Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.07.2017, Az. I R 96/15

1. Senat | REWIS RS 2017, 7768

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Gegenstand

Steuerliches Einlagekonto


Leitsatz

1. NV: Die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos ist ungeachtet unterjähriger Zugänge zum steuerlichen Einlagekonto auf den zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres festgestellten positiven Bestand des Kontos begrenzt (Bestätigung des Senatsurteils vom 30. Januar 2013 I R 35/11, BFHE 240, 304, BStBl II 2013, 560) .

2. NV: Die Kapitalgesellschaft wird durch die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31. Dezember 2006 auf der Grundlage des rückwirkend bereits für den Veranlagungszeitraum 2006 anwendbaren SEStEG nicht in einer verfassungsrechtlich durch das Rückwirkungsverbot geschützten Rechtsposition verletzt .

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 26. November 2015  15 K 15024/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob gesetzliche Regelungen über das steuerliche Einlagekonto gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstoßen.

2

Für die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine in Liquidation befindliche GmbH, wurde mit [X.] zum 31. Dezember 2005 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 des [X.] ([X.]) 2002 a.F. das steuerliche Einlagekonto in Höhe von 22.434 € festgestellt.

3

Am 16. Juni 2006 wurden 154.346 € verdeckt in das Vermögen der Klägerin eingelegt. Mit Gesellschafterbeschluss vom 26. Juli 2006 ist dieser Betrag an deren Gesellschafter entsprechend der Beteiligungsquote ausgeschüttet worden.

4

Die Klägerin ging in ihrer Erklärung zur gesonderten Feststellung des [X.] gemäß § 27 Abs. 2 [X.] zum 31. Dezember 2006 von einem steuerlichen Einlagekonto in unveränderter Höhe (22.434 €) aus. Den ausschüttbaren Gewinn hatte sie dabei mit 0 € ermittelt. Dem lag zugrunde, dass die Einlage als Zugang den Bestand des [X.] um 154.346 € erhöht und die Ausschüttung im Juli des Streitjahres als Abgang das Konto um 154.346 € vermindert habe.

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) folgte dem nicht und stellte mit dem angegriffenen [X.] das steuerliche Einlagekonto zum 31. Dezember 2006 in Höhe von 154.346 € fest. Das [X.] hat sich hierbei auf § 27 Abs. 1 [X.] i.d.[X.] über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der [X.] und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften ([X.]) vom 7. Dezember 2006 ([X.], 2782, [X.], 4) --[X.] 2002 n.F.-- gestützt und die Einlage in erklärter Höhe als Zugang erfasst. Das [X.] berücksichtigte allerdings lediglich einen Teil der betragsgleichen Gewinnausschüttung, nämlich den Vorjahresendbestand des [X.] (22.434 €) als steuerfreien Abgang.

6

Im Übrigen sah das [X.] die Gewinnausschüttung als steuerpflichtig an und erließ später einen Nachforderungsbescheid über Kapitalertragsteuer in Höhe von 26.382 € (154.346 € [Ausschüttung] ./. 22.434 € [steuerfreie Ausschüttung aus dem steuerlichen Einlagekonto] = 131.911,71 € [steuerpflichtiger Ausschüttungsbetrag] x 20 %) gegenüber der Klägerin als Schuldnerin der Geldleistung.

7

Einspruch und Klage gegen den Feststellungsbescheid zum 31. Dezember 2006 blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg vertrat in seinem Urteil vom 26. November 2015  15 K 15024/15 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2016, 678) die Auffassung, dass es durch das bereits zum 1. Januar 2006 anwendbare [X.] zu keiner rückwirkend verschärften Besteuerung der Klägerin gekommen sei. Auch bereits nach der zum Zeitpunkt der Einlage und Ausschüttung (Juni/Juli 2006) geltenden Rechtslage (§ 27 [X.] 2002 a.F.) sei auf der Basis der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] der Feststellungsbescheid nicht zu beanstanden gewesen. Die Verwendung des [X.] sei ungeachtet unterjähriger Zugänge auf den positiven Vorjahresendbestand begrenzt.

8

Mit ihrer Revision vertritt die Klägerin weiterhin ihre Auffassung, dass die Regelungen des [X.] gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstießen.

9

Sie beantragt, das angegriffene [X.] aufzuheben und den [X.] zum 31. Dezember 2006 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 [X.] vom 24. August 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. April 2010 dahingehend zu ändern, dass der Bestand des steuerlichen [X.] auf 22.434 € festgestellt wird.

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet; die Durchführung einer solchen ist aus Sicht des Senats auch nicht erforderlich.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zutreffend dahin erkannt, dass der angegriffene Bescheid dem Gesetz entspricht und das Gesetz nicht gegen die Verfassung verstößt.

1. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2002 n.[X.] haben unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahres auf einem besonderen Konto, dem steuerlichen [X.], auszuweisen. Das steuerliche [X.] dient mit Blick auf die Besteuerung des Anteilseigners dazu, die nicht steuerpflichtige Auskehrung von Einlagen, die von § 27 Abs. 1 Satz 3 [X.] 2002 n.[X.] als Einlagenrückgewähr bezeichnet wird, zu identifizieren und von grundsätzlich steuerpflichtigen Gewinnausschüttungen zu separieren. Um dies zu gewährleisten, wird ausgehend von dem Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres das steuerliche [X.] um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahres fortgeschrieben (§ 27 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2002 n.[X.]) und zum Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres gesondert festgestellt (§ 27 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2002 n.[X.]). Der Feststellungsbescheid ist Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt (§ 27 Abs. 2 Satz 2 [X.] 2002 n.[X.]). Leistungen der Kapitalgesellschaft mit Ausnahme der Rückzahlung von [X.]S. des § 28 Abs. 2 Satz 2 [X.] 2002 n.[X.] mindern das steuerliche [X.] nach § 27 Abs. 1 Satz 3 [X.] 2002 n.[X.] nur, soweit die Summe der im Wirtschaftsjahr erbrachten Leistungen den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigt (sog. Differenzrechnung). Leistungen sind dabei alle Auskehrungen an die Gesellschafter, die ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben. Dies können sowohl offene Gewinnausschüttungen als auch verdeckte Gewinnausschüttungen, aber auch andere Auskehrungen aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses wie etwa Auszahlungen aus der Kapitalrücklage oder die Rückzahlung von [X.] sein. Erfasst werden dabei Leistungen, die im Wirtschaftsjahr erbracht, d.h. abgeflossen sind. Als ausschüttbarer Gewinn gilt gemäß § 27 Abs. 1 Satz 5 [X.] 2002 n.[X.] das um das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen [X.]s (zum Vorstehenden Senatsurteil vom 30. Januar 2013 I R 35/11, [X.], 304, [X.], 560, m.w.N.).

Nach der Senatsrechtsprechung stehen lediglich solche Einlagen, die in dem zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres festgestellten Bestand enthalten sind, zur Finanzierung einer im laufenden Wirtschaftsjahr abgeflossenen Leistung zur Verfügung. Unterjährige Zugänge können damit nicht unmittelbar mit Abgängen desselben Jahres saldiert werden. Zur näheren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil in [X.], 304, [X.], 560, mit dem er die bis dahin kontrovers diskutierte Rechtsfrage entschieden hat.

§ 27 [X.] 2002 n.[X.] ist im Streitjahr 2006 --rückwirkend-- anzuwenden (§ 34 Abs. 1 [X.] 2002 n.[X.]).

2. Unter Berücksichtigung vorstehender Maßstäbe ist die Entscheidung des [X.] weder einfach-rechtlich noch verfassungsrechtlich zu beanstanden.

a) Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht mehr streitig, dass der angegriffene Bescheid den bereits im [X.] anwendbaren Bestimmungen des § 27 Abs. 1 [X.] 2002 n.[X.] entspricht.

Zu dieser Fassung des Gesetzes hat der Senat bereits in seinem Urteil in [X.], 304, [X.], 560 entschieden, dass eine unterjährig erbrachte Einlage --im Streitfall die im Juni 2006 erfolgte Zahlung in Höhe von 154.346 €-- als Zugang zum [X.] nicht zur Verfügung steht, um eine im gleichen Wirtschaftsjahr abgeflossene Leistung --im Streitfall die im Juli 2006 erfolgte [X.] zu finanzieren. Damit stand im Streitfall lediglich der positive Bestand des [X.]s zum [X.] in Höhe von 22.434 € zum Zwecke einer steuerfreien Einlagenrückgewähr zur Verfügung.

b) Es ist nicht erkennbar, dass sich im Hinblick auf die streitgegenständliche Behandlung der unterjährigen Einlage und die damit korrespondierende Frage, in welcher Höhe Beträge für eine Einlagenrückgewähr zur Verfügung stehen, die Rechtslage durch das Inkrafttreten des [X.] geändert oder gar verschärft hat.

aa) Der Senat hat seine Entscheidung hinsichtlich der Behandlung unterjähriger Einlagen auf die dem § 27 Abs. 1 [X.] 2002 n.[X.] zugrunde liegende [X.] gestützt. Daraus, so der Senat, dass der ausschüttbare Gewinn gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 [X.] 2002 n.[X.] auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu ermitteln sei und als ausschüttbarer Gewinn nach § 27 Abs. 1 Satz 5 [X.] 2002 n.[X.] das um das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen [X.]s gelte, folge eine [X.] auch in Bezug auf den Bestand des steuerlichen [X.]s. Dem Bestand des steuerlichen [X.]s könne als reine Berechnungsgröße zur Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns kein anderer Zeitpunkt als derjenige bei der Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns zugrunde gelegt werden, und das sei ebenfalls der Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres.

bb) Eine solche [X.] lag auch bereits dem § 27 Abs. 1 [X.] 2002 a.[X.] zugrunde (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 19. Mai 2010 I R 51/09, [X.], 128, [X.], 937). Die nahezu inhaltsgleiche Vorschrift sah eine identische Definition des ausschüttbaren Gewinns und dessen Ermittlung auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres vor. Die materiell-rechtlichen Vorgaben für die Bildung und Fortschreibung des steuerlichen [X.]s in § 27 Abs. 1 [X.] 2002 a.[X.]/n.[X.] sind im Wesentlichen unverändert geblieben.

c) Zu einer Veränderung der Rechtslage ist es --insoweit ist dem klägerischen Vorbringen zu folgen-- im Wesentlichen hinsichtlich der Bescheinigungs- und damit zusammenhängenden Haftungsregelungen (§ 27 Abs. 3 bis 5 [X.] 2002 a.[X.]/n.[X.]) gekommen. Deren Prüfung am Maßstab des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots ist jedoch nicht im streitgegenständlichen Verfahren, sondern im nachfolgenden Verfahren der Haftung bzw. der Nachforderung von Kapitalertragsteuer vorzunehmen. Bereits aus diesem Grund kommt eine Aussetzung des Revisionsverfahrens betreffend den Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 [X.] 2002 n.[X.] und eine Vorlage an das [X.] gemäß Art. 100 des Grundgesetzes nicht in Betracht. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

aa) § 27 Abs. 1 Satz 5 [X.] 2002 a.[X.] sah vor, dass die der Bescheinigung zugrunde gelegte Verwendung unverändert bleibt, wenn für die Leistung der Kapitalgesellschaft die Minderung des [X.]s bescheinigt worden war. Dies galt sowohl für eine zu niedrig als auch eine zu hoch bescheinigte Minderung des [X.]s (sog. Verwendungsfestschreibung, vgl. Senatsurteil vom 10. Juni 2009 I R 10/09, [X.], 384, [X.], 974; Senatsbeschluss vom 3. Februar 2010 I B 32/09, [X.], 1128; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 27 Rz 100; Blümich/Oellerich, § 27 [X.] Rz 60).

Im Streitfall fehlen zwar die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen des [X.]. Doch ergibt sich aus den Akten, dass die Klägerin infolge der von ihr vertretenen fehlerhaften Rechtsansicht, dass die unterjährige Einlage zur Finanzierung einer im [X.] vorgenommenen Leistung zur Verfügung steht (s.o.), im zeitlichen Zusammenhang mit der Gewinnausschüttung im Juli 2006 ihren Anteilseignern einen zu hohen Betrag der Einlagenrückgewähr bescheinigt hat. Die Verwendung des steuerlichen [X.]s wäre entsprechend der erteilten Bescheinigung festzuschreiben gewesen (§ 27 Abs. 1 Satz 5 [X.] 2002 a.[X.]). Auf dieser Grundlage hat das [X.] während des Klageverfahrens in einem Schriftsatz den Bestand des [X.]s zum 31. Dezember 2006 mit 22.434 € ermittelt. Dies entspricht dem Klage- und dem Revisionsantrag der Klägerin. Nach alter Rechtslage wäre die Klage somit begründet gewesen.

Gemäß § 27 Abs. 5 Satz 1 [X.] 2002 a.[X.] haftete der Aussteller, der eine zu hohe Minderung des [X.]s bescheinigt hatte, für die aufgrund der Bescheinigung verkürzten Steuern. Die Haftung konnte auch nicht durch eine Berichtigung der Bescheinigung vermieden werden ([X.]/[X.], a.a.[X.], § 27 Rz 111 f.). Denn durch die Festschreibung der der Bescheinigung zugrunde gelegten Verwendung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 5 [X.] 2002 a.[X.] war die Bescheinigung --obgleich sie an sich die Einlagenrückgewähr zu hoch ausgewiesen hatte-- zutreffend (Senatsbeschluss in [X.], 1128).

bb) Nach § 27 [X.] 2002 n.[X.] führt ein überhöht bescheinigter Betrag der Einlagenrückgewähr nicht zu einer entsprechenden Verwendungsfestschreibung im steuerlichen [X.] ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 27 [X.] Rz 118; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 27 Rz 101; Blümich/Oellerich, § 27 [X.] Rz 61). Es fehlt an einer dem § 27 Abs. 1 Satz 5 [X.] 2002 a.[X.] vergleichbaren Bestimmung. Nach § 27 Abs. 5 Satz 4 [X.] 2002 n.[X.] ist die auf den überhöht ausgewiesenen Betrag der Einlagenrückgewähr entfallende Kapitalertragsteuer verschuldensunabhängig durch Haftungsbescheid geltend zu machen. Der Aussteller kann [X.] Vermeidung einer Haftungsinanspruchnahme-- die Bescheinigung allerdings berichtigen (§ 27 Abs. 5 Satz 5 [X.] 2002 n.[X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 27 [X.] Rz 130; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 27 Rz 110).

Im Streitfall wurde die Klägerin mit Bescheid vom 8. Juni 2010 zur Kapitalertragsteuer herangezogen. Zur Begründung führte das [X.] an, dass die Klägerin rechtsfehlerhaft das [X.] als für die Ausschüttung verwendet bescheinigt hatte.

cc) Ob sich das geänderte Bescheinigungs- und Haftungsregime des § 27 [X.] 2002 a.[X.]/n.[X.] "per Saldo" tatsächlich zu Lasten der Klägerin rückwirkend geändert hat, kann im vorliegenden Verfahren dahinstehen. Selbst wenn im Streitfall --angesichts fehlender tatrichterlicher Feststellungen-- unterstellt würde, dass die Klägerin den Betrag der Einlagenrückgewähr zu hoch bescheinigt hatte, die bescheinigte Verwendung im steuerlichen [X.] dementsprechend festzuschreiben wäre und deswegen dem Klageantrag der Klägerin auf der Basis des § 27 Abs. 1 [X.] 2002 a.[X.] zu entsprechen gewesen wäre, ergäbe sich hieraus keine Verletzung des grundrechtlich verbürgten Vertrauensschutzes der Klägerin, die im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen wäre.

Denn die Klägerin wird durch eine (fehlerhafte) Feststellung des steuerlichen [X.]s nicht in einer verfassungsrechtlich durch das Rückwirkungsverbot geschützten Rechtsposition verletzt. Das steuerliche [X.] hat allein Bedeutung für die Besteuerung der Anteilseigner. Es ist deshalb nicht ersichtlich, wie durch eine im Vergleich zu § 27 [X.] 2002 a.[X.] höhere Feststellung des Endbestands des steuerlichen [X.]s Grundrechte der Klägerin verletzt werden könnten (vgl. Senatsurteil in [X.], 304, [X.], 560, Rz 13). Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der Senat der Kapitalgesellschaft mit Rücksicht auf ihre Stellung als Vergütungsschuldner und der damit verbundenen Haftungsrisiken auf [X.] des einfachen Rechts die Klagebefugnis i.S. des § 40 Abs. 2 [X.]O eingeräumt hat, damit diese gegen die an sie gerichteten Feststellungsbescheide gemäß § 27 Abs. 2 [X.] 2002 n.[X.] vorgehen kann (Senatsurteil in [X.], 304, [X.], 560).

Vielmehr ergibt sich auch hieraus, dass die Klägerin nur mit Rücksicht auf dieses Haftungsrisiko in einer grundrechtlich geschützten Position verletzt worden sein konnte. Und auch nur hinsichtlich des Haftungsregimes --nicht aber hinsichtlich der materiell-rechtlichen Vorgaben für das steuerliche [X.]-- ist es zu einer rückwirkenden, möglicherweise verschärfenden und die Klägerin möglicherweise auch selbst belastenden Rechtsänderung durch das [X.] gekommen. Es kann daher auch nur im Rahmen des [X.] gegen den Nachforderungsbescheid über Kapitalertragsteuer vom 8. Juni 2010 geklärt werden, ob die Klägerin auf der Grundlage des § 27 [X.] 2002 n.[X.] einem Zahlungsanspruch ausgesetzt ist, dem sie auf der Grundlage des § 27 [X.] 2002 a.[X.] nicht oder nicht in dieser Höhe ausgesetzt gewesen wäre, und ob in diesem Fall schutzwürdiges Vertrauen in das zum Zeitpunkt der Disposition geltende Recht in nicht zu rechtfertigender Weise enttäuscht wurde.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 96/15

19.07.2017

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 26. November 2015, Az: 15 K 15024/15, Urteil

§ 27 Abs 1 S 5 KStG 2002, § 27 Abs 1 KStG 2002 vom 07.12.2006, § 27 Abs 5 KStG 2002 vom 07.12.2006, Art 20 Abs 3 GG, KStG VZ 2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.07.2017, Az. I R 96/15 (REWIS RS 2017, 7768)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7768

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