Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.11.2023, Az. 6 StR 179/23

6. Strafsenat | REWIS RS 2023, 8905

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

MORD STRAFRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) REVISION (STRAFRECHT) EXAMEN LANDGERICHT MAGDEBURG BGH

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anforderungen in Urteilsbegründung zur Darlegung einer verabredeten Anstiftung


Leitsatz

1. Die Verabredung zur Anstiftung zu einem Verbrechen (§ 30 Abs. 2 Variante 3 Alt. 2 StGB) setzt eine vom ernstlichen Willen getragene Einigung von mindestens zwei Personen voraus, gemeinschaftlich einen Dritten zur Begehung eines bestimmten Verbrechens anzustiften.

2. Der Verwirklichung steht nicht stets entgegen, dass im Zeitpunkt der Übereinkunft die Person des präsumtiven Täters noch nicht feststeht und unklar ist, ob überhaupt ein solcher gefunden und bestimmt werden kann.

Tenor

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 12. Dezember 2022 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Die Staatsanwaltschaft legt den Angeklagten zur Last, seit August 2021 bis zum 5. April 2022 gemeinschaftlich versucht zu haben, einen anderen zur Begehung eines Mordes zu bestimmen oder hierzu anzustiften.

2

Das [X.] hat die Angeklagten vom [X.] freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen. Die vom [X.] vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

3

1. Nach den Feststellungen suchte der Angeklagte [X.]     eine Person, die gegen Zahlung von bis zu 10.000 Euro bereit war, seinen Nachbarn   [X.].    wegen des zwischen ihnen bestehenden [X.], zahlloser Streitigkeiten und aus Rache für dessen Strafanzeigen so schwer zu verletzen, dass jener dauerhaft kein selbstbestimmtes Leben mehr würde führen können und daher als Pflegefall aus dem Nachbarhaus würde ausziehen müssen. [X.]   hielt es für möglich, dass der Täter   [X.].      unter Ausnutzung von dessen Arg- und Wehrlosigkeit töten würde, was er billigend in Kauf nahm. Er bevorzugte eine Brandstiftung, um eine Rückkehr   [X.].      s in das Nachbarhaus sicher auszuschließen.

4

Da [X.]   nicht die erforderlichen Kontakte hatte, sprach er im [X.] 2021 den Angeklagten [X.]an, und beide „verabredete(n)“ eine gemeinsame Suche nach einem Täter, wobei [X.] sich das Anliegen [X.]    s,   [X.].     zu „beseitigen“, zu eigen machte, in der Folgezeit Absprachen mit Personen aus seinem Bekanntenkreis traf und den Kontakt zu [X.]   herstellte. [X.]   strebte eine Tatausführung vor [X.] 2021 an, weil er wegen der auf die Strafanzeigen   [X.].      s hin eingeleiteten Strafverfahren befürchtete, alsbald verhaftet zu werden. [X.]war bewusst, dass gerade durch sein Tätigwerden ein Täter gefunden werden und es nach endgültiger Einigung und Beauftragung durch [X.]    zu der Gewalttat kommen könnte. Es bestand zwischen den Angeklagten keine Abrede dahin, dass [X.]    eine von [X.]vermittelte Person auf jeden Fall beauftragen würde. Ferner blieb es [X.]    unbenommen, eigenständig nach einem möglichen Täter zu suchen und diesen ohne Einbindung [X.]s zu beauftragen.

5

Nachdem [X.] in Umsetzung der Abrede [X.]     drei Personen vermittelt hatte, erhielt er von einer unbekannt gebliebenen Person den Hinweis, dass die Polizei Kenntnis von der Tatplanung erhalten hatte, und teilte dies [X.]    mit. Dieser stellte daraufhin am 14. November 2021 seine Bemühungen wegen des [X.] vorerst ein, was er [X.]mitteilte, hielt sich ein „späteres Wiederaufgreifen der Verhandlungen über eine Beauftragung dritter Personen“ jedoch offen.

6

2. Das [X.] hat eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung zu einem Verbrechen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 StGB) aus Rechtsgründen verneint. Die Angeklagten hätten sich lediglich der allgemeinen Tatbereitschaft der angesprochenen Personen versichert. Die Voraussetzungen für eine Verabredung der Angeklagten, zu einem Verbrechen anzustiften (§ 30 Abs. 2 Variante 3 Alt. 2 StGB), seien ebenfalls nicht erfüllt. Denn es fehle an einer hinreichenden Konkretisierung der vorgesehenen Anstiftung. Zwar müsse der Anstifter keine detaillierten Vorgaben machen, wenn ihm die Art der Tatausführung gleichgültig sei. Erforderlich sei jedoch eine hinreichend konkretisierte Anstiftungshandlung. Die allgemeine Verabredung, irgendeine Person zu finden, sei vage und liege lediglich im [X.] [X.]. Die Absprachen mit den aus Sicht der Angeklagten tatbereiten Personen seien inhaltlich nicht konkret gewesen. Ferner habe es an der hinreichenden Verbindlichkeit der Abrede zwischen den Angeklagten gefehlt; die Übereinkunft sei nicht auf eine zwingende gemeinsame Umsetzung gerichtet gewesen. Mangels Eigeninteresses des Angeklagten [X.] habe der Angeklagte [X.]    jederzeit eigenständig eine Person suchen und beauftragen oder davon Abstand nehmen können. Für eine Strafbarkeit wegen [X.] zur gemeinschaftlichen Anstiftung zu einem Verbrechen beziehungsweise Annahme dieses Erbietens (§ 30 Abs. 2 Varianten 1 und 2 StGB) fehle es ebenfalls an der hinreichend konkretisierten Anstiftungshandlung.

II.

7

1. Die Freisprüche halten revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand; die Urteilsgründe belegen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer verabredeten Anstiftung im Sinne von § 30 Abs. 2 Variante 3 Alt. 2 StGB.

8

a) Diese setzt eine vom ernstlichen Willen getragene Einigung von mindestens zwei Personen voraus, gemeinschaftlich einen Dritten zur Begehung eines bestimmten Verbrechens anzustiften (vgl. [X.], Urteil vom 27. Januar 1982 – 3 [X.], [X.], 244; Beschlüsse vom 21. November 2018 – 1 [X.], [X.], 655, 656; vom 16. März 2011 – 5 [X.], [X.]R StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 8). Die in Aussicht genommene Tat muss zumindest in ihren wesentlichen Grundzügen, nicht aber bereits in allen Einzelheiten festgelegt sein (vgl. [X.], Beschlüsse vom 21. November 2018 – 1 [X.], aaO; vom 9. Februar 1994 – 2 [X.]; [X.], Strafrecht [X.], [X.] Rn. 56). Daher können – entsprechend der Absprache eines Tatplans zwischen Mittätern – Zeit, Ort und Modalitäten der Ausführung im Einzelnen noch offen sein (vgl. [X.], Urteil vom 28. Juni 2007 – 3 [X.], [X.], 697), solange sie nicht völlig im Vagen bleiben, weil dann die Strafbarkeit zu weit ins Vorfeld der eigentlichen Tat vorverlagert würde (vgl. [X.], Beschluss vom 21. November 2018 – 1 [X.], aaO). Darüber hinaus muss der Übereinkunft der Täter das Versprechen mittäterschaftlicher Tatbeiträge zugrundeliegen (vgl. RG, Urteile vom 27. November 1924 – II 754/24, [X.], 392, 393; vom 26. Oktober 1925 – [X.], [X.], 376, 379); unzureichend ist es, wenn ein Beteiligter lediglich als Gehilfe tätig werden will (vgl. [X.], Urteile vom 4. Mai 1988 – 2 [X.], [X.]R StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 3; vom 13. Oktober 1992 – 1 [X.], [X.], 137, 138; Beschluss vom 10. Dezember 1987 – 1 [X.]/87).

9

b) Daran gemessen tragen die Urteilsgründe eine verabredete Anstiftung.

aa) Die erstrebte Tat wurde anhand der sie kennzeichnenden Merkmale als konkret-individualisierbares Geschehen ernstlich verabredet. Dies gilt sowohl für das Bestimmen eines präsumtiven [X.] als auch für die von diesem zu begehende [X.]upttat. Fest standen nach der Abrede weiter das Tatopfer, die in Betracht gezogene Begehungsweise bei der Bestimmung des präsumtiven [X.] und das Tatmotiv. Dies gilt gleichermaßen für den Tatzeitraum. Denn die Tat sollte möglichst vor [X.] 2021 und ausgeführt werden, wenn die beiden Angeklagten ortsabwesend wären.

bb) Dem steht nicht entgegen, dass im Zeitpunkt der Übereinkunft die Person des präsumtiven [X.] nicht feststand und unklar war, ob überhaupt ein solcher gefunden und bestimmt werden kann. Hierbei handelt es sich um vom Willen der Beteiligten losgelöste Bedingungen (vgl. [X.], Urteil vom 3. Dezember 1958 – 2 StR 500/58, [X.]St 12, 306, 309; LK-StGB/[X.], 13. Aufl., § 30 Rn. 63; [X.]/[X.]/[X.], 4. Aufl., § 30 Rn. 66; [X.] 1961, 137, 139), denen mit Blick auf den Zweck der zeitlichen Vorverlagerung der Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2 StGB keine Bedeutung zukommt (vgl. etwa zur Kettenanstiftung [X.], Urteil vom 8. Juli 1954 – 3 StR 796/53, [X.]St 6, 359, 361; Beschluss vom 2. November 2021 – 3 StR 259/21, NStZ-RR 2022, 49, 50; [X.]/Weißer in [X.]/[X.], StGB, 30. Aufl., § 26 Rn. 15; jeweils mwN). Die Angeklagten waren fest entschlossen, nach erfolgreicher Suche die tatgeneigte Person anzustiften. Gegenteiliges folgt nicht daraus, dass nach den Feststellungen keine der von [X.]vermittelten Personen beauftragt wurde. Denn diese erwiesen sich mangels Neigung, die Tat selbst auszuführen, als ungeeignet.

cc) Unerheblich ist ferner, dass es nach der getroffenen Abrede dem präsumtiven Täter überlassen bleiben sollte, bei welcher geeigneten Gelegenheit und auf welche Weise er die Tat ausführen würde. Es genügt vielmehr, dass die Angeklagten diese Umstände billigend in Kauf nahmen; denn bedingten Vorsatz in diesem Sinn hat ein Straftäter auch dann, wenn er aus Gleichgültigkeit mit jeder eintretenden Möglichkeit einverstanden ist (vgl. [X.], Urteile vom 12. Januar 2005 – 2 [X.], NJW 2005, 996, 997; vom 10. Juni 1998 – 3 [X.], [X.]St 44, 99, 102).

dd) Die Urteilsgründe belegen auch ein gemeinschaftliches Vorgehen der Angeklagten. Dabei sollte [X.] , der sich das Interesse [X.]    s an der Tötung   [X.].     s „zu eigen gemacht“ hatte, ein wesentlicher Tatbeitrag zukommen. Er verfügte über Beziehungen ins kriminelle Milieu, die er absprachegemäß nutzen sollte, um geeignete Personen anzusprechen; [X.]    verfügte über solche Verbindungen nicht. Entgegen der Annahme des [X.]s ist vor diesem Hintergrund auch der Umstand ohne Bedeutung, dass Gegenstand der Abrede nicht war, in jedem Fall gemeinsam auf mögliche Täter zuzugehen. Vielmehr begründete schon die Willensbindung der Beteiligten eine Gefahr für das durch die vorgestellte Tat bedrohte Rechtsgut, weil bereits die wechselseitige psychische Bindung den Anstiftungsversuch und die Begehung der [X.]upttat wahrscheinlicher macht (vgl. BT-Drucks. I/3713, [X.]; IV/650, S. 154; [X.], Urteile vom 4. Oktober 1957 – 2 StR 366/57, [X.]St 10, 388, 389; vom 13. Januar 2010 – 2 [X.], [X.]R StGB § 30 Abs. 2, Konkurrenzen 1; Beschluss vom 16. März 2011 – 5 [X.], aaO; NK-StGB/[X.], 6. Aufl., § 30 Rn. 38).

2. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können nicht bestehen bleiben, weil die Angeklagten sie mangels Beschwer nicht mit der Revision angreifen konnten (vgl. [X.], Urteil vom 5. Februar 2020 – 5 StR 390/19, Rn. 12).

[X.]     

      

[X.]     

      

Wenske

      

Fritsche     

      

Arnoldi     

      

Meta

6 StR 179/23

29.11.2023

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Magdeburg, 12. Dezember 2022, Az: 21 Ks 3/22

§ 30 Abs 2 Alt 3 Alt 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.11.2023, Az. 6 StR 179/23 (REWIS RS 2023, 8905)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8905

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 260/16 (Bundesgerichtshof)

Versuch der Beteiligung: Willenseinigung bei der Verabredung eines Verbrechens; subjektive Einstellung des Erklärungsempfängers beim Sichbereiterklären …


2 StR 165/08 (Bundesgerichtshof)


2 StR 489/21 (Bundesgerichtshof)

Versuchte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Unmittelbares Ansetzen des Erwerbers von Opium bei …


1 StR 627/16 (Bundesgerichtshof)

Sexueller Missbrauch von Kindern: Ausziehen eines Kindes; Selbstvornahme einer sexuellen Handlung durch das Kind; Versuch …


StB 51/23 (Bundesgerichtshof)

Strafbarkeit eines Sichbereiterklärens zur Durchführung eines Brandanschlags; Rücktritt von Ausführung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

5 StR 390/19

2 StR 439/09

3 StR 259/21

5 StR 581/10

1 StR 506/18

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.