Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.03.2015, Az. VI ZR 215/14

6. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 14342

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Verkehrsunfallprozess: Notwendiger Inhalt einer Berufungsbegründungsschrift nach Klageabweisung wegen Verjährung


Leitsatz

Wird die Klage allein aus dem Gesichtspunkt der Verjährung abgewiesen, reicht es grundsätzlich für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung aus, dass der Kläger vorträgt, die aus einem bestimmten Unfallereignis geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien nicht verjährt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 8. Zivilkammer des [X.] vom 23. April 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von den [X.] Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls am 21. November 2009. Bei dem Unfall kollidierte der im Eigentum des [X.] stehende Pkw mit einem von dem [X.] zu 2 gesteuerten, von der [X.] zu 3 gehaltenen und bei der [X.] zu 1 pflichtversicherten Pkw. Nach Behauptung des [X.] ist der Pkw der [X.] zu 3 beim Überholen des klägerischen Fahrzeugs zu knapp vor diesem wieder eingeschert. Der Kläger macht Schadensersatz in Höhe von 2.171,93 € geltend (Wiederbeschaffungsaufwand: 1.650 €, Schadensfeststellungskosten: 496,93 €, Kleinkosten zur Schadensverfolgung: 25 €).

2

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil etwaige Ansprüche verjährt seien. Das [X.] hat die Berufung des [X.] verworfen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Schadensersatzansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

I.

3

Nach Auffassung des Berufungsgerichts genügt die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, weil sie nicht erkennen lasse, dass und inwiefern der gerügte Fehler in der Rechtsanwendung für die angefochtene Entscheidung erheblich sei. Der Kläger berufe sich auf eine Verletzung des materiellen Rechts durch das Amtsgericht, da dieses zu Unrecht von einer Verjährung der Schadensersatzansprüche ausgegangen sei. Er habe - zugeschnitten auf den Streitfall und aus sich heraus verständlich - diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend beurteilt ansehe, und die Gründe anzugeben, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleite. Aus der Berufungsbegründung ergebe sich nicht, dass und weshalb die angeführte Rechtsverletzung für die angefochtene Entscheidung im Ergebnis auch erheblich sei. Der Kläger habe weder dargelegt, wie der Rechtsstreit bei Berücksichtigung seiner Rechtsansicht zu entscheiden wäre, noch habe er in konkreter oder allgemeiner Weise auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug genommen und dieses so zum Gegenstand der Berufungsbegründung gemacht. Aus dieser ergebe sich lediglich, dass ein "Schadensersatzanspruch" nicht wegen Verjährung gehemmt wäre. Dass und in welcher Höhe ihm ein solcher Anspruch zustehe, habe der Kläger weder ausdrücklich noch durch eine Bezugnahme dargelegt. Bei der Prüfung, ob die für die zulässige Berufung notwendige Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 ZPO genüge, könne nicht auf den gesamten [X.] abgestellt werden. Es stellte einen Zirkelschluss dar, wenn bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit der Berufung, deren Folge eine Anlandung des gesamten [X.]es in der zweiten Instanz sei, der gesamte [X.] zu prüfen und zu berücksichtigen wäre.

II.

4

Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip).

5

a) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Berufung nicht schon deshalb unzulässig, weil nicht erkennbar ist, dass die Berufungsbegründung von dem durch den Briefbogen als Ersteller ausgewiesenen Rechtsanwalt unterschrieben wurde. Es ist zwar anders als in anderen Schriftsätzen in der Berufungsbegründung nicht angegeben, dass die Unterschrift von dem Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz des [X.] stammt. Zudem unterscheidet sich die Unterschrift von den Unterschriften unter den anderen Schriftsätzen. Der Kläger hat jedoch durch Vorlage von Kopien des Ausweises der Rechtsanwaltskammer, des Führerscheins sowie des Personalausweises seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten und dessen anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass dieser die Berufungsbegründung unterschrieben hat. Der erkennende Senat hat aufgrund dessen Begründung, er unterzeichne nach geäußerten Bedenken des Vorsitzenden einer Berufungskammer gegen seine übliche Unterschrift Berufungsschriftsätze anders als andere Schriftsätze mit seiner "bürgerlichen Unterschrift", keine Zweifel daran, dass die Berufungsbegründung von ihm unterschrieben wurde.

6

b) Das Berufungsgericht hat die in § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO beschriebenen Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung überspannt und hierdurch dem Kläger den Zugang zur Berufungsinstanz in unzulässiger Weise versagt.

7

aa) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st. Rspr., vgl. Senat, Beschlüsse vom 11. März 2014 - [X.], [X.], 895 Rn. 8; vom 27. Januar 2015 - [X.]/14, juris Rn. 7; vom 10. Februar 2015 - [X.], z.[X.].; [X.], Beschlüsse vom 13. September 2012 - [X.], NJW 2012, 3581 Rn. 8; vom 23. Oktober 2012 - [X.], [X.], 174 Rn. 10; vom 22. Mai 2014 - [X.], juris Rn. 7; jeweils mwN).

8

bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zu strenge Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung gestellt (§ 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

9

Der Kläger hat - wie gefordert zugeschnitten auf den Streitfall und aus sich heraus verständlich - den vom Amtsgericht für die Klageabweisung maßgeblichen Gesichtspunkt angegriffen, dass die Schadensersatzansprüche des [X.] aus dem Unfallereignis vom 21. November 2009 verjährt seien. Er hat dies näher ausgeführt und die Umstände mitgeteilt, die aus seiner Sicht das Urteil in Frage stellen. Für die Zulässigkeit der Berufung ist ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind.

Aus der Berufungsbegründung ergibt sich auch noch ausreichend, dass der Kläger Schadensersatzansprüche aus einem Unfallereignis vom 21. November 2009 geltend macht und der Auffassung ist, dass ihm solche Ansprüche zustehen. Nachdem das Amtsgericht die Klage allein aus dem Gesichtspunkt der Verjährung abgewiesen und dementsprechend etwaige Ansprüche aus §§ 7 ff. [X.] und § 823 BGB nicht geprüft hat, war es nicht geboten, ausdrücklich noch einmal das gesamte erstinstanzliche Vorbringen zu den Voraussetzungen des verfolgten [X.] zu wiederholen und auf diese Weise die Entscheidungserheblichkeit des Berufungsangriffs darzutun. Diese ergibt sich im Streitfall bereits daraus, dass eine inhaltliche Prüfung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht erfolgt und die Klage allein wegen Verjährung abgewiesen worden ist. Im Übrigen ergeben sich nähere Umstände des Sachverhalts und des Vorbringens des [X.] aus dem Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils, auf den das landgerichtliche Urteil Bezug genommen hat.

III.

Nach alledem durfte das Berufungsgericht die Berufung nicht als unzulässig verwerfen, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist, damit es über die Begründetheit der Berufung befindet (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Galke                            Pauge                            [X.]

               Offenloch                          [X.]

Meta

VI ZR 215/14

10.03.2015

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Wuppertal, 23. April 2014, Az: 8 S 56/13

§ 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.03.2015, Az. VI ZR 215/14 (REWIS RS 2015, 14342)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1684 REWIS RS 2015, 14342

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI ZR 215/14 (Bundesgerichtshof)


III ZB 24/12 (Bundesgerichtshof)

Berufungsbegründungsschrift: Notwendiger Inhalt bei Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts


VIII ZA 12/22 (Bundesgerichtshof)

Zulässigkeit einer Berufung bei Fehlen der Unterschrift in Schriftsatz des Rechtsanwalts


III ZB 60/14 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Anforderungen an eine wirksame eigenhändige Unterschrift


IV ZB 30/12 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.