Bundesfinanzhof, Beschluss vom 07.07.2014, Az. X B 135/13

10. Senat | REWIS RS 2014, 4273

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Gegenstand

Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich und Zahlung in ein Drittland


Leitsatz

1. NV: § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG i.d.F. JStG 2010 schließt schon von seinem eindeutigen Wortlaut her den Abzug von Ausgleichszahlungen für einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich in ein Nicht-EU/EWR-Land aus.

2. NV: Die Neuregelung erfolgte zur Klarstellung und verstößt weder gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist verheiratet und wurde im Streitjahr 2010 mit seiner jetzigen Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für seine frühere Ehefrau, die in [X.] lebte, zahlte die [X.] aufgrund einer notariellen Scheidungsfolgevereinbarung seit Ende Mai 2010  17,85 % der dem Kläger von der [X.] zu gewährenden Bruttorente auf ein inländisches Konto der früheren Ehefrau.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) lehnte eine Berücksichtigung dieser Ausgleichszahlungen als Sonderausgaben unter Hinweis auf den Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 1b des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.[X.] ([X.]) 2010 vom 8. Dezember 2010 ([X.], 1768) --EStG n.F.-- ab, da die frühere Ehefrau nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei.

3

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage durch Urteil vom 16. Mai 2013  1 K 166/12 aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1490 veröffentlichten Gründen ab.

4

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts.

5

Das [X.] tritt der Beschwerde entgegen.

Entscheidungsgründe

6

II. [X.] hat keinen Erfolg. Die vom Kläger benannten Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) liegen --bei Bedenken in Bezug auf die Erfüllung der [X.] nach § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O-- jedenfalls der Sache nach nicht vor.

7

1. Macht ein Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 [X.] [X.]O geltend, so hat er zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt (Lange in [X.]/[X.]/[X.], § 116 [X.]O Rz 171). Des Weiteren muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 22. März 2011 [X.] 151/10, [X.], 1165; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 32, 35, m.w.N.).

8

a) Die vom Kläger als klärungsbedürftig formulierte Frage, ob Zahlungen aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach §§ 20, 21, 22 und 26 des Versorgungsausgleichsgesetzes, §§ 1587f, 1587g, 1587i des Bürgerlichen Gesetzbuchs a.F. und § 3a des [X.] im Versorgungsausgleich von dem in der [X.] steuerpflichtigen Versorgungsausgleichsverpflichteten auch dann als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 [X.]b EStG n.F. abgezogen werden können, wenn sich der Wohnsitz des [X.] in einem Drittland, also einem Nicht-EU/[X.], befindet, ist bereits aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift zu beantworten. Dieser verlangt das Vorliegen einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht der ausgleichsberechtigten Person, so dass ein Abzug der Zahlungen an die Geschiedene als Sonderausgaben nicht möglich ist.

9

b) Die Revision ist auch nicht deshalb wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil die Nichtberücksichtigung des Abzugs der Ausgleichszahlungen als Sonderausgaben einen Verstoß gegen das Grundgesetz ([X.]) darstellte und deshalb verfassungswidrig sei. Insoweit fehlt es bereits an einem entsprechend substantiierten Vortrag des [X.].

aa) Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, so ist zur substantiierten Darlegung eine an den Vorgaben des [X.] sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) und des [X.] ([X.]) orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik erforderlich ([X.]-Beschluss vom 4. Oktober 2010 III B 82/10, [X.], 38, unter [X.], m.w.N.).

Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des [X.] nicht gerecht. Der Kläger behauptet lediglich einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 [X.], weil es seiner Ansicht nach an der Folgerichtigkeit der Vorschrift des § 10 Abs. 1 [X.]b EStG n.F. fehle. Unzulässig werde die Besteuerung des Steuerpflichtigen nach seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt, der Ausgleichszahlungen an einen Leistungsempfänger in einem Drittstaat zahlen müsse. Auf dessen Wohnsitz abzustellen, sei kein sachliches Differenzierungskriterium. Auch habe der Steuerpflichtige keinen Einfluss darauf, in welchem Land der geschiedene Ehegatte seinen Wohnsitz nehme. Eine Auseinandersetzung mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung lassen diese Ausführungen des [X.] aber vermissen.

bb) Entgegen der Auffassung des [X.] liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 [X.] auch in der Sache nicht vor. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch die Regelung in § 10 Abs. 1 [X.]b EStG n.F. den ihm auch im Bereich des Steuerrechts zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Der Gesetzgeber besitzt nämlich eine weitreichende Gestaltungsfreiheit, wie er eine namentlich im privaten Bereich liegende Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit beurteilen und ihr Rechnung tragen will (vgl. [X.]-Beschluss vom 11. Oktober 1997  1 BvR 343/73, 83/74, 183 und 428/75, [X.]E 47, 1, 30, unter [X.].). Diese Gestaltungsfreiheit endet dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also kein einleuchtender Grund, der sich aus dem Wesen und Zweck der jeweiligen Vorschrift herleiten lässt, für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung besteht ([X.]-Beschluss vom 6. Dezember 1983  2 BvR 1275/79, [X.]E 65, 325, 354, unter B.II.).

Ein solcher sachgerechter Grund ist vorliegend in der Differenzierung zwischen einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen und einem nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Empfänger zu sehen. Schließlich gründet die steuerliche Abzugsfähigkeit der hier zu beurteilenden Zahlungen auf dem Transfer steuerbarer Einkünfte, wie es der Senat grundlegend in seinem Urteil vom 18. September 2003 [X.] ([X.]E 203, 337, [X.], 749, bestätigt durch Senatsurteil vom 15. Oktober 2003 [X.], [X.]/NV 2004, 478) dargelegt hat. Diese Rechtslage blieb ausweislich der Gesetzesbegründung auch mit der Einführung des § 10 Abs. 1 [X.]b EStG durch das [X.] 2008 ([X.], 3150) erhalten (BTDrucks 16/6290, 54 und [X.] 544/07, 67) und ist lediglich klarstellend durch den Zusatz "wenn die ausgleichsberechtigte Person unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist" in § 10 Abs. 1 [X.]b EStG n.F. aufgenommen worden. Eine Rechtfertigung, so auch zu Recht das [X.] unter [X.] seines Urteils, entfällt, sollte aufgrund der fehlenden unbeschränkten Einkommensteuerpflicht des Ausgleichsempfängers, ein Einkünftetransfer nicht vorliegen.

c) Anderes ergibt sich nicht aus den Erwägungen der Beschwerdeschrift zur Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der [X.], vormals Art. 56 des Vertrags zur Gründung der [X.]). Dessen Schutzbereich ist nicht eröffnet.

aa) Wie das [X.] zu Recht ausführt, ist der Begriff des Kapitalverkehrs weder in den Gemeinschaftsverträgen, noch im sekundären Gemeinschaftsrecht definiert. Eine genaue Definition hat bisher auch der [X.] vermieden. Der [X.] erkennt jedoch der Nomenklatur im Anhang der Richtlinie 88/361/[X.] des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrages --dieser Artikel wurde durch den [X.] (Amtsblatt der [X.]en Nr. L 178/5) Hinweischarakter zu, wobei die in ihr enthaltene Aufzählung gemäß ihrer Einleitung nicht erschöpfend sei ([X.]-Urteil vom 27. Januar 2009 [X.]/07 --Persche--, [X.]. 2009, [X.], Rz 24; vgl. auch u.a. [X.]-Urteile vom 23. Februar 2006 Rs. [X.]/03 --van [X.] der [X.], [X.]. 2006, [X.], Rz 39, und vom 14. September 2006 [X.]/04 --Centro di Musicologia [X.], [X.]. 2006, [X.], Rz 22).

Keine der dort in Anhang I der Richtlinie 88/361/[X.] aufgeführten Punkte enthält ausdrücklich die hier streitige Zahlung von [X.] aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs. Wie das [X.] geht auch der Senat davon aus, dass diese Zahlung nicht unter die Rubrik "[X.]. Sonstiger Kapitalverkehr: F. Verschiedenes" fällt. Vielmehr handelt es sich um eine Zahlung mit persönlichem Charakter, für die die Rubrik XI. "Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter" einschlägig wäre, eine Subsumtion unter die dort aufgeführten Punkte [X.] bis [X.] aber nicht möglich ist.

2. Die Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.

Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O setzt voraus, dass über bisher ungeklärte Rechtsfragen "zur Fortbildung des Rechts" zu entscheiden ist. Dieser Zulassungsgrund konkretisiert den der [X.] ([X.]-Beschluss vom 10. November 2010 VIII B 159/09, [X.], 300). Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 [X.] [X.]O höchstrichterlich entwickelten strengen [X.] (Senatsbeschluss vom 22. März 2011 [X.] 165/10, [X.], 985). Ein diesen Vorgaben genügendes Vorbringen des [X.] fehlt. Insbesondere bedarf es insoweit nicht deshalb einer Zulassung der Revision, weil noch keine [X.]-Entscheidung zur neuen Gesetzesfassung des § 10 Abs. 1 [X.]b EStG ergangen ist. Wie bereits unter [X.].bb dargelegt, gibt diese Regelung lediglich klarstellend die ausgehend von der Senatsrechtsprechung in [X.]E 203, 337, [X.], 749 geltende Rechtslage wieder.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O ab.

Meta

X B 135/13

07.07.2014

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 16. Mai 2013, Az: 1 K 166/12, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 63 AEUV, § 10 Abs 1 Nr 1b EStG 2009, EStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 07.07.2014, Az. X B 135/13 (REWIS RS 2014, 4273)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4273

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