Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.08.2012, Az. X R 36/09

10. Senat | REWIS RS 2012, 3761

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

(Abzug von Leistungen im Rahmen eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs (bzw. von schuldrechtlichen Ausgleichszahlungen) - Berechtigtes Interesse i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO bei Ablehnung eines Eintrags eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte)


Leitsatz

1. Ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich kann auch in einem Ehevertrag vereinbart sein .

2. Mit § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die auch die schuldrechtliche Teilung einer Rente als möglichen steuerrechtlich relevanten Einkünftetransfer akzeptiert .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Zahlungen des [X.] und Revisionsklägers (Kläger), die er an seine geschiedene Ehefrau geleistet hat, als Leistungen aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1b des Einkommensteuergesetzes in der für den Veranlagungszeitraum 2008 geltenden Fassung (EStG) in Höhe von 37.089 € auf der Lohnsteuerkarte hätten eingetragen werden dürfen.

2

Die geschiedenen Eheleute lebten seit 1990 voneinander getrennt. Die Eheleute schlossen am 11. Januar 1991 eine notarielle "Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung sowie Ehevertrag" (im Folgenden: Vereinbarung).

3

           

Darin heißt es u.a.:

        

"1. Unterhalt

1.1. [X.] verpflichtet sich ... Unterhalt in Höhe von DM 5.500 zu zahlen.
Dieser Unterhalt erhöht sich prozentual entsprechend den jeweiligen Brutto-Gehaltserhöhungen des Ehemannes.

...

1.3. Die Unterhaltsansprüche der Ehefrau bleiben durch eigenes Einkommen unberührt. In Höhe von 50 % bleiben sie auch für den Fall bestehen, dass die Ehefrau entweder eine neue Ehe eingeht, oder eine eheähnliche Lebensgemeinschaft begründet. Im Fall der Scheidung einer neuen Ehe bzw. ... leben die vollen Unterhaltsansprüche der Ehefrau gegen den Ehemann wieder auf.

...

1.5. Nach seiner Pensionierung hat der Ehemann Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie betrieblichen Altersversorgung. ...

[X.] verpflichtet sich, je 1/3 der vorstehenden Altersrenten brutto - und zwar in der jeweiligen Höhe - an seine Ehefrau als Unterhalt zu zahlen. ...

In Höhe dieses Drittels tritt der Ehemann hiermit seine Rentenansprüche aus betrieblicher Altersversorgung bzw. gesetzlicher Rentenversicherung an seine Ehefrau ab, die die Abtretung annimmt.

...

1.7. Die unter Ziff. 1.5. und 1.6. geregelten Unterhaltsansprüche der Ehefrau bleiben durch eigenes Einkommen, Wiederheirat oder Begründung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft unberührt.

1.8. Die Rechte des Ehemannes aus § 323 ZPO für den Fall der vorzeitigen, nicht invaliditätsbedingten Beendigung seiner Tätigkeit bei der Firma ... bleiben unberührt.

1.9. [X.] sollen die Ansprüche aus der unter Ziff. 1.5. erläuterten betrieblichen Altersversorgung in voller Höhe der Ehefrau zustehen. [X.] verpflichtet sich, eine Regelung mit seinem Arbeitgeber herbeizuführen, der diesen Anspruch der Ehefrau sicherstellt ...

...

3.3. [X.] erklärt hiermit ihre Zustimmung, dass der Ehemann die Unterhaltszahlungen gem. Ziff. 1.1. und 1.2. als Sonderausgabe gem. § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG geltend macht (sogenanntes begrenztes Realsplitting).

...

Eine Erstattung der in Folge des begrenzten Realsplittings auf die Ehefrau entfallenden Steuern durch den Ehemann findet nicht statt.

3.4. Die Parteien gehen davon aus, dass die Ehefrau die nach Ziff. 1.5. und 1.6. dieser Vereinbarung von dem Ehemann zu leistenden Unterhaltszahlungen selbst versteuert und die hierauf entfallenden Steuern auch selbst entrichtet. Sollte dies gesetzlich unzulässig sein und der Ehemann die anteiligen Steuern zu entrichten haben, so wird die Ehefrau an den Ehemann die Beträge erstatten, die bei ihrer Steuerpflicht entstehen würden.

...

6. Gütertrennung

Die Vertragsschließenden vereinbaren mit sofortiger Wirkung Gütertrennung ...
Sie verzichten gegenseitig auf bislang etwa entstandene Ansprüche aus Zugewinnausgleich und nehmen diesen Verzicht wechselseitig an.

7. Versorgungsausgleich

Die Eheleute schließen hiermit gemäß § 1408 Abs. 2 S. 1 [X.] den Versorgungsausgleich zwischen geschiedenen Ehegatten (§ 1587 ff. [X.]) aus.
Über Wesen und Bedeutung des Versorgungsausgleichs sowie über die rechtliche Tragweite seines Ausschlusses sind die Eheleute von dem beurkundenden Notar belehrt worden.
Den Eheleuten ist auch bekannt, dass der Ausschluss des Versorgungsausgleichs unwirksam ist, wenn einer von ihnen innerhalb eines Jahres nach Vertragsschluss den Antrag auf Scheidung der Ehe stellt.
Sollte der Ausschluss gemäß § 1408 Abs. 2 S. 2 [X.] unwirksam sein, weil innerhalb eines Jahres nach Vertragsabschluss ein Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt wird, so schließen die Eheleute hiermit jetzt auch vorsorglich den Versorgungsausgleich gemäß § 1587o [X.] aus. Um die erforderliche Genehmigung des Familiengerichts werden sie selbst nachsuchen.

8. Die Eheleute gehen davon aus, dass der vorstehende Ausschluss des Versorgungsausgleichs im Hinblick auf die Gesamtvermögensverteilung gemäß den vorstehenden Regelungen der Trennungs- und Scheidungsvereinbarung angemessen ist.

..."

4

Die Ehe wurde mit Urteil vom 16. Juni 1992 geschieden. Ein Versorgungsausgleich wurde im Zusammenhang mit der Scheidung nicht durchgeführt, da ein solcher in der Vereinbarung der Eheleute unter Ziff. 7 ausgeschlossen worden war.

5

Mit Schreiben vom 28. November 2007 beantragten die Kläger und Revisionskläger (Kläger), dass ein Betrag in Höhe von 37.089 € als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte 2008 des [X.] eingetragen werde. Der Betrag setzt sich zusammen aus einem Anteil aus betrieblicher Rente in Höhe von 35.668,32 € und einem Anteil aus gesetzlicher Rente in Höhe von 1.420,58 €. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2007 wies der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) den Antrag gegenüber dem Kläger teilweise zurück; die Zahlungen an seine geschiedene Ehefrau seien gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur bis zur Höhe von 13.805 € abziehbar.

6

Den Einspruch (nur) des [X.] vom 27. Dezember 2007 wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 25. März 2008 zurück; Adressat der Einspruchsentscheidung waren die Kläger.

7

Die Klage der Kläger hatte keinen Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 42). Sie sei --wegen des zwischenzeitlich ergangenen Einkommensteuerbescheids 2008-- als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Die Klage sei aber unbegründet, da die ehemaligen Eheleute keinen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG vereinbart hätten. § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG erfasse nur den in §§ 1587 f., 1587o des Bürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]) a.[X.] definierten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, der eine gerechte Aufteilung der während der Ehe erworbenen Rechte sicherstelle. Eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG auf andere Gestaltungen komme nicht in Betracht.  

8

Die Zahlungen könnten auch nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Das Urteil des [X.] ([X.]) vom 8. März 2006 IX R 107/00 ([X.]E 212, 511, [X.], 446) sei nicht einschlägig. Die Beteiligten hätten eine umfassende und einheitliche Regelung ihrer gesamten gegenseitigen Ansprüche vorgenommen.

9

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.

1. Das Finanzgericht (FG) habe § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG unzutreffend ausgelegt. § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG erfasse alle im [X.] geregelten Fälle eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs, d.h. auch solche i.S. des § 1408 Abs. 2 [X.]. Die ehemaligen Ehegatten hätten einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vereinbart, der allerdings insoweit ausgeschlossen gewesen sei, als er den mittels Ehevertrag vorgenommenen Modifikationen widerspreche.

2. Sollte es sich nicht um einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich handeln, lägen zumindest Werbungskosten vor ([X.]-Urteile in [X.]E 212, 511, [X.], 446, und vom 8. März 2006 IX R 78/01, [X.]E 212, 514, [X.], 448). Die an die geschiedene Ehefrau gezahlten Beträge seien ein angemessener Ausgleich für einen im Scheidungsfall sonst durchzuführenden Versorgungsausgleich (Hinweis auf Ziff. 1.5. und Ziff. 8 der Vereinbarung vom 11. Januar 1991).

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben, und festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid vom 19. Dezember 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. März 2008 rechtswidrig war und dass das [X.] verpflichtet gewesen war, auf der Lohnsteuerkarte des [X.] (anstelle eines Freibetrags für Unterhaltszahlungen von --gerundet-- 13.740 €) einen Freibetrag für Sonderausgaben in Höhe von 37.089 € einzutragen.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

1. Die ehemaligen Eheleute hätten keinen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vereinbart. In Ziff. 7 der Vereinbarung sei ein Versorgungsausgleich ausdrücklich ausgeschlossen worden. § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG erfasse nur den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gemäß §§ 1587 ff. [X.] a.[X.]

2. Ein Werbungskostenabzug komme ebenfalls nicht in Betracht. In den zitierten Fällen ([X.]-Urteile in [X.]E 212, 511, [X.], 446, und in [X.]E 212, 514, [X.], 448) seien konkrete Gegenleistungen für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich zu bewerten gewesen. Im Streitfall gehe es um die [X.] und die Vermögensauseinandersetzung infolge der Scheidung. Die unter Ziff. 1 Unterpunkt 5 der Vereinbarung vom 11. Januar 1991 vereinbarten Zahlungen stünden nicht im Zusammenhang mit den späteren Einnahmen, sondern ausschließlich im Zusammenhang mit der Ehescheidung.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) begründet. Der Ablehnungsbescheid vom 19. Dezember 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. März 2008 war rechtswidrig; das [X.] war verpflichtet, auf der Lohnsteuerkarte des [X.] einen Freibetrag für Sonderausgaben in Höhe von insgesamt 37.089 € einzutragen.

1. Zu Recht hat das [X.] die Zulässigkeit der Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage und das insoweit erforderliche Feststellungsinteresse des [X.] bejaht.

a) Gemäß § 39a Abs. 1 EStG kann auf Antrag ein Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden. [X.] sind u.a. Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG), nach § 39a Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b EStG die negative Summe der dort genannten Einkünfte und nach § 39a Abs. 1 Nr. 2 EStG u.a. die Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG.

Für ein solches Eintragungsbegehren fehlt ab dem 1. April des Folgejahres das Rechtsschutzinteresse, weil sich ein Eintrag ab diesen Zeitpunkt nicht mehr auf den Lohnsteuerabzug auswirken kann ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 39a EStG Rz 8).

b) In einem solchen Fall kann aber, wie im Streitfall geschehen, beim [X.] gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 [X.]O eine Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Begehren erhoben werden, festzustellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt (hier: der Bescheid über die teilweise Ablehnung des Eintrags eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte) rechtswidrig gewesen ist. Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse wird von der Rechtsprechung dann bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht (BFH-Urteil 19. Oktober 2001 VI R 131/00, [X.], 98, [X.], 300). Dies ist im Streitfall gegeben, weil die betrieblichen Versorgungsbezüge des [X.] dem Lohnsteuerabzug unterliegen und sich daher auch in den nach dem Streitjahr liegenden Jahren die Problematik der [X.]keit der hier zu beurteilenden Zahlungen des [X.] an seine geschiedene Ehefrau stellt.

2. Im Ergebnis zu Recht hat das [X.] im Streitfall verneint, dass eintragungsfähige Werbungskosten gegeben sind.

a) Werbungskosten, die mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in einem ausreichenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, liegen im Streitfall nicht bereits deshalb vor, weil die zu beurteilenden Zahlungen im sachlichen Zusammenhang mit [X.]en stehen. Vielmehr ist allein maßgebend, ob eine Pflicht zum Ausgleich von [X.]en besteht und zur Folge hätte, dass dem Versorgungsberechtigten niedrigere Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG zufließen als ohne eine solche Ausgleichsverpflichtung. Entscheidend ist mithin allein, ob die vorliegend zu beurteilenden Zahlungen dazu dienen, eine Verringerung der sonst im Scheidungsfall beim Kläger zufließenden Versorgungsbezüge zu verhindern (BFH-Urteile in [X.], 511, [X.], 446, und in [X.], 514, [X.], 448). Fließen dem [X.] auch im Scheidungsfall die ungekürzten Versorgungsbezüge zu, betrifft eine Vereinbarung, die den dinglichen Versorgungsausgleich durch eine andere Regelung ersetzt, auch dann nicht den Bereich der Einkunftserzielung --in dem allein Werbungskosten anfallen [X.], sondern den der Einkommensverwendung, wenn der [X.] einen Teil der Versorgungsbezüge an den ausgleichsberechtigten Ehegatten weiterleiten muss (Senatsurteil vom 15. Juni 2010 [X.], [X.], 1807, unter Rz 20 ff.).

Im Streitfall lassen die tatsächlichen Feststellungen des [X.] nicht den Schluss zu, dass es ohne die vorliegend zu beurteilende Vereinbarung im Scheidungsfall zu einer Aufteilung der betrieblichen [X.] des [X.] und damit zu einer Verringerung der diesem zufließenden Versorgungsbezüge gekommen wäre. Der Hinweis des [X.] auf den Inhalt der vom [X.] festgestellten Vereinbarung, wonach diese ein angemessener Ausgleich für einen im Scheidungsfall sonst durchzuführenden Versorgungsausgleich sei, ist nicht ausreichend. Denn zu einer teilweisen Einkünfteverlagerung würde ein solcher Versorgungsausgleich nur führen, wenn nach dem für den Versorgungsträger der betrieblichen Altersversorgung geltenden Recht eine Realteilung des Versorgungsrechts vorgesehen wäre (§ 1 Abs. 2 des [X.] im Versorgungsausgleich; Senatsurteil in [X.], 1807, Rz 18 f.). Der Kläger hat nicht geltend gemacht, für seine betriebliche Altersversorgung sei vorgesehen, die [X.] im Fall der Scheidung im Wege der Realteilung zu splitten.

b) Hinsichtlich der Ansprüche des [X.] aus der gesetzlichen Rentenversicherung kann dahinstehen, ob die insoweit weitergeleiteten Beträge Werbungskosten bei seinen sonstigen Einkünften darstellen. Denn auf der Lohnsteuerkarte eintragungsfähig wäre gemäß § 39a Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b EStG nur die negative Summe der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, 6 und 7 EStG. Es ist aber weder vom Kläger dargelegt noch vom [X.] festgestellt worden, dass diese Summe vorliegend negativ war.

3. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG sind erfüllt.

a) Mit dem Jahressteuergesetz 2008 vom 20. Dezember 2007 ([X.], 3150) wurde die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG neu eingeführt. Danach sind Leistungen aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs, soweit die ihnen zu Grunde liegenden Einnahmen beim Ausgleichsverpflichteten der Besteuerung unterliegen, als Sonderausgaben abziehbar.

Nach § 1587f [X.] konnte in bestimmten Fällen, in denen die Begründung oder Übertragung einer [X.] nicht möglich war, der Ausgleich auf Antrag eines Ehegatten nach den Vorschriften der §§ 1587g bis 1587n [X.] (schuldrechtlicher Versorgungsausgleich) vorgenommen werden (zur Neuregelung des Versorgungsausgleichs vgl. [X.], Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2009, 1169).

b) Im Streitfall haben die ehemaligen Eheleute in der Vereinbarung vom 11. Januar 1991 unter Ziff. 7. (Versorgungsausgleich) zwar ausdrücklich vereinbart, "gemäß § 1408 Abs. 2 S. 1 [X.] den Versorgungsausgleich zwischen geschiedenen Ehegatten (§§ 1587 ff. [X.])" auszuschließen. Weiter heißt es unter Ziff. 8. der Vereinbarung: "Die Eheleute gehen davon aus, dass der vorstehende Ausschluss des Versorgungsausgleichs im Hinblick auf die [X.] gemäß den vorstehenden Regelungen der Trennungs- und Scheidungsvereinbarung angemessen ist."

Aus diesen Vereinbarungen ergibt sich deshalb der eindeutige Wille der ehemaligen Eheleute, den Versorgungsausgleich nicht nach §§ 1587 ff. [X.] vorzunehmen, sondern stattdessen alle notwendigen Regelungen durch Ehevertrag zu treffen, wie es § 1408 [X.] a.[X.] ermöglichte (dazu auch Beschluss des [X.] --BGH-- vom 28. Mai 1986 [X.] [X.], NJW 1986, 2316, juris Rz 42, 43).

c) Nach Auffassung des Senats kann ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich aber auch vorliegen, wenn er in einem Ehevertrag geregelt ist (so auch MünchKomm[X.]/Gräper, Versorgungsausgleich Fassung vor dem 1. September 2009, 5. Aufl., § 1587f, Rz 18; vgl. auch [X.], Zukünftiger Anwendungsbereich des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs (künftig: schuldrechtliche Ausgleichszahlungen), Familie Partnerschaft Recht --FPR-- 2009, 211, 214). Auch ein solcher durch Ehevertrag vereinbarter schuldrechtlicher Versorgungsausgleich ist im Rahmen von § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG begünstigt.

[X.]) Nach der Gesetzesbegründung zu § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG sollte der Abzug von Leistungen aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs auch nach der Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG erhalten bleiben; für diese Fälle sollte eine eigenständige Regelung geschaffen werden (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/6290, S. 54).

bb) Den Abzug von Leistungen aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs hatte der erkennende Senat im Urteil vom 18. September 2003 [X.] ([X.], 337, [X.], 749) für zulässig gehalten.

In dieser Entscheidung behandelt der [X.] den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich in seinen einkommensteuerrechtlichen Wirkungen wie einen öffentlich-rechtlichen (dinglichen) Versorgungsausgleich. Den Unterschieden in der zivilrechtlichen Rechtstechnik, soweit sie das steuerliche Ergebnis determinieren würden, sei letztlich keine entscheidende Bedeutung beizumessen. Dies zwinge dazu, einen Einkünftetransfer anzunehmen und dieses Ergebnis rechtstechnisch durch den Abzug als Sonderausgabe (Rente/dauernde Last gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.[X.]) und durch die Versteuerung sonstiger wiederkehrender Leistungen bzw. einer Leibrente umzusetzen.

cc) Diese Gleichbehandlung ist auch dann geboten, wenn der Versorgungsausgleich nicht nach den §§ 1587 ff. [X.], sondern als Teil eines [X.] durchgeführt wird. [X.] macht es keinen Unterschied, ob der Versorgungsausgleich schuldrechtlich im Rahmen des Scheidungsverfahrens nach Maßgabe des dispositiven Gesetzesrechts oder gemäß § 1408 Abs. 2 [X.] a.[X.] als Teil des [X.] vorgenommen wird. Die zivilrechtlichen Unterschiede sind insoweit steuerrechtlich nicht von Bedeutung; entscheidend ist vielmehr, dass im Zuge der Ehescheidung der versorgungsberechtigte Ehegatte an den [X.]en beteiligt wird und insoweit ein "Einkünftetransfer" stattfindet.

d) Die gesetzliche Neuregelung des Versorgungsausgleichs im Versorgungsausgleichsgesetz ([X.]) hat den Begriff des "schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs" durch den der schuldrechtlichen Ausgleichszahlungen ersetzt (vgl. [X.], [X.], 211). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 [X.] n.[X.] können die Ehegatten Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich in die Regelung der ehelichen Vermögensverhältnisse einbeziehen; sie können ihn ausschließen, sie können auch Ausgleichsansprüche vorbehalten. Neben der Möglichkeit der internen und der externen Teilung kann nach § 20 [X.] n.[X.] eine schuldrechtliche Ausgleichsrente verlangt werden. Mit der Neuregelung soll individuellen Regelungen mehr Raum gegeben werden (MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl., [X.] § 6 Rz 2).

e) Dass diese (materielle) Interpretation des Begriffs "schuldrechtlicher Versorgungsausgleich" mit § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG vereinbar ist, zeigt sich auch daran, dass § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG n.[X.] selbst auf die §§ 20, 21, 22 und 26 [X.] n.[X.] verweist. Zutreffend wird daher in dem Schreiben des [X.] vom 9. April 2010 (BStBl I 2010, 323, Rz 4) ein Sonderausgabenabzug (nur) versagt, wenn statt einer schuldrechtlichen Ausgleichzahlung ein Anrecht nach § 23 [X.] abgefunden wird.

f) Ehevertragliche Regelungen enthalten typischerweise auch Elemente einer Vermögensauseinandersetzung und unterhaltsähnliche Leistungen (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] n.[X.]; MünchKomm[X.]/[X.], a.a.[X.], [X.] § 20 Rz 4).

Zwar sind Leistungen im Rahmen einer Vermögensauseinandersetzung grundsätzlich keine steuerlich abziehbaren Aufwendungen; dasselbe gilt für Unterhaltszahlungen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. November 1993 III R 11/93, [X.], 58, [X.] 1994, 240).

Soweit aber Renten geteilt werden, dinglich oder schuldrechtlich, nach Maßgabe des dispositiven Gesetzesrechts oder als Teil eines [X.], hat der Gesetzgeber mit § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG eine Regelung getroffen, die auch die schuldrechtliche Teilung einer Rente als möglichen steuerrechtlich relevanten Einkünftetransfer akzeptiert.

g) Dieser Rechtslage entsprechend ist im Streitfall davon auszugehen, dass der Kläger und seine geschiedene Ehefrau unter Ziff. 1.5. der Vereinbarung einen "schuldrechtlichen Ausgleich" der Rentenansprüche des [X.] geregelt haben, der zu einem Einkünftetransfer führen sollte und damit die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG erfüllte. Dementsprechend hat der Kläger zu Recht darauf hingewiesen, dass der in Ziff. 1.7. der Vereinbarung formulierte Ausschluss nur den "gesetzlichen Versorgungsausgleich" betreffen sollte.

h) An die gegenteilige Ansicht des [X.] ist der Senat nicht gebunden. Zwar ist die Auslegung eines Vertrags durch das [X.] grundsätzlich für das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindend (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 24). Vollständig nachprüfbar ist hingegen, ob das [X.] das von den Beteiligten tatsächlich Gewollte in rechtlicher Hinsicht zutreffend gewürdigt hat (Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 118 Rz 20). Insoweit ist im Streitfall entscheidend, dass das [X.] den Anwendungsbereich der Regelung über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. lb EStG zu Unrecht auf Fälle des § 1587f [X.] beschränkt hat.

Der Senat ist zur rechtlichen Würdigung der Vereinbarung vom 11. Januar 1991 selbst in der Lage, weil die hierfür erforderlichen Tatsachen vom [X.] festgestellt worden sind. Danach enthält die Vereinbarung unter Ziff. 1.5. eindeutig einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich: Die Regelung befasst sich mit den klägerischen [X.]en; die vereinbarten Versorgungsausgleichszahlungen sind abweichend von der Regelung über die normalen Unterhaltszahlungen (Ziff. 1.3.) nicht von einer Veränderung der Lebensverhältnisse der früheren Ehefrau durch eine neue Ehe bzw. die Begründung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft abhängig.

Unschädlich ist, dass die Regelung in Ziff. 1.5. ebenfalls von Unterhaltszahlungen spricht, denn der Versorgungsausgleich ist nicht nur Ausdruck der gleichberechtigten Teilhabe beider Ehegatten am beiderseits erworbenen Versorgungsvermögen, sondern auch als vorweggenommener Altersunterhalt zu verstehen ([X.] vom 6. Oktober 2004 XII ZB 57/03, [X.], 139, Rz 18).

Auch die Formulierung, nach der gemäß § 1408 Abs. 2 [X.] a.[X.] der Versorgungsausgleich gemäß § 1587 ff. [X.] ausgeschlossen wird, ist nicht entscheidend. Diese Regelung bringt nur zum Ausdruck, dass im Scheidungsverfahren eine Versorgungsausgleichsvereinbarung unterbleiben sollte. § 1408 Abs. 2 Satz 1 [X.] a.[X.] lässt nicht nur einen Totalausschluss des Versorgungsausgleichs, sondern auch einen Teilausschluss in dem Sinne zu, dass die Ehegatten grundsätzlich berechtigt sind, den Versorgungsausgleich an ihre individuellen Verhältnisse anzupassen {[X.] in NJW 1986, 2316, juris Rz 42, 43; [X.]/Brudermüller, [X.], 67. Aufl., § 1408 Rz 23).

4. Der Eintragungsantrag war auch der Höhe nach berechtigt.

Ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich führt bei dem [X.] in dem Umfang zur Abziehbarkeit als Sonderausgaben, der dem Besteuerungsumfang der von diesem weitergeleiteten Erträge entspricht (Senatsurteil in [X.], 337, [X.], 749 zu § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.[X.]). Dementsprechend sind die Ausgleichszahlungen, soweit sie sich auf die Betriebspension des [X.] beziehen in vollem Umfang, und soweit sie auf die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung entfallen, mit dem Besteuerungsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] EStG abziehbar. Der klägerische Eintragungsantrag hält sich in diesem vorgegebenen Rahmen.

Meta

X R 36/09

22.08.2012

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 8. Juni 2009, Az: 3 K 79/08, Urteil

§ 10 Abs 1 Nr 1b EStG 2002, § 1587f BGB, § 100 Abs 1 S 4 FGO, § 39a Abs 1 EStG 2002, EStG VZ 2008, § 9 Abs 1 S 1 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.08.2012, Az. X R 36/09 (REWIS RS 2012, 3761)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3761

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