Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.08.2014, Az. 3 StR 283/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 3437

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Richterablehnung im Strafverfahren: Unsachliche Äußerungen eines Richters im Rahmen einer Vorentscheidung


Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. Januar 2014, soweit es diese Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen versuchter Anstiftung zum Mord zur Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten ([X.]) bzw. von drei Jahren und zwei Monaten ([X.]) verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben mit der von beiden Angeklagten erhobenen Verfahrensrüge Erfolg, bei dem Urteil habe ein [X.] mitgewirkt, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden war und das Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen worden ist (§ 24 Abs. 1 und 2, § 338 Nr. 3 [X.]).

2

1. Der Beanstandung liegt der folgende Verfahrensablauf zugrunde:

3

Am ersten [X.], dem 22. November 2013, lehnte der Angeklagte [X.]den beisitzenden [X.] am [X.]     gegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führte der Angeklagte aus, der abgelehnte [X.] - der als Ermittlungsrichter den Haftbefehl gegen die Angeklagten und den Mitangeklagten vom 6. Mai 2013 erlassen sowie dabei deren Untersuchungshaft angeordnet hatte - habe am 27. Mai 2013 in einem Telefonat mit seinem Verteidiger, in dem über die Einlegung und die Aussichten einer Haftbeschwerde in der vorliegenden Sache gesprochen worden war, u.a. geäußert: "Unter uns gesagt, machen Sie sich doch nichts vor, die Drei gehören dahin, wo sie sind, und zwar ganz lange und ganz tief. Solche Leute haben in Freiheit nichts zu suchen". Der Angeklagte [X.] schloss sich diesem Ablehnungsgesuch an. Durch den - in der Hauptverhandlung vom 13. Dezember 2013 verkündeten - Beschluss vom 11. Dezember 2013 wies die [X.] - ohne Mitwirkung des abgelehnten [X.]s - die Ablehnungsgesuche als unbegründet zurück.

4

2. Die Ablehnung erfolgte mit Recht. Aus Sicht der Angeklagten lag bei objektiver Beurteilung ein Grund vor, der geeignet war, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten [X.]s zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 [X.]).

5

a) Entgegen der Ansicht des [X.] haben die Angeklagten die behaupteten Äußerungen des abgelehnten [X.]s hinreichend glaubhaft gemacht. Sie sind insbesondere auch nicht aufgrund des zwischenzeitlichen Verhaltens des Verteidigers des Angeklagten [X.], der die Ablehnungsgründe im Rahmen weiterer Haftentscheidungen sowie bis zum Beginn der Hauptverhandlung nicht geltend gemacht hatte, oder infolge der dienstlichen Äußerung des Abgelehnten zweifelhaft.

6

b) In der Sache bestand für die Angeklagten bei verständiger Würdigung des ihnen bekannten Sachverhaltes Grund zu der Annahme, der abgelehnte [X.] nehme ihnen gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. [X.]/[X.], [X.], 57. Aufl., § 24 Rn. 8 [X.]).

7

Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden [X.]s ist allerdings, soweit sie nicht die Tatbestände eines Ausschlussgrundes gemäß § 22 Nr. 4 und 5, § 23 oder § 148a Abs. 2 Satz 1 [X.] erfüllt, nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des [X.]s im Sinne von § 24 Abs. 2 [X.] zu begründen; denn eine solche Beteiligung an Vorentscheidungen im nämlichen und in damit zusammenhängenden Verfahren ist von der Strafprozessordnung und dem Gerichtsverfassungsgesetz ausdrücklich vorgesehen. Dies gilt nicht nur für die Vorbefassung mit Zwischenentscheidungen im selben Verfahren, insbesondere etwa die Mitwirkung am Eröffnungsbeschluss oder an Haftentscheidungen, sondern etwa auch die Befassung eines erkennenden [X.]s in Verfahren gegen andere Beteiligte derselben Tat (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 9. September 1966 - 4 StR 261/66, [X.]St 21, 142; vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66, [X.]St 21, 334, 341 und vom 27. April 1972 - 4 StR 149/72, [X.]St 24, 336, 337 sowie Beschluss vom 7. August 2012 - 1 [X.], [X.], 350; vgl. auch [X.]/[X.], aaO, § 24 Rn. 12 ff. [X.]). Anders verhält es sich lediglich bei Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen. Dies ist etwa der Fall, wenn frühere Entscheidungen unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder wenn ein [X.] sich bei oder in Verbindung mit einer Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (vgl. [X.]/[X.], aaO, Rn. 15 f.).

8

So war es hier. Die vorliegend geltend gemachten Äußerungen des im Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagten als Haftrichter tätigen beisitzenden [X.]s gegenüber dem Verteidiger des Angeklagten [X.]sind besondere Umstände im Sinne dieser Rechtsprechung. Schon nach ihrem Inhalt bestand aus Sicht der Beschwerdeführer mit Recht die Besorgnis, der beisitzende [X.] stehe ihnen (auch) im Hauptverfahren nicht unbefangen gegenüber, sondern habe sich in der Sache bereits eine endgültige, zu ihren Lasten gehende Meinung gebildet. Daran vermag im Ergebnis nichts zu ändern, dass sich die Äußerungen des [X.]s nach dem Anlass des Telefonats und seinem weiteren Inhalt (allein) auf die Erfolgsaussicht einer Haftbeschwerde des Angeklagten [X.]bezogen hatten, und zum Zeitpunkt der Ablehnung bereits geraume Zeit zurücklagen.

9

3. Das Ablehnungsgesuch durfte nach alledem nicht zurückgewiesen werden, weil die früheren Äußerungen des beisitzenden [X.]s den Eindruck der Voreingenommenheit hervorrufen mussten. Deshalb liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 [X.] vor, der den Senat dazu zwingt, das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben.

Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung rein vorsorglich darauf hin, dass es bei Verneinung des Vorliegens von Mordmerkmalen beim Anstifter selbst hinsichtlich der rechtlichen Einordnung der (hier: geplanten) Tat für ihn darauf ankommt, ob diese für den Täter ein Mord wäre und ob dem Anstifter die hierfür maßgeblichen Umstände bewusst waren. Hätte der Täter bei Ausführung der Tat einen Mord begangen, weil er einen Menschen gegen eine Belohnung getötet und daher aus Habgier im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB gehandelt hätte, so kommt bei dem Anstifter - bei Vorliegen der erforderlichen subjektiven tatbestandlichen Voraussetzungen - ein Schuldspruch wegen (hier: versuchter) Anstiftung zum Mord in Betracht. Hinsichtlich des für den Anstifter anzuwendenden Strafrahmen ist allerdings zu beachten, dass bei einem solchen Versuch der Beteiligung die in § 211 Abs. 1 StGB bestimmte Strafe nicht nur gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 StGB, sondern weiter im Hinblick auf § 28 Abs. 1 StGB und mithin zweifach gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu mildern wäre (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Juni 2005 - 1 [X.], [X.], 34, 35 sowie Urteil vom 24. November 2005 - 4 [X.], [X.], 288, 290).

[X.]     

Pfister     

     Hubert

Mayer     

Ri'in[X.] Dr. Spaniol befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

[X.]

Meta

3 StR 283/14

19.08.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Wuppertal, 10. Januar 2014, Az: 25 Ks 11/13

§ 24 Abs 1 StPO, § 24 Abs 2 StPO, § 338 Nr 3 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.08.2014, Az. 3 StR 283/14 (REWIS RS 2014, 3437)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3437

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