Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.05.2015, Az. 5 C 4/14

5. Senat | REWIS RS 2015, 10475

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Gegenstand

Anrechnung vorangegangener berufsbildender Ausbildungen auf den zeitlichen Mindestumfang von drei Schul- oder Studienjahren


Leitsatz

Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG auf den Mindestumfang von drei Schul- oder Studienjahren anzurechnenden vorangegangenen Ausbildungen die abstrakten Voraussetzungen erfüllen, die an eine nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähige Ausbildung zu stellen sind.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Ausbildungsförderung für eine einjährige Ausbildung zum staatlich geprüften Holzgestalter an einer Fachschule.

2

Der 1983 geborene Kläger erwarb im August 2000 an der Realschule den erweiterten Sekundarabschluss [X.] Anschließend leistete er an einer berufsbildenden Schule ein Berufsgrundbildungsjahr in der Fachrichtung Holztechnik ab. Im August 2001 begann er eine dreijährige Ausbildung zum [X.]. Nach Ablegung der Gesellenprüfung im Juli 2003 war er vier Jahre lang in seinem Beruf tätig. Ab August 2007 besuchte er eine Fachschule für Holztechnik und Gestaltung, an der er zunächst eine zweijährige Ausbildung zum staatlich geprüften Holztechniker machte, die er im Juni 2009 erfolgreich abschloss. Von August 2009 bis Juni 2010 absolvierte er eine einjährige Ausbildung zum staatlich geprüften Holzgestalter.

3

Den Antrag des [X.], ihm für die letztgenannte Ausbildung Ausbildungsförderung nach dem [X.] zu bewilligen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. November 2009 ab. Der [X.] für eine berufsbildende Erstausbildung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] sei ausgeschöpft. Nach dieser Vorschrift werde Ausbildungsförderung für zumindest drei Schul- oder Studienjahre berufsbildender Ausbildung im Sinne der §§ 2 und 3 [X.] bis zu einem daran anschließenden berufsqualifizierenden Abschluss geleistet. Bei der Berechnung der dreijährigen Mindestförderungsdauer sei neben der zweijährigen Ausbildung zum Holztechniker auch das Berufsgrundbildungsjahr des [X.] in Ansatz zu bringen.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung des [X.] stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die beantragte Ausbildungsförderung zu gewähren. Bei dem zeitlichen Mindestumfang im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] seien nur Ausbildungen zu berücksichtigen, die nach den materiellen Regelungen der §§ 2 und 3 [X.] grundsätzlich förderungsfähig seien. Im Falle des Besuchs einer Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] sei die grundsätzliche Förderungsfähigkeit nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a [X.] zu bejahen. Diese seien bezüglich des [X.] nicht erfüllt. Zwar handele es sich bei der Berufsbildenden Schule um eine Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]. Jedoch habe der Kläger während des Besuchs dieser Schule noch bei seinen Eltern gewohnt.

5

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] und vertieft insoweit ihr bisheriges Vorbringen.

6

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

7

Der Vertreter des [X.] beim [X.] teilt in Übereinstimmung mit dem [X.] die Rechtsauffassung der Beklagten.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Annahme des [X.], der Kläger könne für die im Schuljahr 2009/2010 an einer Fachschule für Holztechnik und Gestaltung absolvierte Ausbildung zum staatlich geprüften Holzgestalter nach § 7 Abs. 1 Satz 1 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung ([X.] - [X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 ([X.], 1680), für den hier maßgeblichen [X.]raum zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2007 ([X.] I S. 3254) - [X.] 2007 - dem Grunde nach Ausbildungsförderung beanspruchen, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

9

1. Nach dieser Vorschrift wird Ausbildungsförderung - soweit hier erheblich - zumindest für drei Schul- oder Studienjahre berufsbildender Ausbildung im Sinne der §§ 2 und 3 [X.] 2007 bis zu einem daran anschließenden berufsqualifizierenden Abschluss geleistet. Der so umschriebene Grundanspruch auf Förderung einer Erstausbildung kann zwar die Förderung von mehr als einer berufsbildenden Ausbildung umfassen. Das setzt aber voraus, dass die zuerst aufgenommene Ausbildung den zeitlichen Mindestumfang für die berufsbildende Ausbildung von drei Schul- oder Studienjahren noch nicht voll ausgeschöpft hat (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Februar 1992 - 5 B 11.92 - [X.] 436.36 § 7 [X.] Nr. 102 S. 138 f. m.w.[X.]). Die insoweit zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob eine berufsbildende Ausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] 2007 unabhängig vom Vorliegen der personenbezogenen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] 2007 auf den zeitlichen Mindestumfang anzurechnen ist, ist - entgegen der Ansicht des [X.] - zu bejahen. Der Begriff der berufsbildenden Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2007 bezieht sich allein auf die gesetzlichen Merkmale, die eine nach dem [X.] förderungsfähige Ausbildung abstrakt aufweisen muss. Für ein derartiges Normverständnis sprechen die grammatikalische (a), die systematische (b) und die teleologische (c) Auslegung. Die historisch-genetische Betrachtung rechtfertigt keinen anderen Befund (d). Das Auslegungsergebnis wird durch verfassungsrechtliche Erwägungen bekräftigt (e). In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben war der Anspruch des [X.] nach § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2007 bei Beginn der hier im Streit stehenden Ausbildung zum staatlich geprüften Holzgestalter verbraucht (f). Abgesehen davon ist zwischen den Beteiligten - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - zu Recht nicht streitig, dass diese Ausbildung auch nicht als eine weitere Ausbildung nach § 7 Abs. 2 [X.] 2007 oder als eine andere Ausbildung nach § 7 Abs. 3 [X.] 2007 zu fördern war.

a) Der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2007 und der dadurch hergestellte systematische Zusammenhang zu den §§ 2 und 3 [X.] 2007 weisen deutlich in die Richtung, dass für eine berufsbildende Ausbildung im Sinne dieser Vorschrift das Vorliegen der abstrakten Förderungsvoraussetzungen erforderlich, aber auch ausreichend ist.

Mit der Formulierung "berufsbildender Ausbildung im Sinne der §§ 2 und 3" nimmt § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2007 beschränkt auf den in den §§ 2 und 3 [X.] 2007 verwandten Begriff der Ausbildung Bezug. Soweit sich die Verweisung auf § 2 [X.] 2007 erstreckt, nimmt sie Bezug auf den in dieser Bestimmung verwendeten Begriff der Ausbildung. Dieser findet sich in § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 [X.] 2007 und steht im Zusammenhang mit den in § 2 [X.] 2007 aufgeführten Ausbildungsstätten, für deren Besuch Ausbildungsförderung geleistet wird. Mithin ist der in Bezug genommene Ausbildungsbegriff in der Weise ausbildungsstättenbezogen, dass insoweit die abstrakten, d.h. von den konkreten Voraussetzungen des Auszubildenden losgelösten gesetzlichen Voraussetzungen der [X.] vorliegen müssen (vgl. [X.], Urteil vom 14. Dezember 1994 - 11 C 28.93 - [X.] 436.36 § 7 [X.] Nr. 112 S. 14 m.w.[X.]). Eine Ausbildung im Sinne des § 2 [X.] 2007 ist gegeben, wenn die betreffende Ausbildung oder die Teilnahme an einem Praktikum (vgl. § 2 Abs. 4 [X.] 2007) einer der in Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 der Vorschrift aufgelisteten, in Abs. 2 der Vorschrift bezeichneten oder nach Abs. 3 der Vorschrift bestimmten Ausbildungsstätten zugeordnet werden kann. Maßgebend für die Zuordnung sind Art und Inhalt der Ausbildung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2007). Dass die Ausbildungsstätte den zentralen Bezugspunkt für den Begriff der Ausbildung im Sinne des § 2 [X.] 2007 bildet, unterstreicht auch dessen Überschrift ("Ausbildungsstätten"). Um eine Ausbildung im Sinne des § 3 [X.] 2007 handelt es sich bei der Teilnahme an einem Fernunterrichtslehrgang, soweit er unter denselben Zugangsvoraussetzungen auf denselben Abschluss vorbereitet wie die in § 2 Abs. 1 [X.] 2007 bezeichneten oder nach § 2 Abs. 3 [X.] 2007 bestimmten Ausbildungsstätten. Die Anknüpfung des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2007 an den ausbildungsstättenbezogenen Ausbildungsbegriff des § 2 [X.] 2007 legt es nahe, dass für die berufsbildende Ausbildung in § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2007 lediglich die gesetzlichen Merkmale des § 2 [X.] 2007 begriffsbestimmend sind, die auf die Ausbildungsstätte bezogene abstrakte [X.] der Ausbildung beschreiben (vgl. so schon [X.], Urteile vom 6. Dezember 1984 - 5 C 125.81 - [X.] 436.36 § 7 [X.] Nr. 47 S. 113 f. und vom 14. Dezember 1994 - 11 C 28.93 - [X.] 436.36 § 7 [X.] Nr. 112 S. 14 m.w.[X.]). Auf konkrete personenbezogene Merkmale wie die des § 2 Abs. 1a [X.] 2007 kommt es demnach nicht an.

b) Dies wird durch weitere systematische Erwägungen bestätigt.

Im Hinblick auf die Binnensystematik des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2007 ist zu berücksichtigen, dass auch bei dem geforderten berufsqualifizierenden Abschluss allein auf die objektiven Gegebenheiten abzustellen ist. Ein berufsqualifizierender Abschluss ist dann gegeben, wenn der Auszubildende bei objektiver Betrachtung in dem von ihm durchlaufenen Ausbildungsgang einen Ausbildungsstand erreicht hat, der ihm die Aufnahme eines Berufs ermöglicht. Die subjektiven Vorstellungen des Auszubildenden sind für den berufsqualifizierenden Abschluss ohne Bedeutung (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 15. Mai 2008 - 5 C 18.07 - [X.] 436.36 § 7 [X.] Nr. 124 Rn. 12 m.w.[X.]). Des Weiteren fügt sich die Bindung an die abstrakten Förderungsvoraussetzungen in den Regelungsgehalt der Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 2 und 3 [X.] 2007 ein. Die dort formulierten Anforderungen für die Förderung einer weiteren oder einer anderen Ausbildung sind ausschließlich abstrakter Natur.

Entsprechendes gilt für die in § 5 Abs. 4 Satz 1 [X.] 2007 angeordnete Gleichwertigkeitsprüfung in Bezug auf die Förderung einer Ausbildung im Ausland. Ob der Besuch einer ausländischen Ausbildungsstätte gegenüber dem der inländischen gleichwertig ist, ist anhand einer institutionellen Betrachtung zu beurteilen. Bezugspunkt und Vergleichsmaßstab für die Gleichwertigkeitsprüfung ist die Ausbildungsstätte, d.h. die durch ihren Besuch gewährleistete Ausbildung im Allgemeinen. Dementsprechend ist Gleichwertigkeit anzunehmen, wenn die Ausbildung an der ausländischen Ausbildungsstätte nach Zugangsvoraussetzungen, Art und Inhalt der Ausbildung sowie nach dem vermittelten Ausbildungsabschluss der Ausbildung gleichkommt, welche die für den Vergleich heranzuziehende Ausbildungsstätte im Geltungsbereich des Gesetzes vermittelt. Auf eine etwaige Förderlichkeit der Ausbildung im Einzelfall kommt es nicht an (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 2012 - 5 C 14.11 - [X.]E 143, 314 Rn. 22 f. m.w.[X.]).

c) Dieses Auslegungsergebnis entspricht dem Zweck der Vorschrift.

§ 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2007, der die Leistung von Ausbildungsförderung für eine erste berufsbildende Ausbildung bis zu deren berufsqualifizierenden Abschluss vorsieht, bringt den Zweck des Gesetzes zum Ausdruck, durch Ausbildungsförderung jedem den Erwerb einer seiner Neigung, Eignung und Leistung entsprechenden beruflichen Qualifikation wirtschaftlich zu ermöglichen (vgl. [X.], Urteil vom 24. September 1981 - 5 C 84.79 - [X.]E 64, 124 <126>). Ziel dieser Regelung ist es dabei nicht, jedem Auszubildenden für eine von ihm und seiner Familie nicht selbst finanzierbare Ausbildung Förderungsmittel zu gewähren, sondern lediglich sicherzustellen, dass jeder Auszubildende eine Ausbildung im Sinne des Gesetzes durchführen kann (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl. 2014, § 7 Rn. 7). Zur Verwirklichung dieses Ziels und zur Durchsetzung des in § 1 [X.] 2007 verankerten Nachrangs der staatlichen Ausbildungsförderung erweist es sich als notwendig, aber auch ausreichend, dass die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2007 auf den Mindestumfang von drei Schul- oder Studienjahren anzurechnenden, in der Vergangenheit durchgeführten berufsbildenden Ausbildungen die abstrakten Voraussetzungen erfüllen, die an eine nach dem [X.] förderungsfähige Ausbildung zu stellen sind. Dabei ist ohne Bedeutung, ob diese Ausbildung ganz oder teilweise aus eigenen Mitteln finanziert werden konnte, der Auszubildende für sie staatliche Förderungsleistungen hätte erhalten können, weil alle, insbesondere auch die persönlichen bzw. personenbezogenen Förderungsvoraussetzungen vorgelegen haben, oder tatsächlich Ausbildungsförderung geleistet worden ist.

d) Aus der Entstehungsgeschichte ergeben sich keine durchgreifenden Argumente für die Auslegung, dass eine berufsbildende Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2007 auch den Anforderungen des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] 2007 genügen muss. Die historisch-genetische Auslegung erweist sich im Ergebnis vielmehr als indifferent.

Die zuletzt genannte Vorschrift wurde durch das 12. [X.]-Änderungsgesetz vom 22. Mai 1990 ([X.] I S. 936) eingefügt, um die zuvor in verschiedenen Vorschriften, konkret in § 2 Abs. 1, § 10 Abs. 1 und 2, § 12 Abs. 2 und 3 und § 68 Abs. 2 [X.], enthaltenen Teilregelungen über die [X.] einer Ausbildung aus Gründen der Vereinfachung und besseren Übersichtlichkeit des Gesetzes in § 2 Abs. 1 und 1 a zusammenzufassen (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf, [X.]. 11/5961 S. 18). Bis dahin war die hier streitgegenständliche Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] 2007 inhaltsgleich in § 68 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 [X.] zuletzt in der Fassung vom 21. Juni 1988 ([X.] I S. 829) enthalten, die in § 7 Abs. 1 [X.] zu keinem [X.]punkt in Bezug genommen wurde. Der Umstand, dass mit der Einfügung des Abs. 1a keine Änderung des Begriffs der Ausbildung im Sinne des § 2 [X.], auf den § 7 Abs. 1 [X.] in dieser Allgemeinheit auch in der bis zum Inkrafttreten des 12. [X.]-Änderungsgesetzes geltenden Fassung verwies, bezweckt war, könnte zwar den Schluss zulassen, dass eine berufsbildende Ausbildung an einer Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] auf den zeitlichen Mindestumfang des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] anzurechnen ist. Dies wird aber dadurch abgeschwächt, dass die von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] erfassten Ausbildungsstätten bis zum Inkrafttreten des 12. [X.]-Änderungsgesetzes ausschließlich in § 68 Abs. 2 Nr. 1 [X.] aufgeführt, die übrigen in § 2 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 [X.] enumerativ aufgelisteten Ausbildungsstätten hingegen schon vor dem Inkrafttreten des 12. [X.]-Änderungsgesetzes nicht nur in § 68 Abs. 2 [X.], sondern auch in § 2 [X.] genannt wurden.

e) Das Auslegungsergebnis wird auch dadurch bestätigt, dass beim Abstellen auf die personenbezogenen Förderungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1a [X.] 2007 erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestünden.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, stellt es aber dem Normgeber frei, aufgrund autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Je nach Regelungsgegenstand und [X.] ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an [X.] reichen können (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13. März 2007 - 1 [X.] - [X.]E 118, 79 <100> und vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - [X.]E 129, 49 <68> m.w.[X.]). Wird durch eine gesetzliche Norm eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, so ist zu prüfen, ob zwischen beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Ist dies nicht der Fall, verletzt die Norm den allgemeinen Gleichheitssatz. Zur Begründung einer Ungleichbehandlung von Personengruppen reicht es nicht aus, dass der Normgeber ein seiner Art nach geeignetes Unterscheidungsmerkmal berücksichtigt hat. Vielmehr muss auch für das Maß der Differenzierung ein innerer Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung bestehen, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht anführen lässt (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07 - [X.]E 124, 199 <219 f.>).

Gemessen daran wäre es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren, wenn eine vorangegangene berufsbildende Ausbildung an einer Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] 2007 von der Anrechnung auf den zeitlichen Mindestumfang des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2007 ausgenommen würde, weil die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] 2007 nicht vorgelegen haben. Soweit diese Vorschrift die Leistungsgewährung davon abhängig macht, dass der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt, stellt dies eine personenbezogene Förderungsvoraussetzung dar. Denn es wird auf die konkreten Verhältnisse des Auszubildenden abgestellt, die als solche die Ausbildung an der genannten Ausbildungsstätte nicht mitprägen (vgl. [X.], Urteil vom 14. Dezember 1994 - 11 C 28.93 - [X.] 436.36 § 7 [X.] Nr. 112 S. 15). Es fehlt an einer hinreichenden, den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügenden Rechtfertigung dafür, Auszubildende, die eine solche Ausbildungsstätte am Wohnort ihrer Eltern besuchen konnten, in Bezug auf den Grundanspruch auf Förderung einer Erstausbildung anders zu behandeln als Auszubildende, die auf eine auswärtige Unterbringung angewiesen waren, um ihren Wunsch zur Erlangung einer ihrer Neigung, Eignung und Leistung entsprechenden Ausbildung verwirklichen zu können. Mit Blick auf die Zielsetzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2007, durch Ausbildungsförderung jedem den Erwerb einer (ersten) beruflichen Qualifikation wirtschaftlich zu ermöglichen, bildet die Lage der elterlichen Wohnung zu einer Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] 2007 kein geeignetes sachliches Kriterium, um zu bestimmen, ob der Auszubildende den Grundanspruch auf Förderung einer Erstausbildung in der Vergangenheit ausgeschöpft hat. Die tatsächlichen Wohnverhältnisse des Auszubildenden sind für die insoweit erforderliche Zuordnung einer Ausbildung zu einer Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] 2007 ohne Belang, weil sie weder Art noch Inhalt der Ausbildung berühren. Dass sie ein geeignetes Kriterium sind, um die Gewährung von Ausbildungsförderung für den Besuch einer der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] 2007 genannten Ausbildungsstätten dem Willen des Gesetzgebers entsprechend einzuschränken, ändert daran nichts. Die Zielsetzung des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] 2007 ist mit der des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2007 nicht identisch. § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] 2007 soll die unterschiedliche Unterhaltsbelastung ausgleichen, die darauf zurückzuführen ist, dass Auszubildende der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] 2007 genannten Arten von Ausbildungsstätten, die aufgrund ihres im [X.] im Regelfall noch bei ihren Eltern wohnen, ausnahmsweise nicht bei ihren Eltern leben können, weil von deren Wohnung aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist. Denn in diesen Fällen haben die Eltern wegen der notwendigen auswärtigen Unterbringung besonders hohe Ausbildungskosten zu tragen (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf, [X.]. 11/5961 S. 15; s.a. [X.], Urteil vom 27. Mai 1999 - 5 C 23.98 - [X.] 436.36 § 2 [X.] Nr. 26 S. 4). Die Unterhaltsbelastung der Eltern in der Vergangenheit spielt aber für die Frage, ob der Auszubildende eine im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2007 erste berufsbildende Ausbildung absolviert hat, keine Rolle.

f) Unter Zugrundelegung des aufgezeigten Inhalts des Merkmals der "berufsbildenden Ausbildung" im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2007 ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Anspruch auf Ausbildungsförderung nach dieser Bestimmung bei Beginn der Ausbildung zum staatlich geprüften Holzgestalter verbraucht war. Bei der Berechnung des [X.] von drei Schul- oder Studienjahren muss sich der Kläger neben der zweijährigen Ausbildung zum staatlich geprüften Holztechniker, die er im Juni 2009 berufsqualifizierend abschloss, auch das im Schuljahr 2000/2001 ableistete [X.] anrechnen lassen. Die Beteiligten streiten zu Recht nicht darüber, dass es sich dabei um eine berufsbildende Ausbildung an einer Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] 2007 handelte. Rechtlich ohne Bedeutung ist, dass der Kläger in dieser [X.] - was ebenfalls unstreitig ist - noch bei seinen Eltern wohnte und damit die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] 2007 nicht erfüllte, da diese - wie aufgezeigt - personenbezogene Förderungsvoraussetzungen bezeichnen.

2. [X.] beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

Meta

5 C 4/14

28.05.2015

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend OVG Lüneburg, 16. Januar 2014, Az: 4 LC 41/12, Beschluss

§ 7 Abs 1 S 1 BAföG, § 7 Abs 2 BAföG, § 7 Abs 3 BAföG, § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 BAföG, § 2 Abs 1a S 1 Nr 1 BAföG, § 3 BAföG, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.05.2015, Az. 5 C 4/14 (REWIS RS 2015, 10475)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10475

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