Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2015, Az. 2 StR 228/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 9618

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 228/14
vom
17. Juni 2015
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
gefährlicher Körperverletzung u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 17.
Juni
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender [X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. [X.],

die [X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. [X.],
[X.],
[X.],
die [X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger
für den Angeklagten C.

,
Rechtsanwältin

als Verteidigerin für den Angeklagten B.

,

Justizhauptsekretärin

in der Verhandlung,
Justizangestellte

bei der Verkündung

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-

Auf die Revisionen
der
Angeklagten
wird das Urteil des [X.] vom 7.
November 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den
Angeklagten C.

wegen gefährlicher Kör-perverletzung in zwei Fällen und wegen versuchter gefährlicher Körperverlet-zung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten B.

wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt.
Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben mit der von beiden Angeklagten erhobenen Verfahrensrüge Erfolg, bei dem Urteil habe ein [X.] mitgewirkt, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden war und das Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen [X.] ist (§ 24 Abs. 1 und 2, § 338 Nr. 3 [X.]).
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1. Der Rüge liegt das folgende Prozessgeschehen zugrunde:
Die Angeklagten hatten u.a. eine beisitzende [X.]in wegen
Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, da diese während der Vernehmung eines Zeugen am vierten
Hauptverhandlungstag über einen Zeitraum von etwa zehn Minuten mehrfach ihr Mobiltelefon bedient habe. Aufgrund des mit der Bedienung des Mobiltelefons und dem Schreiben von [X.] einhergehenden [X.] sei das Fragerecht bzw. die Fragemöglichkeit der abge-lehnten [X.]in eingeschränkt. Damit sei der Eindruck erweckt
worden, die [X.]in habe sich mangels uneingeschränkten Interesses an der [X.] bereits zur Tat-
und Schuldfrage der Angeklagten festgelegt.
In der dienstlichen Erklärung hat die beisitzende [X.]in u.a. ausge-führt, ihr vor ihr liegendes stumm geschaltetes Mobiltelefon in der [X.] als "Arbeitsmittel"
zu nutzen.
Die an diesem Tag erwartete Sitzungs-zeit sei bereits deutlich überschritten
gewesen. Einen (stummen) Anruf von zu Hause habe sie mit einer vorgefertigten [X.] des Inhalts "Bin in Sitzung"
be-antwortet; eine weitere dringende [X.]-Anfrage bezüglich der weiteren Betreu-ung der Kinder habe sie "binnen Sekunden"
beantwortet. Auf Rüge der [X.] habe sie diesen Sachverhalt öffentlich gemacht und sich entschuldigt.
Mit Beschluss vom 15. April 2013 hat das [X.] den
Befangen-heitsantrag -
ohne Mitwirkung der abgelehnten [X.]in
-
als unbegründet zu-rückgewiesen. Die Aufmerksamkeit der beisitzenden [X.]in sei in keinem Fall so reduziert, "dass sie in ihrer Fähigkeit, die Beweisaufnahme in allen ihren wesentlichen Teilen zuverlässig aufzunehmen und richtig zu würdigen", einge-schränkt gewesen sei. Denn das Verfassen einer (vorgefertigten) [X.] oder die kurzfristige Benutzung des Mobiltelefons zu dienstlichen Zwecken, er-fordere keine besonderen Anforderungen an die Verstandestätigkeit und die 2
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Aufmerksamkeit eines [X.]s. Dieses habe die beisitzende [X.]in zudem in ihrer dienstlichen Erklärung bestätigt. Außerdem habe sie sich in der [X.] für ihr Verhalten entschuldigt.
2.
Das Ablehnungsgesuch gegenüber der beisitzenden [X.]in ist zu Unrecht zurückgewiesen worden.
Das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes im Sinne von § 24 Abs.
2 [X.] ist grundsätzlich vom Standpunkt des Angeklagten zu beurteilen. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines [X.]s ist dann gerechtfertigt, wenn der [X.] verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der [X.] nehme ihm gegenüber eine Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. [X.], Urteil vom 2. März 2004 -
1 [X.], [X.]R [X.] §
24 Abs.
2 Befangenheit 14; [X.]/[X.], [X.], 58. Aufl.,
§
24 Rn.
6 und 8 mwN).
So liegt der Fall hier. Auch aus der Sicht eines besonnenen Angeklagten gab die private Nutzung des Mobiltelefons durch die beisitzende [X.]in [X.] laufender Hauptverhandlung begründeten Anlass zu der Befürchtung, die [X.]in habe sich mangels uneingeschränkten Interesses an der dem [X.] richterlicher Tätigkeit [X.] (vgl. §
261 [X.]) Beweisaufnahme auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt.
Angesichts der Tatsache, dass es die beisitzende [X.]in wegen der erwarteten Überschreitung der [X.] mit vorgefertigter [X.] offensicht-lich von vornherein darauf angelegt hat, aktiv in der Hauptverhandlung in priva-ten Angelegenheiten nach außen zu kommunizieren, kommt es entgegen der Auffassung im ablehnenden Beschluss des [X.] auch nicht darauf an, ob deswegen die Aufmerksamkeit der [X.]in erheblich reduziert gewesen 6
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sei. Denn die beisitzende [X.]in hat sich während der Zeugenvernehmung durch eine mit der Sache nicht im Zusammenhang stehende private Tätigkeit nicht nur gezielt abgelenkt und dadurch ihre Fähigkeit beeinträchtigt, der [X.] in allen wesentlichen Teilen zuverlässig in sich aufzunehmen und zu würdigen; sie hat damit auch zu erkennen gegeben, dass sie bereit ist, in lau-fender Hauptverhandlung Telekommunikation im privaten Bereich zu betreiben
und dieses über die ihr obliegenden dienstlichen Pflichten zu stellen. Von [X.], wie sie während einer länger andauernden [X.] auftreten können, unterscheidet sich dieser Fall dadurch, dass eine von vornherein über den Verhandlungszusammenhang hinausreichende exter-ne Telekommunikation unternommen wird; eine solche ist mit einer hinreichen-den Zuwendung und Aufmerksamkeit für den [X.] unvereinbar.
Da es sich auch nicht um ein unbedachtes Verhalten der abgelehnten [X.]in handelt, das durch Klarstellung und Entschuldigung beseitigt werden kann
(vgl. dazu [X.],
Beschluss vom 3. März 1999 -
5 StR 566/98,
[X.]R [X.] § 338 Nr. 3 Revisibilität 1), durfte das Ablehnungsgesuch nach alledem nicht zurückgewiesen werden.

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3. Der absolute Revisionsgrund des
§ 338 Nr. 3 [X.]
führt dazu, dass das
angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben
ist.
[X.]
Ri[X.] Prof. Dr. [X.] Eschelbach

ist an der Unterschrift

gehindert.

[X.]

[X.]

Rin[X.] Dr. [X.]

ist wegen Urlaubs an

der Unterschrift gehindert.

[X.]
11

Meta

2 StR 228/14

17.06.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2015, Az. 2 StR 228/14 (REWIS RS 2015, 9618)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9618

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2 StR 228/14

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