Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.05.2020, Az. VIII B 146/19

8. Senat | REWIS RS 2020, 3479

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Behandlung eines rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchs gegen den gesamten Spruchkörper des FG in der Nichtzulassungsbeschwerde


Leitsatz

NV: Im Fall eines rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchs gegen den gesamten Spruchkörper des FG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht auf dessen rechtswidrige Ablehnung gestützt werden, es sei denn, das Ablehnungsgesuch ist vom FG nicht nur aus fehlerhaften, sondern aus willkürlichen und greifbar gesetzwidrigen Erwägungen heraus abgelehnt worden (Abgrenzung vom BFH-Beschluss vom 16.10.2019 - X B 99/19, BFHE 266, 494) .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 17.07.2019 - 5 K 356/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist teilweise unzulässig, teilweise unbegründet und damit insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

2

Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) und der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) werden nicht den Anforderungen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügend dargelegt. Die geltend gemachten Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O werden vom Kläger zum Teil ebenfalls nicht ausreichend dargelegt oder die Voraussetzungen liegen nicht vor.

3

1. Der Vortrag, der Erlass einer Prüfungsanordnung gemäß § 193 der Abgabenordnung gegenüber dem Kläger als Steuerberater verletze die gemäß Art. 12 des Grundgesetzes ([X.]) geschützte Berufsfreiheit, beinhaltet sinngemäß die Darlegung, der Rechtsstreit werfe Fragen von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O auf. Der Kläger legt die Voraussetzungen des [X.] jedoch nicht hinreichend dar.

4

Die Darlegung der Voraussetzungen des [X.] der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O verlangt u.a. Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer zweifelhaften Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärungsfähig ist. Macht ein Beschwerdeführer --wie der Kläger im [X.] mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfassungsrechtliche Fragen als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung geltend, so erfordert die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung eine substantiierte, an den Vorgaben des [X.] und der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] und des [X.] ([X.]) orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 13.11.2019 - VIII B 42/19, [X.]/NV 2020, 234, Rz 5). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des [X.] nicht. Er begnügt sich mit dem pauschalen Vorhalt, das Finanzgericht ([X.]) habe verkannt, dass die Anordnung einer Außenprüfung den Kläger in seinem Grundrecht der Berufsfreiheit verletze.

5

2. Auch die Voraussetzungen des vom Kläger erwähnten [X.] der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) werden nicht dargelegt.

6

Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung setzt voraus, dass das [X.] in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine Entscheidung des [X.] zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist. Zur Darlegung einer Divergenz müssen die tragenden Rechtssätze der angefochtenen Entscheidung und einer konkret benannten Divergenzentscheidung derart gegenübergestellt werden, dass eine Abweichung im Grundsätzlichen erkennbar wird ([X.]-Beschluss vom 21.03.2019 - VIII B 129/18, [X.]/NV 2019, 812, Rz 4).

7

Der Kläger nennt in seiner Begründung zwar Aktenzeichen mehrerer (vermeintlicher) Divergenzentscheidungen. Er arbeitet jedoch weder tragende Rechtssätze der angefochtenen Entscheidung noch der benannten Divergenzentscheidungen heraus, sondern führt nur an, dass eine Divergenz des [X.]-Urteils zu den Divergenzentscheidungen vorliege. Dies genügt für eine Darlegung der Voraussetzungen des [X.] nicht.

8

3. [X.], der Tatbestand sei im angefochtenen Urteil an zahlreichen Stellen "falsch" wiedergegeben, ist im [X.] unbeachtlich. Für Einwendungen gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit des [X.] sieht § 108 [X.]O ein eigenständiges Rechtsschutzverfahren vor, das der Nichtzulassungsbeschwerde nach dem [X.] vorgeht und gleichgerichtete Verfahrensrügen präkludiert ([X.]-Beschluss vom 02.02.2016 - X B 38/15, [X.]/NV 2016, 930, Rz 21).

9

4. Das [X.] hat entgegen der Auffassung des [X.] nicht verfahrensfehlerhaft auf der Grundlage eines Sachverhalts entschieden, der gegen den klaren Inhalt der Akten verstößt.

a) Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und damit eine Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O ist insbesondere gegeben, wenn das [X.] eine nach Aktenlage feststehende Tatsache, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätte einfließen müssen, unberücksichtigt lässt oder seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der dem protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht ([X.]-Beschluss vom 02.01.2019 - VIII B 131/18, [X.]/NV 2019, 286, Rz 7, m.w.N.). Die Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O erfordert insofern die genaue Bezeichnung des nicht berücksichtigten Akteninhalts sowie die Darlegung, inwieweit dessen Berücksichtigung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des [X.] zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 15.02.2012 - IV B 126/10, [X.]/NV 2012, 774, Rz 12).

b) Der Kläger rügt, das [X.] habe der Entscheidung den nicht zutreffenden Umstand zugrunde gelegt, die Steuerfestsetzungen für 2014 und 2015 beruhten auf [X.], obwohl der Kläger acht Monate vor Verkündung des angefochtenen Urteils erklärungsgemäß veranlagt worden sei. Dem Kläger ist zuzugeben, dass die im Tatbestand erwähnten Einkommensteuerbescheide dieser Streitjahre älteren Datums sind. Der Kläger erläutert aber weder, in welchen dem [X.] vorliegenden Akten die später ergangenen Einkommensteuerbescheide enthalten sind, noch, inwiefern das [X.] bei Kenntnis der später ergangenen Einkommensteuerbescheide auf der Grundlage seines maßgeblichen rechtlichen Standpunkts zu der Entscheidung hätte kommen können, die angefochtene Prüfungsanordnung für den Zeitraum 2012 bis 2014 sei rechtswidrig gewesen. Der Kläger führt insoweit lediglich an, durch den unzutreffenden Tatbestand werde "zu Beginn der Urteilsbegründung eine unzutreffende negative Stimmung geschaffen". Dies genügt nicht.

c) Auch der Vortrag des [X.], der Tatbestand sei "verzerrend", soweit er eine gleichzeitige Beteiligung des [X.] an verschiedenen Steuerberatungsgesellschaften suggeriere, obwohl diese Beteiligungen zeitlich nacheinander bestanden hätten, beinhaltet keine Darlegung eines Verstoßes des [X.] gegen den Inhalt der Akten. Denn es fehlt sowohl eine genaue Bezeichnung des dem [X.] vorliegenden Akteninhalts, aus dem sich diese Tatsachen ergeben, als auch eine schlüssige Erläuterung, warum das [X.] bei Kenntnis der zutreffenden Umstände auf der Grundlage seines rechtlichen Standpunkts in Bezug auf die angefochtene Prüfungsanordnung zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können.

d) Soweit der Kläger vorträgt, das [X.] habe gegen den klaren Inhalt der Akten entschieden, indem es weitere aktenkundige Vorgänge nicht in seine Entscheidung einbezogen habe, sind die Voraussetzungen des Verfahrensfehlers nicht erfüllt.

aa) Der Kläger sieht als aktenkundigen, vom [X.] nicht berücksichtigten Umstand, dass auf einem Vermerk in der [X.] handschriftlich der Name einer Mandantin des [X.] erwähnt wurde, gegen die bei Erlass der angefochtenen Prüfungsanordnung ein Steuerfahndungsverfahren betrieben wurde. Die Außenprüfung gegen den Kläger als Berater sei am 17.11.2017, sechs Monate nach Einleitung dieses Steuerfahndungsverfahrens, angeordnet worden; der Name des zuständigen Fahndungsprüfers samt dessen Telefonnummer sei auf dem Vermerk notiert gewesen. Das [X.] habe damit den feststehenden Inhalt der Akten nicht berücksichtigt, dass die Anordnung der Außenprüfung gegenüber dem Kläger darauf abgezielt habe, Zufallsfunde im Hinblick auf das Steuerfahndungsverfahren der Mandantin zu gewinnen. Es habe zur Prüfung der Frage, ob die Anordnung der Außenprüfung gegenüber dem Kläger objektiv willkürlich sei, tragend darauf abgestellt, dass kein Zusammenhang zwischen der Anordnung der Außenprüfung und der Steuerfahndungsprüfung gegenüber dessen Mandantin bestanden habe.

bb) Aus dieser Begründung ist ein Verstoß des [X.] gegen den klaren Inhalt der Akten nicht ersichtlich. Das [X.] hat im Tatbestand der Entscheidung und seiner rechtlichen Würdigung den Vortrag des [X.] zu den handschriftlichen Vermerken in der [X.] sowie den zeitlichen Zusammenhang zwischen der Steuerfahndungsprüfung bei der Mandantin und der Anordnung der Außenprüfung wiedergegeben und sich damit auseinandergesetzt. Es hat den Akteninhalt bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Die Schlussfolgerung des [X.], es habe zwischen der laufenden Steuerfahndungsprüfung bei der Mandantin des [X.] und der streitbefangenen Anordnung der Außenprüfung beim Kläger trotz der handschriftlichen Vermerke in der [X.] kein entscheidender Zusammenhang bestanden, betrifft eine fallbezogene Würdigung des [X.], nicht aber eine feststehende Tatsache, die dem Akteninhalt widerspricht.

cc) Dass das [X.] den Akteninhalt zum Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen beiden Prüfungen nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen gewürdigt hat und die Würdigung des [X.] im Rahmen der Überprüfung der Ermessensausübung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --[X.]--) aus der Sicht des [X.] fehlerhaft ist, begründet keinen Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O. Mit seinen Einwendungen gegen die tatsächliche Würdigung durch das [X.] und die Überprüfung der Ermessensausübung des [X.] wendet sich der Kläger gegen die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Damit kann aber die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (vgl. z.B. [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2019, 286, Rz 8).

5. Die vom Kläger erhobene Rüge, das [X.] habe seinen Anspruch auf den gesetzlichen [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.]) verletzt, indem die von ihm abgelehnten [X.] entgegen § 45 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO-- (i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) in der angefochtenen Vorentscheidung selbst über den Ablehnungsantrag entschieden haben, greift nicht durch.

a) Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im Schriftsatz vom 16.07.2019 ein Ablehnungsgesuch gegen den zuständigen Senat als gesamten Spruchkörper gerichtet hat.

aa) Die Ablehnung eines [X.]s wegen Besorgnis der Befangenheit erfordert zur Geltendmachung des Ablehnungsgrunds ein Ablehnungsgesuch (§ 51 Abs. 1 [X.]O i.V.m. § 42 Abs. 1 bis 3, § 44 ZPO). Das Ablehnungsgesuch ist eine Prozesshandlung. Soweit eine Prozesshandlung unbestimmt ist, gelten grundsätzlich die allgemeinen Auslegungsregeln für [X.]nserklärungen gemäß den §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Der wirkliche [X.] des Erklärenden ist unter Berücksichtigung des äußeren Erscheinungsbildes der Erklärung und mit Rücksicht auf die Verständnismöglichkeit des Erklärungsempfängers zu erforschen. Maßgeblich ist der an den einschlägigen Gesetzesvorschriften zu messende objektive Erklärungswert, d.h. der in der schriftlichen Erklärung verkörperte [X.] ([X.]-Beschlüsse vom 12.04.1994 - VII B 39/93, [X.]/NV 1994, 886, unter [X.]; vom 12.08.1998 - III B 23/98, [X.]/NV 1999, 476).

bb) Das Ablehnungsgesuch ist vom Prozessbevollmächtigten des [X.] am Tag vor der mündlichen Verhandlung schriftlich angebracht worden. Dieser hat beantragt, das "Gericht" möge sich als befangen ansehen. Die Begründung des [X.] zielte auf verschiedene Verfahrenshandlungen des Berichterstatters ab. Das [X.] konnte den auslegungsbedürftigen, unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Antrag des rechtskundig vertretenen [X.] wegen der Bezugnahme auf die Ablehnung des Gerichts einerseits und Handlungen des Berichterstatters andererseits nur so verstehen, dass der zuständige Senat des [X.] als gesamter Spruchkörper vom Kläger abgelehnt werden sollte (vgl. zur Auslegung eines [X.] auch [X.]-Beschluss vom 20.06.2016 - X B 167/15, [X.]/NV 2016, 1577, Rz 21).

b) Das [X.] hat das Ablehnungsgesuch des [X.] zu Recht als rechtsmissbräuchlich beurteilt und hierüber im angefochtenen Urteil ohne vorherige dienstliche Äußerungen entschieden.

aa) Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines [X.]s wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommt es darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des abgelehnten [X.]s zu befürchten. Grundsätzlich ist über das Ablehnungsgesuch nach vorheriger dienstlicher Äußerung des abgelehnten [X.]s ohne dessen Mitwirkung zu entscheiden. Entscheidet der abgelehnte [X.] unter Verstoß gegen § 45 Abs. 1 ZPO selbst anstelle seines Vertreters über einen zulässigen Ablehnungsantrag, schlägt dieser Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen [X.] auf die Endentscheidung durch, ohne dass es darauf ankommt, ob das Ablehnungsgesuch in der Sache begründet ist oder nicht. Der Verfahrensfehler kann im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden (s. dazu [X.]-Beschluss vom 16.10.2019 - X B 99/19, [X.]E 266, 494, Rz 12, 14, 19). Denn in Fällen unzulässiger Selbstentscheidung über ein Ablehnungsgesuch ist nach dem zitierten [X.]-Beschluss stets davon auszugehen, dass auch die dem Ablehnungsgesuch folgenden Sachentscheidungen mit dem Makel des Verstoßes gegen den gesetzlichen [X.] behaftet sind. Dies gilt auch, wenn sämtliche Mitglieder eines [X.] --in nicht rechtsmissbräuchlicher Weise (z.B. wegen einer Entscheidung des [X.] als befangen abgelehnt werden ([X.]-Beschluss vom 16.10.2019 - X B 99/19, [X.]E 266, 494, Rz 14).

bb) Im Fall eines rechtsmissbräuchlichen [X.] gegen den gesamten Spruchkörper kann eine Nichtzulassungsbeschwerde hingegen grundsätzlich nicht auf dessen rechtswidrige Ablehnung gestützt werden, es sei denn, es ist vom [X.] nicht nur aus fehlerhaften, sondern aus willkürlichen und greifbar gesetzwidrigen Erwägungen heraus abgelehnt worden ([X.]-Beschluss in [X.]/NV 2016, 1577, Rz 20). Ein solches rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch gegen einen ganzen Spruchkörper liegt insbesondere vor, wenn keine konkreten Anhaltspunkte vorgebracht werden, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung auf eine Befangenheit jedes einzelnen Mitglieds des [X.] hindeuten können ([X.]-Beschlüsse in [X.]/NV 2016, 1577, Rz 21; vom 29.12.2015 - IV B 68/14, [X.]/NV 2016, 575, Rz 3). Ist das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich und deshalb offensichtlich unzulässig, entscheidet das Gericht darüber in der nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung, ohne dass es einer vorherigen dienstlichen Äußerung des abgelehnten [X.]s nach § 51 [X.]O i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO bedarf. Der Ablehnungsantrag darf in den Gründen der Hauptsacheentscheidung unter Mitwirkung des abgelehnten [X.]s zurückgewiesen werden ([X.]-Beschlüsse vom 22.05.2017 - V B 133/16, [X.]/NV 2017, 1199, Rz 8, 9; in [X.]/NV 2016, 1577, Rz 21, 23).

cc) [X.] eines abgelehnten [X.]s ist auch bei rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchen vor dem Hintergrund der Garantie des gesetzlichen [X.]s in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] nur dann und insoweit gerechtfertigt, wie die durch den gestellten Ablehnungsantrag erforderliche Entscheidung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens und damit keine Entscheidung "in eigener Sache" voraussetzt. Denn über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich ein abgelehnter [X.] nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum [X.] in eigener Sache machen (vgl. [X.]-Beschlüsse in [X.]/NV 2017, 1199, Rz 10; in [X.]/NV 2016, 1577, Rz 22; in [X.]/NV 2016, 575, Rz 4; vom 16.10.2019 - X B 99/19, [X.]E 266, 494, Rz 15).

dd) Nach diesen Maßstäben ist weder die rechtliche Würdigung des [X.], das Ablehnungsgesuch des [X.] sei rechtsmissbräuchlich, noch dessen Ablehnung in den Gründen der Vorentscheidung zu beanstanden.

Das Ablehnungsgesuch richtete sich gegen alle Mitglieder des [X.] (s. unter 5.a). Es wurde mit Umständen begründet, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung nicht auf eine Befangenheit jedes einzelnen Mitglieds des [X.] hindeuten können. Der Kläger hat weder eine Kollegialentscheidung des [X.] noch eine gemeinsame Verfahrenshandlung sämtlicher Mitglieder des [X.] zur Begründung der Ablehnung des [X.] angeführt, sondern darauf abgestellt, der zuständige Berichterstatter habe ihm einen Schriftsatz des [X.] nicht nur "zur Kenntnisnahme", sondern ausdrücklich "zur Stellungnahme" weiterleiten müssen; zudem habe er [X.] im Rahmen eines Akteneinsichtsgesuchs zunächst nicht in alle Akten des [X.] Einsicht nehmen können. Der Kläger macht aber weder geltend, er habe auf den zur Kenntnisnahme weitergeleiteten Schriftsatz des [X.] hin nicht alles vortragen können, was er hierauf erwidern wollte, noch, dass er nach der Anforderung weiterer Akten durch den Berichterstatter nicht in sämtliche Akten des Verfahrens habe Einsicht nehmen können. Bei vernünftiger objektiver Betrachtung ist aufgrund der vom Kläger dargelegten Umstände daher kein Anhaltspunkt für eine Befangenheit sämtlicher Mitglieder des [X.] erkennbar, zumal die Verfahrenshandlungen keinen Anhalt für eine Vorentscheidung oder Sachverhaltsunterdrückung bieten.

c) Das [X.] hat nach alledem mangels objektiver Anhaltspunkte für eine Befangenheit sämtlicher Mitglieder des [X.] das gegen den Senat des [X.] gerichtete Ablehnungsgesuch des [X.] zu Recht als rechtsmissbräuchlich und unzulässig angesehen und es, ohne dienstliche Äußerungen sämtlicher Mitglieder des [X.] einzuholen, unter Mitwirkung aller Senatsmitglieder in den Gründen der Vorentscheidung zurückgewiesen.

6. Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O von einer Darlegung des Tatbestands und weiteren Ausführungen ab.

7. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII B 146/19

13.05.2020

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 17. Juli 2019, Az: 5 K 356/18, Urteil

§ 44 Abs 3 ZPO, § 51 Abs 1 S 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 96 Abs 1 S 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.05.2020, Az. VIII B 146/19 (REWIS RS 2020, 3479)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3479

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