Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2017, Az. V ZB 47/16

5. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 7689

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Gegenstand

Grundbuchberichtigung: Vollzug eines Fortführungsnachweises der Vermessungsbehörde zur Berichtigung eines Zeichenfehlers


Leitsatz

Die Berichtigung eines Zeichenfehlers (also einer graphisch falschen Darstellung des richtigen Vermessungszahlenwerks in der Flurkarte des Liegenschaftskatasters) durch die Vermessungsbehörde hat das Grundbuchamt stets als Berichtigung tatsächlicher Art zu behandeln; es darf den Vollzug eines Fortführungsnachweises der Vermessungsbehörde nicht deshalb ablehnen, weil ein auf den Grenzverlauf bezogener Zeichenfehler berichtigt wird (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 1. März 1973, III ZR 69/70, VersR 1973, 617).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des [X.] - 17. Zivilsenat - vom 29. Februar 2016 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 ausgesprochene Weigerung des [X.] - Grundbuchamt -, den [X.] betreffend die im Grundbuch der Gemarkung [X.]       eingetragenen Flurstücke ([X.]) und ([X.]) zu vollziehen, rechtswidrig war.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Aufgrund einer Flurstückszerlegung führte das Vermessungsamt des beteiligten [X.] [X.] das Liegenschaftskataster fort und übergab dem zuständigen Grundbuchamt eine [X.] des [X.]. Der [X.] enthielt die neuen Flurstücksnummern und Veränderungen der tatsächlichen Nutzung der Grundstücke; ferner berichtigte er einen [X.] in der Liegenschaftskarte, der die Darstellung des [X.] zwischen den im Rubrum genannten Grundstücken betraf.

2

Die Rechtspflegerin des [X.] hat den Vollzug des [X.] mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Nach Eingang der Rechtsbeschwerde hat das Grundbuchamt den [X.] vollzogen. Mit der Rechtsbeschwerde will der [X.] nunmehr feststellen lassen, dass die Übernahme des [X.] zu Unrecht abgelehnt worden ist.

II.

3

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist der [X.] zu Recht nicht vollzogen worden. Das Grundbuchamt sei zwar grundsätzlich an einen [X.], der einen Verwaltungsakt darstelle, und die darin enthaltenen tatsächlichen Feststellungen der Vermessungsbehörde gebunden. Es müsse aber prüfen, ob der Vollzug des [X.] zu Rechtsänderungen führe und daher weitere Voraussetzungen wie insbesondere eine Auflassung erfüllt werden müssten. Da sich der gute Glaube gemäß §§ 891, 892 BGB auch auf die Grundstücksgrenze beziehe, müsse das Grundbuchamt prüfen, ob ein gutgläubiger Erwerb auf der Grundlage der unrichtigen Liegenschaftskarte erfolgt sein könnte; dann bestehe nämlich die Möglichkeit, dass der zunächst unrichtig dargestellte Grenzverlauf richtig geworden sei. In diesem Fall könne der [X.] nicht vollzogen werden, weil das Grundbuchamt keine Unrichtigkeit des Grundbuchs herbeiführen dürfe. So liege es hier. Zumindest hinsichtlich des auf Blatt … gebuchten Grundstücks habe ein rechtsgeschäftlicher Eigentumswechsel am 30. November 2000 stattgefunden. Zudem seien am 23. Februar 1999 sowie am 11. November 2008 Belastungen eingetragen worden. Infolgedessen lasse sich der gutgläubige Erwerb des Eigentums sowie der Belastungen nicht ausschließen. Der [X.] könne nur vollzogen werden, wenn alle Beteiligten in grundbuchmäßiger Form ihre Zustimmung erteilten.

III.

4

1. Die zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 78 Abs. 1 [X.]) und frist- und formgerecht eingelegt (§ 71 FamFG i.V.m. § 78 Abs. 3 [X.]). Sie ist auch im Übrigen zulässig. Dass der [X.] nach Eingang der Rechtsbeschwerde vollzogen worden ist, ändert daran nichts, weil die Rechtsbeschwerde in analoger Anwendung von § 62 FamFG als Feststellungsantrag fortgeführt werden kann.

5

a) Gemäß § 62 FamFG spricht das Beschwerdegericht nach Erledigung der Hauptsache auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt, wenn dieser ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Diese Norm gilt nach allgemeiner und zutreffender Ansicht auch im Grundbuchverfahren (vgl. [X.], [X.] 2011, 209, 210; [X.], [X.], 330; [X.], [X.], 2186, 2187; [X.], [X.], 30. Aufl., § 1 Rn. 83; [X.], Notar 2013, 252, 259). Auf das Verfahren der Rechtsbeschwerde findet sie entsprechende Anwendung (vgl. für das Abschiebungshaftverfahren Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - [X.], [X.] 2010, 150 Rn. 9; für das Betreuungsverfahren [X.], Beschluss vom 20. August 2014 - [X.] 205/14, [X.], 1916 Rn. 5).

6

b) Die Voraussetzungen von § 62 FamFG sind gegeben. Die Hauptsache hat sich während des [X.] erledigt, weil das Grundbuchamt den [X.] vollzogen hat. Das berechtigte Interesse an der Feststellung liegt gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 FamFG in der Regel vor, wenn eine Wiederholung konkret zu erwarten ist, was voraussetzt, dass gerade der Beschwerdeführer von einer gleichartigen Rechtsverletzung betroffen wäre. Daran fehlt es zwar, wenn das Interesse lediglich auf die abstrakte Klärung einer Rechtsfrage für die künftige Rechtspraxis einer Behörde gerichtet ist (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - [X.], [X.] 2016, 34 Rn. 12). Hier geht es aber um die konkrete Ausgestaltung der laufenden Zusammenarbeit zwischen [X.] und Grundbuchamt. Der [X.] macht nämlich geltend, dass die Vermessungsbehörde aufgrund der Verfahrensweise des [X.] ihre gesetzlichen Aufgaben nicht wahrnehmen kann; diese bestehen darin, dass die Vermessungsbehörde fehlerhafte Bestandsdaten des Liegenschaftskatasters von Amts wegen zu berichtigen (§ 14 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über das amtliche Vermessungswesen und das Liegenschaftskataster im [X.] vom 29. Januar 2008 [[X.]], SächsGVBl. [X.], 148, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 19. Juni 2013, SächsGVBl. S. 482) und die Übereinstimmung von Liegenschaftskataster und Grundbuch zu wahren hat (§ 10 Abs. 6 Satz 3 [X.]). Da das Grundbuchamt nach dem Vortrag des [X.] allein am 14. April 2016 in 53 weiteren Fällen den Vollzug gleichgelagerter [X.]e mit dem [X.] „Veränderung am Flurstück mit Änderung der Umfangsgrenze“ abgelehnt hat, hat der [X.] auch nach Erledigung der vorliegenden Hauptsache ein berechtigtes Interesse daran, klären zu lassen, ob ihn eine solche Verfahrensweise des [X.] in seinen Rechten verletzt.

7

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

8

a) In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist die Beschwerde zu Recht als zulässig angesehen worden. Dabei kann offen bleiben, ob sich die Beschwerdeberechtigung in [X.] nach § 59 Abs. 1 FamFG richtet und voraussetzt, dass der Beschwerdeführer eine Rechtsbeeinträchtigung geltend macht (so Meikel/Schmidt-Räntsch, [X.], 11. Aufl., § 71 Rn. 109) oder ob nach allgemeinen Grundsätzen bereits die Behauptung einer mittelbaren oder unmittelbaren Beeinträchtigung in einem rechtlich geschützten Interesse ausreicht (so etwa [X.], [X.], 30. Aufl., § 71 Rn. 57; [X.]/[X.], Immobilienrecht, 2. Aufl., § 71 [X.] Rn. 32). Jedenfalls macht der [X.] eine Rechtsbeeinträchtigung im Sinne von § 59 Abs. 1 FamFG geltend, die sich aus den bereits genannten gesetzlichen Aufgaben der Vermessungsbehörde ergibt; es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die Vermessungsbehörde Entscheidungen des [X.] anfechten kann, mit denen die Übernahme von [X.]en abgelehnt wird (vgl. nur [X.], [X.] 1985, 276, 277 f.; [X.], [X.] 1988, 58, 59; [X.], [X.], 30. Aufl., § 2 Rn. 24; Meikel/[X.], [X.], 11. Aufl., § 2 Rn. 16).

9

b) In der Sache haben die Weigerung des [X.], den auf die Berichtigung eines [X.]s in der Flurkarte bezogenen [X.] zu vollziehen, und die Aufrechterhaltung dieser Entscheidung durch das Beschwerdegericht den [X.] in seinen Rechten verletzt.

aa) Im Ausgangspunkt ist das Liegenschaftskataster das amtliche Verzeichnis der Grundstücke im Sinne von § 2 Abs. 2 [X.] (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 1 [X.]). Es gibt über die tatsächlichen Verhältnisse des Grundstücks Auskunft (vgl. [X.]/[X.], Immobilienrecht, 2. Aufl., § 2 [X.] Rn. 6; [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 2 [X.] Rn. 3; Meikel/[X.], [X.], 11. Aufl., § 2 Rn. 10). Demgegenüber ist das Grundbuch der Spiegel der privaten dinglichen Rechte an Grundstücken; es hat die Aufgabe, über die das Grundstück betreffenden Rechtsverhältnisse möglichst erschöpfend und zuverlässig Auskunft zu geben (Senat, Beschluss vom 6. März 1981 - [X.], NJW 1981, 1563). Die Grundstücke werden gemäß § 2 Abs. 2 [X.] im Grundbuch nach dem Liegenschaftskataster benannt. Durch diese Bezugnahme des Grundbuchs auf das Liegenschaftskataster wird die Auffindbarkeit der Grundstücke in der Natur ermöglicht und gewährleistet; im Rechtsverkehr wird auf diese Weise Klarheit darüber geschaffen, auf welchen konkreten Teil der Erdoberfläche sich ein eingetragenes Recht bezieht (vgl. Senat, Urteil vom 2. Dezember 2005 - [X.], NJW-RR 2006, 662 Rn. 8 mwN). Liegenschaftskataster und Grundbuch müssen deshalb übereinstimmen. So muss sich beispielsweise ein im Grundbuch gebuchtes Flurstück in dem Liegenschaftskataster wiederfinden und umgekehrt.

bb) Diese Übereinstimmung von Liegenschaftskataster und Grundbuch wird durch regelmäßigen gegenseitigen Datenaustausch gewährleistet, der in Teilen automatisiert erfolgen kann (vgl. § 127 Abs. 1 Nr. 1 [X.], § 11 Abs. 5 Satz 2 [X.]).

(1) Das Grundbuchamt einerseits hat der das Liegenschaftskataster führenden Behörde (in [X.]: untere Vermessungsbehörde, § 4 Abs. 4 [X.]) unter anderem Veränderungen der grundbuchmäßigen Bezeichnung des Grundstücks und die Eintragung eines Eigentümers mitzuteilen (§ 55 Abs. 3 [X.]; vgl. Nr. XVIII der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen). Die Vermessungsbehörde andererseits teilt dem Grundbuchamt Veränderungen im Liegenschaftskataster durch [X.]e mit (vgl. § 14 [X.], § 9 Abs. 1 der Durchführungsverordnung zum [X.] vom 6. Juli 2011, im Folgenden: [X.]DVO).

(2) Ein solcher [X.] der Vermessungsbehörde ist kein behördliches Eintragungsersuchen gemäß § 38 [X.], sondern ein feststellender Verwaltungsakt, der die Grundlage für die von dem Grundbuchamt zu treffende Entscheidung über die Aufnahme der Veränderung in das Grundbuch bildet (vgl. [X.], NJW 1966, 609 f.). Gemäß § 9 Abs. 1 [X.]DVO hat die Vermessungsbehörde unter anderem dann, wenn die Fortführung - wie hier - die Änderung eines [X.], den Verlauf einer Flurstücksgrenze oder die Angaben zur Nutzung betrifft, einen [X.] zu erstellen, der den Zustand des betroffenen Flurstücks im Liegenschaftskataster vor und nach der Änderung nachweist. Er ist den Betroffenen schriftlich oder durch Offenlegung bekannt zu geben (§ 9 Abs. 2 [X.]DVO). Eine [X.] des bestandskräftigen [X.] übergibt die Vermessungsbehörde dem zuständigen Grundbuchamt (§ 9 Abs. 4 Satz 1 [X.]DVO), das aufgrund dieser [X.] die [X.] im Grundbuch ändert und der Vermessungsbehörde den Vollzug der Eintragung mitteilt (vgl. Nr. 33, 34 der [X.] VwV [X.] vom 27. Mai 2005, [X.]. S. 2, geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 8. Dezember 2015, [X.]. S. 167).

(3) Änderungen tatsächlicher Art hat das Grundbuchamt aufgrund der dargestellten Kompetenzverteilung zwischen Grundbuch- und Vermessungsamt ohne weiteres in das Grundbuch zu übernehmen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 2 [X.] Rn. 11). Beispielsweise hat es einen [X.] der Vermessungsbehörde, mit dem der Flächeninhalt aufgrund einer Neuvermessung korrigiert wird, ohne eigene Nachprüfung zu vollziehen, indem es die im Bestandsverzeichnis des Grundbuchblatts vermerkte Größenangabe von Amts wegen berichtigt (vgl. [X.] 1976, 106, 109 ff.: 0,0514 ha statt zuvor 0,0614 ha; Meikel/[X.], [X.], 11. Aufl., § 2 Rn. 21; unzutreffend [X.], Rpfleger 1992, 387: Nachprüfung durch das Grundbuchamt erforderlich); dasselbe gilt für die in einem [X.] ausgewiesene Änderung der [X.] bzw. der tatsächlichen Nutzung (vgl. z.B. [X.], [X.] 2012, 142, 143 f.: „Gebäude- und Freifläche“ statt zuvor „Grünland“). Hierfür zuständig ist gemäß § 12c Abs. 2 Nr. 2 [X.] der [X.] der Geschäftsstelle. Keine Bindung erzeugt ein [X.] dagegen im Hinblick auf Verfügungen und Eintragungen, die zugleich eine Berichtigung rechtlicher Art oder eine Berichtigung eines Irrtums über das Eigentum betreffen (vgl. § 12c Abs. 2 Nr. 2 [X.]); hierüber entscheidet in eigener Zuständigkeit das Grundbuchamt (vgl. [X.], NJW 1966, 609 f.) durch den Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1h [X.]). Dieser muss prüfen, ob der Vollzug zu Rechtsänderungen führt und es deswegen noch der Erfüllung weiterer Voraussetzungen bedarf (z.B. der Erklärung von [X.] oder Bewilligungen oder etwa der Neufestsetzung von [X.]; vgl. [X.] 1981, 324, 329). Lehnt der Rechtspfleger den Vollzug eines [X.] ab, muss im Liegenschaftskataster der vorherige Zustand wiederhergestellt werden (vgl. [X.]/[X.], Grundbuch, Grundstück, Grenze, 5. Aufl., § 22 Rn. 12).

cc) Danach ist entscheidend, ob der hier zu beurteilende [X.] eine Berichtigung tatsächlicher oder rechtlicher Art betrifft. Dass die neuen Flurstücksnummern und die Änderungen der tatsächlichen Nutzung als Änderungen tatsächlicher Art in das Grundbuch übernommen werden müssten, zieht das Beschwerdegericht zutreffend nicht in Zweifel. Es sieht aber die in dem [X.] enthaltene Behebung des [X.]s als Berichtigung rechtlicher Art an.

(1) Unter einem [X.] versteht man eine graphisch falsche Darstellung des [X.] in der Flurkarte des Liegenschaftskatasters (vgl. OVG [X.]-Anhalt, [X.] 2016, 194, 196; [X.], [X.] 2008, 433, 434; [X.]/[X.], Grundbuch, Grundstück, Grenze, 5. Aufl., § 22 Rn. 118). Gemäß § 10 Abs. 1 [X.] besteht das (digitalisierte) Liegenschaftskataster aus den Bestandsdaten und den Daten der [X.]. Letztere umfassen gemäß § 10 Abs. 4 [X.] die vermessungstechnischen Unterlagen und die sonstigen Unterlagen, die für die Flurstücksentwicklung von dauernder Bedeutung sind, also das sogenannte [X.] (vgl. [X.]/[X.], Katasterkunde in Einzeldarstellungen, Heft 8 [2010], [X.]. 9.1). Hierzu gehören alle Messdaten und die aus ihnen (in der Regel rechnerisch) abgeleiteten Maße einschließlich der [X.] im jeweiligen Bezugs- und Abbildungssystem für die im Liegenschaftskataster nachgewiesenen Vermessungs-, Grenz-, Gebäude- und sonstigen Punkte, die im Zuge von Katastervermessungen ermittelt werden (Vermessungszahlen; [X.]/[X.], aaO, [X.]. 9.3). Die Liegenschaftskarte wird aus dem [X.] als dem „Basismaterial“ des Liegenschaftskatasters abgeleitet (vgl. zum Ganzen OVG [X.]-Anhalt, [X.] 2016, 194, 196; [X.]/[X.], Grundbuch, Grundstück, Grenze, 5. Aufl., § 22 Rn. 22; [X.] in: Praxis der Kommunalverwaltung, [X.] Gesetz über das amtliche Vermessungswesen [2014] Nr. 3.3.2.3.2.; [X.]/[X.], aaO, [X.]. 9.3 und 9.4). Als „[X.]“ des Liegenschaftskatasters stellt sie die Vermessungszahlen graphisch dar (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.]DVO: „Präsentationsausgabe“).

(2) Weil eine solche Berichtigung die Eigentumsverhältnisse nicht berührt und keine Rechtsänderung bewirkt, stellt sie im Grundsatz eine tatsächliche Berichtigung dar. Das Beschwerdegericht meint jedoch, nicht ausschließen zu können, dass auf der Grundlage der unrichtigen Liegenschaftskarte ein gutgläubiger Erwerb erfolgt sei, weil vor der Fortführung der Liegenschaftskarte Verfügungen über eines der betroffenen Grundstücke erfolgt seien. Da die ursprünglich unrichtige Liegenschaftskarte richtig geworden sein könne, dürfe sie nicht ohne Zustimmung der Betroffenen berichtigt werden (zu dieser Fallkonstellation zweifelnd auch [X.]/[X.], Grundbuch, Grundstück, Grenze, 5. Aufl., § 22 Rn. 22 f.). Das Beschwerdegericht stützt diese Überlegungen unter anderem auf ein Urteil des III. Zivilsenats des [X.] vom 1. März 1973 ([X.], [X.], 617), das sich allerdings nicht mit der Verfahrensweise des [X.], sondern (im Rahmen einer Amtshaftungsklage) mit den Pflichten der Vermessungsbehörde bei der Berichtigung der Grenzdarstellung in der Liegenschaftskarte befasst.

dd) Richtigerweise hat das Grundbuchamt die Berichtigung eines [X.]s (also einer graphisch falschen Darstellung des richtigen [X.] in der Flurkarte des Liegenschaftskatasters) durch die Vermessungsbehörde stets als Berichtigung tatsächlicher Art zu behandeln; es darf den Vollzug eines [X.] der Vermessungsbehörde nicht deshalb ablehnen, weil ein auf den Grenzverlauf bezogener [X.] berichtigt wird.

(1) Ob die graphisch falsche Darstellung in der Liegenschaftskarte überhaupt einen gutgläubigen Erwerb nach sich gezogen haben kann, lässt sich mit guten Gründen bezweifeln. Zwar erstreckt sich die Richtigkeitsvermutung des Grundbuchs (§ 891 BGB) auch auf den sich aus dem Liegenschaftskataster ergebenden Grenzverlauf (Senat, Urteil vom 2. Dezember 2005 - [X.], NJW-RR 2006, 662 Rn. 8 mwN; vgl. auch Senat, Urteil vom 12. Oktober 2012 - [X.], NJW-RR 2013, 789 Rn. 14; Urteil vom 8. November 2013 - [X.], [X.]Z 199, 31 Rn. 11). Es spricht aber viel dafür, dass unter „dem Liegenschaftskataster“ in diesem Sinne nicht allein die Flurkarte (so allerdings [X.], Urteil vom 1. März 1973 - [X.], [X.], 617; in diese Richtung auch Senat, Urteil vom 8. November 2013 - [X.], [X.]Z 199, 31 Rn. 12; zustimmend [X.]/[X.] in: Praxis der Kommunalverwaltung, Vermessungs- und Geoinformationsrecht [X.]-Anhalt [2005] Nr. 6.2.3), sondern das Liegenschaftskataster als Ganzes zu verstehen ist (vgl. Senat, Urteil vom 2. Dezember 2005 - [X.], NJW-RR 2006, 662 Rn. 8 mwN; [X.] in: Praxis der Kommunalverwaltung, [X.] Gesetz über das amtliche Vermessungswesen [2014] Nr. 3.3.2.3.3., Nr. 3.3.2.3.5.3.; [X.]/[X.], Katasterkunde in Einzeldarstellungen, Heft 2 [2009], [X.]. 2.2.). So verstanden gehörte auch das auf den Grenzverlauf bezogene [X.] zu dem Inhalt des Grundbuchs, der zugunsten eines Erwerbers gemäß § 892 BGB als richtig gilt. Der Grenzverlauf kann zwar in aller Regel über die in Spalte 3 b des [X.] eingetragene Parzellennummern in Verbindung mit der Katasterkarte erschlossen werden (vgl. Senat, Urteil vom 2. Dezember 2005 - [X.], NJW-RR 2006, 662 Rn. 8). Stimmen aber (ausnahmsweise) [X.] und Liegenschaftskarte nicht überein, bezöge sich die Richtigkeitsvermutung wohl auf den Grenzverlauf, wie er aus dem [X.] hervorgeht, und nicht auf die daraus (graphisch fehlerhaft) abgeleitete Liegenschaftskarte. Zudem dürfte in solchen Fällen bei einem Verkauf des Grundstücks auch der Kaufgegenstand nach dem [X.] zu bestimmen sein, da der Verkäufer eines Grundstücks dieses gewöhnlich nur in dem aus dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster ersichtlichen Zuschnitt und Umfang verkaufen will (vgl. Senat, Urteil vom 18. Januar 2008 - [X.], [X.] 2008, 229 Rn. 10); dabei wird er sich im Zweifel nicht allein auf die Liegenschaftskarte, sondern vor allem auf die dieser zugrundeliegenden Basisdaten des Liegenschaftskatasters stützen wollen.

(2) Dies bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Selbst wenn ein gutgläubiger Erwerb möglich sein sollte und im konkreten Fall stattgefunden haben könnte, ist das Grundbuchamt an einen [X.] gebunden, soweit dieser einen [X.] berichtigt.

(a) Eines „Vollzugs“ durch das Grundbuchamt bedarf es insoweit nicht, weil die Berichtigung eines [X.]s für sich genommen keine Eintragung in das Grundbuch erforderlich macht. Deshalb ist - anders als das Beschwerdegericht meint - eine darauf bezogene Bewilligung der Betroffenen gemäß § 19 [X.] nicht erforderlich; das Grundbuch wird auch nicht gemäß § 22 [X.] berichtigt. Vielmehr vollzieht sich die graphische Korrektur der Grenzdarstellung in der Liegenschaftskarte auf [X.] des Liegenschaftskatasters, das von den [X.] in eigener Zuständigkeit geführt und verantwortet wird. Eintragungen in das Bestandsverzeichnis des Grundbuchs können zwar dadurch erforderlich werden, dass - wie hier - gleichzeitig eine Zerlegung von Flurstücken erfolgt und daher neue Flurstücksnummern eingetragen werden müssen. Die Berichtigung des [X.]s erfolgt in diesem Fall aber nur anlässlich der Flurstückszerlegung.

(b) Zutreffend verweist die Rechtsbeschwerde ferner darauf, dass sich - selbst wenn ein gutgläubiger Erwerb erfolgt wäre - durch einen [X.] in der Liegenschaftskarte nichts an dem Grenzverlauf änderte, wie er sich aus der maßgeblichen Grenzfeststellung ergibt. Das Liegenschaftskataster hat die verbindlich festgestellte Grenze wiederzugeben. Ob sich die materiellen Eigentumsverhältnisse durch gutgläubigen Erwerb oder Ersitzung den unrichtigen Einzeichnungen angepasst haben, ist ohne Belang (vgl. [X.], NJW 1993, 217; [X.], [X.] 2008, 433, 434; [X.], BayVBl. 2011, 149, 150 f.). Die Sicherung einer vermessungstechnisch möglichst exakten Darstellung der (festgestellten) Grundstücksgrenze in der Liegenschaftskarte als der [X.] des Liegenschaftskatasters obliegt den [X.] im öffentlichen Interesse (vgl. dazu [X.], NJW 1993, 217, 218; OVG [X.]-Anhalt, [X.] 2016, 194, 197). Sie darf nicht durch das Grundbuchamt blockiert werden.

(c) Der Rechtsschutz der betroffenen Grundstückseigentümer gegen die Berichtigung eines [X.]s im Liegenschaftskataster wird in erster Linie gewährleistet, indem der [X.] vor den Verwaltungsgerichten zur Überprüfung gestellt werden kann. Zur Verfolgung der Rechte aus einem vermeintlichen gutgläubigen Erwerb steht der Zivilrechtsweg offen. Der betroffene Grundstückseigentümer kann seinen Nachbarn mit der Behauptung, die aus dem (fortgeführten) Liegenschaftskataster hervorgehende Grenze entspreche aufgrund eines gutgläubigen Erwerbs nicht (mehr) den Eigentumsverhältnissen, auf Feststellung seines Eigentums an der fraglichen Fläche sowie auf Grenzfeststellung in Anspruch nehmen (vgl. [X.], NJW 1993, 217, 218; [X.], Urteil vom 18. Dezember 2013 - 7 K 1234/10, juris Rn. 20 ff.).

(3) Schließlich hat das Grundbuchamt aufgrund der Bindung an den [X.] nicht zu prüfen, ob die Vermessungsbehörde ihrerseits den [X.] berichtigen durfte. Deshalb kann dahinstehen, ob die in einer älteren Entscheidung vertretene Ansicht des III. Zivilsenats des [X.] ([X.], Urteil vom 1. März 1973 - [X.], [X.], 617) zutrifft, wonach die Vermessungsbehörde einen solchen [X.] nur mit Zustimmung der Betroffenen berichtigen darf (ablehnend die ständige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter Hinweis auf die Vermessungsgesetze der Länder, vgl. nur [X.], NJW 1993, 217, 218; [X.], [X.] 2008, 433, 434; [X.], BayVBl. 2011, 149, 150; [X.], Urteil vom 24. November 2011 - OVG 10 [X.], juris, Rn. 40). Ebenso kann offen bleiben, wie bei der Berichtigung sogenannter [X.] zu verfahren ist, wenn also die Grenze sowohl in dem [X.] als auch in der Liegenschaftskarte aufgrund vermessungstechnischer Fehler von Anfang an falsch dargestellt wird (vgl. dazu [X.]/[X.], Grundbuch, Grundstück, Grenze, 5. Aufl., § 22 Rn. 114 ff.).

IV.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 61 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 und 3 GNotKG.

Stresemann     

        

Brückner     

        

     Weinland

        

Kazele     

        

Ri[X.] Dr. Hamdorf
ist infolge Urlaubs an der
Unterschrift gehindert.
[X.], den 28. Juli 2017

        
                          

Die Vorsitzende   
Stresemann   

        

Meta

V ZB 47/16

20.07.2017

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Dresden, 29. Februar 2016, Az: 17 W 132/16

§ 2 Abs 2 GBO, § 14 VermGeoInfG SN, § 9 VermKatGDV SN 2011

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2017, Az. V ZB 47/16 (REWIS RS 2017, 7689)

Papier­fundstellen: WM2018,1709 REWIS RS 2017, 7689

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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