Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.08.2017, Az. 4 BN 22/17

4. Senat | REWIS RS 2017, 6584

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Verfahrensermessen des Normenkontrollgerichts; Verlust des Ablehnungsrechts wegen Befangenheit


Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 [X.] gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

I. Die Revision ist nicht wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zuzulassen.

3

Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 [X.] erforderlich, dass die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts aufgestellten, ebensolchen die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat ([X.], vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 [X.] Nr. 26 S. 14).

4

Daran fehlt es. Das angegriffene Urteil weicht nicht von dem Senatsurteil vom 20. Februar 2014 - 4 [X.]N 1.13 - ([X.]VerwGE 149, 88) ab, das sich zu dem bis zum 1. Juni 2017 geltenden § 47 Abs. 2a [X.] (vgl. Art. 5 des Gesetzes vom 29. Mai 2017 - [X.]G[X.]l. [X.] 1298) äußert. Der Verwaltungsgerichtshof hat sein Urteil allein auf das Fehlen der Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 [X.] gestützt ([X.] Rn. 12 ff.; 20). Zu dieser Norm verhält sich das Senatsurteil vom 20. Februar 2014 - a.a.O. - nicht.

5

II. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 [X.] zuzulassen.

6

1. Der Antragsteller hält seinen Anspruch auf den gesetzlichen [X.] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG für verletzt. Die Rüge bleibt erfolglos.

7

a) Das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes des § 138 Nr. 2 [X.] scheidet aus. Danach ist ein Urteil stets als auf der Verletzung von [X.]recht beruhend anzusehen, wenn bei der Entscheidung ein [X.] mitgewirkt hat, der von der Ausübung des [X.]amts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit mit Erfolg abgelehnt war. Ein solcher Verfahrensfehler liegt nur vor, wenn ein Ablehnungsgesuch in der Vorinstanz tatsächlich Erfolg gehabt hat. Dies gilt auch, wenn sich die Gründe für die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit - wie hier der Antragsteller geltend macht - erst aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergeben sollten ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 29. Juni 2016 - 2 [X.] 18.15 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 [X.] Nr. 77 Rn. 38 m.w.N.; [X.]GH, Urteil vom 9. November 1992 - [X.]/91 - [X.]GHZ 120, 141 <144>).

8

b) Das erkennende Gericht war auch nicht im Sinne des § 138 Nr. 1 [X.] vorschriftswidrig besetzt. Eine solche vorschriftswidrige [X.]esetzung kann bei einem erst nachträglich bekannt gewordenen [X.]efangenheitsgrund nur angenommen werden, wenn ein [X.] der Vorinstanz tatsächlich und so eindeutig die gebotene Distanz und Neutralität hat vermissen lassen, dass jede andere Würdigung als die einer [X.]esorgnis der [X.]efangenheit willkürlich erschiene ([X.]VerwG, Urteil vom 21. März 2012 - 6 [X.] 19.11 - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 412 Rn. 18 und [X.]eschluss vom 29. Juni 2016 - 2 [X.] 18.15 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 [X.] Nr. 77 Rn. 38). Daran fehlt es.

9

aa) Der Antragsteller entnimmt dem Urteil, der Verwaltungsgerichtshof sei schon vor der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom Fehlen der Antragsbefugnis ausgegangen. Dafür ist nichts ersichtlich. Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Auffassung als "(vorläufige) Rechtsauffassung" bezeichnet ([X.] Rn. 19), dies entsprach den Äußerungen des Senatsvorsitzenden in der mündlichen Verhandlung. Auch das Schreiben der [X.]erichterstatterin vom 6. Juli 2016 und der Hinweis auf dieses Schreiben in dem angegriffenen Urteil ([X.] Rn. 19) bieten keinen Anhaltspunkt für die Auffassung des Antragstellers. Welchen "eigenen Einlassungen" der entscheidenden [X.] der Antragsteller das Gegenteil entnehmen will, legt er nicht dar.

Damit geht der Vorwurf des Antragstellers ins Leere, der Verwaltungsgerichtshof habe wegen der von ihm bereits erkannten Unzulässigkeit des Antrags im [X.]eschlusswege nach § 47 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 [X.] entscheiden müssen. Hiervon unabhängig liegt es im Verfahrensermessen des [X.], ob es nach § 47 Abs. 5 Satz 1 [X.] durch Urteil oder durch [X.]eschluss entscheidet ([X.]VerwG, Entscheidung vom 18. September 1985 - 2 N 1.84 - [X.]VerwGE 72, 122 <124 f.>). Die Entscheidung auf der Grundlage einer mündlichen Verhandlung ist aber die Regel ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. Dezember 1988 - 7 N[X.] 3.88 - [X.]VerwGE 81, 139 <142>). Das Normenkontrollgericht darf daher auch über [X.] mündlich verhandeln, die nach seiner vorläufigen Einschätzung wegen des Fehlens der Antragsbefugnis unzulässig sein können. Dass der Antragsteller im Nachhinein eine andere Prozessführung für sinnvoller gehalten hätte, ändert daran nichts, zumal er in seinem Schriftsatz vom 2. Mai 2016 ein Urteil nach mündlicher Verhandlung und nur hilfsweise eine Entscheidung im [X.]eschlusswege verlangt hatte.

bb) Der Umgang des Verwaltungsgerichtshofs mit den [X.]efangenheitsgesuchen des Antragstellers lässt keinen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bei der Urteilsfindung erkennen.

(1) Der Antragsteller hat sein erstes [X.]efangenheitsgesuch nach der Verkündung des Urteils und der damit eingetretenen [X.]indungswirkung (§ 173 Satz 1 [X.] i.V.m. § 318 ZPO), aber noch vor der Nichtabhilfeentscheidung der Vorinstanz (§ 133 Abs. 5 Satz 1 [X.]) angebracht. Es war daher mit [X.]lick auf die noch ausstehende Entscheidung zulässig (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 16. April 1997 - 6 [X.] 9.95 - NJW 1998, 323 <324>; [X.]eschluss vom 7. März 2017 - 6 [X.] 53.16 - NVwZ-RR 2017, 468 Rn. 9).

Der [X.]eschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Mai 2017 selbst unterliegt aber nicht der revisionsgerichtlichen Kontrolle. Die Ablehnung eines [X.]efangenheitsantrags ist eine nach § 146 Abs. 2 [X.] nicht mit der [X.]eschwerde anfechtbare Entscheidung und nach § 173 Satz 1 [X.] i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO der revisionsgerichtlichen Kontrolle entzogen ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 31. Oktober 2012 - 2 [X.] 33.12 - NVwZ-RR 2013, 115 Rn. 22 und vom 14. Juni 2016 - 4 [X.] 45.15 - juris Rn. 5). Für ein nach Ergehen des [X.] angebrachtes [X.]efangenheitsgesuch folgt dies im Übrigen aus § 173 Satz 1 [X.] i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO, wonach der [X.]eurteilung des [X.] nur diejenigen Entscheidungen unterliegen, die dem Endurteil vorausgegangen sind (vgl. zu § 548 ZPO a.F. [X.]VerwG, Urteil vom 16. April 1997 - 6 [X.] 9.95 - NJW 1998, 323 <324>). Etwaige [X.]esetzungsfehler des [X.]erufungsgerichts oder sonstige Verfahrensmängel vor oder bei Erlass des [X.] hindern das [X.]verwaltungsgericht als [X.]eschwerdegericht daher nicht, selbst über die Nichtzulassung in der Sache zu entscheiden. Der Rechtsschutz wird damit nicht verkürzt, weil das [X.]verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung alle geltend gemachten Zulassungsgründe vollständig und eigenverantwortlich zu überprüfen hat ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 13. Oktober 2015 - 9 [X.] 31.15 - juris Rn. 9 und vom 7. März 2017 - 6 [X.] 53.16 - NVwZ-RR 2017, 468 Rn. 11).

(2) Der Umgang der Vorinstanz mit dem ersten [X.]efangenheitsgesuch des Antragstellers lässt auch nicht den rückblickenden Schluss zu, die [X.]bank sei bei der Urteilsfindung unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG besetzt gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, der Antragsteller habe durch die rügelose Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sein Recht zur Ablehnung der erkennenden [X.] nach § 54 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 43 ZPO verwirkt. Dem hält die [X.]eschwerde entgegen, ihr sei der geltend gemachte Ablehnungsgrund erst mit der Verkündung des Urteils bekannt geworden. Dem Urteil lässt sich aber nicht entnehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits bei der Ladung zur mündlichen Verhandlung von der Unzulässigkeit des Normenkontrollantrags überzeugt war. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher nachvollziehbar, mithin frei von [X.]kür angenommen, der Antragsteller habe sein Ablehnungsrecht nach § 54 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 43 ZPO verloren, nachdem er sich in Kenntnis der vorläufigen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs in die Verhandlung eingelassen und Anträge gestellt hatte.

Der prozessuale Umgang des Verwaltungsgerichtshofs mit dem [X.]efangenheitsgesuch lässt ebenfalls nicht den nachträglichen Schluss auf ein unsachlich-willkürliches Vorgehen der erkennenden [X.] bei der Urteilsfindung zu. Allerdings erscheint zweifelhaft, ob der Verwaltungsgerichtshof - wie geschehen - unter Abweichung von § 54 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO unter Mitwirkung der abgelehnten [X.] entscheiden durfte. Ein [X.]efangenheitsgesuch kann ausnahmsweise dann unter Mitwirkung der abgelehnten [X.] als unzulässig verworfen werden, wenn es offensichtlich unzulässig, insbesondere rechtsmissbräuchlich ist ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 29. Januar 2014 - 7 [X.] 13.13 - [X.] 310 § 54 [X.] Nr. 76 Rn. 5; vgl. auch [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 11. Dezember 2012 - 8 [X.] 58.12 - [X.] 310 § 54 Nr. 74 Rn. 23). Davon ist auszugehen, wenn keine geeigneten [X.]efangenheitsgründe vorgetragen werden, vielmehr das Vorbringen des Antragstellers ersichtlich ungeeignet ist, die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit zu rechtfertigen, etwa weil das Gesuch offenbar grundlos ist, nur der Verschleppung dient und damit missbräuchlich ist ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 7. März 2017 - 6 [X.] 53.16 - NVwZ-RR 2017, 468 Rn. 9). Dieses vereinfachte [X.] soll indes nur echte Formalentscheidungen ermöglichen oder einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern, was eine enge Auslegung der Voraussetzungen gebietet ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 18. Dezember 2007 - 1 [X.]vR 1273/07 - [X.]VerfGK 13, 72 <79> und [X.] vom 11. März 2013 - 1 [X.]vR 2853/11 - juris Rn. 30). Es wird daher angenommen, dass über den angenommenen Verlust des [X.]efangenheitsrechts nach § 43 ZPO stets ohne Mitwirkung des abgelehnten [X.]s zu entscheiden ist (OLG [X.]randenburg, [X.]eschluss vom 18. März 2009 - 1 W 2/09 - juris Rn. 19; [X.], in: [X.]eckOK ZPO, § 45 Rn. 9; [X.]endtsen, in: [X.], ZPO, 7. Aufl. 2017, § 45 Rn. 2; zurückhaltend auch [X.], in: [X.], ZPO, 9. Aufl. 2017, § 45 Rn. 1; [X.]zybulka/[X.], in: [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. 2014, § 54 Rn. 121). Dies liegt nahe, wenn zudem ein konkreter Anhaltspunkt für einen Rechtsmissbrauch fehlt, namentlich - wie hier - eine Verschleppungsabsicht ausscheidet.

Abschließend nachzugehen braucht der Senat diesen [X.]edenken nicht. Denn jedenfalls lässt der prozessuale Umgang mit dem [X.]efangenheitsantrag nicht den rückblickenden Schluss zu, das angegriffene Urteil sei unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG getroffen worden. Der Verwaltungsgerichtshof war sich der rechtlichen Voraussetzungen einer Entscheidung unter Mitwirkung der abgelehnten [X.] und der nur ausnahmsweisen Zulässigkeit eines solchen Vorgehens bewusst. Dass er diese Voraussetzungen angenommen hat, war nicht willkürlich, sondern entspricht einer von beachtlichen Stimmen vertretenen Auffassung ([X.]FH, Urteil vom 23. Mai 2000 - [X.]/99 - [X.]FH/NV 2000, 1359 <1360>; [X.]ork, in: [X.], ZPO, [X.]d. 1, 23. Aufl. 2014, § 45 Rn. 2; [X.], in: [X.] Kommentar zur ZPO, [X.]d. 1, 5. Aufl. 2016, § 45 Rn. 2). Damit kann aus dem Umgang mit dem [X.]efangenheitsantrag auch nicht auf einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bei Fällung des Urteils geschlossen werden.

(3) Der Antragsteller hat die Ablehnung des zweiten [X.]efangenheitsgesuchs durch den [X.]eschluss der Vorinstanz vom 7. Juni 2017 nicht beanstandet. Da dieses Gesuch im [X.] auf die [X.]ehandlung des ersten [X.]efangenheitsgesuchs gestützt war, erlaubt seine [X.]ehandlung von vornherein nicht den Schluss auf eine [X.]efangenheit bei der Urteilsfindung. Der Senat weist aber darauf hin, dass über den Ablehnungsantrag nicht unter Mitwirkung einer abgelehnten [X.]in hätte entschieden werden dürfen (vgl. [X.]VerfG, [X.] vom 11. März 2013 - 1 [X.]vR 2853/11 - juris Rn. 36; aber auch [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 27. Juni 2017 - 8 [X.] 1.16 - juris Rn. 7 ).

2. Die [X.]eschwerde legt auch keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör aus § 108 Abs. 2 [X.] und Art. 103 Abs. 1 GG dar.

Der Antragsteller wirft der Vorinstanz eine unzulässige Überraschungsentscheidung vor. Dies geht fehl. Eine gerichtliche Entscheidung ist nur dann eine unzulässige Überraschungsentscheidung, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die [X.]eteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten ([X.], [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 23. Dezember 1991 - 5 [X.] 80.91 - [X.] 310 § 108 [X.] Nr. 241 S. 91 und vom 26. Februar 2014 - 4 [X.] 7.14 - [X.]RS 82 Nr. 72 Rn. 3). Eine Hinweispflicht des Gerichts setzt voraus, dass das Gericht bei seiner Entscheidung auf eine rechtliche Sichtweise oder eine bestimmte [X.]ewertung des Sachverhalts abstellen will, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens unter [X.]erücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht ([X.], [X.]VerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 [X.] 9.12 - NVwZ 2013, 1614 Rn. 38 und [X.]eschluss vom 23. August 2016 - 4 [X.] 25.16 - juris Rn. 9).

Nach der [X.]itte um Darlegung der Antragsbefugnis in dem gerichtlichen Schreiben vom 6. Juli 2016 und dem [X.] in der mündlichen Verhandlung musste der Antragsteller damit rechnen, dass sein Normenkontrollantrag wegen Fehlens der Antragsbefugnis abgelehnt werden könnte. Weder das Fehlen weiterer gerichtlicher Hinweisschreiben nach dem Schriftsatz vom 5. August 2016 noch die Ladung zur mündlichen Verhandlung ließen darauf schließen, das Gericht sei vom Vorliegen der Antragsbefugnis überzeugt. Das versteht sich von selbst.

3. Die Vorinstanz hat die Antragsbefugnis des Antragstellers ohne Verfahrensfehler verneint.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 [X.] kann den Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder zu werden. Überspannt das Normenkontrollgericht die Anforderungen an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 [X.] und verkennt es damit die prozessuale [X.]edeutung dieser Vorschrift, handelt es verfahrensfehlerhaft ([X.], [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 29. Juli 2013 - 4 [X.] 13.13 - [X.]RS 81 Nr. 64 Rn. 6 und vom 30. November 2016 - 4 [X.] 16.16 - [X.] 2017, 563 Rn. 11). An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind keine anderen Anforderungen zu stellen als an die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 [X.]. Deshalb reicht es aus, wenn ein Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zu prüfenden Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird ([X.]VerwG, Urteile vom 24. September 1998 - 4 [X.]N 2.98 - [X.]VerwGE 107, 215 und vom 30. April 2004 - 4 [X.]N 1.03 - [X.] 310 § 47 [X.] Nr. 165 S. 137).

a) Die Vorinstanz hat die Antragsbefugnis mit [X.]lick auf das Recht aus § 1 Abs. 7 [X.]auG[X.] zutreffend verneint.

Das in § 1 Abs. 7 [X.]auG[X.] normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot verleiht Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre [X.]elange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend "abgearbeitet" werden. Der Antragsteller im Normenkontrollverfahren kann sich deshalb darauf berufen, dass seine abwägungserheblichen privaten [X.]elange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden ([X.]VerwG, Urteile vom 16. Juni 2011 - 4 [X.]N 1.10 - [X.]VerwGE 140, 41 Rn. 15 und vom 29. Juni 2015 - 4 [X.]N 5.14 - Zf[X.]R 2015, 781 Rn. 14). [X.] ein Antragsteller in einem Normenkontrollantrag eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen, obliegt es ihm, einen eigenen [X.]elang als verletzt zu bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren ([X.]VerwG, Urteil vom 30. April 2004 - 4 [X.]N 1.03 - [X.] 310 § 47 [X.] Nr. 165 S. 138 und [X.]eschluss vom 12. Januar 2016 - 4 [X.] 11.15 - Zf[X.]R 2016, 263 Rn. 4).

Die Kritik des Antragstellers an den Ausführungen des Urteils zur mangelnden Erkennbarkeit eines abwägungserheblichen [X.]elangs ([X.] Rn. 15) kann auf sich beruhen. Denn das Urteil ist in vollem Umfang ([X.] Rn. 14: "jedenfalls") auf die Annahme gestützt, die privaten [X.]elange des Antragstellers seien geringwertig und daher nicht abwägungserheblich ([X.] Rn. 16 f.). Die dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch. Der Vorwurf der [X.]eschwerde geht fehl, das Grundstück des Antragstellers werde mit einem 35 m langen Gebäuderiegel zugebaut. Auf dem benachbarten Grundstück sind allein ein Wohngebäude mit einer [X.]reite von 13,5 m sowie eine Garage zulässig. Dass sich aus diesen Gebäuden gemeinsam mit einer Garage für ein rund 25 m entferntes, an das Nachbargrundstück anschließendes Grundstück eine abriegelnde Wirkung ergeben könnte, scheidet aus. Der Verwaltungsgerichtshof ([X.] Rn. 17) hat zutreffend angenommen, dass die entstehende [X.]ebauung den Antragsteller nicht über das Maß der Geringfügigkeit hinaus betrifft.

Auch die Ausführungen des Antragstellers auf die seiner Meinung nach ungünstigeren, jedenfalls abweichenden [X.]ebauungsmöglichkeiten auf seinem Grundstück führen nicht auf einen abwägungserheblichen [X.]elang. Denn nicht schutzwürdig sind insbesondere Interessen, wenn sich deren Träger vernünftigerweise darauf einstellen muss, dass "so etwas geschieht" ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 9. November 1979 - 4 N 1.78 - [X.]VerwGE 59, 87 <103>). Dies schließt die Erwartung ein, dass ein [X.]ebauungsplan eine Wohnbebauung fortsetzt, wenn auch mit abweichender Platzierung der [X.]aufenster.

b) Die Annahme der [X.]eschwerde trifft nicht zu, die Antragsbefugnis ergebe sich aus dem von ihr angenommenen Verstoß gegen Vorschriften über die Auslegung, namentlich § 3 Abs. 2 Satz 2 [X.]auG[X.]. Denn § 47 Abs. 2 Satz 1 [X.] verlangt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung "durch" den angegriffenen [X.]ebauungsplan selbst ([X.], in: [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. 2014, § 47 Rn. 257). Auch das sieht der Verwaltungsgerichtshof richtig ([X.] Rn. 18). Warum der Antragsteller wegen eines Fehlers bei der Auslegung des [X.] nicht in der Lage gewesen sein sollte, zu seiner Antragsbefugnis vorzutragen, bleibt unerfindlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 [X.], die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 22/17

15.08.2017

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 14. März 2017, Az: 1 N 15.705, Urteil

§ 47 Abs 2 VwGO, § 138 Nr 1 VwGO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 43 ZPO, § 1 Abs 7 BauGB, § 47 Abs 5 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.08.2017, Az. 4 BN 22/17 (REWIS RS 2017, 6584)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6584

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

1 K 54/15

Zitiert

1 BvR 2853/11

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