Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.07.2017, Az. IV ZR 116/15

4. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 8519

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Krankheitskostenversicherung: Erstattungsfähigkeit der Kosten für ein Elektrostimulationsgerät bei einem an einer Fußhebeschwäche leidenden Versicherungsnehmer


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des [X.] vom 11. Februar 2015 durch Beschluss nach § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Streitwert: 4.829 €

Gründe

1

I. Der Kläger leidet infolge des Ausfalls von Nervenfunktionen an einer Fußhebeschwäche, deretwegen ein [X.] "[X.] 1000" eingesetzt werden soll, welches über eine Manschette elektrische Signale an den Peronealnerv sendet und so die Steuerung des Fußes und Fußgelenks ermöglicht. Er streitet mit seinem privaten Krankenversicherer darüber, ob dieser die Kosten für das Gerät in Höhe von 4.829 € erstatten muss.

2

Die Versicherungsbedingungen der seit dem 1. Januar 2008 bestehenden Krankheitskostenvollversicherung regeln unter [X.] § 5 Abs. 4 die Erstattung von Hilfsmitteln wie folgt:

"Erstattungsfähig sind bei medizinischer Notwendigkeit ausschließlich

a) die Aufwendungen für Bandagen, Bruchbänder, [X.], Kunstaugen, künstliche Kehlköpfe, orthopädische Stützapparate, orthopädische Einlagen, Gummistrümpfe, Beinprothesen, [X.], Insulinpumpen, Unterarmgehstützen, Gehstöcke, Stoma-Versorgungsartikel, Hörgeräte und handbetriebene Standardkrankenfahrstühle, ...

[es folgen unter b) und c) Regelungen betreffend Sehhilfen und orthopädische Schuhe]

Zusätzlich sind bei medizinischer Notwendigkeit ausschließlich die Aufwendungen für folgende Hilfsmittel erstattungsfähig, sofern sie nach vorheriger Abstimmung mit ... [dem Versicherer] über das Hilfsmittel-Management ... [des Versicherers] bezogen werden:

[X.] ... zur Vorbeugung gegen plötzlichen Kindstod (SIDS), [X.], [X.], Wechseldruckmatratzen/-systeme, Krankenbetten in funktionaler Standardausführung, Schmerzmittelpumpen, Beatmungsgeräte, [X.], [X.] und Heimdialysegeräte."

3

Der Kläger meint, das [X.] sei ein orthopädischer Stützapparat im Sinne der genannten Bedingungen, die insoweit weit und "zukunftsfähig" ausgelegt werden müssten. Jedenfalls sei das Gerät auch den erstattungsfähigen "Beinprothesen" und/oder "[X.]" zuzuordnen. Im Übrigen sei der beklagte Krankenversicherer verpflichtet, zumindest die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar zuzusichern. In der gesetzlichen Krankenversicherung sei das [X.] als medizinisch notwendiges Hilfsmittel erstattungsfähig.

4

II. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

5

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das [X.] sei kein bedingungsgemäßer orthopädischer Stützapparat, es erfülle keine Stützfunktion, sondern stimuliere lediglich Beinnerven. Die Beschränkung der Hilfsmittelkostenerstattung auf einen abschließenden Katalog von Hilfsmitteln sei wirksam. Dem stehe auch die Einführung der [X.] in der privaten Krankenversicherung nicht entgegen, denn nur in diesen [X.]n sei der private [X.] verpflichtet, das Mindestmaß der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu bieten. Bei anderen Tarifen richte sich der Umfang der geschuldeten Versicherungsleistungen in den Grenzen des § 307 BGB allein nach den vereinbarten Versicherungs- und Tarifbedingungen.

6

Das [X.] sei auch keine Beinprothese im Sinne von [X.] § 5 Abs. 4 der Bedingungen, weil es kein Körperteil ersetze. Ob das Gerät eine Motor-Bewegungsschiene im Sinne der Klausel sei, könne dahinstehen, weil eine Kostenerstattung insoweit nur nach - hier nicht erfolgter - Abstimmung mit dem Hilfsmittelmanagement des Versicherers in Betracht gekommen wäre. Im Übrigen fehle dem Geräte das "Element des Schienens".

7

Auf die medizinische Notwendigkeit des Hilfsmittels komme es nach allem nicht an. Weiter könne offen bleiben, ob ein Versicherungsnehmer in der privaten Krankenversicherung Anspruch auf eine vorherige Deckungszusage habe.

8

Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des [X.], mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt.

9

III. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht mehr vor. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Regelungen über die Erstattung der Kosten für Hilfsmittel in [X.] § 5 Abs. 4 der Versicherungsbedingungen dahin ausgelegt, dass dort ein abgeschlossener Katalog erstattungsfähiger Hilfsmittel erstellt ist. Das ergibt schon die zweimalige Verwendung des Wortes "ausschließlich" vor den jeweiligen Aufzählungen von Hilfsmitteln. Dagegen erinnert die Revision auch nichts (zur Wirksamkeit abgeschlossener Hilfsmittelkataloge vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 2004 - [X.], juris Rn. 26 ff.; [X.], [X.], 423 unter 3 b; [X.] r+s 2016, 248; [X.] [X.], 681).

2. Soweit sie beanstandet, das Berufungsgericht habe das [X.] zu Unrecht nicht als bedingungsgemäßen Stützapparat eingestuft und verkannt, dass eine "zukunftsfähige" Auslegung der [X.] geboten sei, deckt das weder einen [X.] noch einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts auf.

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (Senatsurteile vom 16. November 2016 - [X.], [X.], 85 Rn. 12; vom 23. Juni 1993 - [X.], [X.], 83 unter III 1 b; st. Rspr.).

Ein solcher Versicherungsnehmer wird zunächst vom Wortlaut der Bedingung ausgehen, wobei für ihn der Sprachgebrauch des täglichen Lebens maßgebend ist (Senatsurteil vom 8. Mai 2013 - [X.], [X.], 995 Rn. 21; Senatsbeschluss vom 25. Mai 2011 - [X.], [X.], 1179 Rn. 14 m.w.N.).

b) Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht beachtet und zu Recht angenommen, für einen orthopädischen Stützapparat sei eine Stützfunktion bezeichnend, die das Stimulationsgerät nicht erfülle. Ein Stützapparat ist nach dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens ein mechanisches Gerät, das infolge seiner eigenen Stabilität in der Lage ist, Gewichte oder Kräfte aufzunehmen, um so Körperteile oder Gliedmaßen, die damit überfordert sind, zu unterstützen, zu entlasten und/oder zu ersetzen (vgl. dazu auch [X.] r+s 2016, 248 Rn. 27). Ein Gerät, das lediglich elektrische Impulse aussendet, um Muskeln anzuregen, übernimmt deren Stützfunktion nicht. Insoweit zielt der Revisionsangriff auf eine analoge Erweiterung der [X.], die sich angesichts der oben beschriebenen Regelungstechnik eines abgeschlossenen Hilfsmittelkatalogs verbietet.

c) Im Übrigen ist auch nichts dafür ersichtlich, dass insoweit ein grundsätzlicher Klärungsbedarf infolge einer Diskussion in Rechtsprechung und Literatur über die genannte Auslegung bestünde. Auch das Berufungsgericht hat einen solchen Klärungsbedarf nicht angenommen, sondern die Revision allein mit Blick auf die nachfolgende Rechtsfrage zugelassen.

3. Die Revision meint, selbst wenn das vom Kläger genutzte Stimulationsgerät nicht unter die Geräte der [X.] zu subsumieren sei, sei die Beklagte zur Kostenerstattung verpflichtet, weil sie - auch unter Zugrundelegung des hier vereinbarten Tarifs - seit Einführung des Basistarifs in der privaten Krankenversicherung nicht mehr hinter den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, welche die Kosten für das [X.] erstatte, zurückstehen dürfe. Mit § 193 Abs. 3 [X.] sei ein gesetzlicher Mindeststandard für alle nach dem 1. April 2007 (vgl. § 193 Abs. 3 Satz 3 [X.]) abgeschlossenen [X.] eingeführt worden. Der von den Versicherern anzubietende Basistarif, dessen Leistungen in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem [X.] entsprechen müssten, garantiere deshalb einen gesetzlich geregelten Mindestschutz, der auch in anderen Krankenversicherungstarifen zu gewährleisten sei (vgl. dazu [X.], Urteil vom 28. April 2014 - 7 U 224/13 n.v. unter [X.], 7; Prölss/[X.], [X.] 29. Aufl. § 192 Rn. 14; [X.], Versicherungsrecht 5. Aufl. Rn. 1307; [X.]/[X.], [X.], 580, 581).

a) Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es anders als das [X.] (aaO) angenommen hat, das Gebot, nicht hinter den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zurückzubleiben, gelte nur für den - hier nicht vereinbarten - Basistarif.

b) Der genannte [X.] einer Divergenz der Berufungsentscheidung zum Urteil des [X.] (aaO) ist jedoch inzwischen entfallen, und die Revision hat auch insoweit keine Aussicht auf Erfolg.

Nach Erlass des hier angefochtenen Berufungsurteils hat der Senat aus Anlass der - aus anderen Gründen erfolgten - Aufhebung des genannten Urteils des [X.] ausgesprochen, dass er dessen Auffassung, die Tarifbedingungen in der privaten Krankheitskostenversicherung müssten sich wegen der Versicherungspflicht aus § 193 Abs. 3 [X.] und der Substitutionsfunktion der privaten Krankenversicherung in der Weise an den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung messen lassen, dass sie deren Leistungsumfang nicht unterschreiten dürften, nicht teilt (Senatsurteil vom 24. Juni 2015 - [X.], [X.], 405 Rn. 22).

Vielmehr hat er wiederholt entschieden, dass schon wegen der [X.] beider Systeme Versicherte einer privaten Krankenversicherung nicht erwarten könnten, in gleicher Weise versichert zu sein wie Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. nur Senatsurteil vom 18. Februar 2009 - [X.], [X.], 246 Rn. 16 m.w.N.). Demzufolge kann jedenfalls für [X.], die - wie hier - nicht im Basistarif abgeschlossen sind, den Vorschriften des [X.], hier insbesondere § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V, kein das Leistungsversprechen des privaten Krankenversicherers bestimmendes gesetzliches Leitbild entnommen werden. Das ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass § 193 Abs. 3 Satz 1 [X.] in anderen Tarifen als dem Basistarif eine Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers von bis zu 5.000 € zulässt, während für den Basistarif niedrigere Obergrenzen für die Selbstbeteiligung gelten (Selbstbeteiligungsstufen bis maximal 1.200 €, vgl. schon § 12 Abs. 1a Satz 3 [X.] in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung, jetzt § 152 Abs. 1 Satz 3 [X.]).

Felsch     

       

Harsdorf-Gebhardt     

       

Dr. Karczewski

       

Dr. Brockmöller     

       

Dr. Götz     

       

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

IV ZR 116/15

05.07.2017

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Köln, 11. Februar 2015, Az: 23 S 13/14

§ 193 Abs 3 VVG, § 33 Abs 1 S 1 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.07.2017, Az. IV ZR 116/15 (REWIS RS 2017, 8519)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8519

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 116/15 (Bundesgerichtshof)


9 U 167/18 (Oberlandesgericht Köln)


IV ZR 14/17 (Bundesgerichtshof)

Private Krankheitskostenversicherung: Erstattungsfähigkeit von Kosten für die Wartung eines Hilfsmittels


IV ZR 181/14 (Bundesgerichtshof)

Tarifbedingungen zur Krankheitskostenversicherung: Auslegung der Klausel über die Erstattungsfähigkeit von Leistungen für "Hilfsmittel gleicher Art"


IV ZR 181/14 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.