NStZ 2004, 86) zugestimmt bzw. nicht widersprochen haben, hält der 2. Strafsenat eine Befassung des Großen [X.]s für Strafsa-chen des [X.] mit den aufgeworfenen Rechtsfragen für "wün-schenswert". In seinem Urteil vom 26. September 2003 - 2 [X.], 144) hat er allerdings die gleiche Rechtsauffassung wie der erkennende [X.] vertreten (vgl. hierzu [X.] 2004, 151, 152; [X.] NStZ 2004, 169, 170). Da der 1. Strafsenat entgegenstehende Rechtsprechung nicht aufgeben will, muß - unabhängig von der Stellungnahme des [X.] - eine Entscheidung des Großen [X.]s für Strafsachen herbeigeführt werden. Wann diese ergehen wird, ist nicht absehbar.
3. Im Hinblick darauf, daß deshalb über die Begründetheit der Revision, soweit sie die [X.] betrifft, voraussichtlich in absehbarer [X.] nicht entschieden werden kann, hält der [X.] eine Entscheidung über das Rechtsmittel zum bereits "entscheidungsreifen" Teil, nämlich dem Schuld-spruch und dem Strafausspruch des angefochtenen Urteils, für zulässig und geboten.
a) Allerdings kennt die Strafprozeßordnung [X.] anders als andere Verfah-rensordnungen (vgl. etwa die §§ 301, 303, 304 ZPO) - grundsätzlich keine Teil- oder Zwischenurteile, durch die einzelne, denselben Prozeßgegenstand betref-fende Fragen vorab entschieden oder einzelne Rechtsfolgen gesondert [X.] werden (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 260 Rdn. 14 - 6 - ff.). Regelmäßig muß im Strafverfahren eine einheitliche, abschließende Ent-scheidung ergehen, durch die der Prozeßstoff erschöpfend erledigt wird. Dem strafprozessualen Rechtsmittelrecht ist allerdings eine Teilerledigung nicht [X.] fremd (vgl. [X.], [X.] im Strafverfahren 1964 S. 9 ff.). Eine Teilerledigung, die zur Herbeiführung von [X.] führt, ist jedoch nur zulässig, wenn der rechtskräftige ebenso wie der nichtrechtskräftige Ur-teilsteil von dem übrigen Urteilsinhalt losgelöst, selbständig geprüft und recht-lich beurteilt werden kann (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 353 Rdn. 5). Das ist im Hinblick auf das angefochtene Urteil der Fall; denn der Schuldspruch und der Strafausspruch lassen sich unabhängig von der [X.] und diese läßt sich unabhängig vom Schuldspruch und von der Strafzumessung beurteilen (vgl. hierzu [X.]R StGB § 69 Abs. 1 Ent-ziehung 6, 7). Wäre der [X.] nicht gehalten gewesen, das Anfrageverfahren gemäß § 132 [X.] durchzuführen, so hätte er die Revision zum Schuldspruch und zum Strafausspruch verworfen und hinsichtlich der [X.] das Urteil aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (vgl. den Anfragebeschluß Ziff. [X.] 2 a = NStZ 2004, 88 f. [weitere Aufklärung ist erforderlich]).
b) Der [X.] verkennt nicht, daß eine Teilentscheidung, wie er sie hier vornimmt, nur ausnahmsweise zulässig sein kann; denn auch wenn durch die Revisionsentscheidung die [X.] eines angefochtenen Urteils [X.] werden kann, so entscheidet doch das Revisionsgericht - wie der [X.] - regelmäßig durch eine einheitliche Entscheidung (§§ 353, 354 StPO).

[X.]) Der 5. Strafsenat des [X.] hat allerdings eine [X.], sich auf selbständige Taten eines vollumfänglich angefochtenen einheit-- 7 - lichen Urteils beziehende Teilentscheidung im Revisionsverfahren für zulässig erachtet, um fieine erhebliche, unvorhersehbar lange [X.] bei [X.] des [X.] beim Gerichtshof der Europäi-schen Gemeinschaften (Art. 234 Abs. 3 [X.]) für den entscheidungsrei-fen Teil des angefochtenen Urteils zu vermeiden (Beschluß vom 5. April 2000 [X.] 5 StR 226/99 = [X.], 219, 226 f.). Er hat dies damit begründet, daß zwar die Aufspaltung des bisher einheitlichen Verfahrens zu einer erhöhten zeitli-chen Beanspruchung der Gerichte und der Beteiligten führen könne, verfah-rensökonomische Gesichtspunkte eine erhebliche, unvorhersehbar lange Ver-zögerung des Prozesses hinsichtlich der übrigen [X.] aber nicht rechtfertigen könnten. Dies gelte umso mehr, als das Schwergewicht der Taten, wegen derer der Angeklagte verurteilt worden sei, von dem [X.] nicht betroffen sei. Insbesondere gebiete die sich aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] ergebende Pflicht zur Beschleunigung des Verfahrens die vorgenommene Abtrennung der [X.], die von der im [X.] zu klärenden Rechtsfrage betroffen seien, von den [X.], die bereits entscheidungsreif seien. Über den entscheidungsreifen Teil hat der 5. Strafsenat dann gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO entschieden. [X.]) Die vom 5. Strafsenat genannten Gründe lassen nach Auffassung des [X.]s auch eine fihorizontalefi, d.h. denselben Prozeßgegenstand betref-fende Teilentscheidung des [X.] jedenfalls dann zu, wenn - wie hier - schwerwiegende Interessen des Revisionsführers ein Abweichen von der gesetzlichen Regel gebieten: Der Angeklagte befindet sich in Haft. Das ange-fochtene Urteil wurde am 10. Oktober 2002 - also vor einem Jahr und neun Monaten - verkündet; das Verfahren ist seit dem 28. März 2003 beim [X.] anhängig. Durch das Anfrageverfahren gemäß § 132 [X.] - auf - 8 - dessen zeitlichen Ablauf der [X.] nur beschränkten Einfluß hat - hat sich die Entscheidung über die Revision des Angeklagten schon jetzt um mehr als ein Jahr verzögert. Diese Verzögerung kann - etwa bei der Frage von [X.] (§§ 10 ff. [X.]) oder der Strafaussetzung (§ 57 StGB) - er-hebliche Nachteile für den Angeklagten mit sich bringen. Zwar liegt keine pro-zeßordnungswidrige, rechtsst[X.]tswidrige Verfahrensverzögerung vor, wenn im Rahmen des Revisionsverfahrens ein zeitaufwendiges Anfrage- und Vorlage-verfahren nach § 132 [X.] durchgeführt werden muß (vgl. hierzu [X.], 106 f.); im Hinblick auf das verfassungsrechtliche (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) und in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] ausdrücklich normierte Ge-bot angemessener Beschleunigung des Strafverfahrens (vgl. [X.] 63, 45, 69; [X.] NStZ 2004, 335 ff. m. Anm. [X.]; [X.], Beschluß vom 5. Februar 2003 - 2 BvR 29/03; [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13, 17 m.w.[X.]) hält es der [X.] jedoch für nicht vertretbar, das Verfahren, obwohl es zum - für den Angeklagten im Vordergrund seines Rechtsmittels stehenden - Schuldspruch und Strafausspruch entscheidungsreif ist, bis zum Abschluß des Vorlageverfahrens insgesamt nicht weiter zu betreiben. Er entscheidet daher über den Schuldspruch und den Strafausspruch vorab und wird eine Entschei-dung über die [X.] treffen, sobald das Vorlageverfahren abge-schlossen ist. Tepperwien

M[X.]tz [X.]

[X.]

Sost-Scheible Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja - 9 -

StPO §§ 353, 354

Zur Befugnis, über Teile einer Revision ausnahmsweise vorab zu entscheiden, wenn dies wegen des Beschleunigungsgrundsatzes geboten ist.

[X.], Urteil vom 6. Juli 2004 - 4 [X.] - [X.] -

Meta

4 StR 85/03

06.07.2004

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2004, Az. 4 StR 85/03 (REWIS RS 2004, 2492)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2492

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