Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.07.2019, Az. 5 C 8/18

5. Senat | REWIS RS 2019, 5352

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Gegenstand

Vereinbarkeit der Mindestausbildungszeit gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 BAföG (jetzt § 5 Abs. 2 Satz 2 BAföG) mit dem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht


Leitsatz

Die auf den Besuch der jeweiligen Ausbildungsstätte bezogene Mindestaufenthaltsdauer des § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 BAföG ist mit dem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht nicht vereinbar und findet auf den Besuch von Ausbildungsstätten in Mitgliedstaaten der Europäischen Union keine Anwendung.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Ausbildungsförderung nach dem [X.] ([X.]) für Studienaufenthalte in [X.] ([X.]) und [X.] ([X.]) im Rahmen eines Masterstudiengangs an einer [X.] Universität zusteht.

2

Der Kläger studierte vom 1. September 2010 bis Ende September 2011 an der [X.] im Masterstudiengang Polis European Urban Cultures. Seinen Antrag auf Gewährung von Ausbildungsförderung für Studienaufenthalte von jeweils zwei Monaten in [X.] und [X.], die er im Rahmen dieses Studienganges absolvierte, lehnte die Beklagte ab, weil die [X.] nach § 5 Abs. 2 Satz 3 [X.] nicht erreicht werde.

3

Nach erfolgloser Klage vor dem Verwaltungsgericht hat das Oberverwaltungsgericht dessen Urteil geändert und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für beide Studienaufenthalte die gesetzlich vorgesehene Ausbildungsförderung zu bewilligen. Die Ausbildung in [X.] und [X.] sei nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] förderfähig. Die zwingend zur Erreichung des Ausbildungsziels vorgeschriebenen Studienaufenthalte seien unter Berücksichtigung der europarechtlichen Freizügigkeitsregelungen nicht separat zu betrachten, so dass die insgesamt dreizehnmonatige Ausbildung den Anforderungen des § 5 Abs. 2 Satz 3 [X.] an die [X.] genüge. Sollte eine europarechtskonforme einschränkende Auslegung nicht möglich sein, müsse die nationale Vorschrift wegen Unvereinbarkeit mit den europarechtlichen Freizügigkeitsregelungen unangewendet bleiben.

4

Mit der dagegen erhobenen Revision macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, die danach mögliche Förderung eines Gesamtaufenthalts in beliebig vielen Ländern widerspreche dem Wortlaut und dem Zweck der [X.], Sprache, Land und Leute kennenzulernen und eine sinnvolle Teilausbildung zu ermöglichen. Darauf könne auch im Falle von Kooperationen verschiedener Universitäten in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht nicht verzichtet werden. Eine Einschränkung des Freizügigkeitsrechts sei jedenfalls gerechtfertigt, weil die mit der [X.] verfolgten Zwecke auch unionsrechtlich legitim und die Regelung verhältnismäßig sei.

5

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil.

6

Der Vertreter des [X.] unterstützt die Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Beklagten ist ni[X.]ht begründet. Das Oberverwaltungsgeri[X.]ht hat im Ergebnis im Einklang mit Bundesre[X.]ht (§ 144 Abs. 4 VwGO) angenommen, dass der Kläger für die in [X.] vom 1. September bis 30. Oktober 2010 und in [X.] vom 1. November 2010 bis 31. Dezember 2010 absolvierten Studienaufenthalte einen Anspru[X.]h auf Ausbildungsförderung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung ([X.] - [X.]) in der Fassung der Bekanntma[X.]hung vom 6. Juni 1983 ([X.], 1680), zuletzt geändert dur[X.]h Art. 2a des Gesetzes vom 20. Dezember 2008 ([X.]), sowie für die [X.] ab dem 28. Oktober 2010 in der Fassung der Bekanntma[X.]hung vom 7. Dezember 2010 ([X.]) hat.

8

Na[X.]h § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] wird Auszubildenden, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, Ausbildungsförderung für den Besu[X.]h einer Ausbildungsstätte im Ausland geleistet, wenn eine Ausbildung an einer Ausbildungsstätte in einem Mitgliedstaat der [X.] oder in [X.] aufgenommen oder fortgesetzt wird. Zwis[X.]hen den Beteiligten steht zu Re[X.]ht ni[X.]ht im Streit, dass der Kläger mit den Studienaufenthalten in [X.] und [X.] jeweils eine in diesem Sinne förderungsfähige Ausbildung aufgenommen hat und die weiteren formellen und materiellen Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung na[X.]h dem [X.] erfüllt sind. Streitig ist allein, ob die Mindestausbildungszeit gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] erfüllt ist.

9

Die jeweils zweimonatigen Studienaufenthalte des Klägers in [X.] und [X.] genügen entgegen der Auffassung des [X.] zwar ni[X.]ht der [X.] gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] (1.). Der Kläger hat aber glei[X.]hwohl einen Anspru[X.]h auf Ausbildungsförderung na[X.]h § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.]. Denn § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] findet für Ausbildungen an einer Ausbildungsstätte in einem Mitgliedstaat der [X.] wegen des Vorrangs des Unionsre[X.]hts keine Anwendung. Die Vors[X.]hrift ist mit dem Re[X.]ht auf Freizügigkeit aus Art. 20 Abs. 2 Bu[X.]hst. a, Art. 21 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] - [X.] - i.d.F. der Bekanntma[X.]hung vom 9. Mai 2008 ([X.]. [X.] Nr. [X.] und [X.] [X.] 1038 <1054>; in [X.] für die [X.] seit dem 1. Dezember 2009, [X.] [X.]) ni[X.]ht vereinbar (2.).

1. Die Studienaufenthalte des Klägers in [X.] und [X.] erfüllen ni[X.]ht die [X.] gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.]. Dana[X.]h muss die Ausbildung mindestens se[X.]hs Monate oder ein Semester dauern. Bezugspunkt der in § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] geregelten [X.] ist ni[X.]ht die Ausbildung insgesamt oder der gesamte im Ausland verbra[X.]hte Teil der Ausbildung, sondern der Besu[X.]h der jeweiligen Ausbildungsstätte im Ausland. Das folgt aus dem Wortlaut (a) und insbesondere dem systematis[X.]hen Zusammenhang der Regelung (b). Aus dem si[X.]h aus der Entstehungsges[X.]hi[X.]hte ergebenden Sinn und Zwe[X.]k ergibt si[X.]h ni[X.]hts anderes ([X.]). Der Besu[X.]h der Ausbildungsstätten in [X.] und [X.] ist dana[X.]h jeweils ni[X.]ht förderungsfähig (d).

a) Bereits der Begriff "Ausbildung" deutet darauf hin, dass damit der Besu[X.]h einer bestimmten Ausbildungsstätte gemeint ist. Denn im Ausbildungsförderungsre[X.]ht bildet die Ausbildungsstätte den zentralen Bezugspunkt des Ausbildungsbegriffs im Sinne des § 2 [X.] (ausbildungsstättenbezogener Ausbildungsbegriff, vgl. [X.], Urteil vom 28. Mai 2015 - 5 C 4.14 - [X.] 436.36 § 7 [X.] Nr. 126 Rn. 11 m.w.[X.]).

b) Der systematis[X.]he Zusammenhang, in den die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] gestellt ist, ergibt eindeutig, dass si[X.]h die "Ausbildung" im Sinne dieser Vors[X.]hrift auf den Besu[X.]h der jeweiligen Ausbildungsstätte bezieht. Die Regelung kann si[X.]h inhaltli[X.]h und aufgrund ihrer systematis[X.]hen Stellung im zweiten Absatz des § 5 nur auf dessen Satz 1 und die dana[X.]h zu fördernde Ausbildung beziehen. Na[X.]h § 5 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 [X.] wird Ausbildungsförderung ni[X.]ht für eine Ausbildung im Ausland, sondern "für den Besu[X.]h einer im Ausland gelegenen Ausbildungsstätte" geleistet. Der Besu[X.]h einer Ausbildungsstätte im Ausland stellt demna[X.]h die für alle na[X.]hfolgend erwähnten Fallgestaltungen geltende Grundvoraussetzung dar. Mithin meint das Merkmal "Ausbildung" in § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] eine Ausbildung an einer bestimmten Ausbildungsstätte. Dies ist au[X.]h § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] zu entnehmen, der ebenfalls an den Besu[X.]h einer Ausbildungsstätte anknüpft und ni[X.]ht etwa an eine Ausbildung.

Für ein ausbildungsstättenorientiertes Verständnis des § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] streitet au[X.]h dessen Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 [X.]. Dana[X.]h muss die Ausbildung mindestens zwölf Wo[X.]hen dauern, wenn sie im Rahmen einer mit der besu[X.]hten Ausbildungsstätte vereinbarten Kooperation stattfindet. Die Bestimmung bezieht die Ausbildung ausdrü[X.]kli[X.]h auf eine sol[X.]he an einer besu[X.]hten Ausbildungsstätte. Da es naheliegt, dass § 5 Abs. 2 Satz 3 [X.] einen einheitli[X.]hen Ausbildungsbegriff verwendet, ist au[X.]h derjenige des Halbsatzes 1 auf den Besu[X.]h einer bestimmten Ausbildungsstätte zu beziehen.

Das bisherige Auslegungsergebnis wird bestätigt dur[X.]h den systematis[X.]hen Zusammenhang von § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] mit § 5 Abs. 4 [X.]. Die zuletzt genannte Bestimmung verlangt für die [X.], dass der Besu[X.]h von im Ausland gelegenen Ausbildungsstätten dem Besu[X.]h inländis[X.]her Ausbildungsstätten glei[X.]hwertig ist. Geboten ist eine institutionelle Glei[X.]hwertigkeit im Sinne eines Verglei[X.]hs von Ausbildungsstätten (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 2012 - 5 C 14.11 - [X.]E 143, 314 Rn. 20 ff. m.w.[X.]). Bezugspunkte dieser Glei[X.]hwertigkeitsprüfung sind also Ausbildungsstätten, ni[X.]ht etwa Ausbildungen. Au[X.]h dies gebietet, den Ausbildungsbegriff des § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] an dem Besu[X.]h einer bestimmten Ausbildungsstätte auszuri[X.]hten. Dafür spri[X.]ht au[X.]h, dass aus § 5 Abs. 4 [X.] folgt, dass der Besu[X.]h einer ausländis[X.]hen Ausbildungsstätte nur dann gefördert werden kann, wenn diese förderungsre[X.]htli[X.]h selbstständig ist, ihr also die vermittelte Ausbildung selber zugere[X.]hnet werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 17. Oktober 2018 - 5 C 8.17 - NVwZ-RR 2019, 372 Rn. 8 ff.). Dieses Erfordernis bezieht si[X.]h ebenfalls auf konkrete Ausbildungsstätten.

[X.]) Der si[X.]h aus der Entstehungsges[X.]hi[X.]hte ergebende Sinn und Zwe[X.]k der Mindestausbildungszeit steht dem bisherigen Ergebnis der Auslegung jedenfalls ni[X.]ht entgegen. Die Mindestausbildungszeit soll ni[X.]ht nur das Kennenlernen von Spra[X.]he, Land und Leuten ([X.]. 11/5961 S. 19) ermögli[X.]hen, sondern insbesondere au[X.]h eine sinnvolle Teilausbildung ([X.]. 14/4731 S. 31) gewährleisten. Dem ist jedenfalls ni[X.]ht zu entnehmen, dass § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] das Merkmal der Ausbildung ni[X.]ht auf den Besu[X.]h einer konkreten Ausbildungsstätte bezieht.

d) Die jeweils zwei Monate dauernden Studienaufenthalte des Klägers an Ausbildungsstätten in [X.] und [X.] erfüllen die [X.] des § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] von se[X.]hs Monaten oder einem Semester demna[X.]h ni[X.]ht.

2. Der Kläger hat glei[X.]hwohl einen Anspru[X.]h auf Ausbildungsförderung aus § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] für die Studienaufenthalte in [X.] und [X.]. Die auf den Besu[X.]h der jeweiligen Ausbildungsstätte bezogene Mindestaufenthaltsdauer des § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] ist mit dem unionsre[X.]htli[X.]hen Re[X.]ht auf Freizügigkeit na[X.]h Art. 20 Abs. 2 Bu[X.]hst. a, Art. 21 Abs. 1 [X.] ni[X.]ht vereinbar. § 5 Abs. 2 Satz 3 [X.] stellt eine Bes[X.]hränkung des unionsre[X.]htli[X.]hen Freizügigkeitsre[X.]hts dar (a), die na[X.]h unionsre[X.]htli[X.]hen Maßstäben ni[X.]ht gere[X.]htfertigt ist (b). Einer Vorabents[X.]heidung dur[X.]h den Geri[X.]htshof der [X.] na[X.]h Art. 267 [X.] bedarf es ni[X.]ht ([X.]). Der Vorrang des Unionsre[X.]hts führt dazu, dass die Vors[X.]hrift ni[X.]ht anzuwenden ist (d).

a) Die Mindestaufenthaltsdauer des § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] bes[X.]hränkt das unionsre[X.]htli[X.]he Re[X.]ht auf Freizügigkeit na[X.]h Art. 20 Abs. 2 Bu[X.]hst. a, Art. 21 Abs. 1 [X.]. Na[X.]h diesen Bestimmungen hat jeder Unionsbürger und damit au[X.]h jeder deuts[X.]he Staatsangehörige das Re[X.]ht, si[X.]h im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltli[X.]h der in den Verträgen und in den Dur[X.]hführungsvors[X.]hriften vorgesehenen Bes[X.]hränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Auf dieses Re[X.]ht kann si[X.]h ein Unionsbürger au[X.]h gegenüber seinem Herkunftsmitgliedstaat berufen. Die Mitgliedstaaten sind zwar na[X.]h Art. 165 Abs. 1 [X.] für die Lehrinhalte und die Gestaltung ihrer jeweiligen Bildungssysteme zuständig. Sie müssen aber diese Zuständigkeit unter Bea[X.]htung des Unionsre[X.]hts ausüben, und zwar insbesondere unter Bea[X.]htung des unionsre[X.]htli[X.]hen Freizügigkeitsre[X.]hts na[X.]h Art. 20 Abs. 2 Bu[X.]hst. a, Art. 21 Abs. 1 [X.].

Eine Bes[X.]hränkung dieses Re[X.]hts stellt es dar, wenn eine nationale Regelung eines Ausbildungsförderungssystems bestimmte eigene Staatsangehörige allein deswegen bena[X.]hteiligt, weil sie von ihrer Freiheit, si[X.]h in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben sowie si[X.]h dort frei zu bewegen und aufzuhalten, Gebrau[X.]h ma[X.]hen. Die von Art. 20 Abs. 2 Bu[X.]hst. a, Art. 21 Abs. 1 [X.] auf dem Gebiet der Freizügigkeit den Unionsbürgern gewährten Erlei[X.]hterungen könnten nämli[X.]h ni[X.]ht ihre volle Wirkung entfalten, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats von ihrer Wahrnehmung dur[X.]h Hindernisse abgehalten werden könnte, die seinem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat infolge einer Regelung seines Herkunftsstaats entgegenstehen, die ihn allein deshalb ungünstiger stellt, weil er von diesen Erlei[X.]hterungen Gebrau[X.]h gema[X.]ht hat. Dies gilt angesi[X.]hts des mit Art. 165 Abs. 2 Spiegelstri[X.]h 2 [X.] verfolgten Ziels, die Mobilität von Lernenden und Lehrenden zu fördern, besonders im Berei[X.]h der Bildung. Ein Mitgliedstaat hat daher, wenn er ein Ausbildungsförderungssystem vorsieht, wona[X.]h Auszubildende bei einer Ausbildung in einem anderen Mitgliedstaat eine Ausbildungsförderung in Anspru[X.]h nehmen können, dafür Sorge zu tragen, dass die Modalitäten der Bewilligung dieser Förderung das Re[X.]ht, si[X.]h im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ni[X.]ht ungere[X.]htfertigt bes[X.]hränken (vgl. [X.], Urteil vom 23. Oktober 2007 - [X.]/06 und [X.]/06 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] und [X.] - Rn. 22 und 24 - 28 m.w.[X.]; [X.], Urteil vom 16. Mai 2013 - 5 C 22.12 - [X.]E 146, 294 Rn. 13 m.w.[X.]).

Na[X.]h Maßgabe dieser unionsre[X.]htli[X.]hen Vorgaben liegt in der Förderungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] eine Bes[X.]hränkung des unionsre[X.]htli[X.]hen Freizügigkeitsre[X.]hts. [X.] eine Regelung die Gewährung einer Ausbildungsförderung im Ausland wie hier an die Voraussetzung der Einhaltung einer Mindestausbildungszeit, stellt dies eine Bes[X.]hränkung im Sinne von Art. 21 [X.] dar, wenn einem Antragsteller unter den glei[X.]hen persönli[X.]hen Voraussetzungen für eine verglei[X.]hbare Ausbildung in Deuts[X.]hland Ausbildungsförderung gewährt würde, was hier - wie die Vertreter der Beklagten in der mündli[X.]hen Verhandlung vor dem Senat bestätigt haben - der Fall ist. Eine sol[X.]he Voraussetzung ist geeignet, Unionsbürger wie den Kläger von der Ausübung der Freiheit, si[X.]h in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, abzuhalten, weil er die Ausbildungsförderung zwar für eine verglei[X.]hbare Ausbildung im Inland erhalten würde, für eine Ausbildung in einem Mitgliedstaat der [X.] aber nur, wenn für jede besu[X.]hte Ausbildungsstätte die Mindestausbildungszeit erfüllt ist. Die mit der Mindestaufenthaltsdauer verbundenen bes[X.]hränkenden Wirkungen sind au[X.]h ni[X.]ht so ungewiss oder unbedeutend, dass sie deshalb keine Bes[X.]hränkung der Freizügigkeit und des Re[X.]hts auf Aufenthalt darstellen würden (vgl. [X.], Urteil vom 24. Oktober 2013 - [X.]/12 [[X.]:[X.]:[X.]], Elri[X.]k - Rn. 28 - 29).

b) Die Bes[X.]hränkung des unionsre[X.]htli[X.]hen Freizügigkeitsre[X.]hts dur[X.]h das Erfordernis einer Mindestausbildungszeit gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] ist ni[X.]ht gere[X.]htfertigt. Hierfür ist na[X.]h Unionsre[X.]ht erforderli[X.]h, dass die Bes[X.]hränkung der Freizügigkeit auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen des Allgemeininteresses beruht und in angemessenem Verhältnis zu dem mit dem nationalen Re[X.]ht legitimerweise verfolgten Zwe[X.]k steht. Das verlangt, dass die Bes[X.]hränkung der Freizügigkeit zur Errei[X.]hung des na[X.]h Unionsre[X.]ht zulässigen ("legitimen") Ziels geeignet ist und ni[X.]ht über das hinausgeht, was dazu notwendig ist (vgl. [X.], Urteile vom 23. Oktober 2007 - [X.]/06 und [X.]/06 - Rn. 33 und vom 24. Oktober 2013 - [X.]/12 - Rn. 30 m.w.[X.]). Dies hat das Oberverwaltungsgeri[X.]ht zu Re[X.]ht verneint.

aa) Soweit der Gesetzgeber mit der [X.] gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] ausweisli[X.]h der Gesetzesmaterialien gewährleistet wissen wollte, dass der Auszubildende Spra[X.]he, Land und Leute des Aufenthaltsstaates kennenlernen kann ([X.]. 11/5961 S. 19), knüpft er die Ausbildungsförderung an einen über die eigentli[X.]he Ausbildung hinausgehenden Nutzen. Ein sol[X.]her Mehrwert der Ausbildung im Ausland im Verglei[X.]h zu einer Inlandsausbildung ist kein legitimer Zwe[X.]k im Sinne des Unionsre[X.]hts, sondern eine ni[X.]ht gere[X.]htfertigte Diskriminierung. Das nationale Re[X.]ht ma[X.]ht damit die Ausbildungsförderung für einen grenzübers[X.]hreitenden Vorgang von höheren Anforderungen abhängig als einen rein inländis[X.]hen Vorgang und behandelt jenen damit notwendig s[X.]hle[X.]hter als diesen, wofür hinrei[X.]hende Gründe des Allgemeinwohls ni[X.]ht erkennbar sind (vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 2013 - 5 C 22.12 - [X.]E 146, 294 Rn. 21 f.)

bb) Ebenso wenig ist die Bes[X.]hränkung des Freizügigkeitsre[X.]hts im Hinbli[X.]k auf den weiteren Zwe[X.]k der Mindestausbildungszeit gere[X.]htfertigt, zu gewährleisten, dass innerhalb der an der ausländis[X.]hen Ausbildungsstätte übli[X.]hen Ausbildungsperiode eine sinnvolle Teilausbildung betrieben werden kann ([X.]. 14/4731 S. 31). Die Si[X.]herung der Qualität der Ausbildung stellt zwar ein legitimes Ziel im Sinne des Unionsre[X.]hts dar. Das Erfordernis einer Mindestausbildungszeit im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] steht aber ohne Berü[X.]ksi[X.]htigung von Art und Inhalt der Ausbildung offensi[X.]htli[X.]h in keinem Zusammenhang mit dem Niveau der gewählten Ausbildung, wenn eine in Deuts[X.]hland absolvierte Ausbildung gefördert wird, obwohl sie das Erfordernis einer Mindestausbildungszeit ni[X.]ht erfüllt. Es ist daher mangels Kohärenz im unionsre[X.]htli[X.]hen Sinne s[X.]hon ni[X.]ht geeignet, die Qualität der Ausbildung zu gewährleisten (vgl. [X.], Urteil vom 24. Oktober 2013 - [X.]/12 - Rn. 32 f.).

[X.]) Der Senat kann ohne Anrufung des Geri[X.]htshofs der [X.] ents[X.]heiden, dass das unionsre[X.]htli[X.]he Freizügigkeitsre[X.]ht der Anwendung des nationalen Re[X.]hts entgegensteht. Der unionsre[X.]htli[X.]he Maßstab für die Annahme einer Bes[X.]hränkung des Freizügigkeitsre[X.]hts na[X.]h Art. 20 Abs. 2 Bu[X.]hst. a, Art. 21 Abs. 1 [X.] und deren Re[X.]htfertigung lässt si[X.]h gerade au[X.]h in Bezug auf nationale Regelungen der Ausbildungsförderung - wie dargelegt - bereits aus der bisherigen Re[X.]htspre[X.]hung des Geri[X.]htshofs der [X.] klar und eindeutig ("a[X.]te [X.]lair") entnehmen, sodass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - [X.]/81 [[X.]:[X.]:C:1982:335], [X.] u.a. - Rn. 16 und 21). Die davon zu unters[X.]heidende Frage, ob die nationale Vors[X.]hrift des § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] und ihre Anwendungspraxis tatsä[X.]hli[X.]h den Zielen, die sie re[X.]htfertigen könnten, entspri[X.]ht und ob die damit verbundene Bes[X.]hränkung der unionsre[X.]htli[X.]hen Freizügigkeit ni[X.]ht im Hinbli[X.]k auf diese Ziele unverhältnismäßig ist, ist vom nationalen Geri[X.]ht zu beantworten (stRspr des [X.], vgl. z.B. Urteil vom 3. Juni 2010 - [X.]/08 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] - Rn. 22 m.w.[X.]; s.a. [X.], Urteile vom 26. Oktober 1995 - 2 C 18.94 - [X.] 232 § 80b BBG Nr. 2, vom 24. November 2010 - 8 C 15.09 - [X.] 2011, 307 und vom 16. Mai 2013 - 5 C 22.12 - [X.]E 146, 294 Rn. 27 f.).

d) Die Unvereinbarkeit des nationalen Re[X.]hts mit Art. 20 Abs. 2 Bu[X.]hst. a, Art. 21 Abs. 1 [X.] führt mangels einer mögli[X.]hen unionsre[X.]htskonformen Auslegung zu einem Anwendungsverbot des § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.], soweit es si[X.]h um die Förderung des Besu[X.]hs einer Ausbildungsstätte in einem Mitgliedstaat der [X.] handelt. Eine unionsre[X.]htskonforme Auslegung findet ihre Grenze in dem Wortlaut der jeweiligen Vors[X.]hrift und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers (vgl. [X.], Urteil vom 25. November 2004 - 2 C 49.03 - [X.]E 122, 244 <249>). Wie oben unter 1. dargelegt, setzt die Bewilligung von Ausbildungsförderung na[X.]h dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 [X.] und dem si[X.]h aus der Systematik und der Gesetzesbegründung ergebenden Willen des Gesetzgebers stets voraus, dass die einzelne im Ausland gelegene Ausbildungsstätte mindestens ein Semester oder se[X.]hs Monate besu[X.]ht wird. Na[X.]h der ständigen Re[X.]htspre[X.]hung des Geri[X.]htshofs der [X.] ist das nationale Geri[X.]ht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsre[X.]hts anzuwenden hat, gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderli[X.]henfalls jede - au[X.]h spätere - entgegenstehende Bestimmung des nationalen Re[X.]hts aus eigener Ents[X.]heidungsbefugnis unangewandt lässt (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2013 - [X.]/10 [[X.]:[X.]:C:2013:105], [X.]/[X.] - NVwZ 2013, 561 m.w.[X.]; [X.], Urteil vom 16. Mai 2013 - 5 C 22.12 - [X.]E 146, 294 Rn. 27 ff.).

3. Die Kostenents[X.]heidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Ents[X.]heidung zur Geri[X.]htskostenfreiheit folgt aus § 188 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO.

Meta

5 C 8/18

17.07.2019

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 28. August 2017, Az: 1 KO 643/14, Urteil

§ 5 Abs 2 S 3 BAföG, § 5 Abs 2 S 1 Nr 3 BAföG, Art 20 Abs 2 Buchst a AEUV, Art 21 Abs 1 AEUV, Art 267 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.07.2019, Az. 5 C 8/18 (REWIS RS 2019, 5352)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5352

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