Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2005, Az. XII ZB 118/04

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 5120

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[X.][X.]/04
vom 9. Februar 2005 in der Familiensache

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

BGB § 1408 Abs. 2 Satz 2; ZPO § 167 a) Ein Ausschluß des Versorgungsausgleichs durch Ehevertrag ist auch dann unwirksam, wenn innerhalb eines Jahres nach Vertragsschluß ein Antrag auf Scheidung der Ehe bei Gericht eingegangen und zwar erst nach Ablauf der Jahresfrist, aber noch "demnächst" i.S. von § 167 ZPO zugestellt worden ist. b) Eine Zustellung ist selbst nach längerer [X.] (hier: etwas mehr als zwei [X.]) noch als demnächst erfolgt anzusehen, wenn der Antragsteller alles ihm für eine fristgerechte Zustellung Zumutbare getan und die Verzögerung nicht schuldhaft herbeigeführt hat. [X.], Beschluß vom 9. Februar 2005 - [X.] 118/04 - [X.]

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 9. Februar 2005 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Wagenitz und [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß
des 7. Senats für Familiensachen des [X.] vom 20. Februar 2004 wird auf seine Kosten zurückgewiesen. [X.]: 2.076 •.

Gründe: [X.] Die [X.]en streiten um die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Sie schlossen am 1. Juni 1979 die Ehe und leben seit Ende 2001 dauernd ge-trennt. Kinder sind aus ihrer Ehe nicht hervorgegangen. Am 26. November 2001 schlossen sie eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung, die neben einem wechselseitigen Unterhaltsverzicht u.a. einen Verzicht auf Durchführung des Versorgungsausgleichs enthält. Mit Antrag vom 7. November 2002, der beim zuständigen [X.] am 8. November 2002 einging, beantragte die Antragstellerin, die Ehe der [X.]en zu scheiden. Zugleich beantragte sie die Bewilligung von Prozeß-kostenhilfe und fügte dem Scheidungsantrag Kopien einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 17. September 2002 nebst - 3 - Anlagen bei, die sie im Original in einem Unterhaltsverfahren vor demselben Gericht eingereicht hatte. Gleichzeitig versicherte sie, daß sich an den wirt-schaftlichen Verhältnissen seitdem nichts geändert habe. Dem [X.] war die Scheidungsfolgenvereinbarung auszugsweise in Kopie beigefügt. Zugleich wies die Antragstellerin auf den Ausschluß des [X.] hin und erklärte ausdrücklich: "In Anbetracht der Ehezeitdauer und des Umstandes, daß die Antragstel-lerin kaum bzw. teilzeitbeschäftigt war, soll mit dem vorliegenden Schei-dungsantrag gemäß § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB diese Regelung außer [X.] gesetzt werden." Sie beantragte deswegen, "den Scheidungsantrag im Hinblick auf die Regelung des § 65 Abs. 7 Ziff. 3 und 4 GKG sofort zuzustellen". Der Scheidungsantrag wurde beim zuständigen [X.] zu-nächst nicht bearbeitet. Auf eine Sachstandsanfrage vom 15. Januar 2003, die am 18. Januar 2003 einging, wurde der Scheidungsantrag dem Antragsgegner am 21. Januar 2003 zugestellt. Während der Ehezeit (1. Juni 1979 bis 31. Dezember 2002; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarben beide Ehegatten Rentenanwartschaften in der [X.] bei der [X.], und zwar die am 14. März 1960 geborene Antragstellerin in Höhe von 410,40 • und der am 3. April 1954 geborene Antragsgegner in Höhe von 756,32 •, jeweils monatlich und bezogen auf den 31. Dezember 2002. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Ehe der [X.]en geschieden (insoweit rechtskräftig) und im Wege des [X.] des Antragsgegners in Höhe von monatlich 172,96 • auf das [X.] - 4 - der Antragstellerin übertragen. Die gegen die Entscheidung zum Versorgungs-ausgleich gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesge-richt zurückgewiesen. Dagegen richtet sich seine vom Beschwerdegericht zuge-lassene Rechtsbeschwerde. I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§§ 621 e Abs. 2, 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO), aber nicht begründet. 1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung zu Recht auf § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB gestützt, wonach ein Ausschluß des Versorgungsausgleichs unwirksam ist, wenn innerhalb eines Jahres nach Vertragsschluß ein Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzt eine Antragstellung im Sinne dieser Vorschrift die Erhebung des [X.] durch Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner voraus (Senatsbeschluß vom 4. Oktober 1984 - [X.] - FamRZ 1985, 45, 46 f. m.w.N.). Zwar genügt ein Scheidungsantrag, der mit der Erklärung verbunden ist, er werde nur für den Fall der Bewilligung der zugleich beantragten Prozeß-kostenhilfe erhoben, den Anforderungen des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht (Senatsbeschluß vom 16. September 1998 - [X.] 104/98 - FamRZ 1999, 155, 156). Zutreffend und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen führt das Be-rufungsgericht aber aus, daß der Scheidungsantrag hier unbedingt erhoben wurde und die Antragstellerin zugleich beantragt hatte, den Antrag gemäß § 65 Abs. 7 Ziff. 3 und 4 GKG a.F. (jetzt § 14 Nr. 3 GKG) sofort und noch vor der Entscheidung über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe zuzustellen. - 5 - 2. Allerdings wurde der Scheidungsantrag trotz des ausdrücklichen [X.] nicht innerhalb der am 26. November 2002 abgelaufenen Frist des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB zugestellt. Das ist nach den zutreffenden Ausführungen des [X.] aber unerheblich, weil die Zustellung "demnächst" im [X.] von § 167 ZPO erfolgt ist und deswegen auf den rechtzeitigen Eingang des Antrags bei Gericht zurückwirkt (vgl. [X.]/[X.] ZPO 25. Aufl. § 167 Rdn. 3). Damit ist der Ausschluß des Versorgungsausgleichs gemäß § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB unwirksam geworden. a) Ob eine Zustellung noch "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt ist und deswegen auf den Eingang der Antragsschrift zurückwirkt, kann nicht aus einer rein zeitlichen Betrachtungsweise geschlossen werden. Die Vorschrift will die [X.]en vielmehr allgemein vor Nachteilen durch eine verzögerte Zu-stellung von Amts wegen bewahren, die innerhalb des gerichtlichen Geschäfts-betriebs liegt und von den [X.]en nicht beeinflußt werden kann ([X.] 145, 358, 362). Einer [X.] sind deswegen nur solche Verzögerungen zurechenbar, die sie oder ihr Prozeßbevollmächtigter bei sachgerechter Prozeßführung hätte vermeiden können. Der [X.]raum, dessen ungenutztes Verstreichen einer [X.] nicht angelastet werden kann, hat deshalb bei der Beurteilung der Frage, ob eine Zustellung demnächst im Sinne von § 167 ZPO erfolgt ist, jedenfalls dann außer Betracht zu bleiben, wenn schutzwürdige Belange der Gegenpartei nicht entgegenstehen. Die Zustellung ist daher selbst nach längerer [X.] noch als "demnächst" erfolgt anzusehen, wenn die Verzögerung vom Antragsteller oder seinem Vertreter nicht schuldhaft herbeigeführt worden ist. Davon ist auszuge-hen, wenn der Antragsteller alles ihm für eine alsbaldige Zustellung Zumutbare getan hat ([X.] 103, 20, 28 f.; [X.] Urteile vom 5. Februar 2003 - [X.]/02 - NJW-RR 2003, 599, 600 und vom 11. Juli 2003 - [X.] - NJW 2003, 2830, 2831). Das ist hier der Fall. - 6 - b) Die Antragstellerin hat einen unbedingten Scheidungsantrag erhoben und neben der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe die sofortige Zustellung ge-mäß § 65 Abs. 7 Ziff. 3 und 4 GKG a.F. (jetzt § 14 Nr. 3 GKG) beantragt. Die Voraussetzungen der sofortigen Zustellung hat sie ausreichend durch Vorlage der Scheidungsfolgenvereinbarung und ergänzenden Vortrag zu den erhebli-chen Auswirkungen des dort vereinbarten Ausschlusses des [X.] glaubhaft gemacht. Dabei gereicht es ihr auch nicht zum Verschulden, daß sie ihren Antrag auf sofortige Zustellung in der Begründung nicht beson-ders hervorgehoben hat. Denn regelmäßig obliegt es dem Gericht auch ohne besonderen Hinweis, die Schriftsätze der [X.]en entgegenzunehmen und die darin enthaltenen Anträge zu bescheiden. Das gilt um so mehr, weil der Antrag auf sofortige Zustellung nicht etwa Teil einer längeren Begründung ist, sondern trotz der fehlenden Hervorhebung innerhalb der sehr kurzen Begründung sofort ins Auge fällt. Einer [X.] ist es schon nicht zurechenbar, wenn das Gericht seinerseits, etwa durch nicht gebotene Rückfragen oder Zwischenverfügungen, zur Zustellungsverzögerung beigetragen hat ([X.] 134, 343, 352; 145, 358, 363). Das gilt erst recht, wenn das Gericht von der Bearbeitung eines Antrags vollständig Abstand genommen hat. Selbst über die zugleich beantragte Pro-zeßkostenhilfe hätte das zuständige Amtsgericht nach Anhörung des Antrags-gegners noch rechtzeitig entscheiden können. Denn die Bezugnahme auf eine erst wenige Monate zuvor bei demselben Gericht eingereichte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse genügt den Anforderungen des § 117 Abs. 2 und 4 ZPO, wenn - wie hier - zugleich versichert wird, daß seit Abgabe der früheren Erklärung keine Änderungen eingetreten sind ([X.] 148, 66, 69). Die verspätete Zustellung des Scheidungsantrags ist deswegen nicht auf fehlerhafte oder unvollständige Anträge, sondern allein darauf zurückzufüh-ren, daß die Sache beim Amtsgericht gänzlich unbearbeitet geblieben ist. - 7 - Der Antragstellerin ist es auch nicht vorwerfbar, das Gericht nicht früher an die Bearbeitung ihres Antrags erinnert zu haben. Zwar muß selbst ein Klä-ger, der seinerseits zunächst alles Erforderliche getan hat, um die sofortige Zu-stellung seines Antrags zu veranlassen, einer späteren Verzögerung der Zustel-lung entgegentreten. Droht eine solche aus unerklärlichen Gründen, muß er sich bei dem Gericht nach den Ursachen erkundigen ([X.] Urteil vom 1. April 2004 - [X.]/03 - FamRZ 2004, 1368). Der Umfang dieser Verpflichtung hängt allerdings wesentlich davon ab, ob die [X.] infolge eigenen nachlässi-gen Verhaltens mit der fehlenden Zustellung rechnen mußte. Hat ein [X.]teller hingegen - wie hier - alles zur Zustellung des Scheidungsantrages Erforderliche getan, ist ihm ein Abwarten von wenig mehr als zwei Monaten seit Antragseingang nicht vorwerfbar. Der verstrichene [X.]raum fällt dann allein in den Verantwortungsbereich des Gerichts, ist der Antragstellerin nicht zurechen-bar und bleibt somit bei Anwendung des § 167 ZPO außer Betracht. 3. Letztlich kommt es deswegen auf die streitige Behauptung der Antrag-stellerin, der Antragsgegner sei noch vor Ablauf der Jahresfrist über den bei Gericht anhängigen Scheidungsantrag informiert gewesen und deswegen nicht schutzwürdig, nicht an. Weil der Ausschluss des Versorgungsausgleichs schon nach § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB unwirksam ist, kommt es auch nicht darauf an, ob die Vereinbarung der [X.]en auf der Grundlage der neueren Rechtspre-chung des Senats einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB standhält (vgl. Se-natsurteile vom 11. Februar 2004 - [X.] ZR 265/02 - FamRZ 2004, 601 = [X.] - 8 - 158, 81, vom 6. Oktober 2004 - [X.] 110/99 - FamRZ 2005, 26 f. und vom 12. Januar 2005 - [X.] ZR 238/03 - zur [X.] bestimmt). Hahne [X.] [X.] Wagenitz [X.]

Meta

XII ZB 118/04

09.02.2005

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2005, Az. XII ZB 118/04 (REWIS RS 2005, 5120)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5120

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