Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2017, Az. IV ZR 116/15

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 8516

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:BGH:2017:050717B[X.]116.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 116/15
vom
5. Juli 2017
in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.], die Richterin [X.], [X.], die Richte-rin [X.] und den Richter Dr. Götz

am 5. Juli 2017

beschlossen:

Der Senat beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des [X.] vom 11. Februar 2015 durch Beschluss nach § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Streitwert:

Gründe:

[X.] Der Kläger leidet infolge des Ausfalls von Nervenfunktionen an einer Fußhebeschwäche, deretwegen ein [X.] "Walk Aide
1000"
eingesetzt werden soll, welches über eine Manschette elekt-rische Signale an den Peronealnerv sendet und so die Steuerung des 1
-
3
-

Fußes und [X.] ermöglicht. Er streitet mit seinem privaten [X.] darüber, ob dieser die Kosten für das Gerät in Höhe von

Die Versicherungsbedingungen der seit dem 1. Januar 2008 be-stehenden Krankheitskostenvollversicherung regeln unter [X.] § 5 Abs. 4 die Erstattung von Hilfsmitteln wie folgt:

"Erstattungsfähig sind bei medizinischer Notwendigkeit
ausschließlich

a)
die Aufwendungen für Bandagen, Bruchbänder, [X.], [X.], künstliche Kehlköpfe, orthopädi-sche Stützapparate, orthopädische Einlagen, Gummi-strümpfe, Beinprothesen, [X.], [X.], Unterarmgehstützen, Gehstöcke,
Stoma-Versor-gungsartikel, Hörgeräte und handbetriebene Standard-

[es folgen unter b) und c) Regelungen betreffend [X.] und orthopädische Schuhe]

Zusätzlich sind bei medizinischer Notwendigkeit aus-schließlich die Aufwendungen für folgende Hilfsmittel er-stattungsfähig, sofern sie nach vorheriger Abstimmung mit -[des Versicherers] bezogen werden:

Kindstod
(SIDS), [X.],
[X.], [X.], Krankenbetten in funktionaler Standardausführung, Schmerzmittel-pumpen, Beatmungsgeräte, [X.], Motor-Bewegungsschienen und Heimdialysegeräte."

2
-
4
-

Der Kläger meint, das [X.]
sei ein orthopädi-scher Stützapparat im Sinne der genannten Bedingungen, die insoweit weit und "zukunftsfähig"
ausgelegt werden müssten. Jedenfalls sei das Gerät auch den erstattungsfähigen "Beinprothesen"
und/oder "Motor-Bewegungsschienen"
zuzuordnen. Im Übrigen sei der beklagte [X.] verpflichtet, zumindest die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar zuzusichern. In der gesetzlichen Krankenversicherung sei das [X.] als medizinisch notwendiges Hilfsmittel erstattungsfähig.

I[X.] Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das [X.] sei kein bedingungsgemäßer orthopädischer Stützapparat, es erfülle [X.] Stützfunktion, sondern stimuliere lediglich Beinnerven.
Die [X.] auf einen abschließenden Katalog von Hilfsmitteln sei wirksam. Dem stehe auch die Einführung der Basis-tarife in der privaten Krankenversicherung nicht entgegen, denn nur in diesen Basistarifen sei der private [X.], das Mindestmaß der Leistungen der
gesetzlichen Krankenversiche-rung
zu bieten. Bei anderen Tarifen
richte sich der Umfang der [X.] Versicherungsleistungen in den Grenzen des § 307 BGB allein nach den vereinbarten Versicherungs-
und Tarifbedingungen.

Das [X.] sei auch keine Beinprothese im Sinne von [X.] § 5 Abs. 4 der Bedingungen, weil es kein Körperteil ersetze. Ob das Gerät eine Motor-Bewegungsschiene im Sinne der Klausel sei, könne dahinstehen, weil eine Kostenerstattung insoweit nur nach

hier nicht erfolgter

Abstimmung mit dem Hilfsmittelmanagement des Versi-3
4
5
6
-
5
-

cherers in Betracht gekommen wäre. Im Übrigen fehle dem Geräte das "Element des Schienens".

Auf die medizinische Notwendigkeit des Hilfsmittels komme es nach allem nicht an.
Weiter könne offen bleiben,
ob ein Versicherungs-nehmer in der privaten Krankenversicherung Anspruch auf eine vorheri-ge Deckungszusage habe.

Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revi-sion des [X.], mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt.

II[X.] Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht mehr vor. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§
552a Satz
1 ZPO).

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Regelungen über die Er-stattung der Kosten für Hilfsmittel in [X.] § 5 Abs. 4 der Versicherungs-bedingungen dahin ausgelegt, dass dort ein abgeschlossener Katalog erstattungsfähiger Hilfsmittel erstellt i[X.] Das ergibt
schon die zweimalige Verwendung des Wortes "ausschließlich"
vor den jeweiligen Aufzählun-gen von Hilfsmitteln. Dagegen erinnert die Revision auch nichts
(zur Wirksamkeit abgeschlossener Hilfsmittelkataloge vgl. Senatsurteile
vom 19. Mai 2004

IV ZR 176/03, juris Rn. 26 ff.; [X.], [X.], 423 unter 3 b; [X.] r+s 2016, 248; [X.] [X.], 681).

2. Soweit sie
beanstandet, das Berufungsgericht habe das Elektro-stimulationsgerät zu Unrecht nicht als bedingungsgemäßen Stützapparat eingestuft und verkannt, dass eine "zukunftsfähige"
Auslegung der Hilfs-mittelliste
geboten sei, deckt das weder einen [X.] noch einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts auf.
7
8
9
10
11
-
6
-

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdi-gung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismög-lichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (Senatsurteile vom 16.
November 2016

IV
ZR 356/15, [X.], 85 Rn.
12; vom 23. Juni 1993 -
IV ZR 135/92, [X.], 83 unter III 1 b; [X.]
Rspr.).

Ein solcher Versicherungsnehmer wird zunächst vom Wortlaut der Bedingung ausgehen, wobei für ihn der Sprachgebrauch des täglichen Lebens maßgebend ist (Senatsurteil vom 8.
Mai 2013 -
IV ZR 84/12, [X.], 995 Rn.
21; Senatsbeschluss vom 25. Mai 2011

IV
ZR 17/10, [X.], 1179 Rn.
14 m.w.N.).

b) Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht beachtet und zu Recht angenommen, für einen orthopädischen Stützapparat sei eine Stützfunktion bezeichnend, die das Stimulationsgerät nicht erfülle. Ein Stützapparat ist nach dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens ein mechanisches Gerät, das infolge seiner eigenen Stabilität in der Lage ist, Gewichte oder Kräfte aufzunehmen, um so Körperteile oder Glied-maßen, die damit überfordert sind, zu unterstützen, zu entlasten
und/oder zu ersetzen
(vgl. dazu auch [X.] r+s 2016, 248 Rn. 27). Ein Gerät, das lediglich elektrische Impulse aussendet, um Muskeln an-zuregen, übernimmt deren Stützfunktion nicht. Insoweit zielt der Revisi-onsangriff auf eine analoge Erweiterung der [X.], die sich an-gesichts der oben beschriebenen Regelungstechnik eines abgeschlosse-nen Hilfsmittelkatalogs verbietet.

12
13
14
-
7
-

c) Im Übrigen ist auch nichts dafür ersichtlich, dass insoweit ein grundsätzlicher Klärungsbedarf infolge einer Diskussion in Rechtspre-chung und Literatur über die genannte Auslegung bestünde. Auch das Berufungsgericht hat einen solchen Klärungsbedarf nicht angenommen, sondern die Revision allein mit Blick auf die nachfolgende Rechtsfrage zugelassen.

3. Die Revision meint, selbst wenn das vom Kläger genutzte [X.] nicht unter
die Geräte der [X.] zu subsumieren sei, sei die Beklagte zur Kostenerstattung verpflichtet, weil sie

auch un-ter Zugrundelegung des hier vereinbarten Tarifs -
seit Einführung des Basistarifs in der privaten Krankenversicherung nicht mehr hinter den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, welche die Kosten für das [X.] erstatte, zurückstehen dürfe. Mit § 193 Abs.
3 [X.] sei ein gesetzlicher Mindeststandard für alle nach dem 1.
April
2007 (vgl. § 193 Abs. 3 Satz
3 [X.]) abgeschlossenen [X.] eingeführt worden. Der von den Versicherern an-zubietende Basistarif, dessen Leistungen in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem [X.] müssten, garantiere deshalb einen gesetzlich geregelten Mindest-schutz, der auch in anderen Krankenversicherungstarifen zu gewährleis-ten sei (vgl. dazu [X.], Urteil vom 28. April 2014

7 U 224/13 n.v. unter II 6,
7; Prölss/[X.], [X.]. § 192 Rn. 14; [X.], Versicherungsrecht
5. Aufl. Rn. 1307; [X.]/[X.],
[X.], 580, 581).

a) Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es [X.] als das [X.] (aaO) angenommen hat, das Gebot, nicht hinter den Leistungen der gesetzlichen Krankenversiche-15
16
17
-
8
-

rung zurückzubleiben, gelte nur für den

hier nicht vereinbarten -
Basis-tarif.

b) Der genannte [X.] einer Divergenz der Berufungsentscheidung zum Urteil des [X.] (aaO) ist jedoch inzwischen entfallen, und die Revision hat auch insoweit keine Aussicht auf Erfolg.

Nach Erlass des hier angefochtenen Berufungsurteils hat der Se-nat
aus Anlass der

aus anderen Gründen erfolgten

Aufhebung des genannten Urteils des [X.] ausgesprochen, dass er dessen Auffassung, die Tarifbedingungen in der privaten Krank-heitskostenversicherung müssten sich wegen der Versicherungspflicht aus § 193 Abs. 3 [X.] und der Substitutionsfunktion der privaten Kran-kenversicherung in der Weise an den Leistungen der gesetzlichen Kran-kenversicherung messen lassen, dass sie deren Leistungsumfang nicht unterschreiten dürften, nicht teilt (Senatsurteil vom 24. Juni 2015

IV ZR 181/14, [X.], 405 Rn. 22).

Vielmehr hat er wiederholt entschieden, dass schon wegen der [X.] beider Systeme Versicherte einer privaten Kran-kenversicherung nicht erwarten könnten, in gleicher Weise versichert zu sein wie Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. nur Se-natsurteil vom 18.
Februar 2009 -
IV ZR 11/07, [X.], 246 Rn. 16 m.w.N.). Demzufolge kann jedenfalls für Krankheitskostenversicherun-gen, die -
wie hier -
nicht im Basistarif abgeschlossen sind, den [X.], hier insbesondere § 33 Abs. 1 Satz
1 SGB V, kein das Leistungsversprechen des privaten Krankenver-sicherers bestimmendes gesetzliches Leitbild entnommen werden. Das ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass § 193 Abs. 3 Satz 1 [X.] in 18
19
20
-
9
-

anderen Tarifen als dem Basistarif eine Selbstbeteiligung des Versiche-niedrigere Obergrenzen für die Selbstbeteiligung gelten (Selbstbeteili-vgl. schon § 12 Abs. 1a Satz 3 VAG
in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung, jetzt § 152 Abs. 1 Satz
3 VAG).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] Dr. Götz

Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme

erledigt worden.
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.06.2014 -
146 C 29/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 11.02.2015 -
23 [X.]/14 -

Meta

IV ZR 116/15

05.07.2017

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2017, Az. IV ZR 116/15 (REWIS RS 2017, 8516)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8516

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 116/15 (Bundesgerichtshof)

Krankheitskostenversicherung: Erstattungsfähigkeit der Kosten für ein Elektrostimulationsgerät bei einem an einer Fußhebeschwäche leidenden Versicherungsnehmer


9 U 167/18 (Oberlandesgericht Köln)


IV ZR 14/17 (Bundesgerichtshof)

Private Krankheitskostenversicherung: Erstattungsfähigkeit von Kosten für die Wartung eines Hilfsmittels


IV ZR 181/14 (Bundesgerichtshof)

Tarifbedingungen zur Krankheitskostenversicherung: Auslegung der Klausel über die Erstattungsfähigkeit von Leistungen für "Hilfsmittel gleicher Art"


IV ZR 55/14 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IV ZR 116/15

IV ZR 84/12

IV ZR 181/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.