Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.02.2014, Az. 1 BvL 11/10, 1 BvL 14/10

1. Senat | REWIS RS 2014, 7994

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Unvereinbarkeit der bremischen und saarländischen Regelungen über den Stückzahlmaßstab in den jeweiligen Vergnügungssteuergesetzen (§ 3 Abs 1 VergnStG BR; § 14 Abs 1 VergnStG SL) mit Art 3 Abs 1 GG - weitere Anwendbarkeit jeweils lediglich bis 31.12.2005, dh sechs Monate nach Änderung der Rspr des BVerwG (BVerwGE 123, 218) - Gegenstandswertfestsetzung


Tenor

1. § 3 Absatz 1 Bremisches Vergnügungsteuergesetz vom 14. Dezember 1990 (Gesetzblatt der [X.] Seite 467) in der Fassung der Änderung durch das Gesetz zur Änderung des [X.] vom 21. November 2006 (Gesetzblatt der [X.] Seite 470) ist - soweit er sich auf Spiel- und Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit bezieht - mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar. Die Vorschrift bleibt bis zum 31. Dezember 2005 weiter anwendbar.

2. § 14 Absatz 1 [X.] vom 19. Juni 1984 in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. April 1993 ([X.]) und der Änderung durch Artikel 4 Absatz 56 des Gesetzes Nummer 1484 zur Anpassung des Landesrechts an die Einführung des [X.] und zur Änderung von Rechtsvorschriften vom 7. November 2001 ([X.]) ist - soweit er sich auf Apparate mit Gewinnmöglichkeit bezieht - mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar. Die Vorschrift bleibt bis zum 31. Dezember 2005 weiter anwendbar.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfahren 1 BvL 11/10 auf 50.000 € (in Worten: fünfzigtausend [X.]) festgesetzt.

Gründe

1

Die Vorlagen betreffen die Frage, ob die im [X.] vom 14. Dezember 1990 ([X.]) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des [X.] vom 21. November 2006 ([X.]; im Folgenden: [X.]) und im [X.] vom 19. Juni 1984 in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. April 1993 ([X.]) und der Änderung durch Art. 4 Abs. 56 des Gesetzes Nr. 1484 zur Anpassung des Landesrechts an die Einführung des [X.] und zur Änderung von Rechtsvorschriften ([X.] - 7. RBG) vom 7. November 2001 ([X.] 2158; im Folgenden: [X.]) jeweils angeordnete Bemessung der [X.] für Spiel- und Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit nach der Anzahl der aufgestellten Geräte (sogenannter Stückzahlmaßstab) verfassungsgemäß ist.

2

1. Die Beteiligten der Ausgangsverfahren, eine bremische Spielhallenbetreiberin (im Folgenden: Klägerin zu 1) und das Finanzamt [X.] sowie ein [X.] Spielhallenbetreiber (im Folgenden: Kläger zu 2) und der Bürgermeister der [X.], in der die Spielhalle liegt, streiten über [X.] für Geldspielgeräte für die Monate Dezember 2007 bis Februar 2009 ([X.]) beziehungsweise Januar bis Dezember 2007 ([X.]).

3

2. Nach dem im maßgeblichen Zeitraum in der Freien Hansestadt [X.] geltenden [X.]gesetz unterlag unter anderem der Betrieb von Spiel- und Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen der [X.] (§ 1 Nr. 1 [X.]). Steuerschuldner war der Automatenaufsteller (§ 2 Abs. 1 [X.]).

4

Gemäß § 3 Abs. 1 [X.] richtete sich die Besteuerung nach der Anzahl der aufgestellten Automaten. § 3 Abs. 1 [X.] lautete:

5

Die Steuer beträgt in den Fällen des § 1 Nr. 1 für jedes Gerät und jeden angefangenen Kalendermonat bei

a)

Spiel- und Unterhaltungsautomaten in Spielhallen oder ähnlichen Unternehmen nach § 3 Abs. 2 der Spielverordnung

mit Gewinnmöglichkeit

199 [X.]

ohne Gewinnmöglichkeit

60 [X.]

b)

Spiel- und Unterhaltungsautomaten an sonstigen Aufstellorten, insbesondere Schankwirtschaften, [X.], Beherbergungsbetrieben und [X.] nach § 3 Abs. 1 der Spielverordnung

mit Gewinnmöglichkeit

50 [X.]

ohne Gewinnmöglichkeit

20 [X.]

c)

Spiel- und Unterhaltungsautomaten, mit denen Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder eine Verherrlichung oder Verharmlosung des [X.] dargestellt werden, unabhängig vom Aufstellort

307 [X.]

d)

Musikautomaten, unabhängig vom Aufstellort

15 [X.].

6

Die Klägerin zu 1) wurde vom Finanzamt für die von Dezember 2007 bis einschließlich Februar 2009 in ihrer Spielhalle aufgestellten Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit zur [X.] herangezogen. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob sie beim Finanzgericht [X.] - dem vorlegenden Gericht - Klage mit dem Antrag, die entsprechenden [X.]bescheide aufzuheben, soweit sie Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit betrafen.

7

Während des [X.] wurde § 3 Abs. 1 [X.] durch das Gesetz zur Änderung des [X.] vom 22. Dezember 2009 ([X.]) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 geändert (im Folgenden: [X.]). § 3 Abs. 1 [X.] lautet seitdem wie folgt:

8

Die Steuer für den in § 1 Nummer 1 bezeichneten Aufwand beträgt für Spiel- und Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit sowie in ihrer Art ähnliche Geräte, die über ein manipulationssicheres Zählwerk verfügen, 10 vom Hundert des Einspielergebnisses.

9

3. Das im hier maßgeblichen Zeitraum im [X.] geltende [X.]gesetz ermächtigte die [X.]n zur Erhebung einer [X.] für das Halten von [X.] in Spielhallen und sonstigen der Öffentlichkeit zugänglichen Orten (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 [X.]). Steuerschuldner war der Halter der Geräte (§ 4 Abs. 1 [X.]).

Gemäß § 14 Abs. 1 und 2 [X.] war die Steuer als Pauschsteuer "nach festen Sätzen" zu berechnen und durch gemeindliche Satzung bis zu gesetzlich festgelegten Höchstsätzen festzusetzen. § 14 [X.], dessen Absatz 1 zur Prüfung vorgelegt wird, soweit er Apparate mit Gewinnmöglichkeit betrifft, lautete wie folgt:

Steuer nach festen Sätzen

(1) Die Pauschsteuer für das Halten von Apparaten nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 wird nach festen Sätzen berechnet und ist durch Satzung von der [X.] festzusetzen.

(2) Der höchstzulässige Steuersatz beträgt für jeden angefangenen Betriebsmonat (Kalendermonat)

1.

für Musikapparate

20,45 [X.]

2.

in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a

für Apparate mit Gewinnmöglichkeit

138 [X.]

für Apparate ohne Gewinnmöglichkeit

30,70 [X.]

3.

in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b

für Apparate mit Gewinnmöglichkeit

30,70 [X.]

und für Apparate ohne Gewinnmöglichkeit

15,35 [X.].

Die [X.], in der der Kläger zu 2) seine Spielhalle betreibt, machte von der Möglichkeit der Erhebung einer [X.] für das Halten von [X.] Gebrauch. Sie setzte in der entsprechenden Satzung für Apparate in Spielhallen die gesetzlich zugelassenen Höchstbeträge fest, und zwar von 138,00 € pro Monat für Apparate mit Gewinnmöglichkeit und von 30,70 € für solche ohne Gewinnmöglichkeit.

Auf dieser Grundlage zog die [X.] den Kläger zu 2) für die im Jahre 2007 in seiner Spielhalle unter anderem aufgestellten zehn Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit zur [X.] heran. Nach erfolglosem Widerspruch erhob der Kläger zu 2) hiergegen Klage beim vorlegenden Verwaltungsgericht.

Aufgrund des Gesetzes Nr. 1773 zur Änderung des [X.] vom 20. Juni 2012 ([X.] 264) wurde das [X.]gesetz mit Wirkung ab dem 1. März 2013 im Hinblick auf den Stückzahlmaßstab geändert (im Folgenden: [X.]). § 14 [X.] lautet nunmehr wie folgt:

Steuer nach festen Sätzen und nach dem Einspielergebnis

(1) Die Steuer für das Halten von Apparaten nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 wird nach festen Sätzen und nach dem Einspielergebnis berechnet und ist durch Satzung von der [X.] festzusetzen.

(2) Der höchstzulässige Steuersatz beträgt für jeden angefangenen Betriebsmonat (Kalendermonat)

(...)

2.

in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a

für Apparate mit Gewinnmöglichkeit

12 vom Hundert des Einspielergebnisses

und für Apparate ohne Gewinnmöglichkeit

30,70 [X.]

(...)

(3) Einspielergebnis ist der Gesamtbetrag der in Apparaten mit Gewinnmöglichkeit eingesetzten Spielbeträge abzüglich der ausgezahlten Gewinne, bereinigt um Veränderungen der Röhreninhalte, Falschgeld, Prüftestgeld und Fehlgeld.

1. Die vorlegenden Gerichte haben unter Berufung auf Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 80 [X.] beschlossen, das jeweilige Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des [X.] darüber einzuholen, ob § 3 Abs. 1 [X.] beziehungsweise § 14 Abs. 1 [X.] - soweit sie sich auf Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit beziehen - mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig sind. Sie sind jeweils davon überzeugt, dass die vorgelegten Vorschriften mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind, weil die Anwendung des [X.] als Bemessungsgrundlage für die [X.] bei Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt. Zur Begründung beziehen sich beide Gerichte auf die Entscheidung des [X.] vom 4. Februar 2009 zur [X.] [X.] ([X.] 123, 1).

2. Der Senat der Freien Hansestadt [X.] und das [X.], Kultur und [X.]pa sowie die Kläger der Ausgangsverfahren haben zu der jeweiligen Vorlage Stellung genommen. Alle Stellungnahmen gehen davon aus, dass der Stückzahlmaßstab jedenfalls seit der Entscheidung des [X.] vom 4. Februar 2009 ([X.] 123, 1) als verfassungswidrig anzusehen ist.

a) Der Senat der Freien Hansestadt [X.] ist aber der Ansicht, dass der Stückzahlmaßstab des § 3 Abs. 1 [X.] noch bis zum Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Januar 2010 angewandt werden durfte. Die abschließende Klärung der in der Rechtsprechung uneinheitlich behandelten Frage sei erst durch die Entscheidung des [X.] vom 4. Februar 2009 ([X.] 123, 1) erfolgt. Aufgrund von Erwägungen der Haushaltssicherheit, einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung sowie eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs sei im Falle eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz § 3 Abs. 1 [X.] lediglich für mit der Verfassung unvereinbar, für einen Übergangszeitraum aber für weiter anwendbar zu erklären.

b) Das [X.], Kultur und [X.]pa ist ebenfalls der Ansicht, dass erst aufgrund der Entscheidung des [X.] vom 4. Februar 2009 ([X.] 123, 1) eine Änderung des § 14 Abs. 1 [X.] erforderlich geworden sei. Zuvor habe der [X.] Gesetzgeber noch auf die Verfassungsmäßigkeit des [X.] vertrauen dürfen, da das [X.] im Jahre 2005 nur unter bestimmten Umständen - die im Anwendungsbereich des [X.] [X.] zwar vereinzelt behauptet, aber nicht näher dargelegt oder unter Beweis gestellt worden seien - einen Verstoß des [X.] gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gesehen habe (BVerwGE 123, 218 <229>). Dafür, § 14 Abs. 1 [X.] lediglich für mit der Verfassung unvereinbar und für in einem Übergangszeitraum weiter anwendbar zu erklären, spreche auch ein erhebliches haushälterisches Interesse der abgabenerhebenden Kommunen.

Die Vorlagen sind zulässig (Art. 100 Abs. 1 GG, § 13 Nr. 11, § 80 ff. [X.]).

Die Entscheidungserheblichkeit der zur Prüfung vorgelegten gesetzlichen Regelungen sowie die Überzeugung der vorlegenden Gerichte von ihrer Verfassungswidrigkeit sind in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 [X.] genügenden Weise dargelegt (vgl. [X.] 132, 360 <366 ff.> m.w.N.).

§ 3 Abs. 1 [X.] und § 14 Abs. 1 [X.] verletzen - soweit sie Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit betreffen - den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. [X.] 126, 400 <416>; 132, 372 <388>; stRspr). Auf dem Gebiet des Steuerrechts verbürgt der allgemeine Gleichheitssatz den Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten (vgl. [X.] 35, 324 <335> m.w.N.; 110, 274 <292>; 120, 1 <44>; stRspr).

Das [X.] hat die Maßstäbe für die Anwendung des Gleichheitssatzes auf die [X.] bereits geklärt ([X.] 123, 1 <20 ff.>). Es ist kein Gesichtspunkt vorgetragen oder ersichtlich, der zu einer abweichenden Bewertung Anlass gäbe.

Die vorgelegten Vorschriften halten einer Prüfung anhand dieser verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht stand. Eine tragfähige Rechtfertigung dafür, statt des auf den [X.] der einzelnen Spieler bezogenen [X.] auch nach Einführung der manipulationssicheren Zählwerke für Gewinnspielautomaten zum 1. Januar 1997 einen an der Automatenstückzahl orientierten pauschalierenden Ersatzmaßstab für die Besteuerung zu verwenden, besteht nicht ([X.] 123, 1 <20 f., 27 f., 34 f.>). Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein wirklichkeitsnäherer Maßstab als der Stückzahlmaßstab aus anderen rechtlichen Gründen nicht zur Verfügung stünde, weil ein stärker am Aufwand der Spieler orientierter Maßstab mit dem Unionsrecht nicht vereinbar wäre (vgl. [X.] 123, 1 <35>). Auch der Gerichtshof der [X.]päischen Union hat eine Vereinbarkeit der [X.] mit dem gemeinsamen [X.] Mehrwertsteuersystem bejaht, solange diese nicht den Charakter einer Umsatzsteuer annimmt. Letzteres trifft auf die [X.] nicht zu (vgl. [X.], Urteil vom 24. Oktober 2013 - [X.]/12 - Metropol Spielstätten, www.curia.eu).

§ 3 Abs. 1 [X.] und § 14 Abs. 1 [X.] konnten nur noch bis zum 31. Dezember 2005 angewendet werden.

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1 [X.], vgl. [X.] 108, 1 <33>; 127, 293 <333>; 130, 240 <260>; stRspr).

Etwas anderes gilt regelmäßig dann, wenn der Verfassungsverstoß seine Ursache in einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG hat. In diesen Fällen erklärt das [X.] die Vorschrift grundsätzlich für unvereinbar mit dem Grundgesetz, weil der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß zu beseitigen (vgl. [X.] 99, 280 <298>; 105, 73 <133>; 117, 1 <69>; 122, 210 <245>; 126, 400 <431> m.w.N.). Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen dann die Norm im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen (vgl. [X.] 126, 400 <431> m.w.N.).

Das [X.] kann die zeitweilige Fortgeltung der für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärten Norm anordnen, wenn die hierfür sprechenden verfassungsrechtlichen Belange überwiegen ([X.] 118, 168 <211>; 126, 400 <431 f.> m.w.N.). Das gilt auch im Fall verfassungswidriger Abgabennormen (vgl. [X.] 123, 1 <37 f.>).

Die vorgelegten Normen sind ungeachtet des festgestellten Gleichheitsverstoßes bis zum 31. Dezember 2005 für weiter anwendbar zu erklären (1.), nicht aber darüber hinaus; insoweit verbleibt es bei der Feststellung der Unvereinbarkeit der Vorschriften als Regelfolge ihres Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG (2.).

1. Für die Erklärung der Unvereinbarkeit und befristeten Fortgeltung von § 3 Abs. 1 [X.] und § 14 Abs. 1 [X.] bis zum 31. Dezember 2005 sprechen zum einen Erfordernisse einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung der Freien Hansestadt [X.] und des [X.]s. Die [X.] ist dem Grunde nach keinen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Wollten die beiden Landesgesetzgeber im Falle der Unanwendbarkeit der bisherigen Regelung die [X.] rückwirkend mit einem wirklichkeitsnahen, am Spieleinsatz orientierten Maßstab versehen, dürfte dies nicht zuletzt erheblichen tatsächlichen Schwierigkeiten bei der nachträglichen Ermittlung dieser Spieleinsätze begegnen. Zum anderen erscheint die Belastung der [X.] durch die Anwendung des [X.] relativ gering. Durch die verfassungswidrige Gleichbehandlung im Steuersatz müssen sie nicht notwendig benachteiligt werden, sondern können je nach den von ihnen im Einzelfall erzielten Spielgeräteumsätzen auch einer vergleichsweise günstigen Besteuerung unterliegen. Entsprechend ihrer Erhebungsform als indirekte Steuer ist außerdem davon auszugehen, dass sie von den [X.]n im Rahmen ihrer unternehmerischen Möglichkeiten bereits auf die Nutzer der Geräte abgewälzt worden ist ([X.] 123, 1 <38 f.>). Auch kommt eine Rückabwicklung nicht den eigentlichen Steuerschuldnern - den Automatennutzern -, sondern ausschließlich den Automatenaufstellern zugute (vgl. [X.] 123, 1 <38 f.>).

2. Die Weitergeltung des § 3 Abs. 1 [X.] und des § 14 Abs. 1 [X.] kommt hier aber nur bis zu dem Zeitpunkt in Betracht, in dem die Normgeber aufgrund der Rechtsprechungsänderung des [X.]s erkennen mussten, dass der Stückzahlmaßstab nicht verfassungsgemäß ist, wobei eine etwa sechsmonatige Frist zur Umsetzung der Erkenntnis einzuräumen ist. Ein Zuwarten bis zur Veröffentlichung dieser Entscheidung des [X.] aus dem Jahre 2009 ([X.] 123, 1) war hingegen nicht gerechtfertigt.

Die Normgeber in den Ausgangsverfahren durften sich nur bis zur Rechtsprechungsänderung des [X.]s durch die Urteile vom 13. April 2005 (vgl. nur BVerwGE 123, 218) bei der Verwendung des [X.] im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung sehen (vgl. [X.] 123, 1 <38>). Danach bestand Anlass, zu überprüfen, ob die vom [X.] aufgestellten Voraussetzungen für die Beibehaltung des [X.] in ihrem Zuständigkeitsgebiet vorlagen. Jedenfalls mit den Entscheidungen des [X.]s vom 13. April 2005 war der fehlende Bezug des Steuermaßstabs zum [X.] erkennbar und hätte die Gesetzgeber zum Tätigwerden veranlassen müssen. Das Gericht hatte ausdrücklich klargestellt, dass ein Stückzahlmaßstab für Spielgeräte nur noch mit der Verfassung zu vereinbaren sei, wenn bestimmte Toleranzgrenzen eingehalten würden (vgl. BVerwGE 123, 218 <232>), eine Neuregelung der [X.] aber nicht auf die Stückzahl abheben dürfe, die nur noch als Ersatzmaßstab in Betracht komme (vgl. BVerwGE 123, 218 <235>). Ob diese Toleranzgrenzen eingehalten sind, haben die Freie Hansestadt [X.] und das [X.] jedoch nicht geprüft und auch nicht sonst dargelegt, warum sie am Stückzahlmaßstab festhielten, obwohl mit neuen [X.] schon seit 1997 die Umstellung der Steuer auf einen am Spielergebnis orientierten [X.] möglich war.

Der Freien Hansestadt [X.] und dem [X.] war es auch möglich und zumutbar, binnen etwa sechs Monaten nach der Rechtsprechungsänderung des [X.]s, also bis Ende des Jahres 2005, zu reagieren (zu vergleichbaren Bemessungen einer Nachbesserungsfrist vgl. [X.] 126, 400 <431>; 129, 49 <77>; 130, 240 <262>). So hatte auch die [X.] innerhalb von sechs Monaten nach den Entscheidungen des [X.]s durch Gesetz vom 29. September 2005 mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 eine Neuregelung verabschiedet, die auf den Stückzahlmaßstab verzichtete (vgl. [X.] 123, 1 <3, 11>). Nach einer Anpassungsfrist von sechs Monaten überwiegt das rechtsstaatliche Interesse der Steuererhebung auf der Grundlage eines verfassungsgemäßen Maßstabs die vorgenannten Gründe für die ausnahmsweise Weitergeltung der beanstandeten Regelungen.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. [X.] 79, 365 <366 ff.>).

Meta

1 BvL 11/10, 1 BvL 14/10

12.02.2014

Bundesverfassungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvL

vorgehend FG Bremen, 18. August 2010, Az: 2 K 19/10 (1), Vorlagebeschluss

Art 3 Abs 1 GG, Art 100 Abs 1 GG, § 80 BVerfGG, § 3 Abs 1 VergnStG BR vom 21.11.2006, § 14 Abs 1 VergnStG SL vom 22.04.1993, § 14 Abs 1 VergnStG SL vom 07.11.2001

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.02.2014, Az. 1 BvL 11/10, 1 BvL 14/10 (REWIS RS 2014, 7994)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7994 BVerfGE 135, 238-248 REWIS RS 2014, 7994

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