Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2005, Az. 2 StR 421/04

2. Strafsenat | REWIS RS 2005, 5129

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[X.] vom 9. Februar 2005 in der Strafsache gegen

1. 2. 3.

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer

Menge u.a.
- 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 9. Februar 2005 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. April 2004 mit den Feststellungen aufge-hoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.
Gründe: Das [X.] hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 14 Fällen, beim Angeklagten [X.]in einem Fall davon in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäu-bungsmitteln in nicht geringer Menge, zu Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren (Sch. ), sieben Jahren ([X.]) sowie sechs Jahren und sechs Monaten ([X.]) verurteilt. Es hat bei jedem Angeklagten eine Summe von 1.300 Euro als Wertersatz für verfallen erklärt und bezüglich des Ange-klagten [X.] die sichergestellten 85,9 g Haschisch, die Verpackungsmate-rialien und die Rauchgeräte nebst Zubehör eingezogen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachrüge. Die Rechtsmittel haben mit einer überein-stimmend erhobenen Verfahrensrüge in vollem Umfang Erfolg; eines Einge-hens auf die Sachrüge bedarf es daher nicht. - 3 - Die von allen Angeklagten rechtzeitig (§ 222 b Abs. 1 Satz 1 StPO) er-hobene Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 1 lit. [X.]), mit der sie die Mitwirkung von zwei Hilfsschöffen anstelle der für den ordentlichen Sitzungstag vorgese-henen Hauptschöffen als fehlerhaft beanstanden, dringt durch. 1. Am 10. Dezember 2003 beraumte die Vorsitzende der [X.] die Hauptverhandlung als außerordentliche Sitzung auf Montag, den 29. Dezember 2003 mit mehreren Fortsetzungsterminen an. Dazu wurden die nächstberufenen Hilfsschöffen geladen. Den ordentlichen Sitzungstag der Kammer, der auf Montag, den 22. Dezember 2003, bestimmt war, ließ die [X.] unbesetzt. An diesem Tag fanden keine Sitzungen der [X.] statt. Den Beginn der Hauptverhandlung auf den 29. Dezember 2003 hatte die Vorsitzende deshalb bestimmt, weil sich nach Rücksprache mit den [X.] ein anderer Termin nicht festsetzen ließ, insbesondere auch nicht der 22. Dezember 2003. An der am 29. Dezember 2003 beginnenden Verhandlung wirkten die für eine außerordentliche Sitzung vorgesehenen Hilfsschöffen mit. Den von allen drei Revisionsführern rechtzeitig geltend gemachten Be-setzungseinwand wies die [X.] in der Hauptverhandlung mit der [X.] zurück, daß sich "gemäß Rücksprache mit den Verteidigern der ur-sprünglich sieben Angeklagten unter Berücksichtigung des Beschleunigungs-grundsatzes ein anderer Termin nicht festsetzen ließ." 2. Die Revisionsführer beanstanden angesichts des dargestellten [X.] im Ergebnis zu Recht, daß an der Hauptverhandlung Hilfsschöf-fen teilgenommen haben, deren Mitwirkung nach § 47 [X.] i.V.m. § 77 Abs. 1 [X.] für außerordentliche Sitzungen vorgesehen ist. Denn die am - 4 - 29. Dezember 2003 begonnene Hauptverhandlung stellt sich der Sache nach entgegen der Bezeichnung durch die Vorsitzende bei der [X.] nicht als außerordentliche, sondern als ordentliche Sitzung dar, deren Beginn lediglich nach hinten verlegt worden ist. An ihr hätten daher die für den ordent-lichen Sitzungstag am 22. Dezember 2003 ausgelosten Hauptschöffen [X.] müssen (§ 45 Abs. 1 und 2, § 77 Abs. 1 [X.]). Ihre Nichtmitwirkung hatte eine gesetzeswidrige Besetzung des Gerichts zur Folge. "Außerordentlich" im Sinne von § 47 [X.] sind Sitzungen nur dann, wenn sie wegen des zusätzlichen Bedarfs an Hauptverhandlungstagen anbe-raumt werden, weil eine sachgemäße Durchführung der zu terminierenden Hauptverhandlung an den ordentlichen Sitzungstagen nicht möglich ist; sie müssen also zusätzlich zu ordentlichen Sitzungen, nicht an ihrer Stelle ab-gehalten werden (st. Rspr. vgl. u.a. [X.], 54 ff.; 16, 63; 37, 324; 41, 175 f.; 43, 270 f.; [X.] 1980, 68; vgl. auch [X.] NStZ 1984, 231, mit [X.]. [X.]). Die Feststellung, ob ein Bedarf nach zusätzlicher Tagung besteht, ob-liegt zunächst dem Vorsitzenden der [X.], er bestimmt nach [X.] Ermessen, ob und wann eine außerordentliche Sitzung durchzuführen ist (vgl. u.a. [X.], 159 ff.; 37, 324, 325). Nach den gleichen Grundsätzen richtet sich die Entscheidung, wie die einzelnen zur Terminierung anstehenden Strafsachen auf die ordentlichen und die notwendig gewordenen außerordentlichen Sitzungen zu verteilen sind. Auch insoweit steht dem Vorsitzenden ein Ermessensspielraum zu. Er ist [X.] bei der Anberaumung von außerordentlichen Sitzungen nicht frei. Es wi-derspricht der gesetzlichen Intention schon begrifflich, wenn außerordentliche Sitzungen an die Stelle von ordentlichen Sitzungstagen treten und sie erset-- 5 - zen. Das ist der Fall, wenn für den ordentlichen Sitzungstag keine andere Sit-zung anberaumt ist, dieser Tag also ungenutzt bleibt (vgl. u.a. [X.], 324, 326; 41, 175 f.). Dem nicht gewollten Umstand, daß im fraglichen Sitzungszeit-raum die ordentlichen Sitzungstage ungenutzt und damit die gemäß § 45 [X.] berufenen Schöffen von der Mitwirkung ausgeschlossen bleiben, ist dadurch Rechnung zu tragen, daß der Beginn der ordentlichen Sitzung entsprechend verlegt wird. Gemessen an diesen Grundsätzen hält sich die Durchführung der Hauptverhandlung als außerordentliche Sitzung hier nicht mehr in den [X.] des der Vorsitzenden insoweit eingeräumten Ermessens. Im Hinblick auf die Terminwünsche der Verfahrensbeteiligten war es zwar sachgerecht, die Hauptverhandlung nicht am 22. Dezember 2003 beginnen zu lassen. Bei [X.] am 29. Dezember 2003 handelte es sich aber nicht um eine außerordent-liche, sondern der Sache nach um eine ordentliche Sitzung, deren Beginn le-diglich nach hinten verlegt worden war. Daß der Beginn am 29. Dezember 2003 auf Wunsch der Verfahrensbeteiligten erfolgte, führt nicht dazu, daß es sich um eine außerordentliche Sitzung handelt mit der Folge, daß die gemäß § 45 [X.] berufenen Schöffen von der Mitwirkung ausgeschlossen bleiben. Es bestand keine Notwendigkeit, eine zusätzliche Terminierung vorzunehmen, da der ordentliche Sitzungstag ungenutzt blieb. Sollte der 22. Dezember 2003 we-gen der Nähe zu den [X.] nicht genutzt worden sein, ändert auch das nichts daran, daß er als ordentlicher Sitzungstag vorgesehen war, für den Hauptschöffen ausgelost worden waren. Diesen Umständen konnte un-schwer dadurch Rechnung getragen werden, daß der Sitzungsbeginn vom 22. Dezember 2003 auf 29. Dezember 2003 verlegt wurde und die für den 22. [X.] 2003 ausgelosten Hauptschöffen mitwirkten. Soweit an einem anderen als dem ordentlichen Sitzungstag mit einer Hauptverhandlung begonnen wird - 6 - und der ordentliche Sitzungstag bei der Terminierung aus allgemeinen Grün-den der Zweckmäßigkeit vom Vorsitzenden freigehalten wird, hat der [X.] stets eine Verlegung des ordentlichen [X.] nach vorne oder hinten angenommen, so daß die für den ordentlichen Sitzungstag ausge-losten Schöffen und nicht etwa Hilfsschöffen nach § 47 [X.] heranzuziehen wären (vgl. [X.], 175, 177). Da der nächste ordentliche Sitzungstag der 5. Januar 2004 war und der 29. Dezember 2003 genau zwischen den beiden freien ordentlichen Sitzungs-tagen lag, bestimmt hier der frühere ordentliche Sitzungstag die Schöffenbe-setzung (vgl. [X.], 175, 180; 43, 270, 272). Der zutage liegende Besetzungsfehler kann nicht etwa deshalb hinge-nommen werden, weil die Vorsitzende offensichtlich nicht in der Absicht han-delte, die Angeklagten [X.] zu entziehen, sondern einem Rechtsirrtum erlegen ist. Denn der Fehler beruht auf einer angesichts der stän-digen Rechtsprechung des [X.] nicht mehr vertretbaren Ausle-gung des Verfahrensrechts (vgl. [X.] 1980, 68, 69; [X.], 324, 329). Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 1 lit. [X.] zwingt zur [X.]. 3. Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, daß in den [X.] und 2 der Urteilsgründe, in denen die Kammer ein "verbales" ([X.], 38, 43) - vollendetes - Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angenommen hat, bereits nach bisheriger Rechtsprechung hierfür nicht nur ernsthafte und verbindliche Gespräche (vgl. auch Senatsbeschlüsse NStZ-RR 2004, 183 und StraFo 2005, 42) Voraussetzung waren, sondern diese sich - 7 - auch auf einen konkret beabsichtigten Rauschgifttransport bezogen haben müssen (vgl. [X.], 602 ff.). - 8 - Gegebenenfalls wird in die Überlegungen einzubeziehen sein, ob es sich lediglich um einen Versuch handelte. Rissing-van Saan
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Rothfuß

Roggenbuck

Meta

2 StR 421/04

09.02.2005

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2005, Az. 2 StR 421/04 (REWIS RS 2005, 5129)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5129

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