Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.05.2017, Az. VIII ZB 55/16

8. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 11357

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Gegenstand

Vergütung des Rechtsanwalts: Anfall der Terminsgebühr für Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung


Leitsatz

Ein Rechtsanwalt wirkt an einer "auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts" nur mit - und verdient damit eine Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG -, wenn bei Beginn des Gesprächs eine Einigung der Parteien noch nicht erzielt worden war.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 19. August 2016 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 608,40 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin hat die Beklagten mit am 9. März 2016 zugestellter Klage auf Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung sowie auf Zahlung rückständiger Miete in Anspruch genommen.

2

Am 16. März 2016 kam es zu einem Telefonat zwischen dem Beklagten zu 2 und einem Mitarbeiter der von der Klägerin beauftragten Hausverwaltung, in welchem dem Beklagten mitgeteilt wurde, dass für den Fall des vollständigen Ausgleichs der rückständigen Mietzahlungen an dem [X.] nicht mehr festgehalten werde. Der Mitarbeiter der Hausverwaltung bat den Beklagten, dies auch dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin telefonisch mitzuteilen. Nachdem die Beklagte zu 1 noch am selben Tag im Büro des anwaltlichen Vertreters der Klägerin angerufen und um Rückruf gebeten hatte, rief der Anwalt die Beklagte später zurück. In diesem Gespräch teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Inhalt des Gesprächs mit dem Mitarbeiter der Hausverwaltung mit.

3

Nach vollständiger Zahlung der Mietrückstände hat die Klägerin den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 23. März 2016 in der Hauptsache für erledigt erklärt; dem sind die Beklagten nicht entgegengetreten. Mit Beschluss vom 26. April 2016 hat das Amtsgericht den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a ZPO auferlegt.

4

Am 29. April 2016 hat die Klägerin einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt, in dem unter anderem die 1,2-fache Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG in Höhe von 608,40 € beansprucht wird. Das Amtsgericht hat die genannte Terminsgebühr abgesetzt und die Kosten im Übrigen antragsgemäß durch Beschluss vom 10. August 2016 festgesetzt. Die hinsichtlich der nicht berücksichtigten Terminsgebühr eingelegte sofortige Beschwerde ist vom [X.] zurückgewiesen worden. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

II.

5

Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass im Streitfall eine 1,2-fache Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 in Verbindung mit Nr. 3104 VV RVG nicht angefallen ist.

6

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, zwar entstehe die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG auch für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet seien, insbesondere auch in Fällen in denen der Bevollmächtigte einer [X.] im Rahmen des Telefonats die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Äußerungen der Gegenseite zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine [X.] zur Kenntnis nehme. Im Streitfall hätten sich die [X.]en indes bereits in dem vorangegangenen Gespräch mit der Hausverwaltung geeinigt; das Gespräch mit dem Prozessbevollmächtigten habe lediglich dazu gedient, diesen von der Einigung in Kenntnis zu setzen. Dies reiche für das Entstehen der Terminsgebühr nicht aus.

7

2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen ist.

8

a) Nach § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG verdient der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch durch die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Nach der Intention des Gesetzgebers sollte mit dieser Regelung der Anwendungsbereich der Terminsgebühr erweitert werden; die Gebühr soll insbesondere bereits dann verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Rechtsstreits des Verfahrens gerichteten Besprechungen mitwirkt, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Einigung zielen (BT-Drucks. 15/1971, [X.]). Dementsprechend hat der [X.] an das Merkmal der - auch telefonisch durchführbaren - Besprechung keine besonderen Anforderungen gestellt und die Terminsgebühr als entstanden angesehen, wenn der Gegner die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Äußerungen zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine [X.] zur Kenntnis nimmt ([X.], Beschluss vom 20. November 2006 - [X.], NJW-RR 2007, 286 Rn. 7 mwN) oder sich auch nur an Gesprächen mit dem Ziel einer Einigung interessiert zeigt ([X.], Beschluss vom 27. Februar 2007 - [X.], NJW 2007, 2858 Rn. 10).

9

b) Ausgehend von vorstehenden rechtlichen Erwägungen fällt - wie das [X.] zutreffend erkannt hat - das Telefonat der Beklagten zu 1 mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 16. März 2016 selbst bei Zugrundelegung eines gebotenen weiten Verständnisses nicht mehr unter den Begriff der Besprechung im Sinne des § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG. Für diese rechtliche Wertung ist von entscheidender Bedeutung, dass eine Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung jedenfalls voraussetzt, dass bei Beginn des Gesprächs, das den genannten Gebührentatbestand auslösen soll, eine Einigung noch nicht erzielt worden ist. Denn nur in diesem Fall kann die Besprechung auf die (zukünftige) Erledigung des Verfahrens gerichtet sein. Dies verkennt die Rechtsbeschwerde, wenn sie ausführt, dem Umstand, dass sich die Beklagtenseite mit dem Mitarbeiter der Hausverwaltung der Klägerin zuvor bereits über die Modalitäten einer Einigung verständigt hatte, komme für die Erfüllung des [X.] keine Bedeutung zu, weil hierfür allein entscheidend sei, dass sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an einer außergerichtlichen Erledigung interessiert gezeigt habe. Vielmehr erschöpfte sich das Gespräch der Beklagten zu 1 mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der bloßen Übermittlung der bereits zuvor erzielten Einigung und damit einer dieser nachfolgenden (reinen) Sachinformation.

Dr. Milger     

      

[X.]     

      

[X.]

      

Dr. Fetzer     

      

Dr. Bünger     

      

Meta

VIII ZB 55/16

09.05.2017

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Köln, 19. August 2016, Az: 1 T 294/16

§ 2 Abs 2 RVG, Teil 3 Vorbem 3 Abs 3 S 3 Nr 2 RVG-VV, Nr 3104 RVG-VV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.05.2017, Az. VIII ZB 55/16 (REWIS RS 2017, 11357)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 3530 REWIS RS 2017, 11357

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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6 C 22.1973 (VGH München)

Kostenfestsetzung, Terminsgebühr nach Erledigung, Außergerichtliche Besprechung, Gespräch über Beendigung des Verfahrens


Referenzen
Wird zitiert von

RO 8 M 23.1225

VIII ZB 55/16

Au 7 M 18.91

6 C 22.1973

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