Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.06.2013, Az. 4 StR 169/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5283

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Gegenstand

Betäubungsmittelhandel: Polizeiliche Observierung des Drogentransports und vollständige Sicherstellung der Drogen als Strafmilderungsgrund; Prüfung der Unterbringung eines Kokainsüchtigen in einer Entziehungsanstalt


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 30. November 2012 aufgehoben

a) - auch soweit es die Mitangeklagte [X.]betrifft - in den Aussprüchen über die im Fall II. 5 der Urteilsgründe verhängte [X.] und die Gesamtstrafe, wobei die Feststellungen aufrechterhalten bleiben,

b) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit es den Angeklagten [X.]betrifft und eine Entscheidung zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen die nicht revidierende Mitangeklagte [X.]wurde wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verhängt. Ferner hat das Gericht den gesamtschuldnerischen Verfall von Wertersatz in Höhe von 20.000 € angeordnet.

2

Die Revision des Angeklagten [X.]erzielt mit der Sachrüge - gemäß § 357 [X.] auch hinsichtlich der ehemaligen Mitangeklagten [X.]- den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg.

3

1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der [X.] hat zum Schuldspruch und zu den Strafaussprüchen in den Fällen II. 1 bis II. 4 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 [X.]).

4

2. Dagegen hat der Einzelstrafausspruch im [X.] 5 keinen Bestand; dies führt zur Aufhebung auch des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.

5

a) Nach den zu [X.] 5 getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte [X.]am 16. Juli 2012 in [X.]([X.]) 300 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 98,1 % zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Nachdem er das Rauschgift in seinem Pkw versteckt hatte, trat er die Rückfahrt nach [X.]       an. Da der Drogentransport durch die Polizei observiert und zugleich die Telekommunikation überwacht wurde, konnte der Angeklagte gegen 18.00 Uhr auf einem Rastplatz in B.    festgenommen werden. Das gekaufte Kokain wurde vollständig sichergestellt. Der Angeklagte [X.]handelte auf Grund eines gemeinsamen Tatplans mit der Mitangeklagten, die von [X.]       aus die telefonische Verbindung aufrechterhielt und den geplanten Verkauf der Drogen vorbereitete.

6

Die Überwachung durch die Polizei und die Sicherstellung der Betäubungsmittel hat die [X.] weder bei der Prüfung eines minder schweren Falles noch bei der konkreten Strafzumessung angesprochen.

7

b) Dies ist rechtsfehlerhaft.

8

Zwar hat der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 [X.] nur die bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte mitzuteilen. Mit der Überwachung des Drogentransports und der Telekommunikation durch die Polizei sowie der vollständigen Sicherstellung der Betäubungsmittel sind jedoch wesentliche Strafmilderungsgründe unerwähnt geblieben, deren Berücksichtigung sich aufdrängen musste (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. Juni 2004 - 5 [X.], [X.], 694; vom 9. Dezember 2008 - 5 StR 561/08; vom 28. Oktober 2009 - 5 [X.], Rn. 16; vom 7. Februar 2012 - 4 [X.], [X.], 153; [X.], BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 965 ff. [X.]). Dies führt zur Aufhebung der im [X.] 5 gegen den Angeklagten [X.]verhängten [X.] von zwei Jahren und sechs Monaten sowie der Gesamtstrafe, auch wenn die Einzelstrafe trotz einer erheblichen Kokainmenge mit einem sehr hohen Wirkstoffgehalt nur wenig über der Strafrahmenuntergrenze des § 30 Abs. 1 BtMG liegt. Denn das [X.] hat im ebenfalls 300 Gramm Kokain betreffenden [X.] 3 der Urteilsgründe, in dem weder eine Überwachung noch eine Sicherstellung erfolgt ist, auch eine [X.] von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt.

9

Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da es sich insoweit nur um einen Wertungsfehler handelt. Ergänzende Feststellungen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen, sind möglich.

Die Aufhebung des Urteils war gemäß § 357 Satz 1 [X.] auf die Mitangeklagte [X.]zu erstrecken, da der Wertungsfehler des [X.]s auch der Strafzumessung hinsichtlich der Nichtrevidentin zugrunde liegt und nicht nur in der Person des Beschwerdeführers vorliegt ([X.], [X.], 55. Aufl., § 357 Rn. 15).

3. Das Urteil kann ferner keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten [X.]in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist.

a) Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte während des Tatzeitraums in nicht unerheblichem Umfang Kokain. Er steigerte seinen [X.] seit dem [X.] und nahm kurz vor seiner Festnahme nahezu täglich bis zu einem Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von etwa 50 % zu sich. Die Kammer ist davon ausgegangen, dass bei den abgeurteilten monatlichen Einfuhrfahrten jeweils eine Menge von 15 Gramm nahezu reinen Kokains für den Eigenbedarf des Angeklagten bestimmt war. Zu Beginn der Untersuchungshaft litt er unter Entzugssymptomen (Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schweißausbrüche). Im Rahmen der Strafzumessung hat das [X.] ihm zugute gehalten, dass er „möglicherweise auch unter einem gewissen Suchtdruck gehandelt haben mag“ ([X.] 13).

b) Vor diesem Hintergrund hätte sich das [X.] zu der Prüfung gedrängt sehen müssen, ob die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB anzuordnen ist. Denn die getroffenen Feststellungen legen nahe, dass der Angeklagte einen Hang zum übermäßigen Betäubungsmittelkonsum hat, die abgeurteilten Taten jedenfalls auch auf seinen Hang zurückgehen und die Gefahr besteht, dass er infolge des Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten begeht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. Juli 2012 - 4 [X.]; vom 21. August 2012 - 4 [X.]; vom 12. September 2012 - 4 StR 294/12).

Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf deshalb unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Satz 2 [X.]) der erneuten Prüfung und Entscheidung. Dabei wird gegebenenfalls § 67 Abs. 2 StGB zu beachten sein.

c) Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 [X.]; [X.], Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, [X.]St 37, 5, 9). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. [X.], Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, [X.]St 38, 362 f.).

d) Der Senat kann ausschließen, dass das [X.] bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in den Fällen II. 1 bis II. 4 mildere Einzelstrafen verhängt hätte. Diese Strafaussprüche können deshalb bestehen bleiben.

4. Zu der Verfallsanordnung bemerkt der Senat ergänzend:

Da die Angeklagten eingeräumt haben, aus den verfahrensgegenständlichen Taten [X.] in Höhe von 20.000 € erzielt zu haben, begegnet die Anordnung des Verfalls von Wertersatz nach § 73a StGB keinen Bedenken. Der erweiterte Verfall nach § 73d StGB musste deshalb nicht in Betracht gezogen werden.

[X.]                         [X.]Franke

                    Quentin                           [X.]

Meta

4 StR 169/13

05.06.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 30. November 2012, Az: 71 Js 127/12 - 25 KLs

§ 29 BtMG, § 29a BtMG, § 46 Abs 1 StGB, § 64 StGB, § 267 Abs 3 S 1 Halbs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.06.2013, Az. 4 StR 169/13 (REWIS RS 2013, 5283)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5283

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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