Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.09.2017, Az. IX ZB 81/16

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 5330

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:140917BIXZB81.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB
81/16

vom

14. September 2017

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Dr.
Kayser, [X.] Dr. Gehrlein, Prof. Dr. Pape, Grupp
und
die Richterin Möhring

am
14. September 2017
beschlossen:

Die
Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des
26. Zivilsenats des [X.]s
Frankfurt am [X.] vom 24.
August
2016
wird auf Kosten der
Beklagten
als unzulässig verworfen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 350.000

festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat die
Beklagten mit Urteil vom 26.
Januar 2016
zur Rückzahlung eines Privatdarlehens in Höhe von 335.000

teilt
und eine auf Unterlassung
einer Behauptung
und Feststellung einer Schadensersatz-pflicht gerichtete Widerklage des Beklagten zu 1 abgewiesen. Die Entscheidung wurde dem
Beklagten zu 1,
welcher zugleich Prozessbevollmächtigter der
[X.]
ist,
am 25.
Februar 2016
zugestellt. Mit einem am 29.
März 2016 beim Berufungsgericht
eingegangenen Schriftsatz legten
die Beklagten
fristgerecht Berufung gegen das landgerichtliche Urteil ein.
[X.]
verlänger-te die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß bis zum 25.
Mai 2016.

1
-

3

-

Die Beklagten beantragten mit einem am 1.
Juni 2016
bei Gericht einge-gangenen
anwaltlichen Schriftsatz Wiedereinsetzung
in die versäumte Beru-fungsbegründungsfrist. Zur Begründung ihres
Antrags führten sie
aus, dass ihr Prozessbevollmächtigter
am 25.
Mai 2016
um 23:15
Uhr
versucht habe, die [X.]
per Telefax an das Berufungsgericht zu [X.]. Aufgrund eines externen Leitungsfehlers
sei die Übertragung jedoch ge-scheitert. Das [X.] hat den Antrag auf Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand
zurückgewiesen
und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Hiergegen wenden sich die
Beklagten mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

[X.] ist
nach §
574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, §
522 Abs.
1 Satz 4, §
238 Abs. 2 Satz 1
ZPO
statthaft. Sie ist
aber unzulässig, weil die
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder
die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Ent-scheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern

574 Abs. 2 ZPO).

1. [X.] hat ausgeführt: Die
Beklagten
seien nicht ohne ein
ihnen
gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes
Verschulden ihres
Pro-zessbevollmächtigen an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehin-dert gewesen. Die Beklagten hätten lediglich den einmaligen Versuch einer Übersendung der [X.] per Telefax für den 25.
Mai 2016 um
23:15
Uhr und dessen Scheitern wegen eines externen Leitungsfeh-lers dargelegt. Dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten habe es jedoch oblegen, bis zum Fristablauf um 24
Uhr mindestens einen weiteren Übermitt-2
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4

-
lungsversuch zu unternehmen. Der Vortrag
der Beklagten, wonach
eine recht-zeitige Behebung des Leitungsfehlers trotz mehrfacher Bemühungen ihres Pro-zessbevollmächtigten
nicht möglich gewesen sei, lasse nicht erkennen, welche
konkreten
Maßnahmen der Prozessbevollmächtigte unternommen habe.
[X.] der ausdrücklichen Beanstandung seitens des
Klägers
hätten die Beklag-ten Anlass und Gelegenheit zur Konkretisierung ihres diesbezüglichen Vortrags gehabt.
Mangels näherer Darlegungen zu Art und Dauer der technischen Stö-rung sei überdies nicht feststellbar, dass weitere [X.] aus Sicht des Prozessbevollmächtigten von vornherein aussichtslos gewesen seien.

2. [X.] zeigt nicht auf, dass die Zulassungsvorausset-zungen des §
574 Abs. 2 ZPO erfüllt sind. Insbesondere verletzt der [X.] Beschluss die Beklagten weder in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs. 1 GG) noch in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten [X.] auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.
2 Abs. 1 GG in Verbindung mit
dem Rechtsst[X.]tsprinzip), der es den Gerichten verbietet, den [X.]en den Zugang zu einer in den
Verfahrensordnungen
eingeräumten Instanz in [X.], aus [X.] nicht zu rechtfertigender
Weise zu erschweren (vgl. [X.], NJW-RR 2002, 1004; [X.], Beschluss vom 12.
Juni 2013 -
XII
ZB 394/12, [X.], 1384 Rn. 8; jeweils
mwN).
Die bei der Auslegung und Anwendung der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelnden [X.] geltenden Anforderungen hat das Berufungsgericht nicht überspannt
(vgl. [X.], [X.]O
mwN).

a) Mit Recht hat
das Berufungsgericht dem Beklagten eine Wiederein-setzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist versagt. [X.] in den vorigen Stand ist nach §
233 Satz 1 ZPO zu gewähren, wenn eine [X.] ohne ihr Verschulden verhindert ist, die Frist zur Begründung der Beru-5
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-
fung einzuhalten. Nach den mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen bleibt zumindest die Möglichkeit offen, dass die Fristversäumnis auf einem den
Beklagten gemäß §
85
Abs. 2
ZPO zuzurechnenden Verschulden
ihres
Prozessbevollmächtigten beruht
(vgl. [X.], Beschluss vom 6.
April 2011 -
XII
ZB 701/10, NJW 2011, 1972 Rn. 8; vom 8.
April 2014 -
VI
ZB 1/13, NJW 2014, 2047 Rn. 7).

[X.]) Nach gefestigter Rechtsprechung dürfen die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels Telefax herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Dies gilt ins-besondere für Störungen des Empfangsgeräts des Gerichts. In diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristversäumnis in der Sphäre des Gerichts (vgl. [X.], NJW 1996, 2857 f; NJW 2001, 3473 f; [X.], Beschluss vom 21.
Juli 2011 -
IX
ZB 218/10,
nv Rn. 2; vom 5.
September 2012 -
VII
ZB 25/12, NJW 2012, 3516 Rn. 10; vom 4.
November 2014 -
II
ZB 25/13, NJW 2015, 1027 Rn. 19 mwN). Auch Störungen
der Übermittlungsleitungen sind
der Risikosphä-re des Gerichts zuzuordnen, weil sie dem gewählten Übermittlungsmedium im-manent
sind (vgl. [X.], [X.]O; [X.], Beschluss vom 4.
November 2014, [X.]O mwN). Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der [X.] das seinerseits zur Fristwahrung [X.] getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass un-ter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis zum Ablauf der Frist zu [X.] ist
(vgl. [X.], [X.]O; [X.], Beschluss vom 6.
April 2011, [X.]O
Rn. 9; vom 4.
November 2014, [X.]O; vom 1.
März 2016 -
VIII
ZB 57/15, NJW 2016, 2042 Rn. 17).

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6

-

bb) Dies befreit den Prozessbevollmächtigten indessen nicht davon, alle noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen
zur Fristwahrung
zu ergreifen, wenn sich
herausstellt, dass aus
von
ihm nicht zu vertretenden Gründen wegen einer technischen Störung eine Telefaxverbindung nicht zustande kommt (vgl. [X.], Beschluss vom 6.
März 1995 -
II
ZB 1/95, NJW 1995, 1431, 1432; vom 21.
Juli 2011, [X.]O).
Hierbei
dürfen die Gerichte die Anforderungen an die dem
Prozessbevollmächtigten obliegende Sorgfalt allerdings nicht überspannen. Von einem Rechtsanwalt, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen [X.] eingerichtet hat, einen Schriftsatz weder selbst noch durch Boten oder durch Post, sondern durch Telefax zu übermitteln, kann daher beim Scheitern der gewählten Übermittlung infolge eines Defekts des Empfangsgeräts oder wegen Leitungsstörungen nicht verlangt werden, dass er -
unter Aufbietung al-ler nur denkbaren Anstrengungen
-
innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte Zugangsart sicherstellt (vgl. [X.], NJW 1996, 2857 f; NJW 2000, 1636; [X.], Beschluss vom 20.
Februar 2003 -
V
ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861
f; vom 4. November 2014, [X.]O).

[X.]) [X.] hat von dem Prozessbevollmächtigten der [X.] weder verlangt, eine andere als die ursprünglich gewählte Zugangsart sicherzustellen, noch selbst nach der Ursache der Leitungsstörung zu suchen. Es hat von dem
Prozessbevollmächtigten lediglich gefordert, seine Übermitt-lungsbemühungen nicht vorschnell abzubrechen, sondern in den bis zum Frist-ablauf noch zur Verfügung stehenden 45 Minuten mindestens einen weiteren Übertragungsversuch
vorzunehmen. Dies war dem Prozessbevollmächtigten
der Beklagten von [X.] wegen zumutbar. Der von dem Berufungsge-richt geforderte wiederholte Übermittlungsversuch erforderte von dem Prozess-bevollmächtigten
keinen erheblichen zusätzlichen Zeit-
, Kosten-
oder Organi-sationsaufwand (vgl. [X.], Beschluss vom 21.
Juli 2011 -
IX
ZB 218/10, nv 8
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-

7

-
Rn.
4). Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Pro-zessbevollmächtigte, der weder die Abgabe einer
Störungsmeldung noch [X.] hinsichtlich der Art und der Dauer der technischen Störung vorge-tragen hat, einen erneuten Übermittlungsversuch vor Fristablauf auch nicht als von vornherein aussichtslos ansehen durfte.

b) [X.] hat mit Recht angenommen, dass der Vortrag der insoweit darlegungsbelasteten Beklagten die Ursächlichkeit zwischen der schuldhaften Sorgfaltspflichtverletzung ihres Prozessbevollmächtigten und der Fristversäumung nicht ausräumen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 11.
Oktober 2000 -
IV
ZB 17/00, NJW 2001, 76, 77; vom 5.
September 2012 -
VII
ZB 25/12, NJW 2012, 3516 Rn. 12 mwN). Hat der Rechtsanwalt nicht alle ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen der Fristwahrung ergriffen, geht es zu seinen Lasten, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Frist auch bei [X.] dieser Maßnahmen
versäumt worden wäre ([X.], Beschluss vom 7.
März 2013 -
I
ZB 67/12, NJW-RR 2013, 1011 Rn. 8). Es ist nicht auszuschließen, dass im Fall eines vor 24 Uhr vorgenommenen Wiederholungsversuchs
die Be-rufungsbegründung fristgerecht an das Berufungsgericht übermittelt worden wäre.

c) Die von der
Rechtsbeschwerde geltend gemachte Verletzung des [X.]s auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs. 1 GG) liegt nicht vor. Das [X.] hat nicht gegen seine Hinweispflicht nach
§
139 ZPO verstoßen.
Ein gerichtlicher Hinweis ist regelmäßig entbehrlich, wenn die [X.] von der Gegenseite die gebotene Unterrichtung erhalten hat (vgl. [X.], Urteil vom 22.
November 2006 -
VIII
ZR 72/06, [X.]Z 170, 67 Rn. 19; Beschluss vom 20.
Dezember 2007 -
IX
ZR 207/05, NJW-RR 2008, 581 Rn. 2
mwN).
Der Klä-ger hat bereits mit Schriftsatz vom 21.
Juni 2016 unmissverständlich die man-10
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-
gelnde
Konkretisierung des [X.] beanstandet, wobei er insbeson-dere die Tatsache hervorgehoben hat, dass weitere [X.]
des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach dem
Scheitern der um 23:15
Uhr versuchten Übertragung nicht dargelegt worden seien. Die Beklagten haben innerhalb der von dem Berufungsgericht gesetzten Frist Stellung zu diesem klägerischen Vorbringen genommen, ohne jedoch den ihnen bereits zu diesem Zeitpunkt möglichen und gebotenen Vortrag zu weiteren Übermittlungsversu-chen zu halten.

d) Der erstmals
mit der Rechtsbeschwerde gehaltene Vortrag, wonach der Prozessbevollmächtigte der Beklagten
zwischen 22:47
Uhr und
23:15
Uhr insgesamt 13 erfolglose Verbindungsversuche unternommen habe, danach die Telefonanlage und den Router
zurückgesetzt
habe, was aber ebenfalls nicht zum Erfolg geführt habe, und seine Bemühungen erst kurz nach [X.] habe, kann demnach nicht mehr berücksichtigt werden. Grundsätzlich müssen alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein [X.], innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden; die Glaubhaftmachung hat bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag zu erfolgen (§
234 Abs. 1, §
236 Abs. 2
Satz 1 ZPO). Lediglich erkennbar unklare oder ergän-zungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach §
139 ZPO geboten ist, [X.] noch nach Fristablauf
-
auch im Rechtsbeschwerdeverfahren
-
erläutert
oder vervollständigt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 3.
Dezember 2015
-
V
ZB 72/15, NJW 2016, 874 Rn. 8 f;
vom 16.
August 2016 -
VI
ZB 19/16, NJW 2016, 3312 Rn. 7, 10; vom 2.
Februar 2017 -
VII
ZB 41/16, NJW-RR 2017, 627 Rn. 15; vom 13.
Juli 2017 -
IX
ZB 110/16, [X.] Rn. 14).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Weder geht es im Streitfall um unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, noch hat das Berufungsgericht 12
13
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9

-
gegen seine Hinweispflicht verstoßen. Die Beklagten haben vielmehr erstmals mit der Rechtsbeschwerdebegründung weitere [X.] vorge-tragen. Damit können
sie nicht gehört werden.

Kayser
Gehrlein
Pape

Grupp
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.01.2016 -
2 O 238/15 -

OLG Frankfurt am [X.], Entscheidung vom 24.08.2016 -
26 [X.] -

Meta

IX ZB 81/16

14.09.2017

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.09.2017, Az. IX ZB 81/16 (REWIS RS 2017, 5330)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5330

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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