Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2011, Az. IV ZB 24/09

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 9423

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[X.] BESCHLUSS IV ZB 24/09vom 16. Februar 2011 in dem Zwischenstreit betreffend Bestehen eines [X.]- 2 -

[X.] hat durch die [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] am 16. Februar 2011 beschlossen: Der Kläger trägt die Kosten des [X.]. [X.]: 2.000 •

Gründe: [X.] Die Parteien streiten über das Bestehen eines [X.]. 1 [X.] war Strafverteidigerin in einem ge-gen ihre Mandantin und deren Ehemann geführten Strafverfahren wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung. Im Rahmen der [X.] kam es zu einer Absprache über einen Täter-Opfer-Ausgleich und den Abschluss einer Schlichtungsvereinbarung zwischen Angeklag-ten und Geschädigtem, die die Voraussetzung für eine milde Bestrafung, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden konnte, schaffen sollte. Das Gericht machte insoweit deutlich, dass hierfür eine Zahlung von 10.000 • an den Geschädigten erforderlich sei. In einer [X.] auf dem [X.] Gespräche unter den Angehörigen der [X.] - 3 -

klagten über die Aufbringung des benötigten Betrages statt, bei denen auch die Verteidiger der Angeklagten zugegen waren. Diese endeten damit, dass der Vater und der Bruder des angeklagten Ehemannes je 5.000 • in bar zur Weiterleitung an den Geschädigten zur Verfügung stellten.
Im Ausgangsverfahren nimmt der Bruder des angeklagten [X.] die Mutter der angeklagten Ehefrau auf Rückzahlung der von ihm geleisteten 5.000 • mit der Behauptung in Anspruch, ihr den Betrag als Darlehen gewährt zu haben. Das Geld sei zur "Auslösung" ihrer Tochter bestimmt gewesen und sie habe zugesagt, ihm die 5.000 • um-gehend zurückzuzahlen. 3 Zum Beweis für diese Behauptung hat sich der Kläger unter ande-rem auf das Zeugnis der Rechtsbeschwerdeführerin berufen. Diese hat das Zeugnis unter Berufung auf § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO i.V.m. § 43a Abs. 2 [X.] verweigert, nachdem ihre Mandantin sie zunächst nicht von der Schweigepflicht entbunden hat. 4 Das Amtsgericht hat durch Zwischenurteil die Weigerung der Zeu-gin für unberechtigt erklärt. Das [X.] hat ihre hiergegen gerichte-te Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde hat die Zeu-gin ihre Weigerung weiterverfolgt. Im Laufe des Rechtsbeschwerdever-fahrens hat die frühere Angeklagte die Befreiung von der Schweigepflicht erteilt. Die Parteien des [X.] haben daraufhin diesen für erle-digt erklärt. 5 - 4 -

6 I[X.] Es entspricht billigem Ermessen i.S. von § 91a ZPO, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, weil die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ohne das erledigende Ereignis Erfolg gehabt hätte. 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: 7 Die Abmachungen zwischen den Angehörigen über eine eventuelle Erstattungspflicht zählten nicht zu den Tatsachen, die der Rechtsanwalt in Ausübung seiner Tätigkeit als Verteidiger erfahren habe. Sie seien so weit von der Verteidigung entfernt, dass sie dem Zu[X.] eines auf den Termin wartenden Rechtsanwalts gleichzustellen seien. Die [X.] bestehe nur im Interesse des Mandanten und [X.] durch diese begrenzt. Etwaige Interessen der damaligen Angeklag-ten, ihre Angehörigen von einer Inanspruchnahme wegen der zur Verfü-gung gestellten Beträge für die Schadenswiedergutmachung befreit zu sehen, seien im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung nicht [X.]. Deshalb bestehe hier keine Ausnahme von der grundsätzlich [X.]. 8 2. Das hätte rechtlicher Nachprüfung nicht standgehalten. Die an-gefochtene Entscheidung verkennt die Reichweite der in § 43a Abs. 2 [X.] und inhaltsgleich in § 2 der Berufsordnung für Rechtsanwälte ge-regelten Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts. 9 a) Unter die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 43a Abs. 2 [X.] fällt alles, was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist, ohne dass es darauf ankommt, von wem und auf welche Weise er sein Wissen erworben hat. Die Pflicht betrifft deshalb auch [X.] - 5 -

[X.], das im Rahmen beruflicher Tätigkeit erlangt worden ist (all-gem. M.; vgl. [X.]Prütting, [X.] 3. Aufl. § 43a Rn. 46, 48; [X.] in [X.]/Weyland, [X.] 7. Aufl. § 43a Rn. 16; [X.] in [X.]/[X.], Berufs- und Fachanwaltsordnung § 2 [X.] Rn. 16). Abzugrenzen hiervon ist, was dem Anwalt nur anlässlich seiner beruflichen Tätigkeit zur Kenntnis kommt, ohne dass ein innerer Zusam-menhang mit dem Mandat besteht, wie es z.B. bei solchem Wissen der Fall ist, das der Rechtsanwalt als wartender Zuhörer einer Gerichtsver-handlung erwirbt, die mit seinem Mandat nichts zu tun hat ([X.] aaO Rn. 50; [X.] aaO; [X.] aaO Rn. 17).
[X.] war jedoch nicht zufällige Zuhörerin der Unterredung auf dem [X.], sondern hat ihr ersichtlich in ihrer Eigenschaft als Verteidigerin ihrer Mandantin beigewohnt. Dafür war eine aktive Beteiligung an den Gesprächen nicht erforderlich. Es liegt ange-sichts ihrer Bedeutung für die mit einer Freiheitsstrafe bedrohte Ange-klagte, die den Gerichtssaal nicht verlassen durfte und deshalb an den Gesprächen nicht teilnehmen konnte, auf der Hand, dass die Anwesen-heit ihrer Verteidigerin in ihrem Interesse lag, um sie sachgerecht unter-richten und beraten und zumindest im Bedarfsfalle eingreifen zu können, damit die Schlichtungsvereinbarung zustande kommen konnte. Ob und wie das hierfür benötigte Geld aufgebracht werden konnte, berührte die Interessen der Angeklagten in hohem Maße. Nach alledem hat ihre Ver-teidigerin das Gespräch nicht als unbeteiligte Dritte verfolgt. 11 b) Von der somit eingreifenden Verschwiegenheitspflicht konnte die Zeugin daher nur durch ihre Mandantin befreit werden (§ 385 Abs. 2 ZPO). Diese ist "[X.]" (vgl. [X.], Urteil vom 30. November 1989 - [X.], [X.]Z 109, 260 unter [X.]) bezüglich 12 - 6 -

mandatsbezogener Tatsachen auch dann, wenn sie dem Anwalt von [X.] mitgeteilt worden sind ([X.] aaO Rn. 62).
Zwar ist es streitig, ob den Anwalt bezüglich solcher Tatsachen, die er von einem Dritten erfährt und an deren Geheimhaltung dieser ein Interesse hat, auch diesem gegenüber eine Verschwiegenheitspflicht treffen kann, die er zu beachten hat (bejahend [X.], 3656 f.; ablehnend [X.] aaO Rn. 49; [X.] aaO Rn. 22; Rüpke, NJW 2002, 2835 ff.). Dies ist jedoch unabhängig von der Verschwiegen-heitspflicht gegenüber dem Mandanten zu sehen. Deren Umfang richtet sich nicht danach, ob und welche Interessen der Dritte an einer Geheim-haltung hat. 13 c) Wird dem Anwalt - wie hier zunächst - durch den Mandanten Be-freiung von seiner Verschwiegenheitspflicht nicht erteilt, so hat er diese grundsätzlich zu beachten. Ausnahmen kommen nur aus Gründen des Gemeinwohls in Betracht, wenn es um die Bekämpfung schwerster Straf-taten oder die Erfüllung von Steuergesetzen geht (vgl. [X.] aaO 14 - 7 -

Rn. 14 m.w.N.). Dies kommt hier nicht in Betracht. Eine generelle Abwä-gung, ob schutzwürdige Interessen des Mandanten berührt sind, obliegt dem Anwalt dagegen nicht.
Dr. [X.][X.]

[X.]

[X.]

[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 4 C 596/08 - [X.], Entscheidung vom 17.07.2009 - 5 [X.]/09 -

Meta

IV ZB 24/09

16.02.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2011, Az. IV ZB 24/09 (REWIS RS 2011, 9423)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9423

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