Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.12.2022, Az. B 9 V 12/22 B

9. Senat | REWIS RS 2022, 8653

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - rechtliches Gehör - Fragerecht gegenüber dem Sachverständigen - Darlegung eines sachdienlichen Klärungsbedarfs - offengebliebene Punkte - erläuternde Wiederholung des Gutachtens nicht ausreichend - Erforderlichkeit eines über das Gutachten hinausgehenden Erläuterungsbedarfs


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 8. März 2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen die [X.] des ihr zuvor zuerkannten Grads der Schädigungsfolgen ([X.]) von 30 auf 0 und die damit verbundene Einstellung einer Rente nach dem [X.]. Das [X.] hat mit Urteil vom 25.9.2020 den [X.]s- und Aufhebungsbescheid teilweise aufgehoben und dahingehend geändert, dass der [X.] ab dem 1.6.2012 noch 20 beträgt. Die auf vollständige Aufhebung dieses [X.]escheids gerichtete [X.]erufung der Klägerin hat das L[X.] mit Urteil vom [X.] zurückgewiesen.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin [X.]eschwerde beim [X.][X.] eingelegt und mit einem Verfahrensmangel begründet.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die [X.]eschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G gebotenen Form. Die Klägerin hat den von ihr allein geltend gemachten Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) wegen Verletzung ihres Rechts auf [X.]efragung des [X.] nicht in der danach vorgeschriebenen Weise bezeichnet.

4

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des [X.][X.], das unabhängig von der nach § 411 Abs 3 ZPO im pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts liegenden Möglichkeit, das Erscheinen des Sachverständigen zum Termin von Amts wegen anzuordnen, jedem [X.]eteiligten gemäß §§ 116 Satz 2, 118 Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO das Recht zusteht, einem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet ([X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 9 S[X.] 47/21 [X.] - juris Rd[X.] 16; [X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] R 22/18 [X.] - juris Rd[X.]2). Ein Verstoß gegen das Fragerecht kann im Rahmen der [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als Verletzung des nach Art 103 Abs 1 GG iVm § 62 [X.]G garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt werden. [X.]ei einem medizinischen Sachverständigen muss ein - wie die Klägerin - rechtskundig vertretener [X.]eteiligter hierzu die in dem Verfahren auf Grundlage der aktenkundigen medizinischen Sachverständigengutachten und [X.]erichte zu den beabsichtigten Fragen bereits getroffenen oder in Zusammenhang mit diesen Fragen stehenden medizinischen Feststellungen auf dem jeweiligen Fachgebiet näher benennen, sodann auf dieser [X.]asis auf insoweit bestehende Lücken, Widersprüche oder Unklarheiten hinweisen und hiervon ausgehend schließlich die konkret - aus seiner Sicht - noch erläuterungsbedürftigen Punkte formulieren. Erst auf Grundlage dieser Darlegungen kann beurteilt werden, ob und inwieweit die (angekündigten) Fragen - wie zwingend notwendig - auch objektiv sachdienlich sind ([X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 9 S[X.] 47/21 [X.] - juris Rd[X.] 18 mwN). Sachdienlich iS von § 116 Satz 2 [X.]G sind Fragen, wenn sie sich im Rahmen des [X.] halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind ([X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] R 148/21 [X.] - juris Rd[X.] 7; [X.][X.] [X.]eschluss vom 24.6.2020 - [X.] 9 S[X.] 79/19 [X.] - juris Rd[X.] 6).

5

Solche erläuterungsbedürftigen Lücken, Widersprüche oder Unklarheiten in [X.]ezug auf das vom [X.] erstattete Gutachten und daran anknüpfende sachdienliche Fragen hat die Klägerin mit der [X.]eschwerdebegründung nicht aufgezeigt. In ihrer [X.]egründung führt sie aus, sie habe im Rahmen der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragt, "[X.] zu der [X.]ewertung des [X.] von 30 v.H. und der von ihm zugrunde gelegten Gesundheitsstörungen der Klägerin ab 2012 anzuhören". Sodann stellt sie sehr ausführlich und detailliert den [X.] einschließlich ihres eigenen Vortrags dar. Insbesondere schildert sie ihre Kritik an dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten und den mündlichen Ausführungen des vom [X.] gehörten Sachverständigen F, dem das L[X.] hinsichtlich der [X.]-Festlegung auf [X.] zu Unrecht gefolgt sei. In Auseinandersetzung mit der Ablehnung ihres Antrags auf Anhörung des [X.] zitiert sie mehrere umfangreiche Passagen aus dessen gegenüber dem L[X.] erstatteten Gutachten vom 22.7.2021. Dies umfasst ua Ausführungen zu den Diagnosen, zur aktuellen Anamnese, zur [X.]ewertung der beschriebenen neuropsychiatrischen [X.]eschwerden als anhaltende Folge der [X.] und zur [X.]ewertung des [X.] seit Juni 2012 aufgrund einer chronischen Hepatitis [X.] weiterhin mit [X.] sowie die hierzu vom Sachverständigen in detaillierter Auseinandersetzung mit den vorhergehenden Gutachten abgegebene [X.]egründung. Ausdrücklich weist sie darauf hin, dass das L[X.] in der [X.]eweisanordnung vom 3.3.2021 unter Ziff 5 den [X.] danach gefragt habe, mit welchem [X.] die Folgen der Schädigung seit Juni 2012 zu bewerten seien, und ihn aufgefordert habe, dies zu begründen. Dies sei auf den Seiten 9 bis 12 des Gutachtens ausführlich geschehen. Zudem habe der Sachverständige in seinem Gutachten nachvollziehbar, konsistent und plausibel darauf hingewiesen, dass fälschlicherweise in den Gutachten von R und F die extrahepatischen Manifestationen der chronischen Hepatitis [X.]-Virusinfektion und die gesundheitlichen Auswirkungen der [X.] überhaupt keine [X.]eachtung gefunden hätten.

6

Anders als im Rahmen der [X.]eschwerdebegründung erforderlich, hat die Klägerin damit gerade keinen "sachdienlichen" Klärungsbedarf dargetan, der über die erläuternde Wiederholung des Gutachtens und der dort bereits enthaltenen Gründe hinausgeht (vgl zu dieser Voraussetzung [X.][X.] [X.]eschluss vom 11.12.2019 - [X.] 13 R 164/18 [X.] - juris Rd[X.] 9). Vielmehr legt sie nachdrücklich dar, dass [X.] seine [X.]ewertung ihrer Gesundheitsstörungen mit einem [X.] von 30 bereits ausführlich und - aus ihrer Sicht überzeugend - begründet hat. Welcher hierüber hinausgehende Erläuterungsbedarf hinsichtlich der [X.]-[X.]ewertung des Sachverständigen und der von ihm zugrunde gelegten Gesundheitsstörungen noch bestehen könnte, bleibt in der [X.]eschwerdebegründung offen. Allein die [X.]ehauptung, durch die Anhörung des [X.] "hätte unter [X.]eachtung der VersMedV eine medizinisch präzisere [X.]asis für die [X.]ewertung des [X.] für das [X.] erbracht, als die Übernahme der mündlichen Ausführungen des [X.] im Rahmen seiner Anhörung in erster Instanz", genügt insoweit nicht. Vielmehr lässt dies darauf schließen, dass sich die Klägerin im [X.] ihrer [X.]egründung gegen die [X.]eweiswürdigung des L[X.] wendet, dass in [X.]ezug auf den [X.] nicht der Einschätzung von [X.] gefolgt ist, sondern zum selben Ergebnis gelangte, wie [X.] Jedoch kann nach § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G die [X.]eschwerde nicht auf eine Verletzung der freien [X.]eweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G) gestützt werden.

7

Dass die Klägerin die Entscheidung des L[X.] inhaltlich für unrichtig hält, kann als solches nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl z[X.] [X.][X.] [X.]eschluss vom 28.10.2020 - [X.] 10 EG 1/20 [X.]H - juris Rd[X.] 11; [X.][X.] [X.]eschluss vom 25.7.2011 - [X.] 12 KR 114/10 [X.] - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 22 Rd[X.] 4).

8

Von einer weiteren [X.]egründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

9

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen [X.]eschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.]G durch [X.]eschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.]G.

Kaltenstein               Othmer               [X.]h. [X.]

Meta

B 9 V 12/22 B

21.12.2022

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: V

vorgehend SG Dresden, 25. September 2020, Az: S 39 VE 25/12, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG, § 116 S 2 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 397 ZPO, § 402 ZPO, § 411 Abs 3 ZPO, § 411 Abs 4 ZPO, § 152 Abs 1 S 1 SGB 9, § 2 VersMedV, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.12.2022, Az. B 9 V 12/22 B (REWIS RS 2022, 8653)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8653

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