Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2013, Az. 3 StR 162/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 871

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
3 StR
162/13
vom
22. November 2013
Nachschlagewerk:

ja -
nur zu [X.] der Gründe
[X.]St:

ja -
nur zu [X.] der Gründe
Veröffentlichung:

ja -
nur zu [X.] der Gründe

___________________________________

[X.] § 338 Nr. 1
[X.] § 54 Abs. 1

Bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages ist für die Entbindung des Haupt-schöffen von der Dienstleistung seine Verhinderung am tatsächlichen Sitzungstag, nicht diejenige an dem als ordentlichen Sitzungstag bestimmten Tag maßgeblich.

[X.], Urteil vom 22.
November 2013 -
3 [X.] -
LG [X.]

in der Strafsache
gegen

wegen Betruges u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung
vom 22.
August 2013
in der Sitzung am 22.
November 2013,
an denen
teilgenom-men haben:
[X.] am [X.]
Dr. [X.]

als Vorsitzender,

die [X.] am [X.]
Hubert,
[X.],
[X.],
[X.]in am [X.]
Dr. Spaniol

als beisitzende [X.],

Oberstaatsanwältin beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung am 22.
August 2013

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 19.
Dezember 2012 mit den [X.] zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) in den Fällen [X.]
9, 12 bis 14, 20, 21, 23, 24, 27 bis 30, 36, 39 und
43 der Urteilsgründe im Schuld-
und Strafausspruch,

b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und

c) in den Fällen [X.]
1 bis
31 sowie 33
bis 44 der Urteilsgründe, soweit das [X.] eine Entscheidung gemäß §
111i Abs.
2 [X.] unterlassen hat.
Im
Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurückver-wiesen.
2.
Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

-
4
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Inverkehrbringens von Falschgeld in 43
Fällen, davon in 28
Fällen in Tateinheit mit "gewerbsmäßigem"
Betrug sowie in 15
Fällen in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen"
Be-trug, und wegen versuchten Inverkehrbringens von Falschgeld in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen"
Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft [X.] mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und vom [X.] vertretenen Revision, dass der Angeklagte in den 15 Fällen des vollendeten Inverkehrbringens tateinheitlich lediglich wegen versuchten und nicht wegen vollendeten Betrugs verurteilt worden ist. Zudem rügt sie, dass ei-ne Entscheidung nach §
111i Abs. 2 [X.] unterblieben ist. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, die Revision des Angeklagten ist unbegrün-det.
Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte erhielt von einem Schuldner einen erheblichen Bargeld-betrag, unter dem sich neben echtem Geld auch Falschgeld mit einer sehr ho-hen Fälschungsqualität im Nennwert von 20.000

e-klagte dies erkannt hatte, wollte er den Schaden nicht hinnehmen und ent-schloss sich daher, das Falschgeld unter anderem bei Reisen nach [X.] sukzessive in Verkehr zu bringen. Dies tat er sodann in der [X.] vom 20.
November 2008 bis zum 25.
April 2012 in [X.], [X.] und [X.], indem er bei [X.] insgesamt 45
gefälschte 200-Euro-Scheine zur Bezahlung von Waren hingab, um dadurch diese und das Wechselgeld zu erhalten, was ihm in all diesen Fällen auch gelang. In einem weiteren Fall versuchte er dies.
1
2
3
-
5
-
A. Revision der Staatsanwaltschaft
I. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die [X.], die die Verurteilung wegen Inverkehrbringens von Falschgeld in 15
Fällen in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen"
Betrug betreffen, die Gesamt-strafe und die unterbliebene Feststellung nach §
111i Abs.
2 [X.] in den [X.] [X.]
1 bis
31 sowie 33
bis 44 der Urteilsgründe
beschränkt. Zwar ergibt sich dies nicht aus
dem Revisionsantrag. Allerdings folgt aus der Revisionsbegrün-dung, dass die Revisionsführerin das angefochtene Urteil nur hinsichtlich der genannten Punkte für rechtsfehlerhaft hält (vgl. zur entsprechenden Auslegung der Revision [X.], Urteil vom 15.
Mai 2013 -
1
StR 476/12, NStZ-RR
2013, 279, 280 [X.]).
[X.] Die Verurteilung des Angeklagten wegen -
tateinheitlich mit vollende-tem Inverkehrbringen von Falschgeld begangenen -
versuchten ("gewerbsmä-ßigen") Betruges in 15
Fällen hält der rechtlichen Nachprüfung
nicht stand. [X.] beruht die Annahme des [X.]s, die vom Angeklagten tateinheit-lich begangenen Betrugstaten seien lediglich versucht, auf einer unzureichen-den rechtlichen Prüfung und Würdigung der Feststellungen.
Das [X.] hat seine Annahme, in diesen 15
Fällen sei hinsichtlich des Betruges Vollendung nicht eingetreten, in zwei Fällen (Fälle
[X.]
12 und 36 der Urteilsgründe) darauf gestützt, dass sich die Kassierer keine bewussten Gedanken über die Echtheit des 200-Euro-Scheines gemacht hätten und des-halb "kein Irrtum eingetreten"
sei. In den übrigen 13 Fällen (Fälle
[X.]
9, 13, 14, 20, 21, 23, 24, 27 bis 30, 39 und 43) hat es diese Annahme damit begründet, dass die beteiligten Kassierer nicht oder überhaupt keine Zeugen dieser Taten ermittelt werden konnten und deshalb das Vorliegen eines -
von dem Angeklag-ten durch Täuschung erregten -
tatbestandlichen Irrtums im Sinne von §
263 4
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6
7
-
6
-
StGB nicht nachzuweisen sei. Diese Annahmen zeigen auf, dass die [X.] einen zu strengen Maßstab an das Vorliegen des Tatbestandmerkmals "Irrtum"
angelegt und die Anforderungen an ihre Überzeugungsbildung über-spannt hat; sie sind mithin zugunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft.
1. Ein -
durch die Täuschungshandlung erregter oder unterhaltener -
Irr-tum im Sinne des [X.] ist jeder Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung (des [X.]) und der Wirklichkeit (vgl. [X.], StGB, 12.
Aufl., §
263 Rn.
77
ff. [X.]). Das gänzliche Fehlen einer Vorstellung begründet für sich allein keinen Irrtum. Allerdings kann ein solcher auch in den Fällen gegeben sein, in denen die täuschungsbedingte Fehlvorstellung in der Abweichung eines "sachgedanklichen Mitbewusstseins"
von den tatsächlichen Umständen besteht. Danach ist insbesondere der Be-reich
gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte von als selbstverständlich angesehenen Erwartungen geprägt, die zwar nicht in jedem Einzelfall bewusst aktualisiert werden, jedoch der [X.] als hinreichend konkretisierte Tatsachenvorstellung zugrunde liegen (vgl. [X.], aaO Rn.
79). Diese Grundsätze hätte das [X.] in den vorbezeichneten Fällen in seine Prüfung eines tatbestandlichen Irrtums der kassierenden Personen einbeziehen müssen.
2. In den Einzelfällen, in denen die Kassierer oder Tatzeugen nicht ermit-telt werden konnten, kommt hinzu, dass das [X.] die Anforderungen an die beweisrechtliche Grundlage der Feststellung eines täuschungsbedingten Irrtums im Sinne von §
263 Abs.
1 StGB verkannt hat. Zwar ist in den [X.] grundsätzlich festzustellen und darzulegen, welche irrigen Vorstellun-gen die Person hatte, die die Verfügung getroffen hat (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Dezember 2002 -
3 StR 161/02, NJW
2003, 1198, 1199
f.); danach wird es regelmäßig erforderlich sein, die irrende Person zu ermitteln und in der Haupt-8
9
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7
-
verhandlung über die tatrelevante Vorstellung zu vernehmen. Allerdings gilt dies nicht ausnahmslos. Vielmehr kann in Fällen eines normativ geprägten Vor-stellungsbildes des [X.] die Vernehmung weniger Zeugen genügen; wenn deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums (in den sie betreffenden [X.]) belegen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen [X.] geschlossen werden. In der Regel kann das Gericht auch aus Indizien auf einen Irrtum schließen. In diesem Zusammenhang kann etwa eine Rolle [X.], ob der Verfügende ein eigenes Interesse daran hatte oder im Interesse eines anderen verpflichtet war, sich von der Wahrheit der Behauptungen des [X.] zu überzeugen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6.
Februar 2013 -
1 [X.], NStZ
2013, 422, 423; vom 9.
Juni 2009 -
5 [X.], NStZ
2009, 506, 507; Urteil vom 17.
Juli 2009 -
5 [X.], [X.], 433, 434). Wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verfügende kollusiv mit dem täuschenden Täter zusammengearbeitet oder aus einem sonstigen Grund Kenntnis von der Täuschung erlangt hatte und der durch die Täuschung erregte Irrtum deshalb nicht verfügungsursächlich geworden sein könnte, können sogar nähere Feststellungen dazu, wer verfügt hat, entbehrlich sein (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Dezember 2012 -
4 [X.], NJW
2013, 883, 885).
So verhält es sich hier. Da an einer Kasse beschäftigte Mitarbeiter eines Unternehmens schon aufgrund ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung den [X.] eines Kunden auf Abschluss eines Kaufvertrages zurückweisen müssen, wenn der Kunde seiner Zahlungspflicht nicht sofort oder nicht vollständig nach-kommt, es sich vorliegend um sehr gut gefälschte 200-Euro-Scheine handelte und auch sonst keine Anhaltspunkte für eine bewusste Entgegennahme von Falschgeld durch die [X.] gegeben sind, liegt auch in diesen Fällen
-
selbst wenn die [X.] keine konkrete Erinnerung an den jeweiligen Vorgang mehr hatten oder diese sowie andere Tatzeugen nicht ermittelt [X.]
-
8
-
den konnten -
das Vorliegen eines Irrtums nahe. Dies hat das [X.] nicht bedacht.
3. Die Einheitlichkeit der Tat steht in den vorbezeichneten Fällen der [X.] der -
für sich [X.] -
tateinheitlichen Verurteilung des Angeklagten wegen Inverkehrbringens von Falschgeld entgegen (vgl. [X.], [X.], 56.
Aufl., §
353 Rn.
7a), so dass die Sache insoweit insge-samt der neuen Verhandlung und Entscheidung bedarf.
[X.] Das angefochtene Urteil kann weiterhin nicht bestehen bleiben, so-weit das [X.] es unterlassen hat, in den Fällen
[X.] 1 bis 31 und 33 bis 44 über eine Feststellung gemäß §
111i Abs.
2 [X.] zu entscheiden. Dabei kommt es auf die Frage, inwieweit die Beanstandung der Nichtanwendung des §
111i Abs.
2 [X.] einer Verfahrensrüge bedarf (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Februar 2013 -
5 [X.], NJW
2013, 950, 951), nicht an, da jedenfalls der Revisionsbegründung eine solche Rüge, welche die Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] erfüllen würde, entnommen werden kann.
Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte in 43
Fällen aus seinen Ta-ten Waren und Wechselgeld erlangt im Sinne von §
73 Abs.
1 Satz
1 StGB. Da der Anordnung des Verfalls nach den Feststellungen die Ansprüche der jeweils Geschädigten entgegenstehen, hätte das [X.] in Ausübung seines ihm insoweit zustehenden pflichtgemäßen Ermessens darüber entscheiden müs-sen, ob es die für das weitere Verfahren erforderlichen Feststellungen nach §
111i Abs.
2 [X.] trifft. Hierzu verhält
sich das Urteil jedoch weder ausdrück-lich noch ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass das [X.] die Voraussetzungen einer solchen Entscheidung geprüft und von dem ihm zustehenden Ermessen in der Art und Weise Gebrauch gemacht
hat, dass es eine entsprechende Anordnung nicht treffen wollte. Anhaltspunkte 11
12
13
-
9
-
für das Vorliegen eines Ausnahmefalles, in dem das Gericht von einer Anord-nung nach §
111i Abs.
2 [X.] absehen durfte oder musste, sind vorliegend nicht ersichtlich (vgl. BT-Drucks.
16/700 S.
16; [X.], Urteil vom 17.
Juni 2009
-
2 [X.], juris Rn.
4; [X.], [X.], 56.
Aufl., §
111i Rn.
8 [X.]).

B. Revision des Angeklagten
I. Mit der Verfahrensrüge beanstandet der Angeklagte -
im Ergebnis er-folglos -, dass die [X.] hinsichtlich eines [X.] nicht vorschriftsmä-ßig besetzt gewesen sei (§
338 Nr.
1 [X.]).
1. [X.] liegt im Wesentlichen der folgende Verfahrensgang [X.]:
Der Vorsitzende bestimmte mit Verfügung vom 24.
September 2012 Termin zur Hauptverhandlung auf Donnerstag, den 4.
Oktober 2012 und ver-fügte, dass "die [X.] des 05.10.12"
zu laden seien. Der für den [X.] Sitzungstag am Freitag, den 5.
Oktober 2012 heranzuziehende Haupt-schöffe, der Schöffe [X.]

, hatte bereits im Dezember 2011 schriftlich mitge-teilt, dass er drei vorgesehene Termine als Schöffe nicht wahrnehmen könne, da er sich an diesen im Urlaub befinden werde; zu diesen Terminen gehörte auch der 5.
Oktober 2012. Auf eine Mitteilung seiner Serviceeinheit entschied der
Vorsitzende daraufhin, dass der Schöffe von der Dienstleistung gem. §
54 [X.] befreit werde. Darauf wurde der von der [X.]geschäftsstelle als nächstbereiter Hilfsschöffe festgestellte Schöffe B.

geladen. Diesen befreite der Vorsitzende ebenfalls von der Dienstleistung, da der Hilfsschöffe mitgeteilt hatte, dass er sich vom 2. bis 6.
Oktober 2012 im Krankenhaus befinden [X.]. Der danach geladene nächstbereite Hilfsschöffe, der Schöffe M.

, 14
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-
nahm schließlich an der Hauptverhandlung -
neben der weiteren, regulär für den ordentlichen Sitzungstag vom 5.
Oktober 2012 heranzuziehende (Haupt-) Schöffin -
teil.
In der Hauptverhandlung rügte der Verteidiger noch vor Vernehmung des
Angeklagten zur Sache die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts hinsicht-lich des [X.] M.

und trug vor, dass die Entbindung des Hauptschöf-fen [X.]

sich als objektiv willkürliche [X.]entziehung darstelle, weil dieser am 4.
Oktober 2012 gar nicht verhindert gewesen sei. Diesen Besetzungsein-wand wies die [X.] als unbegründet zurück und führte zur Begründung
unter anderem aus, dass für den 4.
Oktober 2012 die [X.] zu laden gewe-sen seien, die "hätten geladen werden müssen, wenn der 5.10.2012 -
wie ur-sprünglich geplant -
der erste ordentliche Sitzungstag gewesen wäre". Wegen der Verhinderung des [X.] [X.]

(und des [X.]

) am 5.
Oktober 2012 sei der Hilfsschöffe M.

zu laden gewesen. Dessen Be-stellung sowie die Entbindung des [X.]n [X.]

von der Mitwirkung an der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden seien mit Blick auf den Vermerk der Geschäftsstelle über die Verhinderung des [X.]n [X.]

im Übri-gen jedenfalls nicht willkürlich erfolgt.
2. [X.] bleibt ohne Erfolg. Das erkennende [X.] war nicht vorschriftswidrig im Sinne des §
338 Nr.
1 [X.] besetzt; denn der mitwirkende Hilfsschöffe M.

war aufgrund der vorangegangenen Entbindung des [X.]n sowie der -
nicht beanstandeten -
Entbindung des zunächst heranzuziehenden weiteren Hilfsschöffen der zur Mitwirkung be-rufene [X.]. Die auf §
54 [X.] gestützte Entscheidung des Vorsitzenden, den [X.]n [X.]

von der Dienstleistung am 4.
Oktober 2012 zu ent-binden, beruhte zwar auf einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab, war indes jedenfalls nicht willkürlich.
18
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-
11
-
Im Einzelnen:
a) Die -
bislang in Rechtsprechung und Literatur noch nicht geklärte -
Frage, ob bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages die Verhinderung des [X.]n an diesem oder an dem -
infolge der Verlegung an einem ande-ren Tag stattfindenden -
tatsächlichen Sitzungstag für seine Entbindung von der Dienstleistung maßgebend ist, ist dahin zu entscheiden, dass für die Entbin-dung des ("Haupt-") [X.] von der Dienstleistung seine Verhinderung am tatsächlichen Sitzungstag, nicht diejenige an dem als ordentlichen Sitzungstag bestimmten Tag maßgeblich ist. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
Die Verlegung des Beginns einer ordentlichen, gemäß §
45 Abs.
1 [X.] bestimmten Sitzung auf einen anderen Tag führt dazu, dass die gemäß §
77 [X.] im Voraus für den verlegten ordentliche Sitzungstag bestimmten Haupt-schöffen heranzuziehen sind; anders als bei der unzulässigen Anberaumung einer außerordentlichen Sitzung, zu der gemäß §§
47, 77 Abs. 1 [X.] die zur Mitwirkung berufenen [X.] aus der [X.] herangezogen [X.]n, wird hierdurch der Angeklagte nicht seinem gesetzlichen [X.] entzogen (st. Rspr.;
vgl. [X.], Urteil vom 5.
November 1957 -
1 StR 254/57, [X.]St
11, 54 ff.). Demnach gebührt allgemein der Mitwirkung der [X.]n der [X.] vor der Heranziehung von Hilfsschöffen ([X.], Urteil vom 14.
Juli 1995
-
5 [X.], [X.]St
41, 175, 177). Dieser Grundsatz spricht bereits dafür, den [X.]n, der lediglich an dem ursprünglich festgestellten [X.] Sitzungstag, nicht aber an dem tatsächlich bestimmten, vom ordentlichen Sitzungstermin abweichenden Tag verhindert ist, zu der Sitzung heranzuzie-hen. Zudem ist der Schöffe an dem durch die Verlegung des Sitzungstages bestimmten, die Stelle des ordentlichen Sitzungstages einnehmenden
("neuen") Sitzungstag gerade nicht an der Dienstleistung gehindert im Sinne von §
54 Abs.
1 Satz
2 [X.]. Schließlich wäre bei Verlegung des ordentlichen 20
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12
-
Sitzungstages die (zusätzliche) Berücksichtigung der Verhinderung eines [X.] an diesem Tag nicht praxisgerecht: Zum einen müsste zur Feststel-lung des gesetzlichen [X.]s regelmäßig geprüft werden, ob der Schöffe (auch) an dem ursprünglichen ordentlichen Sitzungstag verhindert ist, und zwar auch dann, wenn an diesem Tag tatsächlich gar keine Sitzung stattfindet; zum anderen wäre der Schöffe im Sinne des §
54 Abs. 1 [X.] verhindert, wenn er am ordentlichen Sitzungstag, an dem tatsächlich keine Sitzung stattfindet, nicht aber am tatsächlichen Sitzungstag an der Dienstleistung gehindert ist. Die [X.] am ordentlichen Sitzungstag als maßgebend anzusehen, hätte bei strikter Beachtung schließlich zur Folge, dass der Schöffe, der zwar am verleg-ten neuen Sitzungstag, nicht aber am ordentlichen
Sitzungstag verhindert ist, zur Mitwirkung berufen und heranzuziehen wäre. Da dieser Schöffe indes seine Dienstleistung wegen Verhinderung tatsächlich nicht erbringen könnte, wäre eine dem Grundsatz des gesetzlichen [X.]s genügende, vorschriftsmäßige Gerichtsbesetzung jedenfalls an dem neuen Sitzungstag nicht möglich.
Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass von den vorstehenden [X.], nach denen für die Gerichtsbesetzung die Verhinderung eines [X.] am tatsächlichen und nicht (auch) am ordentlichen Sitzungstag maßgeblich ist, die Rechtsprechung zur ordnungsgemäßen Gerichtsbesetzung bei einer (vor-herigen) Entbindung eines am Sitzungstag tatsächlich nicht (mehr) verhinderten [X.] (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 2.
Juni 1981 -
5 [X.], [X.]St
30, 149, 151; Beschluss vom 20.
August 1982 -
2 StR 401/82, StV
1983, 11) nicht berührt wird.
b) Soweit die Entbindungsentscheidung demgegenüber auf der Verhin-derung des [X.] nicht am tatsächlichen, sondern am ursprünglichen Sit-zungstag beruht, hat dies gleichwohl in der hier gegebenen Konstellation keine ordnungswidrige Besetzung der Kammer zur Folge; denn der Schöffe, der wirk-23
24
-
13
-
sam von seiner Dienstleistung entbunden ist (§
54 Abs.
1, §
77 Abs.
1 [X.]), ist infolge seiner Entbindung nicht mehr der gesetzliche [X.]. An seine Stelle tritt gemäß §§
49, 77 Abs.
1 [X.] derjenige Hilfsschöffe, der an bereitester Stelle auf der [X.]liste steht (vgl. [X.], Urteil vom 2.
Juni 1981 -
5 [X.], [X.]St
30, 149, 151; Beschluss vom 20.
August 1982 -
2 StR 401/82, StV
1983, 11; [X.]/[X.], [X.], 7.
Aufl., §
54 Rn.
18). Die [X.] selbst ist gemäß §
54 Abs.
3 Satz
1, §
77 Abs.
1 [X.] unanfechtbar und unterliegt daher nicht der Prüfung des Revisionsgerichts (§
336 Satz
2 Alt.
1 [X.]). Die auf der Entbindungsentscheidung beruhende Gerichtsbeset-zung kann somit grundsätzlich nicht nach §
338 Nr.
1 [X.] mit der Revision gerügt werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Entscheidung objektiv willkürlich und der verfassungsrechtliche Grundsatz des
gesetzlichen [X.]s nach Art.
101 Abs.
1 Satz
2 GG, §
16 Satz
2 [X.] verletzt ist (st. Rspr.;
vgl. [X.], Urteile vom 3.
März 1982 -
2 StR 32/82, [X.]St
31, 3, 5; vom 22.
Juni 1982 -
1 [X.], NStZ
1982, 476; vom 23.
Januar 2002 -
5 [X.], [X.]St
47, 220, 222; s. auch [X.], Urteil vom 22.
Dezember 2000 -
3 [X.], [X.]St
46, 238, 241; BT-Drucks.
8/976,
S.
66; [X.]/[X.], [X.], 26.
Aufl., §
54 [X.] Rn.
19
f.).
Angesichts der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung von §
54 Abs.
3 Satz
1 [X.], §
336
Satz
2 Alt.
1 [X.] kommt eine Richtigkeitsprüfung über den Willkürmaßstab hinaus nicht in Betracht und ist auch verfassungsrechtlich nicht erforderlich. So wird das [X.] durch die grundrechtsähn-liche Gewährleistung des Art.
101 Abs.
1 Satz
2 GG nicht zu einem Kontrollor-gan, das jeden einem Gericht unterlaufenden, die Zuständigkeit des Gerichts berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Es beanstandet die fehler-hafte Auslegung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger
Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr ver-ständlich und offensichtlich unhaltbar sind ([X.], Beschluss vom 16.
Februar 25
-
14
-
2005 -
2 BvR 581/03, NJW
2005, 2689, 2690). Etwas anderes gilt lediglich in dem -
hier nicht gegebenen -
Fall,
dass nicht die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel, sondern die Verfassungsmäßigkeit der der Rechtsan-wendung zugrunde liegenden Zuständigkeitsregel (etwa eines Geschäftsvertei-lungsplans) selbst zu prüfen ist ([X.] aaO; [X.], Beschluss vom 23.
Mai 2012 -
2 BvR
610/12 u.a., NJW
2012, 2334, 2335 [X.]).
c) Daran gemessen hält die Entbindung des [X.]n [X.]

der rechtlichen Prüfung stand. Die Entscheidung, der am ordentlichen Sitzungstag verhinderte [X.] sei (auch) am vorverlegten Sitzungstag, dem 4.
Oktober 2012, an der Dienstleistung gehindert, stellt keine nicht mehr ver-tretbare, objektiv willkürliche Rechtsauslegung dar. Dies ergibt sich bereits [X.], dass die hier zugrundeliegende Rechtsfrage vor der Entscheidung des Senats noch nicht geklärt war und in der Sache unterschiedliche Ansichten nicht unvertretbar waren. So ist etwa auch der [X.] davon ausgegangen, dass für die Frage der Verhinderung auf den ursprünglichen or-dentlichen Sitzungstag abzustellen sei, da bei einem Sitzungsbeginn an diesem Tag die Kammer mit dem Hilfsschöffen ordnungsgemäß besetzt gewesen wäre und bei einer Vorverlegung nichts anderes gelten könne.
Auf die Frage, ob die Entscheidung des Vorsitzenden auch deshalb nicht willkürlich war, weil er den [X.] aufgrund des Vermerks der Geschäftsstelle entbunden hat, kommt es danach nicht mehr an.
[X.] Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Entgegen der Auffassung der Revision sind insbesondere die [X.] Bewertungen des Urteils nicht zu beanstanden. Tateinheit zwi-schen Inverkehrbringen von Falschgeld und Betrug ist angesichts der -
von der 26
27
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29
-
15
-
Revision selbst erkannten -
unterschiedlichen Schutzrichtung der beiden [X.] möglich (vgl. auch [X.], Urteile vom 27.
September 1977 -
1 StR 374/77, juris Rn.
44 [X.]; vom 10.
Mai 1983 -
1 [X.], [X.]St
31, 380
ff.) und vorliegend durch die Feststellungen auch belegt.
Dass der Angeklagte das Falschgeld in einem Akt erhalten hat und sich dazu entschloss, es sukzessive in Verkehr zu bringen, führt nicht zu einer ein-zigen Tat. Ein einheitlicher Gesetzesverstoß
setzt in der hier gegebenen Kons-tellation voraus, dass der Täter sich das Geld in der Absicht verschafft, es [X.] abzusetzen, und er diese Absicht später verwirklicht (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
März 2011 -
3 StR 51/11, NStZ
2011, 516
f. [X.]). Da der Angeklagte bei Erhalt des [X.] ohne Vorsatz handelte, lag zu diesem [X.]punkt noch
keine tatbestandliche Handlung vor, welche die späteren [X.] zu einer einzigen Tat verbinden könnte. Auch eine natürliche Handlungs-einheit ist nicht gegeben, da es an einem dafür erforderlichen engen räumli-chen und zeitlichen Zusammenhang zwischen den sich über mehr als drei [X.] hinziehenden einzelnen Handlungen fehlt (vgl. [X.], Urteil vom 29.
März 2012 -
3 [X.], [X.], 382, 383 [X.]).
Schließlich begegnet die Annahme einer -
indes als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des Betruges nicht in die Urteilsformel [X.] -
gewerbsmäßigen Begehungsweise gemäß §
263 Abs.
3 Satz
2 Nr.
1 Alt.
1 StGB keinen Bedenken; denn der Angeklagte wollte sich nach den Fest-stellungen ersichtlich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht
nur vorüberge-hende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen. Anders als in Fällen des §
146 Abs.
1 Nr.
2 StGB, in denen es bei einem [X.] Verschaffungsvorgang an der Absicht wiederholter Tatbegehung [X.] kann (s. dazu etwa [X.], Beschluss vom 1.
September 2009 -
3 [X.], NJW
2009, 3798), liegt das deliktische Handeln hier allein in der Wei-30
31
-
16
-
tergabe, nicht in dem einheitlichen Verschaffen des [X.]. Daher ist nicht auf die einheitliche Besitzerlangung, sondern auf die beabsichtigte [X.] Abgabe an gutgläubige Dritte abzustellen.
[X.] [X.][X.]

[X.] Spaniol

Meta

3 StR 162/13

22.11.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2013, Az. 3 StR 162/13 (REWIS RS 2013, 871)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 871

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