Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.09.2010, Az. 35 W (pat) 12/08

35. Senat | REWIS RS 2010, 3470

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Gebrauchsmuster …

(hier: Beschwerde gegen [X.])

hat der 35. Senat ([X.]) des [X.] am 13. September 2010 durch den Vorsitzenden [X.] sowie [X.] und Guth

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde des [X.]s und die Anschlussbeschwerde der Löschungsantragstellerin wird der Beschluss der [X.] des [X.] vom 22. Januar 2008 aufgehoben.

2. Die der Löschungsantragstellerin vom [X.] zu erstattenden Kosten des [X.] werden auf

2.080,20 €

(zweitausendachtzig Euro)

 festgesetzt.

3. Im Übrigen werden die Beschwerde und die Anschlussbeschwerde zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Löschungsantragstellerin 7/10, der [X.] 3/10.

5. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Der [X.] und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) war eingetragener Inhaber des [X.]rauchsmusters … mit der Bezeichnung „…“, gegen das die Löschungsantragstellerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) Löschungsantrag gestellt hat. Mit Beschluss vom 1. März 2007 hat die [X.]rauchsmusterabteilung des [X.] das [X.]rauchsmuster gelöscht und die Kosten des [X.] dem Beschwerdeführer auferlegt.

2

Die [X.] des [X.] hat mit Beschluss vom 22. Januar 2008 die der Beschwerdegegnerin vom Beschwerdegegner zu erstattenden Kosten des [X.] antragsgemäß auf 3.298,80 € festgesetzt. Hierbei hat sie – ausgehend von einem Gegenstandswert von 100.000,– € – eine 0,7-fache Geschäftsgebühr gem. [X.] in Höhe von 947,80 € und eine 1,5-fache Geschäftsgebühr gem. [X.] 2403 in Höhe von 2.031,00 € in Ansatz gebracht.

3

Gegen diesen ihm am 14. Februar 2008 zugestellten Beschluss wendet sich die Beschwerde, mit der sich der Beschwerdeführer gegen die angesetzte 1,5-fache Geschäftsgebühr wendet. Er wiederholt seine bereits im Kostenfestsetzungsverfahren vertretene Auffassung, dass die 1,5-fache Geschäftsgebühr gem. [X.] 2403 nur dann entstehe, wenn ein Anwalt einen Auftrag zur Vertretung in einem der in der Vorschrift abschließend genannten Verfahren erhalten habe, zu denen das Verfahren vor der [X.]rauchsmusterabteilung aber nicht gehöre.

4

Der Beschwerdeführer beantragt,

5

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

6

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

7

die Beschwerde zurückzuweisen.

8

Sie macht geltend, dass die patentanwaltliche Tätigkeit vor der [X.]rauchsmusterabteilung mit der Tätigkeit der vor dem [X.] eingerichteten Schiedsstelle für [X.] vergleichbar sei, wenn es um den Versuch gehe, eine Einigung zwischen den Beteiligten des [X.] herbeizuführen. Hilfsweise beantragt die Beschwerdegegnerin, wie schon im Kostenfestsetzungsverfahren vor der [X.]rauchsmusterabteilung, eine Geschäftsgebühr gemäß [X.] mit mindestens einer 2,0-fachen [X.]ühr anzusetzen. Die mit dem Löschungsverfahren verbundene Tätigkeit sei umfangreich gewesen, die Besprechungen, die eine vergleichsweise Regelung zum Gegenstand gehabt hätten, müssten angemessen berücksichtigt werden.

9

Der Beschwerdeführer tritt dem entgegen, er hält lediglich die im [X.] aufgeführte 0,7-fache Geschäftsgebühr gemäß [X.] für angemessen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Sie ist entsprechend der Beschwerdebegründung in zulässiger Weise auf die Zuerkennung der 1,5-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2403 [X.] RVG beschränkt worden. Die Voraussetzungen für diesen von der [X.]rauchsmusterabteilung zugrunde gelegten [X.]ührentatbestand liegen nicht vor, so dass der angefochtene Beschluss insoweit keinen Bestand haben kann.

Die von der Beschwerdegegnerin hilfsweise beantragte Erhöhung der nach Nr. 2400 [X.] RVG angesetzten 0,7-fache Geschäftsgebühr auf den mindestens 2,0-fachen Satz ist als konkludente Anschlussbeschwerde zu werten, die ebenfalls nur teilweise begründet ist, da der Beschwerdegegnerin nicht mehr als der 1,3-fache [X.]ührensatz zusteht.

Nachdem die angegriffene Entscheidung verfahrensfehlerhaft ergangen ist, ist die Beschwerdegebühr antragsgemäß zurückzuerstatten.

1. Bei dem Löschungsverfahren vor der [X.]rauchsmusterabteilung des [X.] handelt es sich trotz seiner gerichtsähnlichen Ausgestaltung um ein Verwaltungsverfahren (vgl. [X.] GRUR 2003, 723 - Rechtsprechungstätigkeit; [X.], Patentgesetz, 8. Aufl., § 26 Rn. 4, 5). Die für die Vertretung im Verwaltungsverfahren verdiente Geschäftsgebühr richtet sich dementsprechend nach Nr. 2300 [X.] RVG. Dass sich die [X.]rauchsmusterabteilung für die in Ansatz gebrachten Geschäftsgebühren ebenso wie die Beteiligten des Löschungsverfahrens auf die gemäß Artikel 5 [X.] seit 1. Juli 2006 nicht mehr geltenden [X.]. 2400 bzw. 2403 [X.] RVG bezogen hat, schadet nicht, denn die nunmehr geltenden [X.]. 2300 und 2303 [X.] RVG sind identisch.

Für die Zuerkennung der allein angegriffenen 1,5-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 [X.] RVG sind die Voraussetzungen nicht gegeben. Denn die [X.]rauchsmusterabteilung ist keine der dort genannten [X.], Güte- oder Schiedsstelle. Beim gebrauchsmusterrechtlichen Löschungsverfahren handelt es sich auch nicht um ein Güteverfahren, vielmehr dient dieses kontradiktorisch ausgestaltete Verfahren der Überprüfung der Schutzfähigkeit eines [X.]rauchsmusters und gegebenenfalls seiner (teilweisen) Löschung. Daran ändert der Umstand nichts, dass vergleichsweise Einigungen möglich sind, da sie nicht in einem gesonderten Verfahren erzielt werden (vgl.

2. Danach fällt gem. Nr. 2300 [X.] RVG eine Geschäftsgebühr in Höhe des 0,5-fachen bis 2,5-fachen Satzes an. Eine [X.]ühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Demnach ist im Normalfall ein Regelsatz von 1,3 anzusetzen, der bei unterdurchschnittlich umfangreichen oder schwierigen Fällen unterschritten bzw. überdurchschnittlich umfangreichen oder schwierigen Fällen auch überschritten werden kann.

2.1. [X.] hat hier einen [X.]ührensatz von 0,7 angenommen, den der Beschwerdeführer nicht angegriffen hat. Wegen des Verbots der Schlechterstellung des Rechtsmittelführers ist für eine Erhöhung im Rahmen der Beschwerdeentscheidung ein eigenständiger Angriff durch die Beschwerdegegnerin erforderlich. Dieser ist vorliegend durch ihren Antrag, hilfsweise eine Geschäftsgebühr gemäß [X.] mit mindestens einer 2,0-fachen [X.]ühr anzusetzen, erfolgt.

Hierin ist eine unselbständige Anschlussbeschwerde zu sehen (§ 567 Abs. 3 ZPO entsprechend). Die Erklärung, sich der Hauptbeschwerde anschließen zu wollen, ist kein Rechtmittel, sondern lediglich ein Antrag im Rahmen der Hauptbeschwerde (vgl. [X.], [X.], 8. Aufl. 2008, § 73, Rn. 174). Dieser Antrag kann auch konkludent gestellt werden. Hierfür genügt grundsätzlich jede Erklärung, die ihrem Sinn nach eine dem Erklärenden vorteilhafte und über die Abwehr der Beschwerde hinausgehende Entscheidung anstrebt (vgl. auch [X.], [X.], 7. Aufl. 2007, § 18 Rn 53).

2.2. Nach § 14 Abs. 1 RVG erfolgt die Festsetzung der [X.]ühr nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach pflichtgemäßem Ermessen.

Dass die [X.]rauchsmusterabteilung bei Ansatz der 0,7-fachen [X.]ühr die Umstände des vorliegenden Falls gewürdigt hat, lässt sich der angegriffenen Entscheidung mangels Begründung nicht entnehmen. Ob die [X.]rauchsmusterabteilung einen unterdurchschnittlich schwierigen oder umfangreichen Fall zugrunde gelegt hat oder ob sie den Faktor 0,7 aufgrund einer Anrechnung der [X.]ühr gemäß Nr. 2403, jetzt 2303 [X.] RVG gewählt hat, bleibt offen.

Die Umstände des vorliegenden [X.] rechtfertigen weder die Annahme eines unterdurchschnittlichen Falles noch lässt der Vortrag der Beschwerdegegnerin Merkmale erkennen, die das Verfahren über ein normales Löschungsverfahren hinausheben würden. Der Löschungsantrag gegen den technisch einfachen Gegenstand des [X.]rauchsmusters war seitens der Beschwerdegegnerin lediglich auf eine einzige Druckschrift gestützt worden. Die Auseinandersetzung mit vom [X.]rauchsmusterinhaber zur Verteidigung seines Schutzrechts eingereichten neuen [X.] bietet ebenso wenig Anlass, von der Annahme eines durchschnittlichen [X.] abzuweichen wie der Umstand, dass verfahrenstaktische Gespräche seitens des Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdegegnerin geführt wurden. Daher hat es beim Regelsatz von 1,3 sein Bewenden.

2.3. Die der Beschwerdegegnerin vom Beschwerdeführer danach zu erstattenden Kosten des Löschungsverfahrens errechnen sich daher neu wie folgt:

Löschungsantragsgebühr ([X.].Nr. 323 100)_1,3 fache Geschäftsgebühr Nr. 2300 [X.] RVG _Porto- und Telefongebühren Nr. 7002 [X.] RVG___

3. [X.] ergibt sich aus § 18 Abs. 2 S. 2 [X.] i. V. m § 84 Abs. 2 [X.], der auch bei [X.] in Löschungsverfahren anzuwenden ist (vgl. Bühring a. a. O., § 18, Rn. 90), in Verbindung mit § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Billigkeitsgründe, die ein Abweichen von dieser Regelung erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich (§ 84 Abs. 2 S. 2 [X.]).

4. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist, wie beantragt, anzuordnen (§ 18 Abs. 2 S. 1 [X.], § 80 Abs. 3 [X.]).

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr kommt dann in Betracht, wenn es auf Grund besonderer Umstände nicht der Billigkeit entspricht, die [X.]ühr einzubehalten (vgl. [X.], Patentgesetz und [X.]rauchsmustergesetz, 10. Aufl., § 80 [X.], Rdn. 21 u. 25; [X.] a. a. O., § 73, Rdn. 124). Dadurch, dass die [X.]rauchsmusterstelle das rechtliche Gehör durch den angefochtenen Beschluss in eklatanter Weise verletzt hat, ist diese Voraussetzung hier erfüllt (vgl. [X.] a. a. O., § 18, Rn. 101).

Der Anspruch auf rechtliches Gehör – vor der Verwaltungsbehörde das Recht sich zu äußern – gibt jedem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern und die eigene Auffassung zu den erheblichen Rechtsfragen darzulegen. Das [X.] ist ebenso wie das Gericht verpflichtet, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st. Rspr., [X.] NJW 1995, 2095, 2096 m. w. N.; [X.], 919 - [X.]). Hieraus kann zwar nicht abgeleitet werden, dass jedes Vorbringen einer Partei in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich abzuhandeln sei ([X.] NJW 1992, 1031; [X.], 572 - Vertikallibelle). Das rechtliche Gehör ist allerdings verletzt, wenn – wie im vorliegenden Fall – Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. [X.]E 65, 293 ff.; 70, 288). Geht eine Entscheidung wie hier auf [X.] des Vorbringens eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen.

Meta

35 W (pat) 12/08

13.09.2010

Bundespatentgericht 35. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.09.2010, Az. 35 W (pat) 12/08 (REWIS RS 2010, 3470)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3470

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

35 W (pat) 25/09 (Bundespatentgericht)

Gebrauchsmusterlöschungsverfahren – zur Bemessung des Gegenstandswerts – Gebührensatz der Geschäftsgebühr


35 W (pat) 11/14 (Bundespatentgericht)


35 W (pat) 11/20 (Bundespatentgericht)

Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren - Kostenfestsetzungsverfahren – „Doppelvertretungskosten im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren“ – zur Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Mitwirkung …


35 W (pat) 16/12 (Bundespatentgericht)

Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren – Beschwerde gegen Kostenfestsetzung - "Doppelvertretungskosten im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren" – zur Erstattungsfähigkeit der …


35 W (pat) 16/18 (Bundespatentgericht)

(Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren – Kostenfestsetzung - zur Frage der Gewährung des Gebührentatbestandes Nr. 2300 VV RVG in …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.