Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.08.2020, Az. 2 StR 257/20

2. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1982

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Gegenstand

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Strafzumessung bei Sicherstellung der Betäubungsmittel und engmaschiger Überwachung des Betäubungsmittelgeschäfts


Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. März 2020, soweit es sie betrifft, in den Einzelstrafaussprüchen zu Fall II.3. der Urteilsgründe und in den Gesamtstrafaussprüchen mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen verurteilt, den Angeklagten [X.]zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten, den Angeklagten [X.]zu einer solchen von einem Jahr und neun Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

2

Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen, haben den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Die Bemessung der Einzelstrafen zu [X.] der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4

a) Wie der [X.] für den Angeklagten [X.]zutreffend ausgeführt hat, hat die [X.] nicht erkennbar in den Blick genommen, dass die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittel, die Gegenstand der abgeurteilten Taten waren, sichergestellt wurden. Bei diesem Umstand handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] wegen des damit verbundenen Wegfalls der von Betäubungsmitteln ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit um einen sowohl bei der [X.] als auch bei der konkreten Strafzumessung zu beachtenden, bestimmenden [X.] im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO (vgl. nur Senat, Beschluss vom 5. Februar 2020 - 2 StR 517/19, NStZ-RR 2020, 146, 147 mwN). Im vorliegenden Fall bestand Anlass, diesen Gesichtspunkt ausdrücklich in den Blick zu nehmen.

5

b) An demselben Rechtsfehler leidet auch die Einzelstrafbemessung zu [X.] der Urteilsgründe betreffend den Angeklagten [X.]. Nach den Feststellungen übergab dieser - kurz nach dem Verkauf an [X.] - in seiner Wohnung rund 10 g Kokain (7,59 [X.]) und rund 20 g Heroin (2,35 g Heroin-Hydrochlorid) an die Nichtrevidentin. Beide verließen sodann die Wohnung, wobei die Nichtrevidentin die ihr übergebenen Betäubungsmittel und der Angeklagte knapp 55 g Heroin-Gemisch (6,58 g Heroin-Hydrochlorid) mit sich führten, die gewinnbringend verkauft werden sollten. Wenig später wurden beide festgenommen und die Betäubungsmittel ebenso wie die bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung aufgefundenen 1.874 g Heroin-Gemisch (209,99 g Heroin-Hydrochlorid) und 178 g Kokain-Gemisch (137,84 [X.]) sichergestellt. Bei der Strafzumessung wertet die [X.] zu Lasten des Angeklagten, insoweit rechtsfehlerfrei, dass es sich um große Mengen unterschiedlicher und gefährlicher Rauschgifte handelte, bei denen die Grenze zur nicht geringen Menge erheblich überschritten wurde. Den Umstand der Sicherstellung lässt sie indes gänzlich unerwähnt, so dass zu besorgen ist, die [X.] habe ihn nicht bedacht, obgleich er ein wesentlicher Strafmilderungsgrund ist, dessen Berücksichtigung sich hier aufdrängen musste (vgl. auch [X.], Beschluss vom 7. Februar 2012 - 4 [X.], [X.], 153, 154; Senat, Beschluss vom 19. Januar 1990 - 2 StR 588/89).

6

2. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafzumessung zu [X.] der Urteilsgründe hinsichtlich beider Angeklagter auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Dies muss zur Aufhebung der diesbezüglichen Einzelstrafen, die die [X.] bilden, und in der Folge der Gesamtstrafaussprüche führen.

7

3. Der Senat hebt - entsprechend dem Antrag des [X.]s - auch die zugrundeliegenden Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu umfassenden eigenen Feststellungen zu geben. Hierzu weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass auch eine polizeiliche Observation, wie sie ausweislich der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil stattgefunden hat, bei der Strafzumessung Bedeutung zukommen kann. Hätte eine so engmaschige Überwachung stattgefunden, dass eine tatsächliche Gefährdung durch das Rauschgift ausgeschlossen war, wäre dies neben der (späteren) Sicherstellung des [X.] ein bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt, der im Rahmen der Strafzumessung zu erörtern wäre (vgl. [X.], Beschlüsse vom 5. Juni 2013 - 4 StR 169/13, [X.], 662; vom 8. Juni 2004 - 5 [X.], [X.], 694). Anders als in den Fällen II.1. und II.2. der Urteilsgründe, in denen die verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittel nach den Feststellungen im unübersichtlichen Straßenhandel an Konsumenten gelangten und diese erst später aufgegriffen werden konnten, Drogenkonsumenten also bereits gefährdet wurden und augenscheinlich keine „von Anfang an lückenlose polizeiliche Überwachung der Taten“ stattfand (hierzu vgl. z.B. [X.], Beschluss vom 6. Mai 2010 - 4 [X.], [X.], 504), wird es im [X.] der Urteilsgründe näherer Erörterung bedürfen, ob und inwieweit eine strafzumessungsrelevante Überwachung des zur Aburteilung gelangten Handeltreibens vorgenommen worden war.

Franke     

        

     Krehl     

        

Eschelbach

        

[X.] ist urlaubsbedingt
an der Unterschrift gehindert.

                          
        

Franke

        

Meyberg     

        

Meta

2 StR 257/20

19.08.2020

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankfurt, 2. März 2020, Az: 5/03 KLs 20/19

§ 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 46 StGB, § 267 Abs 3 S 1 Halbs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.08.2020, Az. 2 StR 257/20 (REWIS RS 2020, 1982)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1982

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