Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.03.2014, Az. 26 W (pat) 25/13

26. Senat | REWIS RS 2014, 6759

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Wiki-Watch/Puzzleball mit Schriftzeichen auf den Puzzleteilen (Gemeinschaftsbildmarke)" – zur Kennzeichnungskraft – Dienstleistungsidentität– keine unmittelbare Verwechslungsgefahr - keine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung - keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne – keine unlautere Ausnutzung der Wertschätzung der Widerspruchsmarke


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2010 052 044

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie der Richter [X.] und Dr. Himmelmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Gegen die Eintragung der Marke 30 2010 052 044

Abbildung

2

für die Dienstleistungen

3

„Klasse 38:

4

Telekommunikation

5

Klasse 41:

6

Ausbildung, Erziehung, Unterhaltung

7

Klasse 42:

8

Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen, Forschung, industrielle Analysedienstleistungen“

9

ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren und Dienstleistungen

„Klasse 9:

Software und Apparate zum Herunterladen, Übertragen, Empfangen, Bereitstellen, Publizieren, Extrahieren, Kodieren, Dekodieren, Lesen, Speichern und Organisieren von audiovisuellen, videografischen und schriftlichen Daten; Telekommunikationsapparate und -instrumente; [X.] zur Übertragung oder Aufnahme von audiovisuellen, videografischen und schriftlichen Daten.

Klasse 35:

Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Dienstleistungen in Bezug auf Abonnements (für Dritte); Verbreitung von Werbematerial (Abhandlungen, Prospekte, [X.] und Warenproben); Reproduktion von Dokumenten; computergestützte Dateiverwaltung; Public relations.

Klasse 38:

Elektronische Übertragung von Daten und Dokumenten über das [X.] und andere Datenbanken; elektronische Übertragung von audiovisuellen, videografischen oder geschriebenen Dateien, die über elektronische Kommunikationsnetze verbreitet werden und heruntergeladen werden können; Auskünfte über Telekommunikation; Mobilfunktelefondienste; Bereitstellung von Zugängen zu einem weltweiten Computernetz; elektronische Anzeigedienste (Telekommunikation); Telekonferenzdienste; E-Mail.

Klasse 41:

Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Bereitstellung von Informationen über Bildungs- oder Unterhaltungsveranstaltungen; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Veröffentlichung von Büchern; Verleih von Büchern; Produktion von Filmen auf [X.] oder auf audiovisuellen oder Tonträgern aller Art; Organisation und Durchführung von Kolloquien, Konferenzen oder Kongressen; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle und Unterrichtszwecke; elektronische Veröffentlichung von [X.] und -Zeitschriften; Desktop-Publishing.

Klasse 42:

Erstellung und Entwicklung von Computersoftware; Entwicklung, Aktualisierung von Software; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Konvertierung von Computerdaten und -programmen, Konvertierung von Dokumenten zur Übertragung von physikalischen auf elektronische Medien.“

eingetragenen [X.]smarke [X.] 671 838

Abbildung

Die Markenstelle für Klasse 38 des [X.] hat den Widerspruch mit Beschluss vom 8. Januar 2013 zurückgewiesen, da die Widerspruchsmarke gegenüber der jüngeren Marke kein relatives Schutzhindernis nach § 9 Abs. 1 [X.] darstelle.

Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, dass die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach der Rechtsprechung des [X.] sowie des [X.] unter Einbeziehung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, der Ähnlichkeit der Marken sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke erfolge, wobei zwischen diesen Faktoren eine Wechselwirkung bestehe.

Die Dienstleistungen, für die die angegriffene Marke eingetragen sei, seien mit den Dienstleistungen der prioritätsälteren Marke im markenrechtlichen Sinne identisch, da die beanspruchten Dienstleistungen der angegriffenen Marke auch diejenigen der Widerspruchsmarke umfassten. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei normal. Insbesondere hätten die von der Widersprechenden genannten Aufrufzahlen der [X.]seite „wikipedia“ keine Aussagekraft hinsichtlich der Bekanntheit der Widerspruchsmarke, da keine detaillierten Erkenntnisse zu deren Verkehrsbekanntheit vorlägen. Die sich gegenüberstehenden Marken seien insgesamt sehr unterschiedlich. Die jüngere Marke weise zum einen den Wortbestandteil „[X.]“ und zum anderen das Bild [X.] auf, die Widerspruchsmarke enthalte diese beiden Bestandteile nicht. Auch das einzige gemeinsame Element der Marken in Form einer als Puzzle ausgestalteten Kugel sei sehr unterschiedlich ausgestaltet. In der  Widerspruchsmarke sei diese Kugel hell gehalten und weise Schriftzeichen auf den Puzzleteilen auf, während die Kugel in der angegriffenen Marke eine dunkle Farbgebung aufweise und ohne Schriftzeichen ausgebildet sei. Auch präge das Bildelement der Kugel den Gesamteindruck der jüngeren Marke nicht, da die weiteren Wort- und [X.] gleichberechtigte Markenbestandteile seien. Unter Abwägung obiger Faktoren bestehe daher im Ergebnis keine unmittelbare Verwechslungsgefahr. Auch die Gefahr einer gedanklichen Verbindung der Marken nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] sei nicht gegeben. Zum einen liege keine Markenserie der Widersprechenden vor. Zum anderen liege auch keine selbständig kennzeichnende Stellung der Widerspruchsmarke in der jüngeren Marke vor, da in der jüngeren Marke keine Firmenkennzeichnung erkennbar sei. Schließlich seien auch die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 [X.] [X.] nicht gegeben, da es insoweit bereits an einer in der [X.] bekannten Marke fehle. Zweifelhaft sei insoweit auch eine Zeichenähnlichkeit im Sinne von § 9 Abs. 1 [X.] [X.]. Schließlich liege auch die Unlauterkeitsvoraussetzung einer Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Widerspruchsmarke nicht vor. Denn selbst wenn der Verkehr einen Bezug der jüngeren Marke auf die Widerspruchsmarke erkenne, sei jedenfalls ebenfalls erkennbar, dass sich die Dienstleistungen lediglich mit der Beobachtung von [X.] befassten. Derartige Ziele [X.] zudem den grundrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG und der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG.

Gegen den Beschluss der Markenstelle wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Zu deren Begründung trägt sie vor, dass entgegen der Ansicht der Markenstelle zwischen den beiderseitigen Marken eine hohe Ähnlichkeit bestehe, welche durch die ausschließlich zu vergleichenden [X.] und dabei wiederum durch die jeweils als Puzzle ausgestalteten Kugeln begründet sei, da die [X.] das jüngere Zeichen präge. Ein bekanntes Zeichen werde der Verkehr eher in einem fremden Zeichen wiedererkennen ([X.], 171, 175 – [X.];  [X.] 2004, 594, 597 – [X.]). Etwaige Details, wie etwa die auf den Puzzleteilen abgebildeten Buchstaben oder die Farbgebung, blieben dem Publikum nicht in Erinnerung. Weiterhin weise die Widerspruchsmarke eine gesteigerte Kennzeichnungskraft auf. Hierzu verweist die Widersprechende auf die Steigerung der Seitenaufrufe von [X.] in der Europäischen [X.] und weltweit. Im Ergebnis führe bei Waren- bzw. Dienstleistungsidentität und überdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft bereits eine geringe Zeichenähnlichkeit zu einer Verwechselungsgefahr ([X.] 2006, 60 - Cocodrillo).

Zudem lägen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 [X.] [X.] vor. Die Bekanntheit der Widerspruchsmarke ergebe sich aus den eingereichten Statistiken zu den Seitenaufrufen von [X.], den Statistiken zur [X.]nutzung, den Statistiken zur Nutzung von [X.] und der Berichterstattung über [X.]. Zudem nutze die jüngere Marke die Bekanntheit der Widerspruchsmarke aus, da sie sich den Aufmerksamkeitswert der Widerspruchsmarke zunutze mache und auch eine Assoziation zwischen [X.] und [X.] hervorrufe. Auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 12. Juli 2013 und die damit eingereichten Nachweise wird ergänzend Bezug genommen.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des [X.] vom 8. Januar 2013 aufzuheben und die Löschung der Marke 30 2010 052 044 anzuordnen.

Der Markeninhaber hat sich der von der Markenstelle im angegriffenen Beschluss vertretenen Rechtsauffassung angeschlossen.

Er beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II

Die gemäß § 66 Abs. 1 und 2 [X.] zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Zwischen der angegriffenen Marke und der prioritätsälteren [X.]smarke besteht keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr [X.] § 9 Abs. 1 Nr. 2 oder [X.], § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 125b Nr. 1 [X.].

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach den vorgenannten Bestimmungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit bzw. der Identität der Marken, der für die Marken eingetragenen Waren bzw. Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke, sodass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.] 2008, 905 - [X.]; [X.] 2004, 594 – [X.]; [X.] GRUR 1998, 387 - Sabèl/[X.]; [X.] GRUR 1998, 922 – [X.]; [X.] GRUR Int. 1999, 734 - [X.]). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind ([X.] [X.], 933 – [X.]; [X.] 2012, 64 - Maalox/Melox-GRY).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist zwischen den beiderseitigen Marken keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] gegeben.

Zwar besteht im vorliegenden Falle Dienstleistungsidentität im markenrechtlichen Sinne, weil die Widerspruchsmarke für Dienstleistungen der Klassen 38, 41 und 42 Schutz genießt, für die die jüngere Marke ebenfalls eingetragen ist bzw. die von den Dienstleistungen der jüngeren Marke umfasst werden.

Ferner weist die von [X.] aus als normal kennzeichnungskräftige Widerspruchsmarke auf Grund der von der Widersprechenden vorgetragenen Tatsachen eine durch intensive Benutzung nachträglich gesteigerte Kennzeichnungskraft auf.

Die Feststellung der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ist im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren unabdingbare Voraussetzung und Grundlage für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ([X.] 2003, 1040, 1044 – Kinder; [X.] 2008, 505, 507 – [X.]). Bei der Ermittlung einer etwaigen gesteigerten Kennzeichnungskraft sind Faktoren wie der Marktanteil, die Intensität, geographische Verbreitung und Dauer der Markenverwendung, aufgewandte Werbemittel und die erreichte Bekanntheit in den beteiligten Verkehrskreisen von Bedeutung ([X.] 2003, 1040, 1044 - Kinder; [X.] 2007, 780, 784, [X.]6 – Pralinenform). Auch können Statistiken herangezogen werden (vgl. [X.]/[X.], 10. Aufl. § 9, Rdn. 140). In jedem Fall muss eine Wertung in Bezug auf den konkreten Einzelfall erfolgen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine etwaige gesteigerte Kennzeichnungskraft glaubhaft gemacht werden muss ([X.] 2006, 859, [X.]3 – Malteserkreuz).

Die Widerspruchsmarke ist auf jeder Seite der [X.] [X.] inklusive der Startseite abgebildet. Die [X.] wurde im Juni 2013 über 14 Mrd. mal in der Europäischen [X.] aufgerufen, wobei allein die [X.] Seite etwa 1 Mrd. mal pro Monat aufgerufen wird. Zudem ist die besagte Seite die am siebthäufigsten aufgerufene Seite der Welt. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass nicht nur das Wort „wikipedia“, sondern auch die Widerspruchsmarke eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit hat. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass diese gesteigerte Kennzeichnungskraft auf die betroffenen Waren bzw. Dienstleistungen beschränkt ist, vorliegend also auf die „Bereitstellung einer [X.]“ oder das „Verschaffen von Zugriff auf eine [X.]“.

Inwieweit hieraus eine gesteigerte Kennzeichnungskraft für alle Waren und Dienstleistungen, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist, hergeleitet werden kann, kann jedoch dahingestellt bleiben; denn auch wenn wegen der Identität der beiderseitigen Dienstleistungen und der zu Gunsten der Widersprechenden unterstellten gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr schon bei einem nur unterdurchschnittlichen [X.] der Marken bestehen kann, ist der Unterschied der hier einander gegenüberstehenden Marken so groß, dass bei den angesprochenen breiten Publikumskreisen sowohl die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen als auch die Gefahr von Verwechslungen auf Grund einer gedanklichen Verbindung der Marken ausgeschlossen werden kann.

Eine die Verwechslungsgefahr begründende unmittelbare Markenähnlichkeit kann  grundsätzlich in klanglicher, bildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei eine ausreichende Ähnlichkeit in einer Hinsicht zur Begründung einer Verwechslungsgefahr genügen kann. Dabei ist jedoch kein Motiv- oder Elementenschutz zu gewähren. Vielmehr ist auch bei der Verwendung desselben Motivs die Ähnlichkeit der Marken im Einzelnen zu prüfen. Eine Verwechslungsgefahr wegen klanglicher Zeichenähnlichkeit kommt deshalb bei Bildzeichen bereits regelmäßig nicht in Betracht ([X.] 2006, 60, Nr. 24 - cocodrillo).

Begrifflich ist keine Ähnlichkeit der beiderseitigen Marken gegeben. Während der Verkehr der jüngeren Marke aufgrund ihres [X.] „[X.]“ die Begriffe „Wiki“ und „Watch“, also beobachten oder zuschauen - was durch [X.] symbolisiert wird - entnimmt, sind diese Begriffe der Widerspruchsmarke nicht zu entnehmen. Dass beide Marken daneben ein ähnliches Motiv in Form eines [X.]s enthalten, reicht zur Begründung einer begrifflichen Verwechslungsgefahr nicht aus, da die Widerspruchsmarke nicht die vollständige und naheliegende Benennung der angegriffenen Marke darstellt.

In bildlicher Hinsicht weisen die sich gegenüberstehenden Marken in ihrer Gesamtheit allenfalls eine äußerst geringe Ähnlichkeit auf, da sich die jüngere Marke bereits durch den Wortbestandteil „[X.]“ und [X.] von der Widerspruchsmarke unterscheidet, in der diese Wort- und Bildelemente fehlen. Allein das Motiv des [X.]s findet sich in beiden Marken. Allerdings ist auch dieser [X.] jeweils sehr unterschiedlich ausgestaltet, wie die Markenstelle zu Recht festgestellt hat. Während der [X.] in der Widerspruchsmarke hell gehalten ist und verschiedene Schriftzeichen auf den einzelnen Puzzleteilen erkennen lässt, ist dieser in der angegriffenen Marke sehr dunkel und einfarbig, wobei ein Text innerhalb des [X.]s allenfalls zu erahnen ist. Zudem befinden sich die fehlenden Puzzleteile an unterschiedlichen Stellen. In der Gesamtheit ist daher nur eine äußerst geringfügige Ähnlichkeit festzustellen, die eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nicht zu begründen vermag.

Zwar geht die Widersprechende im Grundsatz zu Recht davon aus, dass auch einzelnen Markenbestandteilen eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zukommen kann. Denn die Beurteilung der Markenähnlichkeit in ihrem Gesamteindruck schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Kennzeichens für den Gesamteindruck prägend sein können ([X.] GRUR 2005, 1042 Nr. 28 f. – [X.] LIFE; [X.] 2006, 60 Rdnr. 19 – [X.], [X.] 2010, 729, [X.]1 – [X.]). Dies erfordert jedoch, dass die übrigen Markenteile in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können ([X.] 2010, Nr. 45 - [X.]). Dies ist bei der jüngeren Marke allerdings nicht der Fall. Vielmehr bestimmen die im Vordergrund angeordnete Lupe, welche Licht in den [X.] hineinbündelt, und der darunter angeordnete Wortbestandteil den Gesamteindruck der Marke maßgeblich mit. Dem steht auch nicht entgegen, dass der [X.] der im Verhältnis am größten dargestellte [X.] ist; denn die Abbildung [X.] und die Wortbestandteile machen zusammen ebenfalls etwa die Hälfte der angegriffenen Marke aus. Auch die Widersprechende hat in der Beschwerdebegründung eingeräumt, dass [X.] im Gesamteindruck der angegriffenen Marke nicht vollständig in den Hintergrund trete. Bei dieser Sachlage kommt eine Prägung des Gesamteindrucks der angegriffenen Marke allein durch die mit Puzzleteilen bedeckte Kugel nicht in Betracht. Aufgrund der äußerst geringen Ähnlichkeit der Marken in ihrem Gesamteindruck besteht daher eine unmittelbare Verwechslungsgefahr trotz Dienstleistungsidentität und gesteigerter Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht.

Zwischen den beiderseitigen Marken besteht auch  keine Verwechslungsgefahr durch gedankliche  Verbindung. Eine Verwechslungsgefahr in diesem Sinne, bei der die sich gegenüberstehenden Marken zwar auseinandergehalten werden, aber dem Geschäftsbetrieb desselben Inhabers zugeordnet werden, kann insbesondere im Falle von Serienmarken, bei denen ein als solcher benutzter Stammbestandteil gleich oder wesensgleich in eine jüngere Marke übernommen wird, vorliegen ([X.] GRUR 2008, 343, 346 – [X.]/[X.]; [X.], 544, 547 – [X.]; [X.], 729, Nr. 40 – [X.]). Fälle, in denen der Verkehr lediglich irgendwelche rein assoziativen gedanklichen Verbindungen zwischen den Marken herstellt, weil die Wahrnehmung der einen Marke die Erinnerung an die andere Marke weckt, obwohl beide Marken nicht ihrer betrieblichen Herkunft nach verwechselt werden, fallen dagegen nicht unter § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ([X.] GRUR Int. 2000, 899, 901 – [X.]/[X.]; [X.] 2004, 779, 782 – Zwilling/[X.]; [X.] GRUR-RR 2009, 230, 233 - Fadenkreuz „[X.]“). Dass die Widersprechende die Widerspruchsmarke als Stammbestandteil mehrerer eigener Serienmarken vor dem Anmeldetag der angegriffenen Marke im Verkehr benutzt hat, hat sie selbst nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Sonstige besondere Umstände, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass der Verkehr in der angegriffenen Marke eine weitere Marke der Widersprechenden sehen könnte, sind liegen ebenfalls nicht vor. Gegen die Gefahr einer gedanklichen Verbindung der Marken spricht andererseits, dass die angegriffene Marke Wort- und [X.] aufweist, die sich in der Widerspruchsmarke nicht finden, die sich mit der Abbildung der Kugel verbinden, was die Abbildung [X.] betrifft, und durch die ein gegenüber der Widerspruchsmarke erkennbar anderer, charakteristischer  Zeichenaufbau bewirkt wird. Auch eine mittelbare begriffliche Ähnlichkeit der Marken ist wegen der durch die Abbildung [X.] und den Wortbestandteil „Watch“ in der angegriffenen Marke bewirkten Unterschied im Sinngehalt der Marken nicht gegeben.

Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne, bei der organisatorische, betriebliche oder wirtschaftliche Zusammenhänge zwischen den beiderseitigen Unternehmen vom Verkehr vermutet werden, kann beispielsweise durch eine selbständig kennzeichnende Stellung entstehen ([X.] GRUR 2005, 1042, [X.]0 - [X.] LIFE, [X.] 2008, 903, [X.]1 – [X.]). Allerdings ist hierfür eine zumindest hochgradige Ähnlichkeit des übernommenen Bestandteils der jüngeren Marke zu der älteren Marke zu fordern (vgl. [X.]/[X.], 10. Aufl. § 9, Rdn. 417 m. w. N.). Wie bereits dargelegt, ist dies in Bezug auf das Motiv des [X.]s nicht zutreffend. Zudem steht der Annahme einer selbständig kennzeichnenden Stellung entgegen, dass das Motiv des [X.]s dadurch, dass [X.] in den [X.] hineinscheint und einen darin befindlichen Text vergrößert darstellt, derart in die jüngere Marke integriert ist, dass ein neues einheitliches Gesamtzeichen entsteht.

Die Voraussetzungen für eine Löschung der angegriffenen Marke gemäß § 9 Abs. 1 [X.] [X.]  liegen ebenfalls nicht vor, da es daran fehlt, dass eine Benutzung der jüngeren Marke in unlauterer Weise die Wertschätzung der Widerspruchsmarke ohne rechtfertigenden Grund ausnutzen würde.

Zwar kommt § 9 Abs. 1 [X.] [X.] nicht nur in Betracht, wenn ein mit einer bekannten Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für unähnliche Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, sondern auch bei ähnlichen oder identischen Waren oder Dienstleistungen, für die sie Schutz genießt, da der Markeninhaber in diesen Fällen noch schutzbedürftiger ist als in den vom Wortlaut der Vorschrift erfassten Fällen ([X.] 2004, 235, 238 – [X.], [X.] 2004, 779, 783 – Zwilling/[X.]). Voraussetzung für die Anwendung des § 9 Abs. 1 [X.] [X.] ist jedoch, dass die jüngere Marke überhaupt in relevantem Umfang gedanklich mit der Widerspruchsmarke in Verbindung gebracht wird. Dabei ist zu bestimmen, welcher Grad von Markenähnlichkeit gegeben sein muss, damit der Tatbestand des § 9 Abs. 1 [X.] [X.] erfüllt ist, wobei insoweit die gleichen Maßstäbe wie bei der Prüfung des Tatbestands des § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] anzulegen sind ([X.] 2004, 594, 597 – [X.]).

Da die beiderseitigen Marken des vorliegenden Falls einander begrifflich und klanglich nicht ähnlich sind und die bildlichen Übereinstimmungen allenfalls äußert gering sind und selbst im übereinstimmenden Motiv wesentliche Abweichungen auftreten, ist der [X.] hier insgesamt jedoch derart gering, dass er als nicht ausreichend angesehen werden kann, um eine Ausnutzung der Wertschätzung der Widerspruchsmarke feststellen zu können. Aus diesen Gründen kann auch keine Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder eine  Beeinträchtigung ihrer Unterscheidungskraft oder Wertschätzung angenommen werden.

Auch das Vorbringen der Widersprechenden, dass eine Assoziation der angegriffenen Marke zu dem Wort „[X.]“ hervorgerufen werde und dass diese Assoziation gewollt sei, reicht zur Erfüllung des Tatbestands des § 9 Abs. 1 [X.] [X.] nicht aus. Zum einen wird auch nach dem eigenen Vortrag der Widersprechenden gerade keine Assoziation zu der Widerspruchsmarke, sondern allenfalls zu der Bezeichnung „[X.]“ hervorgerufen. Zum anderen genügt es gerade nicht, dass ein Zeichen geeignet ist, durch bloße Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen Aufmerksamkeit zu erwecken ([X.] 2004, 779, 783 - Zwilling/[X.]). Schließlich ist auch unbeachtlich, dass die Wahl des jüngeren Zeichens nicht zufällig erscheint ([X.]/[X.], [X.], 10. Auflage, § 14 Rdn. 267).

Ob es sich bei der Widerspruchsmarke daher um eine bekannte Marke [X.] § 9 Abs. 1 [X.], § 125b Nr. 1 [X.] handelt, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.

Weitere Tatsachen, die eine Löschung der angegriffenen Marke im Widerspruchsverfahren begründen könnten, sind weder von der Widersprechenden vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Daher konnte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf eine der am Verfahren beteiligten Parteien aus Gründen der Billigkeit (§ 71 Abs. 1 S. 1 [X.]) besteht nach der Sach- und Rechtslage keine Veranlassung. Auch das Verhalten der Beteiligten gibt keinen Anlass für eine solche Kostenauferlegung.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 [X.] liegen nicht vor.

Meta

26 W (pat) 25/13

26.03.2014

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.03.2014, Az. 26 W (pat) 25/13 (REWIS RS 2014, 6759)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6759

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