Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.05.2022, Az. VIII R 14/18

8. Senat | REWIS RS 2022, 3791

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Gegenstand

(Nacherhebung der Kapitalertragsteuer für eine offene Gewinnausschüttung in den Fällen des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG)


Leitsatz

1. Wird für eine offene Gewinnausschüttung gemäß § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG eine bescheinigte Einlagenrückgewähr in Höhe von 0 € fingiert, überlagert die Fiktion bereits im Ausschüttungszeitpunkt den Umstand, dass nach der Verwendungsrechnung des § 27 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 KStG kein ausschüttbarer Gewinn verwendet wird.

2. Greift die Fiktion des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG, entstehen die Kapitalertragsteuer und die damit verbundenen kapitalertragsteuerlichen Pflichten der steuerentrichtungspflichtigen Kapitalgesellschaft nicht erst mit der Bekanntgabe des gesonderten Feststellungsbescheids für das Einlagekonto als das die Fiktion auslösende Ereignis, sondern mit dem Zufluss der Ausschüttung.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 12.04.2016 - 6 K 2703/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren [X.]nteilseignerin die [X.] ist. Gegenstand des Unternehmens sind Versorgungsbetriebe und Bäder.

2

[X.]m 27.07.2010 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin eine [X.]usschüttung aus der Kapitalrücklage in Höhe von 5 Mio. € und zahlte diesen Betrag am [X.] aus. Ein ausschüttbarer Gewinn der Klägerin im Sinne der Verwendungsrechnung nach § 27 [X.]bs. 1 Sätze 3 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung ([X.]) zum 31.12.2009 war nicht vorhanden.

3

Für die [X.]usschüttung wurde seitens der Klägerin wegen der aus ihrer Sicht vorliegenden Einlagenrückgewähr i.S. des § 27 [X.] i.V.m. § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2010 anzuwendenden Fassung (EStG) weder die Kapitalertragsteuer noch der Solidaritätszuschlag einbehalten und abgeführt. Die Klägerin reichte auch keine Kapitalertragsteueranmeldung für die [X.]usschüttung beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) ein.

4

Zwar ergab sich aus den mit der Feststellungserklärung zum Einlagekonto für das [X.] (Streitjahr) beim [X.] eingereichten Unterlagen, insbesondere den Bilanzerläuterungen, dass eine [X.]usschüttung der Klägerin an [X.] im Streitjahr erfolgt sein musste. Die am 12.12.2011 beim [X.] eingegangene Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen [X.] sowie die mit der Körperschaftsteuererklärung für 2010 eingereichte [X.]nlage W[X.] enthielten aber keine Hinweise auf die [X.]usschüttung.

5

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des steuerlichen [X.] zum 31.12.2010 nach § 27 [X.]bs. 2 Satz 1 [X.] erging am 10.02.2012, ohne eine [X.]usschüttung der Klägerin im Streitjahr zu berücksichtigen. Das Einlagekonto der Klägerin wurde im Vergleich zur gesonderten Feststellung auf den 31.12.2009 in unveränderter Höhe ausgewiesen. Eine Bescheinigung über die [X.]usschüttung nach § 27 [X.]bs. 3 Satz 1 [X.] hatte die Klägerin der [X.] bis zur Bekanntgabe des gesonderten Feststellungsbescheids über das Einlagekonto für das Streitjahr nicht erteilt.

6

In einem Betriebsprüfungsbericht vom 10.04.2013 wurde zur Kapitalertragsteuer für das Streitjahr festgestellt, dass die [X.]usschüttung aus der Kapitalrücklage wie eine "Entnahme" zu betrachten sei, da ein ausschüttbarer Gewinn der Klägerin nicht vorhanden gewesen sei. Da bis zum Tag der Bekanntgabe des gesonderten Feststellungsbescheids zum 31.12.2010 die Bescheinigung nach § 27 [X.]bs. 3 [X.] nicht erteilt worden sei, gelte die Einlagenrückgewähr gemäß § 27 [X.]bs. 5 Satz 2 [X.] in Höhe von 0 € als bescheinigt. Das steuerliche Einlagekonto der Klägerin zum 31.12.2010 sei danach gemäß § 27 [X.]bs. 5 Satz 1 [X.] zu Recht ohne Berücksichtigung einer Minderung durch die [X.]usschüttung gesondert festgestellt worden. Für die [X.]usschüttung seien Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag nachzuerheben.

7

Entsprechend erließ das [X.] am 15.11.2013 gegenüber der Klägerin nach § 167 [X.]bs. 1 Satz 1 der [X.]bgabenordnung [X.]) i.V.m. § 44 [X.]bs. 5 Satz 1 EStG einen als "Nachforderungsbescheid" über Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag bezeichneten Bescheid (im Folgenden: [X.]), da die Klägerin für die [X.]usschüttung über 5 Mio. € vom 27.07.2010 weder der Verpflichtung nachgekommen sei, die Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen noch die Kapitalertragsteuer angemeldet habe. Die Kapitalertragsteuer sei gemäß § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1, § 43 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 43a [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 44a [X.]bs. 8 Satz 1 Nr. 2 EStG in Höhe von drei Fünfteln des [X.] zu erheben. Das [X.] nahm die Klägerin über 750.000 € Kapitalertragsteuer und 41.250 € Solidaritätszuschlag in [X.]nspruch.

8

Das Einspruchs- und Klageverfahren richtete sich gegen den Bescheid zur gesonderten Feststellung des [X.] auf den 31.12.2010 und den [X.] vom 15.11.2013 zur Kapitalertragsteuer und zum Solidaritätszuschlag. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Entscheidung des Finanzgerichts ([X.]) [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2016, 1944 mitgeteilt.

9

In dem zunächst beim [X.] des [X.] ([X.]) unter dem [X.]ktenzeichen I R 30/16 geführten Revisionsverfahren verfolgte die Klägerin ihr Begehren hinsichtlich der Entscheidung des [X.] über die gesonderte Feststellung des [X.] auf den 31.12.2010 und hinsichtlich des [X.]s weiter. Mit Beschluss vom 18.04.2018 hat der [X.] des [X.] das Verfahren wegen des [X.]s abgetrennt und an den zuständigen erkennenden Senat verwiesen.

Mit Beschluss vom 11.07.2018 - I R 30/16 ([X.]E 262, 347, BStBl II 2019, 283) gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) wies der [X.] des [X.] die Revision wegen des Bescheids zur gesonderten Feststellung des [X.] zum 31.12.2010 als unbegründet zurück. Das [X.] habe die gesonderte Feststellung des [X.] zum 31.12.2010 durch das [X.] zu Recht nicht beanstandet. Da die Klägerin der [X.] bis zum Tag der Bekanntgabe des Bescheids über die gesonderte Feststellung des [X.] vom 10.02.2012 keine Bescheinigung i.S. des § 27 [X.]bs. 3 [X.] erteilt habe, sei für die [X.]usschüttung des Jahres 2010 nach § 27 [X.]bs. 5 Satz 2 [X.] von einer bescheinigten Minderung des [X.] in Höhe von 0 € auszugehen und dies sei der gesonderten Feststellung des [X.] zum 31.12.2010 gemäß § 27 [X.]bs. 5 Satz 1 [X.] zugrunde zu legen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Begründung des Beschlusses in [X.]E 262, 347, BStBl II 2019, 283 Bezug.

Zu dem hier streitgegenständlichen [X.] rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] [X.] vom 12.04.2016 - 6 K 2703/15, den [X.] vom 15.11.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 26.08.2015 aufzuheben, soweit sie den [X.] betrifft.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I[X.]

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 [X.]bs. 2 [X.]O).

Das [X.] hat es zu Recht nicht beanstandet, dass das [X.] die Klägerin im Wege des [X.] in [X.]nspruch genommen hat. Die Klägerin war ab dem [X.] verpflichtet, für die [X.]usschüttung an [X.] [X.]teuer und [X.] einzubehalten, abzuführen und anzumelden. Dem ist sie nicht nachgekommen (s. unter [X.]). Sie kann sich nicht gemäß § 44 [X.]bs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG exkulpieren (s. unter I[X.]2.).

1. Die Klägerin war nach § 45a [X.]bs. 1 Satz 1, § 44 [X.]bs. 1 Sätze 3 und 5, [X.]bs. 2 und [X.]bs. 5 i.V.m. § 43 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1 EStG verpflichtet, für die am [X.] beschlossene [X.]usschüttung am [X.] [X.]teuer und [X.] einzubehalten, abzuführen und anzumelden.

a) Bei der [X.]usschüttung der Klägerin vom [X.] über 5 Mio. € handelt es sich um eine Gewinnausschüttung gemäß § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, die gemäß § 43 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dem [X.]teuerabzug unterliegt.

aa) Die [X.]usschüttung vom [X.] ist nicht als Einlagenrückgewähr gemäß § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zu qualifizieren. Nach dieser Regelung gehören die Bezüge nicht zu den Einnahmen i.S. des § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, soweit sie aus [X.]usschüttungen einer Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen [X.] § 27 [X.] als verwendet gelten. § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG knüpft tatbestandlich an die im Bescheid nach § 27 [X.]bs. 2 [X.] ausgewiesenen Bestände des steuerlichen [X.] an. Die Verwendungsrechnung (§ 27 [X.]bs. 1 Sätze 1 bis 3 [X.]), welche sich aus der gesonderten Feststellung des steuerlichen [X.] für die Leistungen der Körperschaft ergibt, ist auch auf [X.] der Gesellschafter zu beachten. Die materiell-rechtliche Bindung des Gesellschafters ([X.]) an die gesonderte Feststellung bewirkt, dass er sich nicht mit Erfolg darauf berufen kann, das [X.] sei im Bescheid über die gesonderte Feststellung des steuerlichen [X.] unzutreffend ausgewiesen ([X.]-Urteil vom 28.01.2015 - I R 70/13, [X.], 118, [X.], 101, Rz 11; [X.] in [X.], 347, [X.] 2019, 283, Rz 20 ff.).

bb) Im gesonderten Feststellungsbescheid über das [X.] zum 31.12.2010 wurde festgestellt, dass das [X.] für die [X.]usschüttung vom [X.] nicht verwendet wurde. [X.]ufgrund des zwischen den Beteiligten geführten Verfahrens wegen der gesonderten Feststellung des [X.] auf den 31.12.2010 steht nach dem [X.] in [X.], 347, [X.] 2019, 283 für den Senat und die Beteiligten bindend fest (§ 110 [X.]O), dass der gesonderte Feststellungsbescheid über das [X.] zum 31.12.2010 mit diesem Inhalt rechtmäßig ist. Es kommt schon aus diesem Grund nicht darauf an, ob der Klägerin --wie in der mündlichen Verhandlung von ihr geltend gemacht-- in [X.]nlehnung an die [X.]-Urteile vom 10.04.2019 - I R 15/16 ([X.], 56, [X.] 2022, 266) und vom 04.05.2021 - VIII R 14/20 ([X.], 206) im vorliegenden Verfahren gegen den [X.] der individuelle Nachweis einer Einlagenrückgewähr zu gestatten sein könnte. Die Voraussetzungen des § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sind nicht erfüllt. Die [X.]usschüttung an [X.] ist danach ein (kapitalertrag)steuerpflichtiger Kapitalertrag gemäß § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 43 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.

b) Wegen der nicht erteilten Bescheinigung gemäß § 27 [X.]bs. 3 Satz 1 [X.] galt die Einlagenrückgewähr für die [X.]usschüttung an [X.] mit der Bekanntgabe des gesonderten Feststellungsbescheids zum [X.] auf den 31.12.2010 gemäß § 27 [X.]bs. 5 Satz 2 [X.] in Höhe von 0 € als bescheinigt. Diese Fiktion wurde gemäß § 27 [X.]bs. 5 Satz 1 [X.] der gesonderten Feststellung des [X.] zugrunde gelegt und das [X.] zum 31.12.2010 danach zutreffend ohne eine Minderung wegen der [X.]usschüttung an [X.], zum Stand am 31.12.2009, in unveränderter Höhe festgestellt. Die Fiktion der Nichtverwendung des [X.] für die [X.]usschüttung der Klägerin an [X.] gemäß § 27 [X.]bs. 5 Satz 2 [X.] überlagert die materiell-rechtliche Prüfung der Einlagenrückgewähr anhand der Verwendungsrechnung i.S. des § 27 [X.]bs. 1 Sätze 3 bis 5 [X.] (s. zu einer im [X.]bflusszeitpunkt nicht erkannten verdeckten Gewinnausschüttung [X.] vom 19.01.2021 - I B 3/20, [X.], 648, Rz 13). Damit ist der (kapitalertrag)steuerpflichtige Kapitalertrag gemäß § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 43 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG --entgegen der [X.]uffassung der [X.] nicht erst bei Bekanntgabe des gesonderten Feststellungsbescheids zum [X.], sondern bereits im Zeitpunkt der [X.]usschüttung vorhanden.

Dem Gesetz ist kein [X.]nhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass die Fiktion der Einlagenrückgewähr in Höhe von 0 € für eine Leistung der Kapitalgesellschaft gemäß § 27 [X.]bs. 5 Satz 2 [X.] und die damit einhergehende Überlagerung der Verwendungsrechnung in § 27 [X.]bs. 1 Sätze 3 bis 5 [X.] erst ab der --nach dem [X.]usschüttungszeitpunkt liegenden-- Bekanntgabe des gesonderten Feststellungsbescheids Wirkung entfalten sollen. [X.]nders als die Klägerin meint, spricht nichts für eine solche [X.]uslegung des Gesetzes. Die von der Klägerin vertretene [X.]uslegung hätte vielmehr zur Folge, dass die den [X.]teuerabzug für offene Gewinnausschüttungen bestimmenden Regelungen, die an den Zufluss anknüpfen (vgl. § 44 [X.]bs. 1 Satz 2 und [X.]bs. 2 EStG zur Entstehung der [X.]teuer und § 44 [X.]bs. 1 Satz 3 EStG für die Einbehaltungs- und [X.]bführungspflicht sowie § 45a [X.]bs. 1 i.V.m. § 44 [X.]bs. 1 Satz 5 Halbsatz 2 EStG für die [X.]nmeldepflicht), ins Leere gingen. Denn in dem nach Meinung der Klägerin maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens eines steuerpflichtigen [X.] (der Bekanntgabe des Feststellungsbescheids) findet kein Zufluss mehr statt. [X.]us der Gesamtkonzeption der Regelungen in § 27 [X.]bs. 5 Satz 2, [X.]bs. 1 [X.], § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1, § 44 [X.]bs. 1 Satz 2 und § 44 [X.]bs. 2 Satz 2 EStG ergibt sich vielmehr, dass bei Eingreifen der Fiktion bereits ab dem Zeitpunkt der Leistung von einem steuerpflichtigen Kapitalertrag i.S. des § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 43 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auszugehen ist (vgl. auch [X.]/Bauschatz [X.], 4. [X.]ufl., § 27 Rz 102, 105; [X.]/[X.]/Oellerich, § 27 [X.] Rz 61, 63; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 27 [X.] Rz 119, 123; Kleinmanns, [X.], § 27 [X.] Rz 66, 67, [X.]ktualisierung vom 01.01.2022).

c) Gemäß § 44 [X.]bs. 1 Satz 2 EStG entsteht die [X.]teuer für Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 43 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in dem Zeitpunkt, in dem der Kapitalertrag dem Gläubiger zufließt. § 44 [X.]bs. 2 EStG enthält insoweit Sonderregelungen zum [X.], die auch gelten, wenn Gewinnanteile --wie im [X.] an einen beherrschenden Gesellschafter ausgeschüttet werden ([X.]-Urteile vom 17.11.1998 - VIII R 24/98, [X.], 292, [X.] 1999, 223, unter 1.b; vom 08.07.1998 - I R 57/97, [X.], 374, [X.] 1998, 672, unter I[X.]2.d). Die Kapitalerträge fließen dem Gläubiger an dem Tag zu, der im Beschluss als Tag der [X.]uszahlung bestimmt worden ist (§ 44 [X.]bs. 2 Satz 1 EStG). Ist die [X.]usschüttung nur festgesetzt, ohne dass über den Zeitpunkt der [X.]uszahlung ein Beschluss gefasst worden ist, so gilt als Zeitpunkt des Zufließens der Tag nach der Beschlussfassung (§ 44 [X.]bs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG). Im Streitfall sind die Beteiligten und das [X.] auf dieser Grundlage übereinstimmend und zu Recht der [X.]uffassung, dass die [X.]usschüttung [X.] am [X.] zugeflossen ist. Mit dem Zufluss entstanden am [X.] die [X.]teuer (und der [X.]) für die [X.]usschüttung an [X.] und damit auch die Pflichten, die Steuer einzubehalten, abzuführen (§ 44 [X.]bs. 1 Satz 3 EStG) und anzumelden (§ 45a [X.]bs. 1 i.V.m. § 44 [X.]bs. 1 Satz 5 Halbsatz 2 EStG).

2. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass das [X.] die Klägerin für die [X.]teuer und den [X.] auf die [X.]usschüttung an [X.] gemäß § 167 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]lternative [X.] i.V.m. § 44 [X.]bs. 5 EStG im Wege des [X.] in [X.]nspruch nehmen kann (s. unter [X.] und b). Die Klägerin kann sich nicht damit exkulpieren, ihre [X.]nmeldepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt zu haben (s. unter I[X.]2.c).

a) § 167 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]lternative [X.] begründet nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ein Wahlrecht der Finanzbehörde, den [X.] der [X.]teuer entweder durch Haftungsbescheid gemäß § 44 [X.]bs. 5 Satz 1 EStG oder durch Steuerbescheid ([X.]) in [X.]nspruch nehmen zu können, wenn er seine [X.]nmeldepflicht nicht erfüllt; die Wahl des Verfahrens muss nicht begründet werden (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteil vom 21.09.2017 - VIII R 59/14, [X.]E 259, 411, [X.] 2018, 163, Rz 36, m.w.N.). Der Erlass eines [X.] über [X.]teuer und [X.] ist zwar eine Steuerfestsetzung. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich materiell-rechtlich um die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs handelt. Die Steuerfestsetzung gemäß § 167 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]lternative [X.] erfasst denjenigen, der die Steuer als Entrichtungssteuerschuldner nicht angemeldet hat, gerade in seiner Funktion als Haftungsschuldner (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteil vom 25.03.2021 - VIII R 1/18, [X.]E 272, 469, [X.] 2021, 655, Rz 19, m.w.N.). Dies hat zur Folge, dass auch im Fall des [X.] die tatbestandlichen Erfordernisse des § 44 [X.]bs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG zur Exkulpation zu beachten sind (ständige Rechtsprechung, [X.]-Urteile in [X.]E 259, 411, [X.] 2018, 163, Rz 38, m.w.N., und vom 13.09.2000 - I R 61/99, [X.]E 193, 286, [X.] 2001, 67, unter I[X.]3.c).

b) § 167 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]lternative [X.] verlangt für die Nacherhebung, dass der Steuerentrichtungspflichtige seine [X.]nmeldepflicht verletzt. Dies ist hier der Fall. Die [X.]nmeldepflicht der Klägerin nach § 45a [X.]bs. 1 EStG für die [X.]usschüttung an [X.] entstand am [X.] (s. unter [X.]b.cc). Bis zum Erlass des [X.] am 15.11.2013 hat die Klägerin für die [X.]usschüttung an [X.] jedoch keine [X.]teueranmeldung abgegeben.

c) Unterbleiben der Einbehalt, die [X.]bführung und/oder die [X.]nmeldung der [X.]teuer für einen abzugspflichtigen Kapitalertrag, geht § 44 [X.]bs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG von einem schuldhaften Verhalten mit der Möglichkeit zur Exkulpation (§ 44 [X.]bs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG) aus. Die Klägerin hat die gesetzliche Verschuldensvermutung jedoch nicht widerlegt. Sie hat nicht i.S. des § 44 [X.]bs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG nachgewiesen, dass sie die Pflicht zur [X.]nmeldung der [X.]teuer und des [X.]s (sowie zu deren Einbehalt und [X.]bführung) für die [X.]usschüttung an [X.] weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat.

aa) Ob eine [X.]usschüttung als nicht steuerbare Einlagenrückgewähr gemäß § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 27 [X.] qualifiziert werden darf, hängt neben dem Fehlen eines ausschüttbaren Gewinns (§ 27 [X.]bs. 1 Sätze 3 bis 5 [X.]) davon ab, dass die Kapitalgesellschaft die ihr in § 27 [X.] auferlegten Pflichten erfüllt. Erforderlich ist, dass sie die erforderliche Bescheinigung der Verwendung des [X.] gemäß § 27 [X.]bs. 3 Satz 1 [X.] rechtzeitig erteilt, um die Fiktion des § 27 [X.]bs. 5 Satz 2 [X.] zu vermeiden. Diese Pflicht ist ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnen ([X.]-Urteil vom 11.02.2015 - I R 3/14, [X.], 448, [X.] 2015, 816, Rz 21; [X.] in [X.], 347, [X.] 2019, 283, Rz 23 bis 25) und besteht --wie sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 27 [X.]bs. 3 Satz 1 [X.] ergibt-- ab dem Zeitpunkt der Leistung der Kapitalgesellschaft. Wird die Bescheinigung nicht erteilt, greift mit der Bekanntgabe des gesonderten Feststellungsbescheids die Fiktion der Verwendung des [X.] für die [X.]usschüttung in Höhe von 0 € (§ 27 [X.]bs. 5 Satz 2 [X.]). Die Kapitalgesellschaft kann die Erteilung der Steuerbescheinigung i.S. des § 27 [X.]bs. 3 [X.] wegen der Präklusionswirkung aus § 27 [X.]bs. 5 Satz 3 [X.] dann auch nicht mehr nachholen (vgl. im Einzelnen [X.]-Urteil in [X.], 448, [X.] 2015, 816, Rz 17 bis 22; [X.] in [X.], 347, [X.] 2019, 283, Rz 18 ff.).

bb) Die ausschüttende Kapitalgesellschaft als Steuerentrichtungspflichtige treffen anknüpfend an diese gesetzliche Regelungslage im Zusammenhang mit einer [X.]usschüttung, die sie für Zwecke des [X.] als nicht steuerbare Einlagenrückgewähr behandelt, nach dem [X.]usschüttungszeitpunkt liegende Prüfungspflichten. Sie muss im Blick haben, dass ab dem Zufluss der [X.]usschüttung eine Einbehaltungs-, [X.]bführungs- und [X.]nmeldepflicht besteht, wenn sie die erforderliche Bescheinigung gemäß § 27 [X.]bs. 3 Satz 1 [X.] nicht rechtzeitig erteilt. Nach der Rechtsprechung des [X.] Senats des [X.], der sich der erkennende Senat anschließt, muss sich die Kapitalgesellschaft daher spätestens anlässlich der Erstellung der Feststellungserklärung nach § 27 [X.]bs. 2 Satz 4 [X.] mit dem Umfang ihrer Bescheinigungspflicht nach § 27 [X.]bs. 3 und 4 [X.] befassen, zumal in der [X.]nlage W[X.] zur Feststellungserklärung nach den ausgestellten Steuerbescheinigungen gefragt wird; sie muss im Zuge der Erstellung der Erklärung prüfen, ob sie ihren [X.]nteilseignern eine notwendige Bescheinigung über die Verwendung des [X.] zu erteilen hat ([X.]-Urteil in [X.], 118, [X.], 101, Rz 13). Diese Pflichten der ausschüttenden Gesellschaft stehen auch nicht unter dem Vorbehalt, dass sie nur zu erfüllen sind, wenn der Kapitalgesellschaft dies im Einzelfall zumutbar oder erkennbar ist ([X.] in [X.], 648, Rz 15). Bezogen auf ihre kapitalertragsteuerlichen Pflichten hat die Kapitalgesellschaft anlässlich der Erstellung der Feststellungserklärung zum [X.] daher zu prüfen, ob alle von ihr verfahrensrechtlich zu erfüllenden Voraussetzungen für eine Behandlung der [X.]usschüttung als Einlagenrückgewähr geschaffen worden sind.

cc) Die Klägerin hat auf dieser Grundlage nicht nachgewiesen, dass sie die Nichtanmeldung der [X.]teuer und des [X.]s für die [X.]usschüttung (sowie deren [X.]bführung) weder vorsätzlich noch grob fahrlässig unterlassen hat.

So mag es im [X.]usschüttungszeitpunkt noch nicht schuldhaft gewesen sein, dass die Klägerin ihre Verpflichtungen zum Steuereinbehalt, zur [X.]bführung und zur [X.]nmeldung der [X.]teuer für die [X.]usschüttung an [X.] verneint hat, weil zum 31.12.2009 kein ausschüttbarer Gewinn vorhanden war und die Leistung unter den weiteren (verfahrensrechtlichen) Voraussetzungen des § 27 [X.] als Einlagenrückgewähr und nicht steuerbarer Kapitalertrag hätte qualifiziert werden können.

Es ist aber weder vorgetragen noch vom [X.] festgestellt noch anderweitig erkennbar, dass die Organe der Klägerin bei [X.]bgabe der Feststellungserklärung zum [X.] überprüft haben, ob ihre Beurteilung, es liege wegen einer Einlagenrückgewähr kein anmeldepflichtiger Kapitalertrag vor, noch Bestand haben konnte. [X.]ufgrund der unterbliebenen Prüfung ist der Klägerin ein grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. [X.]uch später, als der Bescheid zur gesonderten Feststellung des [X.] auf den 31.12.2010 nach § 27 [X.]bs. 2 Satz 1 [X.] am 10.02.2012 erging, in dem das [X.] in derselben Höhe wie zum 31.12.2009 festgestellt wurde, und als sie im [X.] ausdrücklich auf die Verpflichtung zur [X.]nmeldung der [X.]teuer hingewiesen worden war, hätte sie ihre kapitalertragsteuerliche Beurteilung im [X.]usschüttungszeitpunkt überprüfen müssen.

d) [X.]uch im Übrigen ist der [X.] nicht zu beanstanden.

aa) Die [X.]teuer und der [X.] für die [X.]usschüttung an [X.] sind unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgegebenen Reduzierung auf drei Fünftel des [X.] in der zutreffenden Höhe [X.] worden (§ 2 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 32 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.], § 44a [X.]bs. 8 Satz 1 Nr. 2 EStG). Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

bb) Weder die [X.]teuerschuld noch die [X.] der Klägerin waren im Zeitpunkt des Erlasses des [X.] infolge der Festsetzungsverjährung erloschen (§ 47 i.V.m. § 169 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]). Die [X.]teuerschuld als der Nacherhebung zugrunde liegende Primärschuld (s. [X.]-Urteil in [X.]E 259, 411, [X.] 2018, 163, Rz 46, 47) entstand wie die [X.] der Klägerin mit der [X.]usschüttung am [X.] (s. unter [X.]b). Bis zum Erlass des [X.] war auf beiden Ebenen auch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Infolge der unterlassenen [X.]teueranmeldung (§ 45a [X.]bs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 150 [X.]bs. 1 Satz 3, § 168 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]) begann die Festsetzungsfrist zur [X.] und zur [X.]teuerschuld aufgrund der [X.]nlaufhemmung des § 170 [X.]bs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] erst mit [X.]blauf des 31.12.2013 (vgl. zur [X.]nwendung des § 170 [X.]bs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] [X.]-Urteil in [X.]E 259, 411, [X.] 2018, 163, Rz 49, 55). Der [X.] erging bereits am 15.11.2013.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 [X.]bs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 14/18

17.05.2022

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 12. April 2016, Az: 6 K 2703/15, Urteil

§ 167 Abs 1 S 1 AO, § 20 Abs 1 Nr 1 S 1 EStG 2009, § 20 Abs 1 Nr 1 S 3 EStG 2009, § 43 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 44 Abs 1 S 5 EStG 2009, § 44 Abs 2 EStG 2009, § 44 Abs 5 S 1 EStG 2009, § 27 Abs 1 S 3 KStG 2002, § 27 Abs 1 S 5 KStG 2002, § 27 Abs 3 S 1 KStG 2002, § 27 Abs 3 S 2 KStG 2002, § 27 Abs 5 S 1 KStG 2002, § 27 Abs 5 S 2 KStG 2002, EStG VZ 2010, KStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.05.2022, Az. VIII R 14/18 (REWIS RS 2022, 3791)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3791

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