Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2005, Az. V ZR 11/05

V. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 484

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] s, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 891 Die Richtigkeitsvermutung des Grundbuchs erstreckt sich auch auf den sich aus dem Liegenschaftskataster ergebenden Grenzverlauf. [X.], [X.]. v. 2. Dezember 2005 - [X.] - [X.]AG [X.]

- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündlichen Verhandlung vom 2. Dezember 2005 durch [X.] Dr. [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] Czub und Dr. [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das [X.]eil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 16. Dezember 2004 wird auf Kosten des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klägerin die außergerichtlichen Kosten der früheren Beklagten zu 2 ganz und die Gerichtskosten erster Instanz zu 14 % trägt; im Übrigen bleibt es bei der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Klägerin ist als Eigentümerin des im Grundbuch der Gemeinde [X.]verzeichneten Grundstücks Flur 3, Flurstück 209/67 eingetragen, der Beklagte als Eigentümer des nördlich angrenzenden [X.] 77/01. Die Parteien streiten über den Verlauf der gemeinsamen Grundstücksgrenze. 1 Beide Grundstücke sind aus einem Anwesen hervorgegangen, das u.a. mit einem reihenhausartigen Gebäude bebaut war. [X.] veräu-ßerte die Gemeinde [X.]

nach Aufteilung des Grundstücks jeweils eine Wohnung mit zugehörigem Scheunen- und Hofanteil an fünf verschiedene 2 - 3 - Käufer. Ein Rechtsvorgänger des Beklagten erwarb die nördlichste, ein Rechtsvorgänger der Klägerin die südlich unmittelbar angrenzende Parzelle. Aus steuerlichen Gründen kam es im Jahr 1865 zu einer sog. "Untervertei-lung" des gesamten Anwesens durch den Fiskus. Dabei wurden die heute im Eigentum der Parteien stehenden Parzellen dadurch voneinander [X.], dass zwei Grenzpunkte festgelegt wurden, deren gerade Verbin-dungslinie Eingang in das Liegenschaftskataster als Grenzlinie der heutigen [X.] und 209/67 fand. Diese verläuft nördlich der Hauswand und der sich daran anschließenden Mauer- und Zaunbegrenzung. Die Klägerin wurde in Vollzug des notariellen Kaufvertrags vom 10. Juni 1998 als Eigen-tümerin des Flurstücks 209/67 in das Grundbuch eingetragen. Die als Anla-ge zu diesem Vertrag erklärte Auflassung verweist auf die Bestimmung zu I[X.]1. des Kaufvertrages, in der das Grundstück [X.] bezeichnet ist. Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Beklagten u.a. auf Herausgabe und Unterlassung der weiteren Nutzung derjenigen Fläche in Anspruch ge-nommen, die sich zwischen dieser Grenze und der die tatsächlichen Besitz-verhältnisse markierenden Mauer- und Zaungrenze befindet. Sie steht auf dem Standpunkt, für die Bestimmung der Grundstücksgrenze sei die aus dem Liegenschaftskataster ersichtliche Gerade maßgeblich. Jedenfalls habe sie das Eigentum an dem Teilstück kraft guten Glaubens erworben. Der [X.] ist dem entgegen getreten und hat widerklagend die Feststellung der Grenze entsprechend dem aus der Aufteilung des Jahres 1848 folgenden Besitzstand begehrt, der - so behauptet er - der gegenwärtigen Nutzung [X.]. Auch die Rechtsvorgänger der Klägerin seien stets nur von einem Wegerecht über das Grundstück des Beklagten ausgegangen. 3 - 4 - Das Amtsgericht hat die - ursprünglich auch gegen die Ehefrau des Beklagten erhobene, später aber insoweit zurückgenommene - Klage abge-wiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] dem [X.] und Unterlassungsbegehren stattgege-ben und die Widerklage abgewiesen; die Kosten des [X.] hat es [X.] Umfangs dem Beklagten auferlegt. Mit der von dem [X.] zuge-lassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstin-stanzlichen [X.]eils. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des [X.]. 4 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin habe das Ei-gentum an der streitgegenständlichen Fläche infolge Auflassung und Grund-bucheintragung jedenfalls nach § 892 [X.] gutgläubig erworben. Für den Gutglaubenschutz sei der durch die Bestandsangaben des Grundbuchs seit 1865 ausgewiesene Grenzverlauf maßgebend, der sich aus dem Liegen-schaftskataster ergebe. Nach der dort vermerkten Grenzlinie sei die [X.] dem von der Klägerin erworbenen Flurstücks 209/67 zugewiesen. Eine eventuelle Unrichtigkeit dieser Zuweisung sei der Klägerin nicht bekannt ge-wesen. 5 I[X.] Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in der Hauptsache stand; die Revision hat lediglich im Kostenpunkt teilweise Erfolg. 6 - 5 - 1. Das Berufungsgericht hat der auf § 985 [X.] und § 1004 [X.] ge-stützten [X.] und Unterlassungsklage im Ergebnis zu Recht statt-gegeben. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin das Eigentum hieran - wie das Berufungsgericht meint - gutgläubig nach § 892 [X.] erworben hat, weil ihre Eigentümerstellung schon nach § 891 [X.] zu vermuten ist und der Beklagte diese Vermutung nicht widerlegt hat. 7 a) § 891 Abs. 1 [X.] knüpft die Vermutung der Rechtsinhaberschaft an die Grundbucheintragung. Da im Rechtsverkehr Klarheit darüber [X.] muss, auf welchen konkreten Teil der Erdoberfläche sich ein eingetra-genes Recht bezieht, besteht heute Einigkeit darüber, dass sich die [X.] des Grundbuches auch auf den sich aus dem Liegen-schaftskataster ergebenden Grenzverlauf erstreckt ([X.], 125, 129; [X.] 1987, 410, 412 f.; [X.], [X.] 1985, 156, 157 f.; [X.], [X.] 1976, 666; [X.], NJW 1956, 632, 633; [X.]/[X.], Grundbuch, Grundstück, Grenze, 5. Aufl., [X.]. zu § 22 [X.] Rdn. 1 f.; [X.], [X.], 25. Aufl., § 2 Rdn. 26; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 891 Rdn. 7; [X.], [X.], 122, 138; MünchKomm-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 891 Rdn. 11; [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 891 Rdn. 6; Soergel/Stürner, [X.], 13. Aufl., § 891 Rdn. 8; Soergel/[X.], [X.]O, § 920 Rdn. 3; [X.]/[X.], [X.] [2002], § 891 Rdn. 21 ff.; [X.]/[X.], [X.]O, § 920 Rdn. 2). Nach § 2 Abs. 2 [X.] werden die Grundstücke im Grundbuch nach dem Liegenschaftskataster benannt. Der Grenzverlauf kann danach in aller Regel über die in Spalte 3 b des Be-standsverzeichnisses des Grundbuches eingetragene Parzellennummern in Verbindung mit der Katasterkarte erschlossen werden. So liegt es auch hier. 8 - 6 - Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich aus dem Inhalt der Flurkarte des Liegenschaftskatasters, dass die streitgegenständli-che Fläche Bestandteil des der Klägerin zugeordneten Flurstücks 209/67 ist. Die Grenze zwischen den Grundstücken der Parteien wird - entsprechend der Unterverteilung aus dem Jahr 1865 - durch die gerade Linie markiert. Dementsprechend ist zu vermuten, dass sich das Eigentum der Klägerin bis zu der in der Flurkarte vermerkten Grenze erstreckt. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang rügt, es sei zwischen den Parteien umstritten, [X.] Angaben den Katasterunterlagen zu entnehmen seien, steht dem die die Darstellung im Berufungsurteil als unstreitig entgegen (§ 314 ZPO). Im Übri-gen haben die Parteien im [X.] übereinstimmend vorgetra-gen, dass die sachverständig festgestellte Grenze so im [X.] seit dem Jahr 1865 beschrieben ist; Streit hat allenfalls noch darüber [X.], ob die aus der Katasterkarte ersichtliche Grenze zutreffend ermit-telt wurde. 9 Dass die Grenzziehung aus den Unterlagen der Steuerverwaltung in das Liegenschaftskataster ohne Überprüfung durch eine eigenständige Vermessung übernommen wurde, steht der Anwendung von § 891 [X.] nicht entgegen. Für den Eintritt der Richtigkeitsvermutung sind die [X.], die zu einer Eintragung geführt habe, ohne Belang ([X.], 125, 130). Selbst eine Verletzung von Verfahrensvorschriften im Zusammenhang mit der Grundbucheintragung lässt die Vermutung - abgesehen von hier nicht einschlägigen Nichtigkeitsfällen (vgl. Senat, [X.] 7, 64, 69 für den Fall ei-ner durch erhebliche Bedrohung erreichten Grundbucheintragung) - nicht entfallen (Senat, [X.]. v. 26. September 1969, [X.], [X.], 1352, 1353 f.). 10 - 7 - b) Die aus § 891 Abs. 1 [X.] folgende Eigentumsvermutung hat der Beklagte nicht widerlegt. Für eine Widerlegung genügt nicht, dass die [X.] erschüttert wird. Vielmehr muss der volle Beweis des Gegenteils erbracht werden (Senat, [X.]. v. 16. November 1979, [X.], [X.], 1047, 1048 f.; [X.]. v. 10. Dezember 2004, [X.], [X.] 2005, 439, 440 f.). Dabei erstreckt sich der zu erbringende Gegenbeweis auf jede sich aus dem Grundbuch ergebende oder von dem Eingetragenen behauptete Erwerbsmöglichkeit (Senat, [X.]. v. 23. März 1979, [X.], NJW 1979, 1656; [X.]. v. 24. Februar 1984, [X.], NJW 1984, 2157; [X.]. v. 6. Dezember 1996, [X.], [X.], 883). Diesen Gegenbeweis hat der Beklagte nicht erbracht. 11 [X.]) Zwar hat der Beklagte unter Bezug auf den Kaufvertrag aus dem [X.] nachvollziehbar dargelegt, dass die damaligen Vertragsparteien von einer Grundstücksgrenze ausgingen, die sich an der damals vorhande-nen Bebauung orientierte. Diese Darlegungen lassen indessen allenfalls den Schluss zu, dass die im Zuge der Unterverteilung im Jahr 1865 festgelegte und in die Flurkarte übernommene Grenze den damaligen Eigentumsver-hältnissen widersprach. Offen bleibt jedoch, ob dieser mögliche Widerspruch in der Folgezeit durch gutgläubigen Eigentumserwerb der Klägerin oder ihrer Rechtsvorgänger beseitigt wurde. Entgegen der Annahme der Revision hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, dass der Beklagte Eigentümer der Teilfläche war. Vielmehr hat es die Eigentumslage im Hinblick auf § 892 [X.] gerade offen gelassen. Die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs insbe-sondere durch die Rechtsvorgänger der Klägerin räumt der Beklagte nicht aus. 12 - 8 - bb) Allerdings scheidet ein Eigentumserwerb an der Teilfläche eines Grundstücks schon dann aus, wenn sich die Auflassung (§§ 873, 925 [X.]) nicht auf diese erstreckt (vgl. BayObLG [X.] 1998, 820, 823). Vorliegend kann jedoch zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass der Klägerin auch die Teilfläche aufgelassen wurde. 13 In der als Anlage zum Kaufvertrag erklärten Auflassung wird Bezug genommen auf den Kaufvertrag, in dem das Grundstück nicht anhand der örtlichen Gegebenheiten, sondern [X.] bezeichnet wurde. Da der Beklagte in den Tatsacheninstanzen nicht behauptet hat, die notariell beur-kundete Auflassung gebe das von beiden Auflassungsparteien übereinstim-mend Gewollte nicht richtig wieder, ist kein Raum für die Heranziehung der allgemeinen Regeln zur rechtlichen Behandlung einer Falschbezeichnung, wonach ein übereinstimmender tatsächlicher Wille den Inhalt des [X.] bestimmt und dem Wortlaut der Vereinbarung vorgeht (vgl. Senat, [X.]. v. 7. Dezember 2001, NJW 2002, 1038, 1039 m.w.N.). Da auch der Schriftsatz des Beklagten vom 28. Januar 2004 - entgegen den Darlegungen der Revision in der mündlichen Verhandlung - kein Vorbringen zum Inhalt der Auflassung enthält, hatte das Berufungsgericht keine Veranlassung zu einem Hinweis nach § 139 ZPO; eine Aufklärungsrüge hat die Revision denn auch nicht erhoben. 14 Allerdings nimmt die Revision auf Vortrag des Beklagten Bezug, wo-nach die Klägerin noch bis in das [X.] hinein davon ausgegangen sei, nicht Eigentümerin der Teilfläche zu sein; auch die Rechtsvorgänger der Klägerin seien lediglich von einem Wegerecht an dem Flurstück des [X.] ausgegangen. Daraus ergibt sich jedoch nicht ohne weiteres, dass die Vertragsparteien entgegen der [X.] den Gegenstand der [X.] - 9 [X.] übereinstimmend nur nach örtlichen Merkmalen bestimmt haben. Da stets damit gerechnet werden muss, dass insbesondere Zaun- und Mauer-grenzen nicht exakt die wirkliche Grundstücksgrenze markieren, ist bei ver-ständiger Würdigung der Interessenlage bei [X.]er Bezeichnung in der Regel davon auszugehen, dass ein Eigentumsübergang im Umfang der sich aus dem Kataster ersichtlichen Grenzen erreicht werden soll. 2. Die Abweisung der Widerklage ist im Ergebnis nicht zu [X.]. Da die Grundstücksgrenzen aufgrund der nicht ausgeräumten [X.] des § 891 Abs. 1 [X.] festgestellt werden können, ist für eine auf Grenzverwirrung gestützte Klage nach § 920 Abs. 1 [X.] kein Raum (vgl. [X.], NJW 1956, 632, 633 f.; [X.]/[X.], [X.]O, § 920 Rdn. 2; Soergel/[X.], [X.]O, § 920 Rdn. 3; [X.]/[X.], [X.]O, § 920 Rdn. 2; MünchKomm-[X.]/[X.], [X.]O, § 920 Rdn. 1). 16 3. Dagegen hält die Kostenentscheidung des Berufungsurteils einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, soweit dem Beklagten die Kos-ten des ersten Rechtszugs vollen Umfangs auferlegt worden sind. Da die Klägerin ihre zunächst auch gegen die Ehefrau des Beklagten erhobene Klage wieder zurückgenommen hat, fallen ihr - was von Amts zu [X.] ist - insoweit die Kosten zur Last (§ 269 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO). 17 - 10 - [X.][X.] Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO. 18 [X.] [X.] Stresemann Czub [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 11.03.2004 - 32 C 175/03 ([X.]) - [X.], Entscheidung vom 16.12.2004 - 22 S 61/04 -

Meta

V ZR 11/05

02.12.2005

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2005, Az. V ZR 11/05 (REWIS RS 2005, 484)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 484

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