Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.07.2013, Az. 4 AZR 259/12

4. Senat | REWIS RS 2013, 4492

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Eingruppierung einer Kassiererin im Einzelhandel - Begriff des "SB-Ladens"


Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 26. Januar 2012 - 4 [X.]/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

2

Die Klägerin, Mitglied der [X.] ([X.]), ist seit dem 1. Juli 2002 bei der [X.] in deren Einrichtungshaus in [X.] mit einer monatlichen Arbeitszeit von 59 Stunden als Kassiererin beschäftigt. Das Einrichtungshaus erstreckt sich über zwei Etagen. Im Obergeschoss befindet sich die sog. Möbelausstellung mit einer Fläche von 5.636 qm, im Erdgeschoss die sog. Markthalle (5.257 qm) und die „[X.]“ (4.194 qm). Der Ein- und Ausgangsbereich des Einrichtungshauses hat eine Größe von 1.596 qm; weitere Flächen entfallen auf die Warenannahme (2.681 qm), den Bürobereich (1.538 qm), die Technik- und Sozialräume (4.037 qm), das Restaurant (1.765 qm) sowie den Bereich [X.] (2.574 qm).

3

Die in der Möbelausstellung im Obergeschoss ausgestellten Artikel sind mit verschiedenfarbigen Anhängern ausgestattet. Gelbe Anhänger weisen den Kunden darauf hin, sich an einen Mitarbeiter zu wenden. Dieser steht für sämtliche Fragen zum Produkt und zu den begleitenden Serviceleistungen zur Verfügung. [X.] der Kunde einen dieser Artikel erwerben, stellt der Mitarbeiter eine sog. Mitnahmebuchung für ihn aus. Demgegenüber weisen rote Anhänger an den Artikeln auf die jeweiligen Regalreihen und Fächer in der [X.] im Erdgeschoss hin, aus denen der Kunde den Artikel selbständig entnehmen kann. In der Markthalle befinden sich Accessoires und andere Artikel, die sich ebenfalls in Selbstbedienung vom Kunden entnehmen lassen. An der im Erdgeschoss befindlichen Kasse bezahlt der Kunde die von ihm ausgewählten Artikel sowie die [X.]. Nach deren Bezahlung wird im Lager des Einrichtungshauses die Ware kommissioniert und dem Kunden an der Warenausgabe übergeben.

4

Am 1. September 2010 beschäftigte die Beklagte in dem Einrichtungshaus insgesamt 167 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (einschließlich Auszubildende), ua. 57 im Verkauf, 14 im Bereich Kommunikation und Einrichtung, 15 an der Kasse, 3 an der Kassenadministration, 18 im Kundenservice (Warenausgabe, Umtausch, „Backoffice“, „[X.]“, [X.]), 30 in der Logistik, 14 in der Buchhaltung und 16 in der Personalabteilung.

5

Die Klägerin ist ausschließlich als Kassiererin an einer der [X.] im Erdgeschoss tätig. Sie wird von der [X.], die Mitglied des tarifschließenden Verbandes ist, nach der Gehaltsgruppe 2 des [X.] für den Einzelhandel im Bundesland [X.] (vom 1. Mai 2009 - [X.]) vergütet.

6

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe ein Entgelt nach der Gehaltsgruppe 3 [X.] zu und hat mit ihrer Klage die entsprechende Feststellung sowie die - rechnerisch unstreitigen - Entgeltdifferenzen für die Monate Mai bis August 2010 geltend gemacht. Das Einrichtungshaus der [X.] sei ein „[X.]“ iSd. [X.] der Gehaltsgruppe 3 [X.]. Die Beklagte habe ihr Geschäft nach der Verkaufsmethode der Selbstbedienung organisiert. Dies belegten auch ihre Öffentlichkeitsarbeit und internen Schulungsunterlagen. Die Erschwernisse des [X.] in [X.] mit mehreren [X.] liege darin, dass es, jedenfalls bei normalem bis starkem Kundenandrang, ständig unter relativ hoher Konzentrationsleistung Waren bewegen, Preise erfassen und eingeben und auf Vollständigkeit der von dem Kunden [X.] achten müsse.

7

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 865,84 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der [X.] seit dem 13. Oktober 2010 zu zahlen,

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab dem 1. Oktober 2010 ein Entgelt nach der Gehaltsgruppe 3 des [X.] für den Einzelhandel im Bundesland [X.] vom 1. Mai 2009 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff des „[X.]“ im [X.] der Gehaltsgruppe 3 des [X.] lediglich als Synonym für den Begriff „Supermarkt“ gebraucht hätten. Für ihren Betrieb treffe dies nicht zu. Ihr Einrichtungshaus sei auch kein Selbstbedienungsgeschäft. Sie halte zum großen Teil Waren vor, die von den Kunden nicht selbst entnommen und zur Kasse gebracht würden. Ein wesentliches Element ihres Verkaufskonzepts bestehe in der Beratung der Kunden und der Präsenz von Verkaufspersonal im gesamten Warenhaus. Sie investiere in Aus- und Weiterbildung der beratenden Arbeitnehmer hohe Summen, die in einem [X.] nicht anfielen. Auch die Kommissionierung der Waren, die von ihr angebotenen Lieferungen nach Hause, der Kundenservice, die Kinderbetreuung und das Restaurant zeigten deutlich, dass ihr Angebot weit über das eines [X.]s hinausgehe.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat sie abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die als Eingruppierungsfeststellungsklage nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] auch in der Privatwirtschaft zulässige Klage (zu den Anforderungen [X.][X.] - Rn. 13 mwN) konnte mit der vom [X.] gewählten Begründung nicht abgewiesen werden. Ob das Einrichtungshaus der Beklagten ein [X.] im tariflichen Sinne ist, kann der Senat aufgrund der bisher unzureichenden tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 563 Abs. 1 ZPO).

I. Für die Eingruppierung und das Entgelt der Klägerin sind [X.] der Parteien folgende tarifliche Bestimmungen des [X.] maßgebend:

        

§ 3   

        

Gehaltsgruppen

        

Gehaltsgruppe 1

        

Tätigkeiten für Arbeitnehmer, die über keine entsprechende Berufsausbildung verfügen.

        

…       

        

Gehaltsgruppe 2

        

Arbeiten, die im Rahmen bestehender Anweisungen selbständig erledigt werden und eine entsprechende Berufsausbildung erfordern.

        

Beispiele:

        

Verkäufer/in, Kassierer/in, [X.]/in, Angestellte am Packtisch mit Waren- und Preiskontrolle, Fachkräfte für Kontrollarbeiten im Lager, [X.].

        

Sachbearbeitung in der Buchhaltung, im Einkauf, in der Lohnbuchhaltung, der Rechnungsprüfung, der Registratur und den Bereichen Kalkulation, Statistik, Kreditwesen, Auftragsabwicklung, Empfang und Telefongesprächsvermittlung.

        

…       

        

Gehaltsgruppe 3

        

Gehobene Tätigkeiten, die erweiterte Fachkenntnisse und Fähigkeiten erfordern.

        

Beispiel:

        

[X.], Abteilungsaufsicht, Empfangspersonal, Leiter/in von unselbständig geführten Filialen, Schaugewerbegestalter/in in gehobener Funktion, Kassierer/in, deren Tätigkeit über die Merkmale der Gehaltsgruppe 2 hinausgeht (z.B. Tätigkeiten an Sammelkassen, [X.] in Supermärkten bzw. [X.]-Läden mit regelmäßig mehr als einer Ausgangskasse), …“

II. Das [X.] hat zunächst zutreffend vorrangig das Tätigkeitsbeispiel der Gehaltsgruppe 3 [X.] überprüft (zur vorrangigen Prüfung von tariflichen Tätigkeitsbeispielen vgl. [X.] 22. September 2010 - 4 [X.] - Rn. 23 mwN). Es hat sodann jedoch mit rechtsfehlerhafter Begründung angenommen, das Einrichtungshaus der Beklagten sei kein „[X.]“ iSd. Gehaltsgruppe 3 [X.].

1. Das [X.] hat zunächst rechtsfehlerfrei festgestellt, dass das Einrichtungshaus der Beklagten kein „Supermarkt“ im Sinne des Tätigkeitsbeispiels ist.

a) Da die tariflichen Bestimmungen des [X.] keine eigenständige Definition des Begriffs „Supermarkt“ enthalten und die Tarifvertragsparteien hier auch keinen in der Rechtsterminologie feststehenden Begriff in seiner allgemeinen Bedeutung benutzt haben, ist bei einer branchenspezifischen Verwendung eines Begriffs nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] davon auszugehen, dass sie den Begriff so angewendet wissen wollen, wie er im Handelsverkehr und [X.] verstanden wird und den Anschauungen der beteiligten Berufskreise und dem Handelsbrauch ( § 346 HGB ) entspricht (vgl. nur [X.] 5. September 2012 - 4 [X.] - Rn. 14 f. mwN).

b) Im [X.] wird unter einem Supermarkt ein Einzelhandelsbetrieb verstanden, der auf einer Verkaufsfläche von mindestens 400 qm Nahrungs- und Genussmittel einschließlich Frischwaren (Obst, Gemüse, Südfrüchte, Fleisch uä.) und ergänzend „problemlose Waren“ anderer Branchen vorwiegend in Selbstbedienung anbietet. Unter dem Begriff „problemlose Waren“ werden allgemein bekannte Güter des [X.] verstanden, bei deren Auswahl und Erwerb der Verbraucher im Allgemeinen keine Beratung erwartet oder wünscht, und die für den Absatz im Wege der Selbstbedienung geeignet sind. Ein Supermarkt ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass der sog. Non-Food-Bereich [X.] der Verkaufsfläche in Anspruch nimmt ([X.] 5. September 2012 - 4 [X.] - Rn. 16 f. mwN).

c) Danach handelt es sich bei dem Einrichtungshaus der Beklagten nicht um einen Supermarkt. Die Beklagte bietet allenfalls marginal Lebensmittel an. Hierauf hat das [X.] zu Recht hingewiesen. Die Revision greift diese Auffassung auch nicht weiter an.

2. Die weitere Begründung des [X.]s, das Einrichtungshaus der Beklagten sei auch kein „[X.]“ im tariflichen Sinne, ist hingegen rechtsfehlerhaft.

a) Das Berufungsgericht ist zunächst davon ausgegangen, dass auch im [X.] der Begriff „[X.]“ nicht eindeutig verstanden wird. „[X.]“ stehe für „Selbstbedienung“ und sei deshalb nicht von vornherein auf eine bestimmte Branche begrenzt. Auch der Begriff des „Ladens“ sei nicht eindeutig bestimmt. Aus dem Wortlaut des Tätigkeitsbeispiels ergebe sich jedoch, dass mit „[X.]“ allein ein Synonym für den Begriff „Supermarkt“ gemeint sei. Dafür spreche insbesondere die Verknüpfung der Begriffe durch das Wort „bzw.“.

b) Diese Auslegung des Tarifvertrags ist fehlerhaft.

Differenzieren Tarifvertragsparteien zwischen verschiedenen Begriffen, ist in der Regel davon auszugehen, dass sie mit den unterschiedlichen Begriffen auch voneinander abweichende Tarifinhalte zum Ausdruck bringen wollen. Dass die Tarifvertragsparteien vorliegend mit der Formulierung, „Supermärkten bzw. [X.]“ eigentlich „Supermarkt bzw. Supermarkt“ gemeint hätten und der Begriff „[X.]“ keinerlei eigenständige Bedeutung haben sollte, ist deshalb nicht anzunehmen.

Aus der Verwendung der unterschiedlichen Begriffe ergibt sich vielmehr, dass die Tarifvertragsparteien die Kassentätigkeit iSd. Gehaltsgruppe 3 [X.] mit der Verwendung des im [X.] eindeutig definierten Begriffs des „Supermarkts“ nicht nur auf Einzelhandelsgeschäfte dieser Branche beschränken wollten. Mit dem sachlich weiter gefassten Tarifbegriff „bzw. [X.]“ - verbunden mit der Einschränkung „mit regelmäßig mehr als einer Ausgangskasse“ - sollte erkennbar eine Erweiterung des Anwendungsbereichs dieses [X.] über die Lebensmittelbranche hinaus erreicht werden. Damit sollten vor allem Geschäfte mit Selbstbedienung ab einer bestimmten Größe erfasst werden, ohne dass die - im [X.] präziser definierten - Voraussetzungen eines „[X.]-Warenhauses“ (s. dazu Ausschuss für Definitionen zu Handel und Distribution Katalog E - Definitionen zu Handel und Distribution 5. Aufl. Stichwort „[X.]“ ([X.]-Warenhaus); [X.] 16. Aufl. Stichwort „[X.]“) vorliegen müssen.

III. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und zur Zurückverweisung. Aufgrund der fehlenden tatsächlichen Feststellungen steht die zutreffende Eingruppierung der Klägerin noch nicht fest.

1. Eine Verkaufsstelle im Einzelhandel ist dann ein „[X.]“, wenn sie von der Vertriebsform der Selbstbedienung geprägt ist.

a) Es ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff „[X.]“ in seiner allgemeinen wirtschaftlichen Bedeutung verstehen wollten. Zwar ist dieser Begriff im [X.] nicht präzise bestimmt. Die Verwendung der Abkürzungsbuchstaben „[X.]“ verbunden mit dem Begriff „Laden“ richtet sich jedoch eindeutig auf die Beschreibung einer Verkaufsstelle des Einzelhandels, die - zunächst - allein dadurch gekennzeichnet ist, dass sie in der Vertriebsform der Selbstbedienung organisiert ist. So hat auch der Zehnte Senat des [X.] eine tarifliche Zuschlagsregelung für [X.], die „überwiegend an [X.]-Kassen“ tätig sind, dahin ausgelegt, dass sich die Kasse in einer Verkaufsstelle befindet, „die als Selbstbedienungsladen, Selbstbedienungsmarkt oder [X.] zu bezeichnen ist“, ohne dass die Verkaufsstelle einer bestimmten Branche zugeordnet sein müsse ([X.] 17. März 2004 - 10 [X.] - zu II 2 a bb der Gründe).

b) Der Selbstbedienung als Verkaufsmethode im Einzelhandel steht die traditionelle Fremdbedienung gegenüber, bei der das Verkaufspersonal die Waren präsentiert, den Kunden berät und weitere Tätigkeiten wie Rechnungsstellung, Verpackung der Ware und Inkasso übernimmt. Ferner sind bei der Selbstbedienung als Verkaufsmethode kombinierte Vertriebs- und Zwischenformen verbreitet. So können Teile des Sortiments (zB Frischwaren) in Fremdbedienung, andere in Selbstbedienung angeboten werden. Im typischen Selbstbedienungsladen ([X.]) herrscht die Bedienungsform der Selbstauswahl oder -vorwahl vor. Beim Vorwahlsystem kann sich der Kunde selbst bedienen, kann aber auch je nach Wunsch verschiedene Dienste des [X.] in Anspruch nehmen (fakultative Bedienung). Der Kunde wählt aus dem offen präsentierten Angebot meist wenig erklärungsbedürftige Waren eigenständig aus und prüft diese. Das Verkaufspersonal steht gegebenenfalls zur Beratung, sonst nur für den Verkaufsabschluss zur Verfügung. Danach bringt der Kunde die gewählten und von ihm im Wege der Selbstbedienung entnommenen Waren zur Kasse, an der die [X.] und die Bezahlung vorgenommen werden (vgl. [X.] 17. März 2004 - 10 [X.] - zu II 2 b aa der Gründe mwN).

c) Werden Waren sowohl in Selbst- als auch in Fremdbedienung angeboten, kommt es für die Erfüllung des Merkmals „[X.]“ darauf an, welche der Verkaufsformen die für die Verkaufsstelle prägende ist. Ein „[X.]“ wird nicht dadurch zu einem [X.], dass neben der normalen Bedienung des Kunden vereinzelte Artikelgruppen in Selbstbedienung zum Verkauf stehen. Ebenso wird ein „Supermarkt“ nicht dadurch zu einem „[X.]“, dass lediglich einzelne Waren an einer Frischetheke angeboten werden. Auch die lediglich partielle Selbstbedienung wird noch vom Begriff der Selbstbedienung erfasst ([X.] 17. März 2004 - 10 [X.] - zu II 2 b bb der Gründe). Es kommt letztlich darauf an, inwieweit der [X.] und Kaufvorgang durch die Mitwirkung eines beratenden, bedienenden und in sonstiger Weise für den Kunden tätigen Mitarbeiters geprägt ist oder durch die „Selbstbedienungs“-Handlungen des Kunden.

d) Ob danach ein „[X.]“ im tariflichen Sinne vorliegt, ist anhand der Eigenart der Verkaufsstelle im konkreten Einzelfall zu beurteilen.

aa) Ohne nähere Aussagekraft sind dabei regelmäßig - entgegen dem Hinweisbeschluss des [X.]s - die jeweiligen Personalkosten in den einzelnen Bereichen des Betriebs. Zweck der Verkaufsmethode „Selbstbedienung“ ist es gerade, die Personalkosten zu verringern. Einem geringeren Personalkostenanteil kann deshalb im [X.]-Bereich eines Betriebs grundsätzlich keine Aussagekraft für die Entscheidung zukommen, welche Vertriebsform den jeweiligen Betrieb prägt. Ebenfalls außer Betracht zu bleiben haben andere angebotene Dienstleistungen, die für den unmittelbaren Warenverkauf nicht maßgebend sind. Hierzu zählen bspw. zusätzlich unterhaltene Restaurationsabteilungen oder weitere Leistungen, wie etwa eine angebotene Kinderbetreuung, ein entgeltlicher Transport von Waren zum Wohnsitz des Kunden oder der Auf- und Einbau von Geräten und Möbeln.

bb) Demgegenüber kommt einerseits der Anzahl der Artikel, die der eigenständigen Auswahl und Entnahme durch den Kunden zur Verfügung stehen, und andererseits der Anzahl der Artikel, die eine - ggf. ergänzende - Beratung oder Bedienung regelmäßig erforderlich machen, eine indizielle Wirkung für die abgrenzende Beurteilung zu. Auch das Verhältnis der tatsächlich verkauften Artikel aus den jeweiligen Warengruppen kann dabei zu berücksichtigen sein. Schließlich kann die Verkaufs- bzw. Angebotsfläche, die auf die in Selbstbedienung angebotenen Waren einerseits und auf die mit Beratung und Bedienung angebotenen Waren andererseits entfallen, mit herangezogen werden, wenn eine solche Zuordnung möglich ist.

2. Nach den vorstehenden Grundsätzen kann der Senat nicht darüber befinden, ob das Einrichtungshaus der Beklagten in [X.] ein „[X.]“ im tariflichen Sinne ist. Hierzu bedarf es weiterer Feststellungen.

a) Für die Eigenschaft des Betriebs der Beklagten als „[X.]“ spricht nach den Feststellungen des [X.]s, dass die Artikel, die sich in der Markthalle (ua. Küchenartikel, Lampen, Teppiche, Pflanzen, Elektroartikel, Stoffe, Bettwäsche uvm.) befinden, in Selbstbedienung erworben werden. Dies trifft auch für die bereits so bezeichnete [X.] zu, in der die in der „Möbelausstellung“ zur Ansicht zusammengebauten Möbel in verpackter und transportfähiger Form aus den Regalen geholt und auf dem Einkaufswagen zur Kasse gebracht werden.

Dies entspricht auch dem Selbstverständnis der Beklagten, das sowohl in den für den Kunden bestimmten Handzetteln zum Ausdruck kommt als auch aus deren Schulungsunterlagen für die Arbeitnehmer, in denen es ua. heißt:

        

„Grundlagen für die Vermarktung eines Produkts in der Möbelausstellung

        

Wie zuvor erwähnt basiert das mechanische [X.] Verkaufssystem auf einem einfachen, aber grundlegenden Prinzip: alle Produkte müssen so vorbereitet sein, dass die Besucher ihren Kauf selbst durchführen können. Die gesamte Vermarktung im [X.] EH beginnt mit dem einzelnen Produkt. Es ist sehr wichtig, dass jedes Produkt so vorbereitet ist, dass es sich von allein verkauft. …“

Nicht unmittelbar in Selbstbedienung können lediglich die Artikel in der Möbelausstellung erworben werden, die mit einem „gelben Anhänger“ gekennzeichnet sind. Sie werden auf Anforderung speziell im Lager kommissioniert und an den Kunden ausgehändigt.

b) Der Beklagten ist aber Gelegenheit zu geben, unter Berücksichtigung der genannten Kriterien, die vom Hinweisbeschluss des [X.]s abweichen, ergänzend vorzutragen.

3. Der Rechtsstreit ist auch nicht etwa deshalb zur Entscheidung reif, weil der von der Klägerin begehrten Eingruppierung aus anderen Gründen stattzugeben wäre. Die Klägerin hat nicht behauptet, dass sie die allgemeinen Anforderungen des [X.] der Gehaltsgruppe 3 [X.] erfüllt und über die gegenüber einer einschlägigen Berufsausbildung erforderlichen erweiterten Fachkenntnisse und Fähigkeiten verfügt. Dies ist auch sonst in keiner Weise ersichtlich. Sonstige erschwerende Umstände bei der Tätigkeit werden von den Tarifvertragsparteien im Rahmen der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale und den Tätigkeitsbeispielen honoriert. Diese Bewertung liegt grundsätzlich im Rahmen der tariflichen Regelungsfreiheit. Eine Überprüfung der Angemessenheit tariflicher Tätigkeitsbewertungen scheidet im Hinblick auf die durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie aus (zB [X.] 17. April 2003 - 8 [X.] - zu II 2 c dd der Gründe).

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Hannig    

        

    H. Klotz    

                 

Meta

4 AZR 259/12

03.07.2013

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Kiel, 27. Januar 2011, Az: 2 Ca 2012 c/10, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.07.2013, Az. 4 AZR 259/12 (REWIS RS 2013, 4492)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4492

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 AZR 584/10 (Bundesarbeitsgericht)

Eingruppierung einer Kassiererin - Begriff des Lebensmittel-Supermarkts - Gehaltstarifvertrag im Einzelhandel RP


10 AZR 361/09 (Bundesarbeitsgericht)

Funktionszulage i.S.v. § 2 Ziff 8 Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel MV - Tätigkeit an einer …


4 ABR 82/09 (Bundesarbeitsgericht)

Eingruppierung von Kassierern in einem Einrichtungshaus nach dem Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel in Baden-Württemberg - …


4 AZR 33/09 (Bundesarbeitsgericht)

Eingruppierung einer Kassiererin im Baumarkt - Auslegung des Begriffs "Abteilung" i.S.d. Gehaltsgruppe III des Gehaltstarifvertrags …


4 AZR 364/18 (Bundesarbeitsgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

1 BV 5/17

4 TaBV 78/17

3 TaBV 7/18

12 TaBV 5/18

6 TaBV 80/17

8 TaBV 2/18

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.